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Jahresrückblick 2022: Rechtsordnung

Im Jahr 2022 standen im Themenbereich Rechtsordnung mehrere grosse zivil- und strafrechtliche Gesetzesrevisionen auf der Agenda, so etwa die beiden langjährigen Grossprojekte zur Verbesserung der Praxistauglichkeit der Straf- und der Zivilprozessordnung. Beide Gesetze waren in den 2000er-Jahren geschaffen worden, um die bis dahin verschiedenen kantonalen Verfahrensregeln schweizweit zu vereinheitlichen. Knapp zehn Jahre nach Inkrafttreten wurden die beiden Prozessordnungen – nicht zuletzt in Reaktion auf zahlreiche parlamentarische Vorstösse – einer Gesamtschau unterzogen und wo nötig überarbeitet.

Bei der Revision der Strafprozessordnung, die im Sommer 2022 abgeschlossen wurde, blieb der ganz grosse Wurf nach umfangreichen Debatten letztlich aus. Mit seinem Hauptanliegen, der Einschränkung der Teilnahmerechte, konnte der Bundesrat nicht beide Parlamentskammern überzeugen, weshalb die heutige Regelung bis auf Weiteres unverändert bestehen bleibt. Die Regierung hatte mit der Möglichkeit, Beschuldigte unter gewissen Umständen von den Einvernahmen mitbeschuldigter Personen auszuschliessen, verhindern wollen, dass mehrere Beschuldigte ihre Aussagen einander anpassen können. Das in der juristischen Praxis festgestellte Problem, das gemäss Bundesrätin Karin Keller-Sutter einer der Hauptauslöser für die Vorlage gewesen war, blieb damit ungelöst. Dennoch wurden an der Strafprozessordnung viele punktuelle Neuerungen vorgenommen, etwa bei den Grundlagen zur Erstellung von DNA-Profilen oder bei den Verfahrensrechten. Das vom links-grünen Lager aufs Tapet gebrachte Konzept der restaurativen Gerechtigkeit wurde zwar im Zuge dieser Revision noch abgelehnt, ist aber damit nicht vom Tisch: Mit der Annahme einer entsprechenden Motion der RK-SR beauftragten die eidgenössischen Räte den Bundesrat, eine Gesetzesgrundlage zur Verankerung der «justice restaurative» in der Strafprozessordnung auszuarbeiten.

Bei der Revision der Zivilprozessordnung schlug das Parlament die wichtigsten Pflöcke ein, wenngleich Ende 2022 noch einige Differenzen bestanden. So wurden verschiedene Massnahmen getroffen, um die Prozesskosten zu senken und so den Zugang zum Gericht zu erleichtern. Zudem sollten Erleichterungen in der Verfahrenskoordination sowie die Stärkung des Schlichtungsverfahrens die Effizienz der Prozesse steigern. Im Parlament waren vor allem die Frage der zulässigen Verfahrenssprachen an kantonalen Gerichten sowie eine Lockerung der Voraussetzungen für vorsorgliche Massnahmen gegen Medien hoch umstritten. Gegen den Willen des Bundesrats setzten die eidgenössischen Räte durch, dass es einfacher sein soll, die Veröffentlichung von rufschädigenden Medienberichten mittels superprovisorischer Verfügung vorläufig zu verhindern. Erfolgreich war der Bundesrat hingegen mit seinem Ansinnen, die Einrichtung internationaler Handelsgerichte in den Kantonen zu fördern: Den Kantonen ist es künftig freigestellt, in internationalen Handelsstreitigkeiten an ihren Gerichten auch Englisch und alle Schweizer Landessprachen als Verfahrenssprachen zuzulassen.

Begleitet von einer regen gesellschaftlichen Debatte begannen die eidgenössischen Räte die Beratung der Revision des Sexualstrafrechts. Der aus der Harmonisierung der Strafrahmen herausgetrennte Entwurf war in der Vernehmlassung grundsätzlich positiv aufgenommen worden und der Reformbedarf war auch in der Gesellschaft nahezu unbestritten. In einer repräsentativen Bevölkerungsumfrage hielten nur 13 Prozent der Befragten die geltenden Normen für ausreichend. Mit dem neuen Sexualstrafrecht soll etwa der Straftatbestand der Vergewaltigung neu definiert werden, so dass nicht mehr nur Frauen davon betroffen sein können und dass keine Nötigung mehr vorausgesetzt wird. Hauptstreitpunkt war sowohl im Parlament als auch ausserhalb, ob anstelle von abgenötigten sexuellen Handlungen neu Handlungen «gegen den Willen» des Opfers oder «ohne Einwilligung» des Opfers unter Strafe stehen sollen. Während sich der Bundesrat und der Ständerat als Erstrat für die sogenannte Widerspruchslösung («Nein heisst Nein») aussprachen, schwenkte der Nationalrat als Zweitrat auf die Zustimmungslösung – die in der gesellschaftlichen Debatte lautstark geforderte «Nur-Ja-heisst-Ja»-Variante – um. Der Ball liegt 2023 wieder beim Ständerat. Wie die APS-Zeitungsanalyse zeigt, war die Reform des Sexualstrafrechts ein Treiber der medialen Debatte im Bereich Rechtsordnung: Über den Jahresverlauf waren im April, im Juni sowie gegen Ende Jahr drei kleine Spitzen in der Medienaufmerksamkeit zu verzeichnen, als jeweils die Stellungnahme des Bundesrats und die Behandlung in den beiden Parlamentskammern aktuell waren.

Im Bereich Innere Sicherheit trat Anfang Juni 2022 das Bundesgesetz über präventiv-polizeiliche Massnahmen zur Terrorismusbekämpfung (PMT) in Kraft. Obwohl sich Bundesrat und Parlament bei der Ausarbeitung des PMT-Gesetzes aus Menschenrechtsbedenken gegen die Präventivhaft als zusätzliche Massnahme entschieden hatten, beschäftigte diese die eidgenössischen Räte auch nach Inkrafttreten des Gesetzes weiter. Eine 2020 eingereichte parlamentarische Initiative, die eine gesicherte Unterbringung für staatsgefährdende Personen forderte, wurde erst in der Wintersession 2022 erledigt. Derselbe Casus Belli – die fragliche Vereinbarkeit mit den Menschenrechten – lag auch der umstrittenen Abschreibung einer Motion zur Ausweisung von Terroristinnen und Terroristen in Folterstaaten zugrunde. Ein rechtsbürgerlicher Teil des Parlaments wollte sich nicht damit abfinden, dass der Bundesrat die Motion nicht umgesetzt hatte. Die Regierung hatte argumentiert, dass eine Umsetzung nicht opportun sei, da die Motion den Bruch von zwingendem Völkerrecht gefordert habe. Beide Räte stimmten letztlich aber der Abschreibung zu.

