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Im Oktober 2018 veröffentlichte das Fedpol den Ergebnisbericht zur Vernehmlassung über das Vorläuferstoffgesetz. Von den 52 Vernehmlassungsantworten fiel die überwiegende Mehrheit positiv aus. Rund 80 Prozent der Vernehmlasserinnen und Vernehmlasser begrüssten die bundesrätlichen Bestrebungen zur Verbesserung der inneren Sicherheit der Schweiz und zur Bekämpfung des internationalen Terrorismus. Elf Teilnehmende, nämlich die SVP, die Kantone Nidwalden, Schwyz und Tessin sowie sieben Wirtschafts- und Industrieorganisationen, lehnten den Vorentwurf insgesamt ab. Sie kritisierten, das neue Gesetz generiere grossen zusätzlichen Aufwand und Datenschutzprobleme bei der Anwendung, verfehle aber aufgrund des eingeschränkten Anwendungsbereichs gleichzeitig das Ziel, die Sicherheit zu verbessern. Auch in den grundsätzlich zustimmenden Stellungnahmen wurden Vorbehalte betreffend den Datenschutz sowie die Zweck- und Verhältnismässigkeit der Regulierung geäussert. Insbesondere die Beschränkung der Regulierung auf den Umgang mit den betroffenen Stoffen im privaten Bereich – wohingegen der Umgang mit denselben Stoffen im professionellen Bereich nicht reguliert wird – mindere die Wirkung des Gesetzes deutlich. Ausserdem sei die auf wenige Chemikalien in bestimmter Qualität vorgesehene Beschränkung leicht umgehbar.

Bundesgesetz über Vorläuferstoffe für explosionsfähige Stoffe
Dossier: Strategie der Schweiz zur Terrorismusbekämpfung

Nachdem die Vorlage in der Vernehmlassung insgesamt sehr gut angekommen war – von 60 Teilnehmenden hatten nur drei das Vorhaben abgelehnt –, wies die Botschaft des Bundesrates zur Genehmigung und Umsetzung des Übereinkommens des Europarats zur Verhütung des Terrorismus mit dem dazugehörigen Zusatzprotokoll sowie zur Verstärkung des strafrechtlichen Instrumentariums gegen Terrorismus und organisierte Kriminalität keine grundlegenden Unterschiede zum Vorentwurf auf. Der Bundesrat verabschiedete sie Mitte September 2018 zuhanden des Parlaments. Der Kern der Vorlage war die Einführung einer neuen Strafbestimmung, die das Vorfeld von geplanten terroristischen Handlungen abdeckt, indem sie konkret die Anwerbung und Ausbildung von Terroristinnen und Terroristen, das Reisen für terroristische Zwecke und die entsprechende Finanzierung unter Strafe stellt. Über die Anforderungen der Abkommen des Europarats hinaus beinhaltete der Entwurf zudem die Revision der Strafnorm gegen kriminelle Organisationen (Art. 260ter StGB), sodass neu auch terroristische Organisationen davon erfasst werden und bei Verstoss höhere Strafen drohen. Des Weiteren waren auch Anpassungen im Rechtshilfe- und im Geldwäschereigesetz angedacht, wobei letztere insbesondere die Terrorismusfinanzierung erschweren und damit auch der entsprechenden Kritik der GAFI begegnen sollten.

Terrorismus und organisierte Kriminalität: Übereinkommen des Europarates und Verstärkung des strafrechtlichen Instrumentariums (BRG 18.071)
Dossier: Strategie der Schweiz zur Terrorismusbekämpfung
Dossier: Internationale polizeiliche Zusammenarbeit
Dossier: Übereinkommen des Europarates zur Verhütung des Terrorismus / Verstärkung des strafrechtlichen Instrumentariums gegen organisierte Kriminalität

Von den insgesamt 59 Vernehmlasserinnen und Vernehmlassern, die eine Stellungnahme zum Vorentwurf für ein Bundesgesetz über polizeiliche Massnahmen zur Bekämpfung von Terrorismus (PMT) abgegeben hatten, äusserte sich die grosse Mehrheit grundsätzlich zustimmend, wenn auch mit Vorbehalten, zum bundesrätlichen Vorhaben. Zwei Drittel der Teilnehmenden anerkannten, dass gesetzgeberischer Handlungsbedarf in diesem Bereich bestehe. Besonders positiv beurteilt wurden die Ausweitung des Kataloges an präventiv-polizeilichen Massnahmen sowie die anvisierte Zusammenarbeit der kommunalen, kantonalen und eidgenössischen Ebenen. Diese wurde im Vernehmlassungsbericht als «zentrale Voraussetzung für die Erkennung, Beurteilung und Verhinderung von terroristischen Straftaten» gewürdigt. Zehn Stellungnahmen fielen indes klar oder eher negativ aus. Die GLP, die Grünen, der SGV, die Menschenrechtsorganisationen Amnesty International, humanrights.ch und grundrechte.ch sowie weitere Organisationen aus juristischen Kreisen lehnten das Gesetzgebungsprojekt ab. Sie argumentierten hauptsächlich, die bereits bestehenden oder sich gerade in Einführung befindenden Massnahmen – darunter das NDG, der NAP gegen Radikalisierung und gewalttätigen Extremismus sowie die sich in Vernehmlassung befindenden Anpassungen des Strafrechts – reichten vorerst aus und müssten zuerst evaluiert werden, bevor weitere massive Eingriffe in die Grundrechte beschlossen würden. Hauptsächlich von den Kantonen wurden ausserdem Vorbehalte zum verfassungsrechtlichen Subsidiaritätsgebot vorgebracht, weil die Anordnung der präventiv-polizeilichen Massnahmen dem Fedpol und nicht den Kantonen obliege. Ebenfalls von den Kantonen kritisiert wurde der vorgesehene kantonale Vollzug der Massnahmen, weil dies bei unterschiedlichen oder fehlenden kantonalen Rechtsgrundlagen zu Schwierigkeiten führen könne und für sie mit erheblichem koordinatorischem sowie finanziellem Aufwand verbunden sei. Aus rechtsstaatlichen Gründen als bedenklich angesehen wurde überdies die vorgeschlagene Präventivhaft vor der Einleitung eines Strafverfahrens. Vorgeschlagen wurde von der KKJPD dagegen eine sogenannte gesicherte Unterbringung für Gefährder (GUG), um Verurteilte, die nach Verbüssen der Strafe ein konkretes und ernsthaftes Rückfallrisiko aufweisen, nicht in die Freiheit entlassen zu müssen und somit die Öffentlichkeit besser vor Gefährdern schützen zu können.

Bundesgesetz über polizeiliche Massnahmen zur Bekämpfung von Terrorismus (PMT; 19.032)
Dossier: Strategie der Schweiz zur Terrorismusbekämpfung
Dossier: PMT und damit umgesetzte Vorstösse
Dossier: Vorstösse und Massnahmen zur Bekämpfung islamistischer Radikalisierungstendenzen

Das Bundesgesetz über das Verbot der Gruppierungen «Al-Qaïda» und «Islamischer Staat» sowie verwandter Organisationen war im Sommer 2018 im Nationalrat ebenso unbestritten wie zuvor im Erstrat. Einstimmig und ohne Enthaltungen verlängerte der Nationalrat die Geltung des bestehenden Gesetzes bis zum 31. Dezember 2022. Damit wird verhindert, dass die Mittel zur Bekämpfung von «Al-Qaïda» und dem «Islamischen Staat» vorübergehend geschwächt werden, bis ein neuer Art. 74 NDG mit gleichwertigen Normen wie im Verbotsgesetz in Kraft treten wird. Die Schlussabstimmungen fielen ebenfalls in beiden Räten einstimmig aus: Der Nationalrat nahm das Gesetz mit 196 Stimmen an; der Ständerat stimmte mit 44 Stimmen dafür.

Verlängerung des Bundesgesetzes über das Verbot der Gruppierungen «Al-Qaïda» und «Islamischer Staat» sowie verwandter Organisationen (BRG 17.070)
Dossier: Bundesgesetz über das Verbot der Gruppierungen «Al-Qaïda» und «Islamischer Staat» sowie verwandter Organisationen

In der Frühjahrssession 2018 stimmte der Ständerat einstimmig und ohne Enthaltungen dem Vorhaben des Bundesrates zu, das Bundesgesetz über das Verbot der Gruppierungen «Al-Qaïda» und «Islamischer Staat» sowie verwandter Organisationen um vier Jahre zu verlängern.

