Ende März präsentierte die 30-köpfige Jury die sechs besten Beiträge des von der Schweizerischen Gemeinnützigen Gesellschaft (SGG) ausgeschriebenen Wettbewerbs um eine neue Nationalhymne. Diese sechs aus rund 200 Vorschlägen ausgewählten Beiträge wurden auf Kosten der SGG vom Schweizer Jugendchor in allen drei Landessprachen interpretiert. Die ursprünglich budgetierten Kosten von CHF 350'000 wurden laut SGG in der Zwischenzeit auf rund eine halbe Million erhöht. Wie von der SGG verlangt, lehnten sich alle sechs Vorschläge hinsichtlich ihres Textes der Präambel der Bundesverfassung an. Drei orientierten sich zudem an der bisherigen Melodie.
Allerdings wehte der Idee einer neuen Hymne nach wie vor ein sehr eisiger Wind entgegen. Nicht nur in der politischen Debatte wurde die Idee teilweise harsch kritisiert, sondern auch in der Presse wurde an den Vorschlägen kaum ein gutes Haar gelassen. "Platter Textgehalt", "unsingbar" oder "verunglückter Modernisierungsversuch" waren etwa Urteile über die sechs ausgewählten Beiträge. Anderer Meinung war Lukas Niederberger, der Geschäftsleiter der SGG. Viele Schweizerinnen und Schweizer könnten sich mit dem bestehenden, altmodischen und sperrigen Text nicht identifizieren. Gefragt sei deshalb die Vermittlung eines frischeren Schweizer Staatsgefühls.
Bis zum 15. Mai konnten die sechs Vorschläge online bewertet werden. Die drei Vorschläge mit den meisten Online-Stimmen gelangten sodann in eine zweite Runde. Anfang Juni bis Anfang September wurden die verbleibenden drei Vorschläge erneut online bewertet und in der Fernsehsendung "Potzmusig" am 12. September dem Fernsehpublikum vorgestellt. Der Beitrag von Werner Widmer erhielt dann aus dem zweiten Online-Voting sowie den SMS und Telefon-Stimmen während der Fernsehsendung die meisten Stimmen und wurde zum Siegerbeitrag gekürt. Widmer hatte die Melodie unverändert übernommen und legte lediglich einen neuen Text in einer einzigen Strophe vor ("Weisses Kreuz auf rotem Grund, unser Zeichen für den Bund: Freiheit, Unabhängigkeit, Frieden. Offen für die Welt, in der wir leben, woll’n wir nach Gerechtigkeit streben. Frei, wer seine Freiheit nützt, stark ein Volk, das Schwache stützt. Weisses Kreuz auf rotem Grund, singen wir gemeinsam aus einem Mund" / "Hissé là-haut dans le vent, notre drapeau rouge et blanc nous appelle à l’unité, à la paix. Soyons forts et solidaires, que la liberté nous éclaire. Ouverts et indépendants, pour le bien de nos enfants, devant le drapeau d’antan, renouvelons nos engagements"). Der Umstand, dass letztlich die alte Melodie obsiegte, zeige, wie stark die Hymne in der Bevölkerung verankert sei – so die Meinung in den Kommentarspalten.
Bevor der Vorschlag den Bundesbehörden unterbreitet wird, will ihn die SGG bei der Bevölkerung populär machen. Dies könne ein bis zwei Jahre dauern – so Lukas Niederberger. Dabei könne man sich auch vorstellen, die neue Hymne als Petition einzureichen – ein Vorschlag, den Konrad Graber (cvp, LU) im Rahmen einer Interpellation vorbrachte. Allerdings wäre damit die Hürde für eine Umsetzung der neuen Hymne ungleich höher, als wenn sie direkt als Vorstoss oder als Bundesratsanliegen dem Parlament unterbreitet würde.

Neue Nationalhymne?
Dossier: Bedeutung der Nationalhymne und Erneuerungsversuche