Mit Ausnahme des Sexualstrafrechts bewegte sich die Medienberichterstattung über den Bereich Rechtsordnung recht gleichförmig auf eher tiefem Niveau übers Jahr 2022 (vgl. Abbildung 1: Anteil Zeitungsberichte pro Monat). Insgesamt erhielt der Bereich Rechtsordnung im Jahr 2022 deutlich weniger mediale Aufmerksamkeit als in den Vorjahren (vgl. Abbildung 2: Anteil Zeitungsberichte pro Jahr). Zum einen stand 2022 keine Volksabstimmung im Bereich Rechtsordnung an und die in den vergangenen Jahren virulente Diskussion über die Corona-Massnahmen war 2022 deutlich weniger relevant. Zum anderen vereinnahmten der Ukraine-Krieg und die damit verbundenen Debatten über die Aufnahme von Flüchtenden, über Sanktionen und Neutralität sowie über eine drohende Energiekrise einen Grossteil der Medienaufmerksamkeit. Der Bereich Rechtsordnung war davon nur marginal tangiert.

Jahresrückblick 2022: Rechtsordnung
Dossier: Jahresrückblick 2022

In der Wintersession 2022 erledigte der Ständerat die Motion Regazzi (mitte, TI), die forderte, dass Terroristinnen und Terroristen in ihre Herkunftsländer ausgewiesen werden, unabhängig davon, ob diese als sicher gelten oder nicht. Die SPK-SR hatte ihrem Rat einstimmig beantragt, es dem Nationalrat gleichzutun und den Vorstoss abzuschreiben, was dieser stillschweigend tat. Im Ratsplenum dankte Kommissionssprecher Hans Stöckli (sp, BE) dem Bundesrat für die «sehr gute Botschaft», in der die Regierung dargelegt hatte, weshalb die Motion rechtlich nicht umsetzbar sei. Die Kommission teile die Meinung des Bundesrates vollumfänglich – sie hatte schon 2019 vergeblich für deren Ablehnung plädiert. Das Non-Refoulement-Gebot sei Teil des zwingenden Völkerrechts, von dessen Verpflichtungen sich die Schweiz nicht etwa durch Kündigung von Verträgen befreien könne. Damit sei der Widerspruch zum Anliegen der Motion «unüberbrückbar», erläuterte Stöckli.

Ausweisung von Terroristinnen und Terroristen in ihre Herkunftsländer, unabhängig davon, ob sie als sicher gelten oder nicht (Mo. 16.3982)

Polizeigewalt zu verhindern, sei ein berechtigtes Anliegen, man sei damit aber über das Ziel hinausgeschossen, konstatierte Nationalrätin Céline Amaudruz (svp, GE) in der Begründung ihrer Ende 2021 eingereichten parlamentarischen Initiative. «Wir haben ein System geschaffen, das die Polizeiangehörigen völlig demotiviert», so die Initiantin: Aufgrund der drohenden disziplinarischen und rechtlichen Probleme bei einem gewaltsamen Eingreifen sei es für Polizistinnen und Polizisten die einfachste Lösung, einfach nichts zu tun. Mit der parlamentarischen Initiative forderte sie daher, die Vermutung der Notwehr und des Notstands bei der Dienstausübung von Polizeiangehörigen rechtlich zu verankern. Amaudruz äusserte die Hoffnung, dass Angreiferinnen und Angreifer unter diesen neuen Voraussetzungen zurückhaltender agierten. Im Herbst 2022 prüfte die RK-NR die Initiative vor und kam mehrheitlich zum Schluss, dass diese weder die Zahl noch die Dauer der Strafverfahren gegen Polizeiangehörige vermindern würde. Ausserdem existiere das Konzept der Vermutung in der schweizerischen Strafprozessordnung nicht, weshalb die Initiative abzulehnen sei. Eine Minderheit Addor (svp, VS) unterstützte die Initiative, unterlag damit aber im Rat. Mit 118 zu 68 Stimmen bei 4 Enthaltungen gab der Nationalrat der Initiative in der Wintersession 2022 keine Folge. Das Anliegen war damit erledigt.

Die Vermutung der Notwehr und des Notstands bei der Dienstausübung von Polizeiangehörigen rechtlich verankern (Pa.Iv. 21.521)

Ebenso wie der Nationalrat erachtete die RK-SR das Anliegen der Standesinitiative des Kantons Genf für härtere Sanktionen bei Gewalt gegen Behörden und Beamte durch die Harmonisierung der Strafrahmen als erfüllt. Sie beantragte folglich im Oktober 2022, der Initiative keine Folge zu geben. In der Wintersession 2022 folgte der Ständerat diesem Antrag stillschweigend. Die Initiative ist damit erledigt.

Härtere Sanktionen bei Straftaten gegen Behörden und Beamte (Kt.Iv. 12.306)
Dossier: Stopp der Gewalt gegen die Polizei
Dossier: Vorstösse betreffend Gewalt gegen Behörden und Beamte
Dossier: Harmonisierung der Strafrahmen (Besonderer Teil des Strafgesetzbuches)

Mit 13 zu 10 Stimmen bei einer Enthaltung beantragte die SiK-NR im Oktober 2022 ihrem Rat, der parlamentarischen Initiative Tuena (svp, ZH) für eine gesicherte Unterbringung von staatsgefährdenden Personen Folge zu geben. Sie hielt damit an ihrem Entscheid aus dem Vorjahr fest. Zur Begründung führte die bürgerliche Kommissionsmehrheit an, dass mit einer Präventivhaft etwa der terroristische Angriff von Morges (VD) – gemäss «Blick» das «erste dschihadistische Attentat in der Schweiz» – hätte verhindert werden können. Die Kantone hätten die Möglichkeit zur Präventivhaft bereits beim PMT-Gesetz gefordert, das hier jetzt eine Lücke habe. Die Minderheit beantragte die Ablehnung der Initiative und argumentierte, ihrer Meinung nach verstiesse eine solche Zwangsmassnahme gegen die EMRK. Die Mehrheit anerkannte diese Bedenken, war aber der Meinung, dass die Möglichkeit einer menschenrechtskonformen Ausgestaltung mindestens geprüft werden müsse. Im Ratsplenum erinnerte Minderheitsvertreter François Pointet (glp, VD) daran, dass die Präventivhaft bewusst aus der PMT-Abstimmungsvorlage gestrichen worden sei; die Annahme dieser parlamentarischen Initiative wäre jetzt «ein zweifelhafter Trick, um das Volk dazu zu bringen, [diesen] Punkt zu schlucken». In der Wintersession 2022 sprach sich der Nationalrat mit 105 zu 84 Stimmen bei 4 Enthaltungen gegen die Initiative aus. Zusammen mit dem geschlossen stimmenden Block aus SP, Grünen und GLP lehnten auch der Grossteil der FDP-Fraktion und einzelne Mitglieder der Mitte-Fraktion das Anliegen ab. Damit ist das Geschäft erledigt.