Verlängerung des Bundesgesetzes über das Verbot der Gruppierungen «Al-Qaïda» und «Islamischer Staat» sowie verwandter Organisationen (BRG 17.070)
Dossier: Bundesgesetz über das Verbot der Gruppierungen «Al-Qaïda» und «Islamischer Staat» sowie verwandter Organisationen

Mit der Eröffnung der Vernehmlassung zum Bundesgesetz über polizeiliche Massnahmen zur Bekämpfung von Terrorismus (PMT) stiess der Bundesrat Ende 2017 das dritte und letzte der für jenes Jahr angekündigten Projekte zur Umsetzung der Strategie zur Terrorismusbekämpfung an. Die ersten beiden waren die Vorlage zur Verschärfung des Strafrechts und der Nationale Aktionsplan zur Verhinderung und Bekämpfung von Radikalisierung und gewalttätigem Extremismus gewesen. Das PMT verstärkt das polizeiliche Instrumentarium zur Gewährleistung der Sicherheit ausserhalb der Strafverfolgung. Dessen präventiv-polizeiliche Massnahmen sollen die nicht-polizeilichen Massnahmen des NAP ergänzen, um die Prävention am Anfang einer Radikalisierung sowie nach dem Strafvollzug zu stärken. Um Terrorismus vorzubeugen, soll das Gesetz radikalisierte Personen einerseits an der Ausreise in ein ausländisches Kampfgebiet hindern sowie sie andererseits von ihrem kriminogenen Umfeld trennen, sodass sie nicht von jenen Bezugspersonen zu einem entsprechenden Verbrechen veranlasst werden. Die neuen Möglichkeiten für den Umgang mit sogenannten Gefährdern – Personen, von denen eine gewisse Gefahr ausgeht, gegen die aber nicht genügend Hinweise für die Eröffnung eines Strafverfahrens vorliegen – umfassen vor allem verwaltungspolizeiliche Massnahmen wie die Pflicht, sich regelmässig auf einem Polizeiposten zu melden, ein Ausreiseverbot, ein Kontaktverbot, die Ein- bzw. Ausgrenzung – d.h. das Verbot, ein bestimmtes Gebiet zu verlassen bzw. zu betreten – und als letztes Mittel Hausarrest. Ergänzend sind Kontroll- und Umsetzungsmassnahmen wie die Mobilfunklokalisierung oder eine elektronische Fussfessel vorgesehen. Die Gefährdung der inneren oder äusseren Sicherheit der Schweiz wird zudem als neuer Haftgrund im Hinblick auf eine ausländerrechtliche Wegweisung vorgesehen. Ebenfalls zur Verbesserung der Terrorismusbekämpfung beitragen soll ein besserer Informationsaustausch zwischen dem Grenzwachtkorps, dem Zoll, der Transportpolizei des Bundes, dem SEM, dem NDB sowie dem Fedpol als zuständige Stelle für die Anordnung der im PMT vorgesehenen Massnahmen. Um gegen die kriminellen Netzwerke des Terrorismus vorgehen zu können, die sich über das Internet und die elektronischen Medien organisieren, soll das Fedpol künftig in ebendiesen Kommunikationskanälen verdeckt ermitteln können. Ausserdem sollen Personen, bei denen der Verdacht besteht, sie würden eine schwere Straftat begehen oder planen, im Schengener Informationssystem SIS sowie im nationalen Fahndungssystem RIPOL zur verdeckten Registrierung oder gezielten Kontrolle ausgeschrieben werden können. Die Vernehmlassung dauert bis Ende März 2018.

Bundesgesetz über polizeiliche Massnahmen zur Bekämpfung von Terrorismus (PMT; 19.032)
Dossier: Strategie der Schweiz zur Terrorismusbekämpfung
Dossier: PMT und damit umgesetzte Vorstösse
Dossier: Vorstösse und Massnahmen zur Bekämpfung islamistischer Radikalisierungstendenzen

Zusammen mit dem Bundesgesetz über polizeiliche Massnahmen zur Bekämpfung von Terrorismus (PMT) schickte der Bundesrat Ende 2017 auch ein Bundesgesetz über Vorläuferstoffe für explosionsfähige Stoffe (Vorläuferstoffgesetz, VSG) in die Vernehmlassung. Das neue Gesetz will den Zugang zu Stoffen, die zur Herstellung von Explosivstoffen verwendet werden können, für Privatpersonen teilweise einschränken und so deren Missbrauch verhindern. Terroristen hatten in letzter Zeit vermehrt selbst aus Produkten des täglichen Gebrauchs wie zum Beispiel Düngemittel, Reinigungsmittel für Schwimmbäder oder Unkrautvertilger hergestellte Sprengstoffe verwendet. Für den Kauf von Produkten, die Wasserstoffperoxid, Nitromethan, Salpetersäure, Kaliumchlorat, Kaliumperchlorat, Natriumchlorat, Natriumperchlorat oder Ammoniumnitrat in hoher Konzentration beinhalten, soll daher zukünftig eine Bewilligung erforderlich sein. Für Produkte mit mittelhoher Konzentration dieser Stoffe ist eine Registrierungspflicht vorgesehen, während Produkte mit geringer Konzentration weiterhin frei verkäuflich sein sollen. Die Verkaufsstellen haben aber in jedem Fall die Möglichkeit, verdächtige Vorkommnisse dem Fedpol zu melden. Alle neuen Regelungen betreffen nur Privatpersonen; bei Berufsleuten – z.B. Landwirtinnen und Landwirten – setzt der Bundesrat indes auf Eigenkontrolle und die Sensibilisierung der Branchen. Die Vernehmlassung läuft bis Ende März 2018.

Bundesgesetz über Vorläuferstoffe für explosionsfähige Stoffe
Dossier: Strategie der Schweiz zur Terrorismusbekämpfung

Das Bundesgesetz über das Verbot der Gruppierungen «Al-Qaïda» und «Islamischer Staat» sowie verwandter Organisationen war im Dezember 2014 befristet erlassen worden und verliert daher seine Geltung am 31. Dezember 2018. Um die gesetzlichen Rahmenbedingungen zur Bekämpfung des Terrorismus in der Schweiz nicht zu schwächen, soll die Geltungsdauer des Gesetzes um weitere vier Jahre verlängert werden. Die entsprechende Botschaft wurde vom Bundesrat im November 2017 verabschiedet.

Das am 1. September 2017 in Kraft getretene Nachrichtendienstgesetz (NDG) enthält in Artikel 74 eine Bestimmung, die den Bundesrat ermächtigt, terroristische Organisationen per Verfügung zu verbieten. Im Vergleich zum Gesetz über das Verbot von «Al-Qaïda» und dem «Islamischen Staat» sieht das NDG jedoch eine tiefere Strafe und keine Bundesstrafkompetenz vor. Diese Differenzen sollen durch eine Revision von Art. 74 NDG bereinigt werden. Da diese Revision jedoch zeitlich nicht mehr bis zum 31. Dezember 2018 vom Parlament beraten und vom Bundesrat per Verfügung in Kraft gesetzt werden kann, drängt sich die Verlängerung des Gesetzes über das Verbot dieser Gruppierungen auf. Nach Abschluss der NDG-Revision soll es aufgehoben werden.

Verlängerung des Bundesgesetzes über das Verbot der Gruppierungen «Al-Qaïda» und «Islamischer Staat» sowie verwandter Organisationen (BRG 17.070)
Dossier: Bundesgesetz über das Verbot der Gruppierungen «Al-Qaïda» und «Islamischer Staat» sowie verwandter Organisationen

Bei einer Stimmbeteiligung von knapp 43 Prozent nahm die Schweizer Stimmbevölkerung am 25. September 2016 das Bundesgesetz über den Nachrichtendienst (NDG) mit 65.5 Prozent Ja-Stimmen an. Das Resultat fiel damit noch deutlicher aus, als es die im Vorfeld durchgeführten Umfragen erwarten liessen. In keinem einzigen Kanton resultierte eine Nein-Mehrheit. Die geringste Zustimmung erfuhr das NDG im Kanton Basel-Stadt mit 55 Prozent. Am höchsten fiel die Zustimmung mit gut 74 Prozent im Kanton Waadt aus, gefolgt von Nidwalden mit gut 70 Prozent. In allen anderen Kantonen bewegte sich der Ja-Anteil zwischen 60 und 70 Prozent, wobei sich keine nennenswerten Unterschiede zwischen den Landesteilen oder zwischen Stadt und Land zeigten.
Bundesrat Guy Parmelin, der hiermit seine Feuerprobe als neuer Verteidigungsminister vor dem Stimmvolk souverän bestanden hatte, zeigte sich sehr zufrieden mit dem Ausgang der Abstimmung. Die Schweiz erhalte damit moderne Mittel, um auf aktuelle Bedrohungen zu reagieren, sagte er gegenüber den Medien. Auch das Ja-Komitee zeigte sich erfreut, dass es gelungen sei, die Ängste vor der Massenüberwachung zu entkräften. Die Presse deutete das Resultat entsprechend als Vertrauensbeweis der Stimmbevölkerung in den Staat. Das unterlegene Nein-Lager kündigte unterdessen an, nun auf die transparente Kontrolle des NDB zu pochen und die vom Bundesrat kommunizierte Zahl von rund zehn Überwachungsfällen pro Jahr genau im Auge zu behalten.
In Kraft treten wird das neue NDG am 1. September 2017. Bis dahin gebe es noch viel zu tun, erklärte der Verteidigungsminister. So müsse der NDB organisatorisch und technisch auf seine neuen Befugnisse ausgerichtet werden, denn mit diesen Anpassungen habe man bis zur Abstimmung zugewartet. Die personelle Aufstockung des NDB um 20 Stellen solle bis 2019 schrittweise erfolgen. Möglichst zeitnah müsse zudem die neue unabhängige Aufsichtsbehörde eingerichtet werden, deren Leitung der VBS-Chef bis Ende Jahr ernennen werde. Die Aufsicht solle dann – wie auch die Sicherheitspolitischen Kommissionen der eidgenössischen Räte und die GPDel – bereits in die Ausarbeitung der Verordnungen zur Konkretisierung des NDG einbezogen werden, die der Bundesrat Anfang 2017 in die Vernehmlassung schicken wolle.