Gesicherte Unterbringung von staatsgefährdenden Personen (Pa.Iv. 20.465)

Die RK-NR hielt im Herbst 2022 mehrheitlich an ihrer Unterstützung der parlamentarischen Initiative Regazzi (mitte, TI) mit dem Ziel, Pädokriminalität im Internet wirksam zu bekämpfen, fest. Sie argumentierte, die Annahme der Initiative würde den Weg für weitergehende Abklärungen zum Thema ebnen, etwa bezüglich allfälliger Unvereinbarkeiten mit der Bundesverfassung oder der Notwendigkeit, weitere Rechtsbestimmungen neben der StPO zu ändern. Die starke Minderheit – der Entscheid fiel mit 11 zu 10 Stimmen bei 2 Enthaltungen – wollte dagegen nicht in die Zuständigkeit der Kantone eingreifen, die sich in diesem Bereich zwischenzeitlich Know-how und ein wertvolles Netzwerk angeeignet hätten. Mit 102 zu 90 Stimmen bei einer Enthaltung schloss sich der Nationalrat in der Wintersession 2022 der Kommissionsmehrheit an und gab der Initiative Folge. Während das Anliegen in den Fraktionen der Mitte, der GLP und der SVP auf Anklang stiess, stimmten die Fraktionen der Grünen und der SP (mit zwei Ausnahmen), die grosse Mehrheit der FDP-Fraktion sowie zwei SVP-Vertreter gegen die Initiative.

Pädokriminalität im Internet endlich wirksam bekämpfen (Pa.Iv. 19.486)

Der Nationalrat überwies in der Herbstsession 2022 gegen den Widerstand der SVP-Fraktion ein Postulat Bellaïche (glp, ZH) zur Eindämmung digitaler Gewalt. Digitale Gewalt wie Cybermobbing, Cyberstalking, Hassrede, Gewaltandrohung oder Diskriminierung im Netz sei ein weitverbreitetes Phänomen und allzu oft kämen die Täterinnen und Täter ungeschoren davon, so die Postulantin. Die Bekämpfung scheitere aber nicht am materiellen Recht – einschlägige Straftatbestände seien in Kraft –, sondern an der Rechtsdurchsetzung: Die Polizei sei zu wenig ausgebildet, ausgestattet und koordiniert, um Täterinnen und Täter im Internet aufzuspüren. In einem Bericht muss der Bundesrat nun aufzeigen, wie digitale Gewalt mittels konkreter Massnahmen eingedämmt und griffig bekämpft werden kann. SVP-Nationalrätin Sandra Sollberger (BL) hatte das Postulat mit dem Argument bekämpft, der Bund müsse seine IT-Ressourcen momentan für Digitalisierungsprojekte nutzen, «statt zusätzliche Berichte zu schreiben». Der Bundesrat hatte den Vorstoss unterstützt.

Digitale Gewalt eindämmen (Po. 22.3201)

In der Herbstsession 2022 folgte der Nationalrat mit 103 zu 69 Stimmen bei 4 Enthaltungen dem Antrag des Bundesrates und stimmte der Abschreibung der Motion Regazzi (mitte, TI) für eine «Ausweisung von Terroristinnen und Terroristen in ihre Herkunftsländer, unabhängig davon, ob sie als sicher gelten oder nicht», zu. Die vorberatende SPK-NR hatte ihrem Rat mit 14 zu 9 Stimmen empfohlen, dem Antrag des Bundesrates stattzugeben. Neben der im bundesrätlichen Bericht ausführlich dargelegten rechtlichen Unmöglichkeit, die Motion umzusetzen, betonte die Kommissionsmehrheit, beim Grundrechtsschutz dürfe nicht mit zweierlei Mass gemessen werden: «Ein wahrer Rechtsstaat muss auch seine Feindinnen und Feinde rechtskonform und gemäss seinen Werten behandeln», schrieb sie in der Medienmitteilung. Im Ratsplenum erklärte Kommissionssprecher Kurt Fluri (fdp, SO), der Bundesrat habe sich darüber hinaus bereit erklärt, im Umgang mit verurteilten Terroristinnen und Terroristen, die aufgrund des Non-Refoulement-Gebots nicht ausgeschafft werden können, alle rechtlich zulässigen Mittel zur Wahrung der Sicherheit der Schweiz auszuschöpfen. Justizministerin Karin Keller-Sutter ergänzte, man prüfe im Einzelfall, ob vom Herkunftsstaat die diplomatische Zusicherung erlangt werden kann, dass die betroffene Person weder gefoltert noch unmenschlich behandelt wird, sodass eine völkerrechtskonforme Ausschaffung dennoch möglich ist. Zudem werde auch jeweils geprüft, ob die Person in einen anderen Staat als ihren Herkunftsstaat weggewiesen werden kann. Gleichzeitig betonte sie, die Schweiz habe in letzter Zeit mit dem Nachrichtendienstgesetz, den Strafbestimmungen gegen Terrorismus und den präventiv-polizeilichen Massnahmen ein besseres Instrumentarium erhalten, um «mit den Personen, die wir in der Schweiz behalten müssen, umgehen zu können». Momentan handle es sich um fünf Personen, die die Schweiz aufgrund des Non-Refoulement-Gebots nicht ausschaffen könne, so die Bundesrätin.
Eine Minderheit um SVP-Nationalrat Gregor Rutz (ZH) wollte die Motion trotzdem nicht abschreiben. Es könne nicht sein, dass verurteilte Terroristinnen und Terroristen in der Schweiz blieben, und er sei nicht zufrieden damit, «dass der Bundesrat uns sagt, das ginge nicht», so Rutz. Es sei «eine Frage des gesunden Menschenverstandes», dass «wir [...] doch nicht mit unserer Rechtsordnung Leute schützen [können], die diese Rechtsordnung missbrauchen, um sie zu zerstören». Der Bundesrat müsse «noch einmal über die Bücher», denn es gebe «Möglichkeiten, wie man dieses Anliegen umsetzen kann». Einen Vorschlag, wie eine solche Umsetzung aussehen könnte, lieferte der Minderheitsvertreter dem Ratsplenum jedoch nicht. Seine Ansicht teilten die geschlossen stimmende SVP-Fraktion, die grosse Mehrheit der Mitte-Fraktion sowie FDP-Vertreterin Jacqueline de Quattro (VD), was in der grossen Kammer aber nicht zu einer Mehrheit reichte.

Ausweisung von Terroristinnen und Terroristen in ihre Herkunftsländer, unabhängig davon, ob sie als sicher gelten oder nicht (Mo. 16.3982)

Mit der Harmonisierung der Strafrahmen, die in der Wintersession 2021 vom Parlament verabschiedet worden war, wurden die Strafbestimmungen für Gewalt und Drohung gegen Behörden und Beamte verschärft. Die Mehrheit der RK-NR erachtete das Anliegen der Standesinitiative des Kantons Genf, die härtere Sanktionen bei ebendiesen Delikten im Sinne der Petition des Verbandes Schweizerischer Polizeibeamter (Pet. 10.2016) verlangte, damit als erfüllt und beantragte im Sommer 2022, ihr keine Folge zu geben. Die Räte hatten die Behandlung der 2012 eingereichten Initiative im Jahr 2014 ausgesetzt, da über die Forderung im Zuge der Strafrahmenharmonisierung entschieden werden würde. Eine Kommissionsminderheit vertrat hingegen die Ansicht, dass das Anliegen nur ungenügend – mit einem «Mikrokompromissli», wie Minderheitsvertreter Mauro Tuena (svp, ZH) im Ratsplenum sagte – umgesetzt worden sei, und plädierte für Folgegeben. Der Nationalrat folgte im Herbst 2022 dem Antrag seiner Kommissionsmehrheit und gab der Initiative mit 97 zu 77 Stimmen bei 2 Enthaltungen keine Folge. Gleichzeitig erledigte er verschiedene Standesinitiativen mit ähnlichen Anliegen (Kt.Iv. 11.312, Kt.Iv. 14.301 und Kt.Iv. 16.317).

Härtere Sanktionen bei Straftaten gegen Behörden und Beamte (Kt.Iv. 12.306)
Dossier: Stopp der Gewalt gegen die Polizei
Dossier: Vorstösse betreffend Gewalt gegen Behörden und Beamte
Dossier: Harmonisierung der Strafrahmen (Besonderer Teil des Strafgesetzbuches)

Ebenso wie der Ständerat erachtete die Mehrheit der RK-NR das Anliegen der Standesinitiative des Kantons Waadt für eine strengere Bestrafung von Gewalt gegen Behörden und Beamte durch die Harmonisierung der Strafrahmen als erfüllt. Sie beantragte folglich im Sommer 2022, der Initiative keine Folge zu geben. Eine Kommissionsminderheit vertrat hingegen die Ansicht, dass das Anliegen nur ungenügend – mit einem «Mikrokompromissli», wie Minderheitsvertreter Mauro Tuena (svp, ZH) im Ratsplenum sagte – umgesetzt worden sei und plädierte für Folgegeben. Der Nationalrat folgte im Herbst 2022 dem Antrag seiner Kommissionsmehrheit und gab der Initiative mit 97 zu 79 Stimmen keine Folge. Sie ist damit – ebenso wie die Standesinitiativen des Kantons Tessin (Kt.Iv. 14.301) und des Kantons Bern (Kt.Iv. 16.317) mit ähnlichen Anliegen – erledigt.

Petition des Verbandes Schweizerischer Polizeibeamter (Kt.Iv. 11.312)
Dossier: Stopp der Gewalt gegen die Polizei
Dossier: Vorstösse betreffend Gewalt gegen Behörden und Beamte
Dossier: Harmonisierung der Strafrahmen (Besonderer Teil des Strafgesetzbuches)

Ebenso wie der Ständerat erachtete die Mehrheit der RK-NR das Anliegen der Standesinitiative des Kantons Tessin für eine Überprüfung der Strafrahmen bei Gewalt gegen Behörden und Beamte durch die Harmonisierung der Strafrahmen als erfüllt. Sie beantragte folglich im Sommer 2022, die Initiative abzuschreiben. Eine Kommissionsminderheit vertrat hingegen die Ansicht, dass das Anliegen nur ungenügend – mit einem «Mikrokompromissli», wie Minderheitsvertreter Mauro Tuena (svp, ZH) im Ratsplenum sagte – umgesetzt worden sei und plädierte gegen Abschreiben. Der Nationalrat folgte im Herbst 2022 dem Antrag seiner Kommissionsmehrheit und schrieb die Initiative mit 94 zu 79 Stimmen bei 3 Enthaltungen ab. Sie ist damit – ebenso wie die Standesinitiativen des Kantons Waadt (Kt.Iv. 11.312) und des Kantons Bern (Kt.Iv. 16.317) mit ähnlichen Anliegen – erledigt.

Strafrahmen für Gewalt und Drohung gegen Behörden und Beamte überprüfen (Kt.Iv. 14.301)
Dossier: Vorstösse betreffend Gewalt gegen Behörden und Beamte
Dossier: Harmonisierung der Strafrahmen (Besonderer Teil des Strafgesetzbuches)

Ebenso wie der Ständerat erachtete die Mehrheit der RK-NR das Anliegen der Standesinitiative des Kantons Bern für eine zwingende Freiheitsstrafe bei Gewalt gegen Behörden und Beamte durch die Harmonisierung der Strafrahmen im Grunde genommen als erfüllt. Sie beantragte folglich im Sommer 2022, die Initiative abzuschreiben. Eine Kommissionsminderheit vertrat hingegen die Ansicht, dass das Anliegen nur ungenügend – mit einem «Mikrokompromissli», wie Minderheitsvertreter Mauro Tuena (svp, ZH) im Ratsplenum sagte – umgesetzt worden sei und plädierte gegen Abschreiben. Der Nationalrat folgte im Herbst 2022 dem Antrag seiner Kommissionsmehrheit und schrieb die Initiative mit 94 zu 80 Stimmen bei 2 Enthaltungen ab. Sie ist damit – ebenso wie die Standesinitiativen des Kantons Waadt (Kt.Iv. 11.312) und des Kantons Tessin (Kt.Iv. 14.301) mit ähnlichen Anliegen – erledigt.