Abstimmung vom 25. September 2016

Beteiligung: 42.94%
Ja: 1'459'068 (65.5%)
Nein: 768'065 (34.5%)

Parolen:
– Ja: BDP, CVP, EDU (1*), EVP (1*), FDP, FP, KVP, SVP (1*); KKJPD, Economiesuisse
– Nein: GP, PdA, Piratenpartei, SD, SP (2*); GSoA, Digitale Gesellschaft, Syndicom
– Stimmfreigabe: GLP (4*)
* In Klammern Anzahl abweichender Kantonalsektionen

Neues Nachrichtendienstgesetz (BRG 14.022)
Dossier: Staatliche Überwachung
Dossier: Vorstösse und Massnahmen zur Bekämpfung islamistischer Radikalisierungstendenzen

Lange bevor der Bundesrat Mitte Juni 2016 mit seiner Medienkonferenz den Abstimmungskampf zum Nachrichtendienstgesetz offiziell eröffnete, wurde das Thema breit in der Öffentlichkeit diskutiert. Anlass dazu boten etwa die Terroranschläge in Brüssel vom 22. März 2016, in deren Nachgang bürgerliche Sicherheitspolitikerinnen und -politiker den Bundesrat dazu aufforderten, dem Nachrichtendienst per dringlichem Bundesbeschluss schleunigst zu den notwendigen Kompetenzen zu verhelfen. Man könne nicht warten, bis das neue NDG nach der Referendumsabstimmung vom September in Kraft treten könne; die jüngsten Anschläge hätten gezeigt, «dass die Bedrohung durch Terrorismus real ist», erklärte die Präsidentin der SiK-NR, Ida Glanzmann-Hunkeler (cvp, LU), gegenüber der NZZ. In Zeiten wie diesen sei es «unsinnig», dass der NDB in seiner Arbeit behindert werde, zitierte die «Tribune de Genève» dazu SiK-SR-Präsident Isidor Baumann (cvp, UR). Der NDB sei momentan «blind und taub», mahnte der Genfer Sicherheitsdirektor Pierre Maudet (GE, fdp) an gleicher Stelle. Obschon die Forderung unerfüllt verhallte, lagen die Hauptargumente für das neue Nachrichtendienstgesetz damit schon einmal auf dem Tisch.

Dass ein grosser Teil der Schweizer Bevölkerung ähnlich dachte, zeigte die im Mai veröffentlichte Studie «Sicherheit 2016» der ETH Zürich. Darin schätzten rund drei Viertel der Befragten die weltpolitische Lage (eher) pessimistisch ein, wobei die Erhebungen bereits im Januar und damit vor den Terrorattacken in Brüssel stattgefunden hatten. Damit einher gingen ein gegenüber dem Vorjahr gestiegenes subjektives Unsicherheitsempfinden sowie die klare Unterstützung von Massnahmen zur Wahrung der inneren Sicherheit wie Datensammlungen über verdächtige Personen, Armeeeinsätze zur Sicherstellung von Ruhe und Ordnung, die Aufstockung der Polizeikorps, Videoüberwachung im öffentlichen Raum oder vorsorgliche Verhaftungen. Von einer gewissen Ambivalenz zeugten die Antworten zum Verhältnis von Freiheit und Sicherheit: 55 Prozent der Befragten waren der Meinung, dass der Staat die Sicherheit der Bevölkerung auch auf Kosten der persönlichen Freiheit garantieren solle, gleichzeitig würden sich aber ebenfalls 55 Prozent für Freiheit statt Sicherheit entscheiden, wenn sie gezwungen wären, eins der beiden zu wählen. Zwei Drittel befürworteten aber die Terrorismusbekämpfung auch unter Einschränkung der persönlichen Freiheit – ein Ergebnis, das «Wasser auf die Mühlen der Befürworter» des neuen NDG sei, wie das St. Galler Tagblatt resümierte.

Weiteren Impetus fand die Befürworterseite in der Tatsache, dass sich offenbar auch der IZRS an der Unterschriftensammlung gegen das NDG beteiligt hatte, wie die Luzerner Zeitung Mitte Juni bekannt machte. Die umstrittene islamische Organisation sehe im NDG ein «Vehikel gegen Muslime», in dessen Fokus «je nach politischem Klima» auch andere Gruppen geraten könnten, weshalb Mediensprecher Qaasim Illi zur Unterschrift gegen das NDG aufgerufen habe. Im Einsatz für das NDG sah man sich dadurch bestätigt, denn es sei «bezeichnend», dass «ein Verein wie der IZRS, der selber im Fokus des NDB stehen könnte», gegen das Gesetz mobil mache, zitierte die Zeitung Ida Glanzmann-Hunkeler. Sogar Bundesrat Guy Parmelin sollte den Widerstand des IZRS einige Tage später vor den Medien lakonisch als «beste Werbung für das Gesetz» bezeichnen. Die Gegenseite distanzierte sich derweil von «diesen Extremisten», wie SP-Sprecher Michael Sorg betonte; man sei nicht verbündet und stehe in keinerlei Kontakt. Aus dem Abstimmungskampf wollte sich der IZRS denn auch heraushalten, wie er über eine Sprecherin verlauten liess.

Auf der Pro-Seite stand neben dem Bundesrat ein überparteiliches Ja-Komitee, das Parlamentarierinnen und Parlamentarier aller grösseren Parteien ausser den Grünen vereinte. Im Laufe der Kampagne sprachen sich zudem die Ost- und Westschweizer Konferenzen der Justiz- und Polizeidirektorinnen und -direktoren sowie die Regierungsräte der Kantone Zürich und Schaffhausen für das NDG aus. Das Hauptargument für das neue Gesetz war, dass die Mittel des schweizerischen Nachrichtendienstes an die aktuelle Bedrohungslage angepasst werden müssten, denn mit seinen heutigen Instrumenten könne er die Schweiz nicht ausreichend vor den sich ständig verändernden und komplexer werdenden Gefahren schützen. Der NDB sei schlicht «überholt», konstatierte FDP-Nationalrätin Corina Eichenberger (fdp, AG) gegenüber der Presse. Klar könne das Risiko nicht vollständig eliminiert werden, aber es seien schon viele Attentate dank Überwachung verhindert worden, pries SVP-Ratskollege Raymond Clottu (svp, NE) die neuen Überwachungsmöglichkeiten an. Als die Ziele des NDG nannte Verteidigungsminister Guy Parmelin einerseits die präventive Überwachung der «gefährlichsten Individuen» (NZZ) sowie andererseits die Erschwerung von Cyberangriffen und -spionage, wie im Fall der Ruag, der Anfang 2016 aufgedeckt worden war. Als weiteren Vorzug des neuen Gesetzes hob NDB-Chef Markus Seiler die Vereinfachung der internationalen Zusammenarbeit in der Terrorismusbekämpfung hervor. Gleichzeitig warnte er vor einer Schwächung der internationalen Stellung der Schweiz, sollte das Gesetz abgelehnt werden, denn je weniger eigene nachrichtendienstliche Erkenntnisse die Schweiz habe, umso grösser sei die Gefahr, von ausländischen Geheimdiensten instrumentalisiert zu werden. Es sei aber mitnichten die Absicht des neuen Gesetzes, alle Bürgerinnen und Bürger zu überwachen und selbstverständlich müsse Missbrauch verhindert werden, betonte Bundesrat Parmelin weiter. Auch das Komitee erklärte, umfassende Kontrollmechanismen und eine gut ausgebaute Aufsicht über den Nachrichtendienst verhinderten, dass ein Überwachungsstaat geschaffen werde. Die Befürworterinnen und Befürworter wurden nicht müde zu betonen, dass das NDG das Gleichgewicht zwischen individueller Freiheit und Sicherheit wahre und letztlich schlicht notwendig sei – oder mit den Worten von SP-Nationalrätin Rebecca Ruiz (sp, VD) in der «Tribune de Genève»: «Wir können nicht bei Windows 95 und Walkie-Talkies bleiben.» Der Status quo sei eine Reaktion auf den Fichenskandal in den 1990er-Jahren gewesen, erklärte auch EDÖB Adrian Lobsiger gegenüber der Sonntagszeitung. Seither hätten sich die Welt verändert und die Sicherheitslage verschärft. Auch er bezeichnete das NDG als «Kompromiss zwischen Freiheit und Sicherheit», liess sich aber nicht auf eine explizite Abstimmungsempfehlung hinaus. Zum frühen Zeitpunkt des offiziellen Kampagnenstarts Mitte Juni sagte Bundesrat Parmelin, er wolle eine «pädagogische» Abstimmungskampagne führen, um der Bevölkerung angesichts des heiklen und komplexen Themas genau zu erklären, was die Neuerungen seien und warum sie nötig seien.

Die Kontra-Seite bestand hauptsächlich aus dem Referendumskomitee «Bündnis gegen den Schnüffelstaat», das von den Grünen, der SP, den Juso, der Piratenpartei, der Gewerkschaft Syndicom, der Digitalen Gesellschaft, dem Verein Grundrechte.ch sowie dem Chaos Computer Club unterstützt wurde. Ein bürgerlich geprägtes Gegenkomitee um die bürgerlichen Jungparteien, kritische Parlamentarierinnen und Parlamentarier von SVP bis GLP sowie die Operation Libero, das liberale Argumente gegen das NDG anführen wollte, zerbrach hingegen, bevor es sich formieren konnte. Man habe das NDG gleichzeitig mit dem BÜPF bekämpfen wollen, aber mit dem Scheitern des BÜPF-Referendums sei die Gruppe auseinandergefallen, schilderte der Koordinator und stellvertretende SGV-Direktor Henrique Schneider dem St. Galler Tagblatt. So dominierten denn auch die von links geäusserten Bedenken das Argumentarium der Gegnerschaft. Weil es dem NDB erlaube, auf Basis blosser Vermutungen zu agieren, gehe das neue Nachrichtendienstgesetz zu weit, so das Hauptargument des Nein-Lagers. Juso-Präsidentin Tamara Funiciello nannte das NDG einen «Schritt Richtung Massenüberwachung». Mit dem Gesetz würden alle Bürgerinnen und Bürger zu Verdächtigen gemacht, sodass der NDB letztlich jeden zum potenziellen Terroristen «emporstilisieren» könne, kritisierte der Präsident des Vereins Grundrechte.ch, Viktor Györffy. Das von der Befürworterseite propagierte Gleichgewicht zwischen individueller Freiheit und Sicherheit konnte die Gegnerschaft nirgends erkennen. Mit der Stärkung des Nachrichtendienstes kreiere man nur eine «Illusion von Sicherheit», bemängelte der Grüne Nationalrat Balthasar Glättli (gp, ZH). Die Attentäter von Paris und Brüssel seien sehr wohl nachrichtendienstlich oder polizeilich bekannt gewesen, aber nichtsdestotrotz hätten die Anschläge nicht verhindert werden können. Dass eine parlamentarische oder juristische Kontrolle die Aktivitäten des NDB und damit die Eingriffe in die Grundrechte wirklich begrenzen könne, sei ebenfalls «illusorisch», so Györffy weiter. Glättli sah das Gesetz ausserdem – sowohl aufgrund der Zusammenarbeit mit ausländischen Nachrichtendiensten als auch wegen der Möglichkeit zum Eindringen in ausländische Computersysteme – als Gefahr für die Neutralität der Schweiz. Zudem missbilligte die Gegnerschaft, dass der Staat durch den Kauf von Trojanern den Schwarzmarkt für Sicherheitslücken und das organisierte Verbrechen fördere.

Insgesamt verlief die öffentliche Debatte über lange Zeit unaufgeregt und angesichts der Tragweite des Themas eher spärlich. Erst rund drei Wochen vor dem Abstimmungssonntag, im Anschluss an die SRF-«Arena» zum NDG, gewann sie «doch noch etwas an Temperatur», wie der Tages-Anzeiger kommentierte. Dabei stand das Instrument der Kabelaufklärung im Fokus, in der die Gegenseite nichts anderes als die verdachtsunabhängige Massenüberwachung erkannte. Die Beteuerung, es werde nur der grenzüberschreitende, nicht aber der inländische Internetverkehr überwacht, sei bedeutungslos, da etwa sehr viele E-Mails über ausländische Server verschickt würden, auch wenn sich Sender und Empfänger in der Schweiz befänden. Ein viel genanntes Argument gegen diese Art der Überwachung war die Suche nach der sprichwörtlichen Nadel im Heuhaufen, die eben nicht einfacher werde, wenn man den Heuhaufen vergrössere. NDG-Fürsprecherin Corina Eichenberger hielt dem in der «Tribune de Genève» entgegen, man werde im Internetverkehr schon nach sehr eng definierten Schlagworten suchen, und nicht einfach nach «Islam» oder «Bombe». Ausserdem führte die Pro-Seite an, der NDB verfüge gar nicht über genug Ressourcen für eine solche Massenüberwachung. Der Bundesrat sprach bis zuletzt von rund zehn Fällen pro Jahr, in denen bewilligungspflichtige Beschaffungsmassnahmen eingesetzt würden, wie er auch schon dem Parlament erklärt hatte. In den Medien wurde diese Zahl jedoch in Zweifel gezogen, da sich seit den parlamentarischen Beratungen die Bedrohungslage durch vermehrte Anschläge in Europa – die bisher folgenschwersten in Paris und Brüssel – und die zunehmende Anzahl Dschihad-Reisender aus der Schweiz verschärft habe. Während das VBS die Zahl als Durchschnittswert, der mit der Bedrohungslage variieren könne, verteidigte, sprach Ida Glanzmann-Hunkeler eher von 20 bis 25 Fällen pro Jahr, wobei diese Schätzung nicht statistisch extrapoliert, sondern «mehr ein Gefühl» sei, wie sie gegenüber dem Tages-Anzeiger erklärte. NDG-Gegner Balthasar Glättli sah in diesem Zahlenwirrwarr gemäss St. Galler Tagblatt ein Indiz dafür, dass «die staatlichen Schnüffler wesentlich hungriger» seien, als sie es «vor der Abstimmung zugeben» wollten. Wie der Tages-Anzeiger feststellte, wurde der Abstimmungskampf gegen Ende zum «Streit der Begrifflichkeiten», der sich vor allem um die Definition von Massenüberwachung drehte. Es sei die Antwort auf die von Beat Flach (glp, AG) in der «Arena» gestellte Frage, ob es wirklich so furchtbar sei, dass in Zukunft alles zuerst durch den Filter des NDB gehe, die Befürworter und Gegner des NDG trenne, konstatierte dieselbe Zeitung.

Die ab Mitte August durchgeführten Umfragen zeigten schon von Anfang an eine breite Unterstützung von knapp 60 Prozent für das NDG, die bis zur letzten Umfragewelle Mitte September ungefähr konstant blieb. Als wichtigste Argumente identifizierten die Befragungen die Befürchtung möglichen Missbrauchs neuer Technologien auf der Pro- sowie den mangelhaften Schutz der Privatsphäre auf der Kontra-Seite. Bei den bürgerlichen Parteien wollte die Mehrheit der Basis Ja stimmen, während die Anhängerschaft der linken Parteien mehrheitlich ein Nein einlegen wollte. Damit hatte das NDG gute Voraussetzungen, das Referendum ungefährdet zu passieren.

Neues Nachrichtendienstgesetz (BRG 14.022)
Dossier: Staatliche Überwachung
Dossier: Vorstösse und Massnahmen zur Bekämpfung islamistischer Radikalisierungstendenzen

Wenige Tage nachdem das Parlament das Nachrichtendienstgesetz verabschiedet hatte, begannen die Gegner des Gesetzes Anfang Oktober 2015 mit der Unterschriftensammlung für das bereits vorher angekündigte NDG-Referendum. Jungsozialisten, Grüne, die Piratenpartei, die Alternative Liste, die GSoA, der Verein Grundrechte Schweiz sowie das Bündnis Digitale Gesellschaft schlossen sich dazu zum „Bündnis gegen den Schnüffelstaat“ zusammen. Starthilfe erhielt die Allianz sogar aus dem Ausland: Nils Muižnieks, Menschenrechtskommissar des Europarats, kritisierte kurz vor der Schlussabstimmung im Parlament die geplanten Beschaffungsmassnahmen und sah das in der EMRK verankerte Recht auf Respektierung des Privatlebens durch Staatstrojaner in Gefahr. Anfang Dezember beschloss dann auch die SP an ihrer Delegiertenversammlung, dem „Bündnis gegen den Schnüffelstaat“ beizutreten. Bis zum Ablauf der Referendumsfrist am 14. Januar 2016 reichten die NDG-Gegner gut 56'000 gültige Unterschriften bei der Bundeskanzlei ein, womit das Referendum zustandegekommen ist und das Volk das letzte Wort zum NDG haben wird.

Neues Nachrichtendienstgesetz (BRG 14.022)
Dossier: Staatliche Überwachung
Dossier: Vorstösse und Massnahmen zur Bekämpfung islamistischer Radikalisierungstendenzen

Nach der Beratung durch den Zweitrat im Sommer 2015 verblieben fünf grundsätzliche Differenzen in der Beratung zum Nachrichtendienstgesetz. Als erstes stellte sich bei Art. 23 NDG die Frage, ob der NDB Personen anhalten darf oder ob diese Kompetenz ausschliesslich den Polizeibehörden vorbehalten bleiben soll. Die Mehrheit der SiK-NR beantragte, dem Ständerat zu folgen und diese Kompetenz bei den Polizeibehörden zu belassen. Demgegenüber wollte eine von der SVP und der CVP unterstützte Minderheit in Ausnahmefällen auch dem NDB diese polizeilichen Befugnisse einräumen. Mit 107 zu 77 Stimmen bei einer Enthaltung wurde der Antrag der Kommissionsmehrheit gegen den Widerstand der geschlossen stimmenden SVP-Fraktion und der Mehrheit der CVP-Fraktion angenommen.