Standesinitiative BE fordert Freiheitsstrafe bei Gewalt gegen Beamte (Kt.Iv. 16.317)
Dossier: Vorstösse betreffend Gewalt gegen Behörden und Beamte
Dossier: Harmonisierung der Strafrahmen (Besonderer Teil des Strafgesetzbuches)

In Erfüllung eines Postulats der SiK-SR veröffentlichte der Bundesrat im Juni 2022 einen Bericht zur Bekämpfung des Hooliganismus. Darin betonte er zuallererst, dass die Polizeihoheit bei den Kantonen liege und dem Bund somit nur eine subsidiäre und sektorielle Kompetenz in diesem Bereich zufalle. Für den Erlass und den Vollzug von Massnahmen zur Gewaltbekämpfung an Sportveranstaltungen, sowohl gegenüber Gewalttäterinnen und -tätern als auch gegenüber den Sportklubs, seien die Kantone zuständig. Diese verfügten mit dem Hooligan-Konkordat tatsächlich über das nötige Instrumentarium, um Gewalt bei Sportveranstaltungen zu verhindern. «Es ist nicht ersichtlich, welche anderen gesetzgeberischen Massnahmen ergriffen werden könnten, die wirkungsvoller wären», konstatierte die Regierung. Sie erwarte allerdings von den Kantonen, dass diese ihre Bewilligungspflicht dazu nutzten, den Klubs schärfere Auflagen zu Massnahmen gegen Hooliganismus zu machen. Des Weiteren seien Massnahmen, die zur Bekämpfung der Covid-Pandemie eingeführt wurden, namentlich personalisierte Tickets, die Aufhebung von Stehplätzen und Restriktionen bei den Gästefans, seiner Auffassung nach auch nach der Pandemie flächendeckend fortzuführen, hielt der Bundesrat fest. Zudem forderte er von den Kantonen Basel-Stadt und Basel-Landschaft den Beitritt zur revidierten Fassung des Hooligan-Konkordats sowie von allen Kantonen, dass sie vermehrt Meldeauflagen aussprechen, mehr Personal für die Täteridentifikation einsetzen und den Dialog zwischen Polizei und Fans intensivieren.
Soweit es ihm aufgrund der Kompetenzordnung möglich sei, nehme der Bund die Kantone und Klubs in die Pflicht, indem sich das Fedpol an operativen Spielbesuchen beteilige und Massnahmen gegen gewalttätige Personen beantrage. Zur Unterstützung stelle er das Informationssystem «Hoogan» bereit, das den Kantonen zur polizeilichen Lagebeurteilung von anstehenden Spielen diene. Darüber hinaus engagiere sich das Fedpol, u.a. in seiner Rolle als National Football Information Point, im internationalen Informationsaustausch und bringe Good Practices aus dem Ausland in der Schweiz ein. Gegen gewaltbereite Fans erlasse der Bund Ausreise- bzw. Einreiseverbote und nehme entsprechende Grenzkontrollen vor. Nicht zuletzt beteilige er sich an der Finanzierung der Forschungsstelle «Gewalt bei Sportveranstaltungen» der Universität Bern. Um die Kantone und Klubs noch besser zu unterstützen, drückte der Bundesrat seinen Willen aus, die Hoogan-Datenbank an neue Anforderungen anzupassen und sie – nebst dem EV Zug, der sie jetzt schon dafür nutzt – weiteren Sportklubs für elektronische Eingangskontrollen zur Verfügung zu stellen sowie Abklärungen zur elektronischen Kontrolle von Meldeauflagen zu unterstützen.

Bekämpfung des Hooliganismus (Po. 19.3533)

«Wie fit sind die Kantone in der Cyber-Strafverfolgung?», fragte Nationalrat Andri Silberschmidt (fdp, ZH) im Titel eines im März 2022 eingereichten Postulats. Er forderte den Bundesrat auf, anhand einer Auslegeordnung aufzuzeigen, welcher Handlungsbedarf in der Cyber-Strafverfolgung in den verschiedenen Kantonen besteht. Insbesondere soll er für alle Kantone untersuchen, ob die gesetzlichen Grundlagen zum Austausch mit anderen Kantonen ausreichend sind, ob die Organisation an die neuen Herausforderungen angepasst wurde und ob eine Bündelung der Ressourcen zwischen den Kantonen sinnvoll wäre. Die Ergebnisse sollten allerdings nur eingeschränkt veröffentlicht werden, um die Polizeitaktik und die Reputation einzelner Kantone nicht zu gefährden. Der Bundesrat begrüsste eine solche Bestandesaufnahme und beantragte die Annahme des Postulats. Der Nationalrat kam diesem Antrag in der Sommersession 2022 stillschweigend nach und überwies den Vorstoss diskussionslos.

Wie fit sind die Kantone in der Cyber-Strafverfolgung? (Po. 22.3145)

Auf Antrag seiner Rechtskommission lehnte der Ständerat in der Sommersession 2022 die Motion Müller (cvp, LU) mit dem Ziel, den Autoritätsverlust von Staatsangestellten zu bekämpfen, stillschweigend ab. Nach eingehender Prüfung durch die Subkommission habe man darauf verzichtet, das Anliegen in die Strafrahmenharmonisierung aufzunehmen, weshalb es als erledigt zu betrachten sei, argumentierte die RK-SR in ihrem Bericht.

Kampf gegen den Autoritätsverlust von Staatsangestellten (Mo. 16.3707)
Dossier: Vorstösse betreffend Gewalt gegen Behörden und Beamte
Dossier: Harmonisierung der Strafrahmen (Besonderer Teil des Strafgesetzbuches)

Mit der Harmonisierung der Strafrahmen, die in der Wintersession 2021 vom Parlament verabschiedet worden war, wurden die Strafbestimmungen für Gewalt und Drohung gegen Behörden und Beamte verschärft. Die RK-SR erachtete das Anliegen der Standesinitiative des Kantons Waadt, die eine strengere Bestrafung ebendieser Delikte im Sinne der Petition des Verbandes Schweizerischer Polizeibeamter (Pet. 10.2016) verlangte, damit als erfüllt und beantragte im Frühling 2022, ihr keine Folge zu geben. Die Räte hatten die Behandlung der 2011 eingereichten Initiative im Jahr 2014 ausgesetzt, da über die Forderung im Zuge der Strafrahmenharmonisierung entschieden werden würde. Im Sommer 2022 folgte der Ständerat dem Antrag seiner Kommission stillschweigend und gab der Initiative keine Folge. Gleichzeitig schrieb er die Standesinitiative des Kantons Tessin (Kt.Iv. 14.301) und des Kantons Bern (Kt.Iv. 16.317) mit ähnlichen Anliegen ab.