In Art. 28 Abs. 6 NDG wird das Bundesverwaltungsgericht verpflichtet, einen Tätigkeitsbericht über die Ausübung seiner Funktion als Bewilligungsinstanz für genehmigungspflichtige Beschaffungsmassnahmen zuhanden der GPDel zu verfassen. Strittig war hier, ob dieser Bericht mindestens in seinem allgemeinen Teil öffentlich zugänglich sein muss oder ob der Entscheid über eine allfällige Veröffentlichung der GPDel als Adressatin des Berichtes überlassen werden soll. Während eine links-grüne Minderheit für mehr Transparenz plädierte, sah die Kommissionsmehrheit in der Veröffentlichungspflicht eine Beschneidung der Kompetenzen der GPDel. Die bürgerliche Mehrheit konnte sich in diesem Punkt klar mit 117 zu 69 Stimmen bei 3 Enthaltungen durchsetzen.

Derselbe ideologische Graben zeigte sich in der Diskussion um Art. 36 NDG, dem eigentlichen Kernstück der Vorlage. Der erste Streitpunkt war hier, ob der Bundesrat Entscheide über das Eindringen in Computernetzwerke im Ausland, von welchen Angriffe auf kritische Infrastrukturen in der Schweiz ausgehen, an den Chef oder die Chefin des VBS bzw. an den Direktor oder die Direktorin des NDB delegieren kann oder nicht. Entgegen einem Minderheitsantrag aus dem linken Lager und der Empfehlung des Bundesrates hielt die grosse Kammer mit 107 zu 80 Stimmen an dieser Delegationsmöglichkeit fest. Nicht weniger umstritten war das Eindringen in Computernetzwerke im Ausland zwecks Informationsbeschaffung. Während der Ständerat hier das gleiche Bewilligungsverfahren wie für die genehmigungspflichtigen Beschaffungsmassnahmen vorgesehen hatte, war inzwischen klar, dass das Bundesverwaltungsgericht nicht bereit ist, solche Aktionen auf ausländischem Territorium zu bewilligen. Diese Kontrollmöglichkeit fiel somit aus. Infolgedessen beantragte eine linke Kommissionsminderheit, die betreffenden Befugnisse des NDB vollständig zu streichen. Mit 128 zu 59 Stimmen folgte der Nationalrat jedoch seiner Kommissionmehrheit und hielt an seinem letzten Beschluss, welcher auch der Fassung des Bundesrates entsprach, fest. Diese Regelung sieht vor, dass „in politisch heiklen Fällen“ der Chef oder die Chefin des VBS einer solchen Massnahme zustimmen muss.

Die vierte Kontroverse drehte sich um Art. 66 NDG und damit um die Ausnahme des NDB vom Öffentlichkeitsprinzip. Der Ständerat hatte in der Sommersession beschlossen, das gesamte NDG vom Öffentlichkeitsprinzip auszuschliessen. Diese Extremlösung stand im Nationalrat gar nicht mehr zur Debatte, dafür aber ihr Gegenstück: Eine linke Minderheit wollte das gesamte Gesetz grundsätzlich dem Öffentlichkeitsprinzip unterstellen, blieb damit aber chancenlos. Mit 132 zu 55 Stimmen sprach sich die grosse Kammer für den Kompromissantrag der Kommissionsmehrheit und des Bundesrates aus, nach welchem nur der Bereich der Informationsbeschaffung vom Öffentlichkeitsprinzip ausgenommen wird.

Als fünfte grosse Differenz bestand noch die Frage der Aufsicht über den NDB. Die SiK-NR arbeitete hier detailliertere Regelungen aus als jene, welche der Ständerat im Sommer mehr oder weniger „provisorisch“ eingefügt hatte, um die Diskussion am laufen zu halten. Diese neuen Bestimmungen stiessen im Nationalrat auf überwiegend positive Resonanz und wurden ohne nennenswerten Schlagabtausch angenommen. Ein Minderheitsantrag von linker Seite, welcher noch eine Ergänzung anbringen wollte, blieb erfolglos. Somit übergab die grosse Kammer die Vorlage mit verbleibenden drei grossen Differenzen an den Ständerat.

Ausser beim umstrittenen Art. 36 NDG stimmte die kleine Kammer überall dem Entwurf des Nationalrates zu und räumte die Differenzen aus. Mit der vom Nationalrat erneut beschlossenen Delegationsmöglichkeit bei Entscheiden über das Eindringen in Computersysteme, welche sich im Ausland befinden, wollte sich der Ständerat nicht abfinden und hielt im Gegenzug ebenfalls an seiner Version ohne Delegationsmöglichkeit fest. Bundesrat Maurer unterstrich noch einmal ausdrücklich, dass dies auch der Haltung des Bundesrates entspreche. In Bezug auf das Eindringen in Computernetzwerke im Ausland zur Informationsbeschaffung genügte dem Ständerat die vom Nationalrat beschlossene Regelung nicht. Anstatt nur in politisch heiklen Fällen seine Zustimmung zu geben, soll der Vorsteher oder die Vorsteherin des VBS die Departementsvorstehungen des EDA und des EJPD konsultieren und anschliessend den NDB zu einer solchen Massnahme ermächtigen. Diese beiden Regelungen fanden auch im Nationalrat stillschweigende Zustimmung, womit die letzten Differenzen beseitigt waren. In der Schlussabstimmung wurde das NDG schliesslich im Nationalrat mit 145 zu 58 Stimmen bei 8 Enthaltungen und im Ständerat mit 35 zu 5 Stimmen bei 3 Enthaltungen angenommen. Die ablehnenden Stimmen kamen wenig überraschend mehrheitlich aus dem links-grünen Lager, welches auch schon das Referendum angekündigt hatte.

Neues Nachrichtendienstgesetz (BRG 14.022)
Dossier: Staatliche Überwachung
Dossier: Vorstösse und Massnahmen zur Bekämpfung islamistischer Radikalisierungstendenzen

Im Ständerat, welcher sich in der Sommersession 2015 als Zweitrat mit dem Nachrichtendienstgesetz auseinanderzusetzen hatte, zeigten sich bereits in der Eintretensdebatte die gleichen Konflikt- und Argumentationslinien, welche schon die Debatte im Nationalrat geprägt hatten. Mit 37 gegen 3 Stimmen bei 2 Enthaltungen sprach sich die kleine Kammer klar für Eintreten aus. Inhaltlich war analog zum Nationalrat auch im Ständerat die Kabelaufklärung besonders umstritten. Paul Rechsteiner (sp, SG) beantragte, «diese überschiessenden neuen Kompetenzen» des NDB aus dem Gesetz zu streichen. Mit 29 zu 6 Stimmen bei 3 Enthaltungen schloss sich der Ständerat jedoch seiner vorberatenden Kommission und dem Bundesrat an und unterstützte das Argument, dass die Massnahmen der Kabelaufklärung entscheidend zur Erhöhung der Sicherheit in der Schweiz beitragen würden. Eine weitere Debatte entzündete sich an Art. 66 NDG und damit an der Frage, ob der NDB grundsätzlich dem Öffentlichkeitsprinzip unterstellt sein soll oder nicht. Während die Kommissionsmehrheit dem Nationalrat und dem Bundesrat folgen und nur die Informationsbeschaffung durch den NDB vom Öffentlichkeitsprinzip ausnehmen wollte, forderte eine Kommissionsminderheit, die Unterstellung des NDB unter das Öffentlichkeitsgesetz vollumfänglich aufzuheben. Dazu soll im Bundesgesetz über das Öffentlichkeitsprinzip der Verwaltung ausdrücklich verankert werden, dass der NDB – wie bisher schon die Nationalbank und die Finma – von dessen Geltungsbereich ausgenommen ist. Bundesrat Maurer pries den Bundesratsvorschlag als Kompromiss zwischen Information und damit Vertrauen von der Bevölkerung einerseits und Vertraulichkeit und dadurch besserer Zusammenarbeit mit ausländischen Partnerdiensten andererseits an. Die Kantonskammer liess sich davon jedoch nicht überzeugen und entschied mit 22 zu 19 Stimmen ohne Enthaltungen zugunsten der Kommissionsminderheit.

Als verbleibende grosse Baustelle im neuen Gesetz hatte die vorberatende SiK-SR die Aufsicht und Kontrolle über den NDB identifiziert. Von keinem der vorhandenen Lösungsvorschläge überzeugt, hatte sie zu diesem Thema eine Kommissionsmotion eingereicht, damit der Bundesrat hierzu ein neues, ganzheitliches, ausgereiftes Konzept erarbeite. Der Ständerat schuf hier folglich eine Differenz zum Nationalrat, welche in erster Linie bewirken soll, dass dieser Abschnitt der Gesetzesvorlage in der Differenzbereinigung im Nationalrat mit einigen neuen Inputs erneut beraten wird. Das zentrale Anliegen des Ständerates war hier die Schaffung eines unabhängigen, ausserdepartementalen Kontrollorgans.