Petition des Verbandes Schweizerischer Polizeibeamter (Kt.Iv. 11.312)
Dossier: Stopp der Gewalt gegen die Polizei
Dossier: Vorstösse betreffend Gewalt gegen Behörden und Beamte
Dossier: Harmonisierung der Strafrahmen (Besonderer Teil des Strafgesetzbuches)

Mit der Harmonisierung der Strafrahmen, die in der Wintersession 2021 vom Parlament verabschiedet worden war, wurden die Strafbestimmungen für Gewalt und Drohung gegen Behörden und Beamte verschärft. Die RK-SR erachtete das Anliegen der Standesinitiative des Kantons Tessin, die eine Überprüfung ebendieser Strafrahmen verlangte, damit als erfüllt und beantragte im Frühling 2022, die Initiative abzuschreiben. Der Ständerat folgte im Sommer 2022 diesem Antrag stillschweigend und stimmte der Abschreibung – ebenso wie jener der Standesinitiativen des Kantons Bern (Kt.Iv. 16.317) – zu. Gleichzeitig lehnte er es ab, der Standesinitiative des Kantons Waadt (Kt.Iv. 11.312) mit ähnlichem Anliegen Folge zu geben.

Strafrahmen für Gewalt und Drohung gegen Behörden und Beamte überprüfen (Kt.Iv. 14.301)
Dossier: Vorstösse betreffend Gewalt gegen Behörden und Beamte
Dossier: Harmonisierung der Strafrahmen (Besonderer Teil des Strafgesetzbuches)

Mit der Harmonisierung der Strafrahmen, die in der Wintersession 2021 vom Parlament verabschiedet worden war, wurden die Strafbestimmungen für Gewalt und Drohung gegen Behörden und Beamte verschärft. Die RK-SR erachtete das Anliegen der Standesinitiative des Kantons Bern, die eine zwingende Freiheitsstrafe bei ebendiesen Delikten verlangte, damit im Kern als erfüllt und beantragte im Frühling 2022, die Initiative abzuschreiben. Der Ständerat folgte im Sommer 2022 diesem Antrag stillschweigend und stimmte der Abschreibung – ebenso wie jener der Standesinitiative des Kantons Tessin (Kt.Iv. 14.301) – zu. Gleichzeitig lehnte er es ab, der Standesinitiative des Kantons Waadt (Kt.Iv. 11.312) mit ähnlichem Anliegen Folge zu geben.

Standesinitiative BE fordert Freiheitsstrafe bei Gewalt gegen Beamte (Kt.Iv. 16.317)
Dossier: Vorstösse betreffend Gewalt gegen Behörden und Beamte
Dossier: Harmonisierung der Strafrahmen (Besonderer Teil des Strafgesetzbuches)

Weil der Bund die verdeckte Ermittlung per Anfang 2021 an die Kantone abgebe, müsse fortan eine nationale Strategie sicherstellen, dass die Verfolgung von Pädokriminellen im Internet nicht an den Kantonsgrenzen und kantonalen Rechtsunterschieden scheitere, forderte Nationalrätin Yvonne Feri (sp, AG) mit einer im Herbst 2020 eingereichten Motion. Der Bundesrat lehnte es ab, eine nationale Strategie zur Bekämpfung der Cyber-Pädokriminalität zu schaffen, da die Kantone für die Strafverfolgung von Pädokriminalität zuständig seien. Das Fedpol habe auf der Grundlage einer Vereinbarung mit den Kantonen zwischenzeitlich bestimmte Aufgaben in diesem Bereich übernommen, weil in den Kantonen die rechtlichen Grundlagen für die verdeckte Fahndung gefehlt hätten. Dies habe sich inzwischen aufgrund gesetzlicher Anpassungen in den Kantonen geändert und die KKJPD habe die entsprechende Vereinbarung auf Ende 2020 gekündigt, erläuterte der Bundesrat in seiner Stellungnahme. Dennoch nahm der Nationalrat die Motion in der Sommersession 2022 mit 114 zu 69 Stimmen bei 2 Enthaltungen an. Es brauche eine gesamtschweizerische Strategie, die über die polizeiliche Koordination hinausreiche und das Zusammenspiel von Prävention, Meldemöglichkeiten, Opferhilfe und Strafverfolgung in den Blick nehme, argumentierte die Motionärin im Ratsplenum.

Nationale Strategie zur Bekämpfung der Cyber-Pädokriminalität (Mo. 20.4084)

Mit einem im Dezember 2021 eingereichten Postulat forderte Min Li Marti (sp, ZH) vom Bundesrat die Ausarbeitung einer Auslegeordnung zur Terrorismus- und Extremismusbekämpfung. Die Postulantin begründete ihren Vorstoss damit, dass die Zuständigkeiten innerhalb der verschiedenen Massnahmen zur Terrorismus- und Extremismusbekämpfung nicht immer klar abgrenzbar seien. Die geforderte Auslegeordnung soll die Zuständigkeiten und rechtlichen Grundlagen für das Fedpol, den NDB und die kantonalen Polizeibehörden klar aufzeigen und so problematische Doppelspurigkeiten, Unklarheiten und Abspracheprobleme verhindern. Der Bundesrat zeigte Verständnis für das Anliegen und beantragte die Annahme des Postulats. Bekämpft wurde das Postulat indes von Andreas Glarner (svp, AG). Zwar stimmte er der Postulantin insofern zu, als allfälligen Lücken und Doppelspurigkeiten in der Terrorismus- und Extremismusbekämpfung entgegengewirkt werden müsse, er erachtete einen Bericht jedoch nicht als passende Massnahme. Der Nationalrat nahm das Postulat in der Sommersession 2022 mit 134 zu 54 Stimmen ohne Enthaltung an.

Auslegeordnung zur Terrorismus- und Extremismusbekämpfung (Po. 21.4598)

In Erfüllung des Postulats Romano (cvp, TI) hatte der Bundesrat im Juni 2021 einen Bericht über die Entwicklungen im internationalen Eisenbahnverkehr und deren Auswirkungen auf die Grenzkontrollen des Grenzwachtkorps veröffentlicht. Im Rahmen seines Berichtes über die Motionen und Postulate der eidgenössischen Räte 2021 beantragte er daher die Abschreibung des Vorstosses. Der Nationalrat folgte dieser Empfehlung und schrieb das Postulat im Sommer 2022 stillschweigend ab.

Entwicklungen im internationalen Eisenbahnverkehr und Grenzkontrollen des Grenzwachtkorps (Po. 17.4177)

Anfang Mai 2022 verabschiedete der Bundesrat die Verordnung über die polizeilichen Massnahmen zur Bekämpfung von Terrorismus, die die Umsetzung des PMT-Gesetzes in der Praxis konkretisiert. In der Vernehmlassung sei die Verordnung von einer klaren Mehrheit der Teilnehmenden befürwortet worden, schrieb die Regierung in der entsprechenden Medienmitteilung. Gleichzeitig gab sie bekannt, dass das PMT-Gesetz am 1. Juni 2022 in Kraft treten werde.