Die restlichen Bestimmungen der Vorlage waren in der kleinen Kammer kaum umstritten und wurden grösstenteils stillschweigend angenommen, auch wenn der Ständerat damit seiner Kommission folgend einige weitere Differenzen schuf. So darf der NDB selbst keine Personen anhalten und Streitigkeiten betreffend den Quellenschutz sollen vom Bundesstrafgericht und nicht vom Bundesverwaltungsgericht entschieden werden. Darüber hinaus darf der Bundesrat Entscheide über das Eindringen in Computernetzwerke nicht delegieren und muss das Bundesverwaltungsgericht auch das Eindringen in Computer, welche sich im Ausland befinden, genehmigen. Die maximale Aufbewahrungsdauer für Restdaten wurde auf 10 Jahre verkürzt und Beschwerden gegen das Organisationsverbot sollen entgegen der Absicht des Nationalrates vor dem Bundesverwaltungsgericht angefochten werden können. In der Gesamtabstimmung nahm der Ständerat den Entwurf mit grosser Mehrheit (32 zu 5 Stimmen bei 2 Enthaltungen) an.

Neues Nachrichtendienstgesetz (BRG 14.022)
Dossier: Staatliche Überwachung
Dossier: Vorstösse und Massnahmen zur Bekämpfung islamistischer Radikalisierungstendenzen

Das Nachrichtendienstgesetz (NDG) war neben dem BÜPF die zweite Vorlage im Jahr 2015, bei der die eidgenössischen Räte eine Güterabwägung zwischen der Sicherheit der Bevölkerung und des Staates einerseits und dem Daten- und Persönlichkeitsschutz andererseits vornehmen mussten. Während das BÜPF jedoch die Verfolgung konkreter Straftatbestände durch die Behörden regelt, betrifft das NDG die präventive Überwachung durch den Nachrichtendienst (NDB). Die Gefahr einer erneuten Fichierung der Bevölkerung, welche von den Gegnern ins Feld geführt wurde, sah die grosse Mehrheit der vorberatenden SiK-NR nicht gegeben. Ziel des Gesetzes sei die präventive, gezielte Gewinnung von Schlüsselinformationen und der NDB erhalte dazu Instrumente für gezielte Eingriffe bei besonderen Bedrohungen, aber keine Generalvollmacht.

Als Erstrat hatte der Nationalrat dennoch zuerst über einen Nichteintretensantrag zu entscheiden. «Dieses Gesetz ist schlecht, lückenhaft und geht im entscheidenden Moment zu weit», begründete Daniel Vischer (gp, ZH) den Antrag. Das Gesetz stelle «unser kostbarstes Gut, die persönliche Freiheit» aufs Spiel und erlaube dem Staat einen «Lauschangriff». Die Befürworter des NDG hielten dagegen, dass sich die Bedrohungen in jüngster Zeit verändert hätten und man darum die Mittel anpassen müsse, um diesen Bedrohungen entgegenzutreten. Die Schweiz dürfe nicht aufgrund fehlender Kompetenzen des NDB zu einem Tummelplatz für Kriminelle und Terroristen, die hier unbehelligt ihre Taten vorbereiten können, sowie für ausländische Geheimdienste, welche die Überwachung des NDB als unzureichend empfinden, werden. Nach der hitzigen und langen Debatte votierte die klare Mehrheit der grossen Kammer mit 154 zu 33 Stimmen schliesslich für Eintreten. Dagegen stimmten die geschlossene grüne Fraktion, eine Minderheit der SP-Fraktion sowie einzelne Vertreter anderer Parteien.

Die Detailberatung erfolgte in vier thematischen Blöcken. Im ersten Block beschäftigte sich der Nationalrat mit den allgemeinen Bestimmungen des Gesetzes, den Aufgaben und der Zusammenarbeit des NDB sowie den genehmigungsfreien Beschaffungsmassnahmen. In diesem Themenbereich folgte die Volkskammer in allen Punkten ihrer Kommissionsmehrheit und brachte nur geringfügige Änderungen am Entwurf des Bundesrates an.

Die Bestimmungen des zweiten Blocks, zu denen die genehmigungspflichtigen Beschaffungsmassnahmen, der Quellenschutz, die Beschaffung von Informationen über Vorgänge im Ausland, die Kabelaufklärung und die Koordination mit der BÜPF-Revision gehören, sorgten für weitaus mehr Zündstoff in der Debatte, stellen sie doch den eigentlichen Kernbereich der Vorlage dar. Bei den genehmigungspflichtigen Beschaffungsmassnahmen war weniger die konkrete Ausgestaltung umstritten als die Frage, ob es sie überhaupt geben soll. Es handelt sich dabei um Massnahmen zur Überwachung ausserhalb des öffentlichen Raumes, d.h. Eingriffe in die Privatsphäre. Eine Minderheit um Daniel Vischer beantragte, den gesamten Abschnitt betreffend die genehmigungspflichtigen Beschaffungsmassnahmen aus dem Gesetz zu streichen, da diese nicht verhältnismässig angewendet werden könnten und «rechtsstaatlich unzulässig» seien. Das Ansinnen fand im links-grünen Lager grosse Unterstützung, hatte gegen die bürgerliche Mehrheit aber keine Chance. Die Befürworter argumentierten einmal mehr, dass diese Kompetenzen für den NDB unerlässlich seien, um die Sicherheit der Schweiz und ihrer Bevölkerung sicherzustellen. Missbrauch soll durch ein dreistufiges Bewilligungsverfahren, bei dem eine solche Massnahme zuerst vom Bundesverwaltungsgericht bewilligt und anschliessend nach einer Konsultation des EDA und des EJPD vom Chef oder der Chefin des VBS freigegeben werden muss, ausgeschlossen werden. Das gleiche Spiel wiederholte sich mit den Bestimmungen zur Kabelaufklärung. Sie geben dem NDB die Befugnis zur Suche nach bestimmten Schlagworten im Internet. Auch hier war nicht die konkrete Umsetzung umstritten, sondern die Existenz solcher Massnahmen an sich. Balthasar Glättli (gp, ZH) wollte mit einem Einzelantrag den gesamten Abschnitt betreffend die Kabelaufklärung aus dem Gesetz streichen. Die Meinungen und Argumente waren die gleichen wie in der Frage der genehmigungspflichtigen Beschaffungsmassnahmen und wiederum unterlag das links-grüne Lager der bürgerlichen Mehrheit im Rat. Die übrigen Bestimmungen in diesem Beratungsblock waren wenig umstritten und wurden alle gemäss Antrag der Kommissionsmehrheit angenommen.

Die Diskussion im dritten Block über die Bestimmungen zur Datenbearbeitung und -archivierung verlief entlang der gefestigten Argumentationslinien und war ansonsten wenig kontrovers. Die Kommission habe sehr hohe Ansprüche an die Datenerfassung, die Überprüfung der Plausibilität von Daten und die Datenarchivierung gestellt und immer darauf geachtet, die Interessen der breiten Bevölkerung am Persönlichkeitsschutz zu respektieren, versicherte Kommissionssprecher Roland Borer (svp, SO). So folgte der Nationalrat überall den Anträgen seiner Kommissionsmehrheit und brachte keine substanziellen Änderungen am bundesrätlichen Entwurf an.

Im vierten und letzten Block beschäftigte sich die grosse Kammer mit der politischen Steuerung, der Kontrolle und Aufsicht über den NDB, dem Organisationsverbot und den Schlussbestimmungen. Die vom Bundesrat vorgesehene vierfache Kontrolle durch eine departementsinterne unabhängige Aufsicht, den Sicherheitsausschuss des Bundesrates, die GPDel sowie eine unabhängige Kontrollinstanz für die Funkaufklärung stiess im Rat auf ein überwiegend positives Echo. Als einzige grundlegende Änderung am Entwurf des Bundesrates fügte der Nationalrat auf Antrag seiner Kommission eine explizite gesetzliche Grundlage für das Verbot von Organisationen oder Gruppierungen ein, welche terroristische oder gewalttätig-extremistische Aktivitäten propagieren oder fördern und damit die innere oder äussere Sicherheit der Schweiz bedrohen. Bisher konnte der Bundesrat solche Organisationsverbote nur auf Notrecht basierend erlassen, weshalb ihre Gültigkeit jeweils auf ein halbes Jahr beschränkt war. Allerdings wollte die grosse Kammer dem Bundesrat hier keine Blankovollmacht erteilen, so dass sie einen Einzelantrag Eichenberger (fdp, AG) einstimmig annahm, demzufolge sich ein Verbot auf einen entsprechenden Beschluss der UNO oder der OSZE stützen muss und nur nach Konsultation der zuständigen parlamentarischen Kommissionen erlassen werden kann. In allen anderen Punkten folgte sie der Kommissionsmehrheit.

In der Gesamtabstimmung wurde das NDG mit 119 zu 65 Stimmen bei 5 Enthaltungen klar angenommen. Mit den geschlossen stimmenden Fraktionen der CVP, BDP und FDP sowie der überwiegenden Mehrheit der SVP-Fraktion auf der Befürworterseite und der gesamten grünen Fraktion sowie den Fraktionen der SP und der GLP mit jeweils einer Ausnahme auf der Gegenseite zeigte sich auch in der Gesamtabstimmung der ideologische Graben zwischen dem bürgerlichen und dem links-grünen Lager deutlich.