Bundesgesetz über polizeiliche Massnahmen zur Bekämpfung von Terrorismus (PMT; 19.032)
Dossier: Strategie der Schweiz zur Terrorismusbekämpfung
Dossier: PMT und damit umgesetzte Vorstösse
Dossier: Vorstösse und Massnahmen zur Bekämpfung islamistischer Radikalisierungstendenzen

In seinem Bericht zur Abschreibung der Motion Regazzi (mitte, TI) «Ausweisung von Terroristinnen und Terroristen in ihre Herkunftsländer, unabhängig davon, ob sie als sicher gelten oder nicht» (Mo. 16.3982) vom Mai 2022 kam der Bundesrat zum Schluss, es sei rechtlich unmöglich, die Motion umzusetzen. Er beantragte daher, den im Frühjahr 2019 vom Parlament überwiesenen Vorstoss ohne weitere Massnahmen abzuschreiben. Die Forderung der Motion war, dass verurteilte ausländische Terroristinnen und Terroristen in jedem Fall in ihren Herkunftsstaat zurückgeschickt werden, selbst wenn ihnen dort Folter oder andere grausame und unmenschliche Behandlung oder Bestrafung droht. Der Bundesrat legte in seinem Bericht dar, dass eine solche Praxis nicht mit den völkerrechtlichen Verpflichtungen der Schweiz vereinbar sei. Das menschenrechtliche Non-Refoulement-Prinzip, d.h. das Verbot der Ausschaffung in einen Staat, in dem der betroffenen Person Folter oder andere grausame und unmenschliche Behandlung oder Bestrafung droht, sei nicht nur in der Bundesverfassung und im Völkervertragsrecht verankert, sondern Teil des gewohnheitsrechtlichen ius cogens: Als Völkergewohnheitsrecht mit zwingendem Charakter gelte es absolut; die Schweiz könne sich von der Verpflichtung zur Einhaltung des Non-Refoulement-Prinzips ergo nicht durch Vertragskündigungen oder die Änderung der Bundesverfassung befreien. Bei einer Umsetzung der Motion wäre die Schweiz der einzige Staat Europas, der die absolute Geltung des Non-Refoulement-Gebots nicht mehr anerkenne. Dies käme nicht nur einem «vollständigen Bruch mit der humanitären Tradition der Schweiz», sondern auch einer «Abkehr vom Grundsatz der Rechtsstaatlichkeit im herkömmlichen Sinn» gleich, schlussfolgerte die Regierung.

Ausweisung von Terroristinnen und Terroristen in ihre Herkunftsländer, unabhängig davon, ob sie als sicher gelten oder nicht (Mo. 16.3982)

Im Ständerat, der sich in der Frühjahrssession 2022 als Zweitrat mit der Übernahme der EU-Verordnung 2020/493 über das System FADO (False and Authentic Documents Online) auseinandersetzte, war Eintreten unbestritten. Wie der Nationalrat war auch die ständerätliche Rechtskommission der Ansicht, dass der Bundesrat nicht selbstständig neue Staatsverträge mit Änderungen der Zugriffsrechte auf FADO abschliessen können soll. Der vollständige Kompetenzentzug, den der Nationalrat vorgenommen hatte, ging der RK-SR allerdings zu weit. Sie beantragte ihrem Rat eine Kompromisslösung, wonach der Bundesrat geringfügige Änderungen der Zugangsrechte auf dem Verordnungsweg umsetzen kann, dem Parlament aber gleichzeitig eine Botschaft zur Gesetzesänderung vorlegen muss. Bundesrätin Karin Keller-Sutter begrüsste diesen Vorschlag und erklärte, der Bundesrat halte nicht an seiner Version fest. Der Ständerat stimmte dieser Änderung stillschweigend zu und nahm den Entwurf einstimmig an.
Die Mehrheit der RK-NR präzisierte daraufhin, dass der Bundesrat auf dem beschriebenen Weg nicht nur geringfügige Änderungen der Zugriffsrechte vornehmen, sondern auch ein begrenztes Zugriffsrecht für Unternehmen, die in der Luftfahrt tätig sind, festlegen können soll. Eine SVP-Minderheit war jedoch der Ansicht, dass letzteres eine substanzielle Änderung sei, die nicht über den Verordnungsweg vorgenommen werden dürfe, und beantragte Zustimmung zur ständerätlichen Fassung. Der Nationalrat stimmte mit 112 zu 37 Stimmen für den Mehrheitsvorschlag, der auch im Sinne des Bundesrates sei, wie die Justizministerin versicherte. Nachdem auch der Ständerat diesem Vorschlag stillschweigend zugestimmt hatte, kam der Entwurf noch in der Frühjahrssession 2022 in die Schlussabstimmungen. Während ihn die kleine Kammer einstimmig (bei einer Enthaltung) verabschiedete, hiess ihn der Nationalrat mit 147 zu 12 Stimmen bei 32 Enthaltungen gut. Die ablehnenden Stimmen stammten aus der SVP-Fraktion, die in der Differenzbereinigung mit ihrer Position zu den bundesrätlichen Kompetenzen unterlegen war. Demgegenüber war es die Grüne Fraktion, die sich geschlossen der Stimme enthielt, ebenso wie drei Mitglieder der SP-Fraktion. Das links-grüne Lager hatte in der Eintretensdebatte harsche Kritik daran geäussert, dass die EU-Verordnung das System FADO in die Verantwortlichkeit der umstrittenen Grenzschutz-Agentur Frontex überträgt.

Übernahme und Umsetzung der Verordnung über das System FADO (BRG 21.036)

Jahresrückblick 2021: Rechtsordnung

Das erste Halbjahr 2021 stand im Zeichen von drei Volksabstimmungen, die die öffentliche Debatte im Bereich der Rechtsordnung prägten. Am 7. März 2021 kamen die Volksinitiative «Ja zum Verhüllungsverbot» und das E-ID-Gesetz zur Abstimmung. Am 13. Juni 2021 folgte das Referendum zum Bundesgesetz über polizeiliche Massnahmen zur Terrorismusbekämpfung (PMT). Die damit einhergehenden Abstimmungskampagnen waren in der Medienkonjunktur deutlich zu erkennen, wie die APS-Zeitungsanalyse zeigt: Das Thema Bürgerrechte, worunter das Verhüllungsverbot fällt, verzeichnete über das ganze Jahr gesehen den höchsten Anteil an Zeitungsartikeln zur Rechtsordnung (vgl. Abbildung 2 im Anhang) und dominierte die Medienberichterstattung im Bereich Rechtsordnung von Januar bis März (vgl. Abbildung 1). An zweiter Stelle lag im ersten Quartal das Thema Öffentlicher Dienst, dem die E-ID zuzuordnen ist. Von April bis Juni galt die meiste Beachtung dem Thema Innere Sicherheit, wo das PMT-Referendum angesiedelt ist.

Nach einem intensiven und vielschichtigen Abstimmungskampf, in dem viele Argumente gleichzeitig von der Pro- und der Contra-Seite verwendet wurden, nahm die Schweizer Stimmbevölkerung die vom Egerkinger Komitee lancierte Initiative «Ja zum Verhüllungsverbot» am 7. März 2021 mit 51.2 Prozent Ja-Stimmen an. Während das befürwortende Lager den Volksentscheid als klares Zeichen gegen den Islamismus in der Schweiz wertete, beklagte das unterlegene Lager einen unnötigen Eingriff in die Grundrechte von Musliminnen. Die für das Geschäft zuständige Bundesrätin Karin Keller-Sutter, die den Erfolg der Initiative trotz indirekten Gegenvorschlags nicht hatte abwenden können, legte viel Wert darauf zu betonen, das Resultat sei nicht als Votum gegen die Musliminnen und Muslime in der Schweiz zu verstehen. Die Vox-Analyse bestätigte denn auch, dass das Ja nicht nur von kulturellen, sondern ebenso von sicherheitspolitischen und feministischen Argumenten getragen wurde.

Am selben Tag erlitt Justizministerin Karin Keller-Sutter mit dem Nein zur E-ID auch beim zweiten Geschäft aus ihrem Zuständigkeitsbereich eine Niederlage. Die Schweizer Stimmbevölkerung versenkte das Bundesgesetz über elektronische Identifizierungsdienste in der Referendumsabstimmung mit 64.4 Prozent Nein-Stimmen deutlich. Gemäss der Vox-Nachbefragung war es den Behörden nicht gelungen, das Misstrauen gegenüber den privaten Anbieterinnen und Anbietern der E-ID abzubauen, das die Abstimmungskampagne dominiert hatte. Die E-ID ist damit nicht grundsätzlich gescheitert, allerdings würde von der Stimmbevölkerung eine staatliche Lösung gewünscht.

In der dritten Volksabstimmung des Jahres im Bereich Rechtsordnung konnte die Justizministerin schliesslich einen Erfolg verbuchen. Eine klare Mehrheit von 56.6 Prozent der Stimmbürgerinnen und Stimmbürger hiess am 13. Juni 2021 das Bundesgesetz über polizeiliche Massnahmen zur Terrorismusbekämpfung (PMT) an der Urne gut. Angesichts der wahrgenommenen Terrorgefahr überwog das Vertrauen in den Bundesrat und die Polizei letztlich die Bedenken bezüglich polizeilicher Willkür und Verlust der Rechtsstaatlichkeit, wovor das Referendumskomitee gewarnt hatte, so die Schlussfolgerung der Vox-Analyse. Der Staat erhält damit verschiedene präventiv-polizeiliche Mittel – von der Meldepflicht bis zum Hausarrest –, um terroristische Gefährderinnen und Gefährder zu kontrollieren.

In der zweiten Jahreshälfte zog das Thema Innere Konflikte und Krisen zunehmende Aufmerksamkeit auf sich, sodass es im September und Oktober im Bereich der Rechtsordnung das von den Medien meistbeachtete Thema war (vgl. Abbildung 1). Dafür verantwortlich waren hauptsächlich die Demonstrationen gegen die Corona-Massnahmen. Insbesondere im Herbst, als der Bundesrat die Zertifikatspflicht beschloss, intensivierten sich die Proteste. So fanden in der Bundesstadt wöchentliche Kundgebungen der Massnahmenkritikerszene statt. Nachdem es mehrmals zu Ausschreitungen gekommen war und die Stadt Bern die Kundgebungen nicht mehr bewilligte – was die Massnahmengegnerinnen und -gegner aber nicht davon abhielt, weiter zu demonstrieren –, wurde auch die Radikalisierung der Szene in den Medien debattiert. Im Vorfeld der Referendumsabstimmung über die zweite Revision des Covid-19-Gesetzes Ende November erhitzten sich die Gemüter weiter. Die aufgeladene Stimmung gipfelte darin, dass aufgrund befürchteter Ausschreitungen am Abstimmungssonntag das Bundeshaus von der Polizei grossräumig abgeriegelt wurde. Eine weitere Eskalation blieb dann aber glücklicherweise aus.

Etwas abseits der Medienaufmerksamkeit widmete sich das Parlament 2021 mehreren umfangreichen Gesetzesrevisionen im Strafrecht. In der Frühjahrssession nahm der Nationalrat die Revision der Strafprozessordnung in Angriff, die der Ständerat in der Wintersession fortsetzte. Das Revisionsprojekt geht auf eine 2015 überwiesene Motion der RK-SR zurück, die den Bundesrat beauftragt hatte, die Strafprozessordnung auf ihre Praxistauglichkeit zu prüfen und allfällige Anpassungen vorzuschlagen. Nachdem die Räte die Bestimmungen zur Sicherheitshaft aufgrund ihrer Dringlichkeit ausgekoppelt und 2020 bereits verabschiedet hatten, begannen 2021 die Beratungen zum Hauptentwurf. Das zweite zentrale Gesetzgebungsprojekt im Strafrecht, die Harmonisierung der Strafrahmen, durchlief 2021 die Differenzbereinigung. Einer der Hauptstreitpunkte dieser Vorlage war, inwieweit die Strafen für Gewalt gegen Behörden und Beamte verschärft werden sollen. Zusammen mit der Revision des Sexualstrafrechts bildet die Strafrahmenharmonisierung die zweite Etappe einer umfassenden StGB-Revision, in der nach dem Allgemeinen Teil (abgeschlossen 2016) nun auch der Besondere Teil erneuert wird. Aufgrund des festgestellten Diskussionsbedarfs hatte das Parlament die Revision des Sexualstrafrechts in einen eigenen Entwurf ausgelagert, der Anfang 2021 in die Vernehmlassung gegeben wurde. Des Weiteren brachten die eidgenössischen Räte in der Wintersession 2021 die Änderung des DNA-Profil-Gesetzes zum Abschluss. Nach Inkrafttreten dürfen die Ermittlungsbehörden neu mittels sogenannter Phänotypisierung äusserliche Merkmale wie Haar-, Haut- und Augenfarbe oder das Alter der gesuchten Person aus DNA-Spuren bestimmen.

Jahresrückblick 2021: Rechtsordnung
Dossier: Jahresrückblick 2021