Neues Nachrichtendienstgesetz (BRG 14.022)
Dossier: Staatliche Überwachung
Dossier: Vorstösse und Massnahmen zur Bekämpfung islamistischer Radikalisierungstendenzen

Im November 2014 verabschiedete der Bundesrat den Entwurf eines dringlichen Bundesgesetzes über das Verbot der Gruppierungen Al-Qaïda, Islamischer Staat (IS) sowie verwandter Organisationen. Der Entwurf stellte im Wesentlichen die Erhebung der bisherigen Verordnung der Bundesversammlung bzw. der befristeten Bundesratsverordnung auf Gesetzesstufe dar und sollte sicherstellen, dass genannte Organisationen auch nach Ablauf der bis 2014 geltenden Verordnungen verboten bleiben. Der Bundesrat hatte 2001 in Reaktion auf die Terroranschläge vom 11. September mit einer Verordnung Al-Qaïda verboten und damit gegen innen und aussen ein Zeichen setzen wollen. Nachdem die Verordnung dreimal verlängert worden war, wurde sie auf den 1. Januar 2012 in eine bis am 31. Dezember 2014 begrenzte, parlamentarische Verordnung überführt. Mit dem befristeten Bundesgesetz sollte nun das Verbot für weitere vier Jahre gelten. Neben dem Verbot jeglicher Aktivität und Unterstützung der beiden Organisationen im In- und Ausland unterstellte der Entwurf zudem Widerhandlungen gegen das Verbot der Bundesgerichtsbarkeit. Angesichts der im Berichtsjahr politisch angespannten Situation im Nahen Osten wurde das Geschäft als dringlich eingestuft, keine Vernehmlassung durchgeführt und eine parlamentarische Behandlung noch für 2014 beantragt. Im Ständerat wie auch im Nationalrat wurde die Gesetzesvorlage einstimmig und ohne Enthaltung gutgeheissen, auch wenn der Nutzen der Regelung, welcher der Symbolcharakter eines politischen Statements zugesprochen wurde, nicht für alle Ratsmitglieder ersichtlich war. Im Rahmen der Task-Force wurde zudem geprüft, inwiefern ein Ausreiseverbot für potentielle Dschihadisten ein griffiges Instrument darstellen würde. Die Bedrohung, welche von Dschihad-Reisenden ausgeht, war nicht zuletzt aufgrund Berichten aus Nachbarstaaten einer der Hauptpunkte in der öffentlichen Diskussion über die Terrorgruppe Islamischer Staat (IS). Dies nicht zuletzt weil bekannt wurde, dass der US-Geheimdienst bei der Überwachung von Islamisten in der Schweiz eine bedeutendere Rolle spielte als bisher angenommen. So waren es die USA, die den NDB über Anschlagspläne eines irakischen Trios in der Schweiz informiert hatten.

Bundesgesetz über das Verbot der Gruppierungen Al-Qaïda, Islamischer Staat (IS) sowie verwandter Organisationen
Dossier: Bundesgesetz über das Verbot der Gruppierungen «Al-Qaïda» und «Islamischer Staat» sowie verwandter Organisationen

Im Februar 2014 verabschiedete der Bundesrat die Botschaft zum neuen Nachrichtendienstgesetz zuhanden des Parlaments. Diese Vorlage sollte in Ablösung der bisherigen Zweiteilung in das Bundesgesetz über die Zuständigkeiten im Bereich des zivilen Nachrichtendienstes (ZNDG) und das Bundesgesetz über Massnahmen zur Wahrung der inneren Sicherheit (BWIS) eine gesamteinheitliche, formalgesetzliche Grundlage für den zivilen Nachrichtendienst der Schweiz (Nachrichtendienst des Bundes, NDB) schaffen. In Reaktion auf die in der Vernehmlassung geäusserte Kritik verzichtete der Bundesrat auf die Erstellung einer separaten Verfassungsgrundlage für den Nachrichtendienst, erweiterte die kantonalen Aufsichtsrechte zur Vermeidung von Aufsichtslücken und präzisierte die Zusammenarbeit mit den Kantonen. An der Kabelaufklärung wurde jedoch festgehalten. Um einer erneuten Fichen-Affäre vorzubeugen, sah der Entwurf eine Abkehr von der Unterscheidung zwischen Bedrohungen aus dem Ausland und dem Inland vor. Vielmehr sollte die Grenze künftig zwischen gewalttätigem Extremismus mit Bezug zur Schweiz und den übrigen Bedrohungsfeldern – wie Terrorismus – und damit verbundenen Aufgaben gezogen werden. Betreffend die jährlich durch den Bundesrat festgelegten gewalt-extremistischen Gruppierungen sollten sodann sowohl die Datenbeschaffung als auch die Datenhaltung strengeren Auflagen bezüglich Grundrechtseingriffen unterliegen und genehmigungspflichtige Beschaffungsmassnahmen gar nicht erst zur Anwendung kommen.

Nur in den Bereichen Terrorismus, verbotener Nachrichtendienst, Proliferation und Angriffe auf kritische Infrastrukturen oder zur Wahrung weiterer wesentlicher Landesinteressen sollte das bestehende Instrumentarium durch besondere Beschaffungsmittel wie die ausgebaute Überwachung des Post- und Fernmeldeverkehrs und den Einsatz von technischen Überwachungsgeräten im privaten Bereich ergänzt werden. So sollte der Nachrichtendienst u.a. die Erlaubnis erhalten, in Computer einzudringen. Diese Massnahmen sollten aber nur mit Zustimmung des Bundesverwaltungsgerichts und des Chefs des VBS zur Anwendung kommen.

Der eidgenössische Datenschutz- und Öffentlichkeitsbeauftragte (EDÖB) äusserte sich in seinem 21. Tätigkeitsbericht kritisch zum Gesetzesentwurf, da dieser eine Erweiterung der Zugriffsmöglichkeiten durch den Nachrichtendienst vorsehe. Nachdem die Sicherheitskommission des Nationalrates die Beratung der Gesetzesvorlage zuerst vertagt hatte, um die Antwort des Bundesrates auf die Fragen der Geschäftsprüfungsdelegation abzuwarten, sprach sie sich im August deutlich für das neue Nachrichtendienstgesetz aus. Sie brachte hingegen auch einige Ergänzungen an. Zum einen sollte der Bundesrat Organisationen und Gruppierungen verbieten können, ohne auf Notrecht zurückzugreifen. Zum anderen sollte die Rolle des EDÖB gestärkt werden. Während die Exzesse der NSA und die Affäre Giroud zuerst die Gegner des neuen Nachrichtendienstgesetzes begünstigten, kamen die Berichte über einen mutmasslichen Anschlag einer Zelle des Islamischen Staates (IS) in der Schweiz den Befürwortern entgegen.

Neues Nachrichtendienstgesetz (BRG 14.022)
Dossier: Staatliche Überwachung
Dossier: Vorstösse und Massnahmen zur Bekämpfung islamistischer Radikalisierungstendenzen

Das neue Nachrichtendienstgesetz soll die Organisation und die Aufgaben des Informationssystems innere Sicherheit (ISIS) als auch jene des Informationssystems äussere Sicherheit (ISAS) regeln. Während jedoch ISIS mit dem BWIS bereits heute über eine gesetzliche Grundlage verfügt, läuft das ISAS noch in einem durch Verordnungen geregelten Pilotbetrieb. Fehlt bis zum Ablauf der Testphase im Jahr 2015 eine gesetzliche Grundlage für ISAS, muss das Informationssystem, welches Daten ohne direkten Bezug zur Schweiz bearbeitet, laut Datenschutzgesetz eingestellt werden. Um dieses Szenario zu verhindern, legte der Bundesrat im Berichtjahr einen Entwurf zu einer Änderung des Bundesgesetzes über die Zuständigkeiten im Bereich des zivilen Nachrichtendienstes (ZNDG) vor. Im Wesentlichen sollten dabei die Bestimmungen über das ISAS von der Verordnungs- auf die Gesetzesstufe gehoben werden. Der Ständerat folgte grundsätzlich dem Vorschlag des Bundesrates. Die kleine Kammer war jedoch der Meinung, dass der Bundesrat die Kompetenz erhalten sollte, die Schutzfrist bei von ausländischen Nachrichtendiensten stammenden Informationen zu verlängern, wenn der betroffene Nachrichtendienst Vorbehalte gegen die Einsicht äussert.

Änderung des Bundesgesetzes über die Zuständigkeiten im Bereich des zivilen Nachrichtendienstes (ZNDG) (BRG 13.064)

Das neue Nachrichtendienstgesetz (NDG) sollte eine einheitliche gesetzliche Grundlage für den 2010 aus der Fusion des Inland- und des Auslandnachrichtendienstes hervorgegangenen Nachrichtendienst des Bundes (NDB) schaffen. Der Bundesrat führte 2013 eine Vernehmlassung zum entsprechenden Gesetzesentwurf durch, der vorsieht, dass die noch bestehende Zweiteilung in das Bundesgesetz zur Wahrung der inneren Sicherheit (BWIS) und in das Bundesgesetz über die Zuständigkeiten im Bereich des zivilen Nachrichtendienstes (ZNDG) aufgehoben wird. Laut dem Entwurf sollte der NDB zudem mehr Kompetenzen erhalten und besonders Terror- und Spionageverdächtige auch im Inland präventiv überwachen dürfen. Da seit der Fichen-Affäre im Jahre 1989 einer Kompetenzausdehnung des Nachrichtendienstes stets mit grossem Misstrauen begegnet wird, waren sowohl der Bundesrat als auch Nachrichtendienstchef Markus Seiler bemüht, die Bedeutung der Gesetzesvorlage zu relativieren. So bliebe die präventive Überwachung bei gewalttätigem Extremismus, dessen Grenzen zum gewaltlosen Extremismus und zum Radikalismus fliessend sind, verboten. Dennoch störte sich der Eidgenössische Datenschutzbeauftragte daran, dass der NDB ausserhalb eines Strafverfahrens über mehr Möglichkeiten in der Ermittlung verfügen sollte als die Strafverfolgungsbehörden. Die Kantone ihrerseits begrüssten das Vorhaben in der Vernehmlassung, wehrten sich aber gegen die geplante Zentralisierung der Oberaufsicht über den Staatsschutz. Sie wollten ihre Oberaufsichtskompetenz über die eigenen Staatsschutzorgane nicht an die Geschäftsprüfungsdelegation abtreten, da diese schon allein aufgrund der personellen Ressourcen keine befriedigende Kontrolle ausüben könne und damit Lücken in der Aufsicht geschaffen würden. Grosso modo sah sich der Bundesrat aber in seiner Stossrichtung bestätigt und beauftragte das VBS mit der Ausarbeitung einer Botschaft zuhanden des Parlaments, das die Vorlage 2014 beraten soll.

Neues Nachrichtendienstgesetz (BRG 14.022)
Dossier: Staatliche Überwachung
Dossier: Vorstösse und Massnahmen zur Bekämpfung islamistischer Radikalisierungstendenzen

Das EJPD gab einen Vorentwurf des Bundesgesetzes über die im Ausland erbrachten privaten Sicherheitsdienstleistungen in die Vernehmlassung. Das Gesetz soll den Schutz gewisser Interessen und Grundsätze der Schweiz sicherstellen. Dazu ist ein Verbot bestimmter Aktivitäten wie das Söldnertum vorgesehen. Damit die Kontrolle ausgeübt werden kann, sollen die Unternehmen ihre Aktivitäten den zuständigen Behörden melden müssen.

privaten Sicherheitsdienstleistungen

Bei der Genehmigung von zwei Internationalen Übereinkommen zur Bekämpfung der Finanzierung des Terrorismus resp. von terroristischen Bombenanschlägen sowie einer Reihe von dazu gehörenden Gesetzesanpassungen übernahm der Nationalrat weitgehend die Entscheide der kleinen Kammer aus dem Vorjahr. Auf Antrag seiner Rechtskommission war er insbesondere damit einverstanden, auf die Einführung eines speziellen Straftatbestands des Terrorismus zu verzichten. Bei den Gesetzesanpassungen war eigentlich nur noch die vom Ständerat beschlossene Registrierungspflicht für so genannte Prepaid-Karten für Mobiltelefone umstritten, auf welche die Kommissionsmehrheit verzichten wollte. Im Plenum setzte sich die Registrierungspflicht für diese wegen ihrer Anonymität von Kriminellen geschätzten Karten deutlich durch. Die neuen gesetzlichen Bestimmungen zur Bekämpfung der finanziellen Unterstützung des Terrorismus und die beiden Internationalen Übereinkommen wurden vom Nationalrat in der Gesamtabstimmung oppositionslos resp. mit einer Gegenstimme (Bignasca, lega, TI) gutgeheissen. Ein Teil der Linken hatte allerdings in der Debatte mit dem Datenschutz begründete Vorbehalte gegen die vorgeschlagenen strafrechtlichen Mittel zur Terrorismusbekämpfung geäussert. In der Schlussabstimmung lehnten die Grünen die Strafrechtsrevision ab, eine Minderheit der SP enthielt sich der Stimme.

Vorstösse und Beschlüsse zur Terrorbekämpfung nach 2001

Als sich die kleine Kammer in der Wintersession ein zweites Mal mit der Vorlage befasste, war sie sich rasch einig: sie verzichtete auf die spezielle Strafrechtsnorm, da die bestehenden Strafrechtstatbestände (Mord, Freiheitsberaubung, Sprengstoffattentate etc.) für eine Terrorismusbekämpfung ausreichend seien. Die bundesrätlichen Vorschläge zur Bekämpfung der Terrorfinanzierung fanden hingegen Zustimmung. Die Bestimmungen über die Strafbarkeit von Geldspenden wurden allerdings gelockert: wer bei der Unterstützung beispielsweise einer wohltätigen Organisation bloss in Kauf nimmt, dass deren Mittel auch Terroristen zu Gute kommen könnten, soll nicht bestraft werden. Zulässig sollen auch Spenden für Organisationen sein, welche in totalitären Staaten „für die Herstellung oder Wiederherstellung demokratischer und rechtsstaatlicher Verhältnisse oder die Ausübung oder Wahrung von Menschenrechten“ kämpfen. Als zusätzliches Mittel im Kampf gegen Terrorismus (und auch andere Verbrechen) stimmte der Ständerat zudem mit knappem Mehr dem Antrag Marty (fdp, TI) zu, dass die Mobilfunkbetreiber die Identität ihrer Kunden auch dann abklären müssen, wenn diese die bisher anonymen so genannten Prepaid-Karten benutzen. Als Erstrat genehmigte der Ständerat auch die Ratifizierung der beiden Übereinkommen.

Vorstösse und Beschlüsse zur Terrorbekämpfung nach 2001

Im Sommer beantragte der Bundesrat dem Parlament die Genehmigung von zwei internationalen Übereinkommen zur Bekämpfung der Finanzierung des Terrorismus resp. von terroristischen Bombenanschlägen sowie eine Reihe von dazu gehörenden Gesetzesanpassungen. Die beiden Übereinkommen sind Teil von insgesamt zwölf Übereinkommen und Zusatzprotokollen zur Terrorbekämpfung, welche die UNO nach den Terrorattacken in den USA vom 11. September 2001 verabschiedet hat. Die anderen zehn hatte die Schweiz bereits ratifiziert; sie erforderten keine Anpassung schweizerischer Gesetze. Die beiden letzten Übereinkommen verlangten hingegen die Aufnahme eines spezifischen Tatbestandes des Terrorismus in das Strafrecht. Damit würde es möglich, Terroranschläge strenger zu bestrafen als anders motivierte Taten mit ähnlicher Schadenswirkung (Sachbeschädigung, Körperverletzung). Definiert wird Terrorismus in der Botschaft des Bundesrates als Tat, bei welcher es darum geht, Bevölkerungsgruppen einzuschüchtern oder Staaten und internationale Organisationen zu nötigen. Explizit mit einer eigenen Strafnorm soll auch die finanzielle Unterstützung (d.h. vorsätzliches Sammeln oder Zurverfügungstellen von Vermögenswerten) solcher Aktivitäten bestraft werden. Beide Delikte sollen in der Schweiz von den Bundesbehörden verfolgt und beurteilt werden. Strafrechtsexperten kritisierten die Vorlage als überflüssig, da die bestehenden Rechtsgrundlagen für die Terrorismusbekämpfung ausreichen würden, und bezeichneten sie in Bezug auf die verwendete Terrorismusdefinition als problematisch.
In der Rechtskommission des Nationalrats fand diese Kritik Berücksichtigung. Sie beschloss, das Geschäft nicht, wie vom EJPD gewünscht, als dringlich zu behandeln und es vom Plenum gleichzeitig mit dem Ständerat in der Herbstsession beraten zu lassen, sondern vorgängig noch Experten anzuhören. Der Ständerat, welcher in der Herbstsession die Vorlage als Erstrat behandelte, unterstützte zwar eine Unterzeichnung der Übereinkommen, lehnte aber die Vorgehensweise seiner vorberatenden Kommission ab. Diese hatte, nicht zuletzt um die Schweiz vor unberechtigten Vorwürfen zu schützen, ihr Finanzplatz sei an der Terrorismusfinanzierung beteiligt, zuerst die Übereinkommen ratifizieren wollen, um erst dann die nötigen gesetzlichen Anpassungen vorzunehmen. Auf Antrag Schiesser (fdp, GL) wies der Rat die Vorlage an die Kommission zurück mit der Auflage, die Übereinkommen und die Strafgesetzänderungen gleichzeitig zur Beratung vorzulegen. Der CVP-Vertreter Schmid (AI) wies zudem darauf hin, dass bei der Schaffung einer speziellen Terrorismusstrafnorm grundsätzliche Probleme entstehen können. Wenn man sich an die vom Bundesrat in der Botschaft verwendete Terrorismusdefinition halte, müssten im Prinzip auch Angehörige von Unabhängigkeitsbewegungen und Widerstandsorganisationen in Diktaturen zu Terroristen erklärt werden (in den Worten von Schmid: „Was dem einen sein Freiheitskämpfer, ist dem anderen sein Terrorist“).

Vorstösse und Beschlüsse zur Terrorbekämpfung nach 2001