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Der Ständerat hatte in der Frühjahrssession 2020 die vom Bundesrat vorgeschlagenen polizeilichen Massnahmen zur Terrorismusbekämpfung (PMT) weitgehend unverändert übernommen. Damit sollen terroristische Gefährderinnen und Gefährder als letztes Mittel unter Hausarrest gestellt werden können, auch wenn sie noch minderjährig sind. Daran entzündete sich nachfolgend eine öffentliche Debatte über die Rechtsstaatlichkeit solcher Massnahmen. Wer ein Gefährder oder eine Gefährderin ist, sei nur «äusserst schwammig» definiert, monierte die WOZ, und es sei beängstigend, «wie sorglos die ParlamentarierInnen mit den Grundrechten umgehen». Weiter lastete die Zeitung der Kantonskammer «Arbeitsverweigerung» an, weil sie sich nicht mit diesen grundlegenden Fragen auseinandergesetzt habe. Kritisch ausgefallen ist, wie die Presse im Mai berichtete, auch ein Rechtsgutachten, das vom Bund und den Kantonen in Auftrag gegeben worden war. Darin warnte Rechtsprofessor Andreas Donatsch vor einer Verletzung der EMRK – dass ein Mensch als gefährlich eingestuft werde, genüge nicht, um ihn einzusperren. Zum selben Schluss kamen sowohl das UNO-Hochkommissariat für Menschenrechte als auch die Menschenrechtskommissarin des Europarates, Dunja Mijatović. Man befürchte, «dass die Anwendung dieses Gesetzes zu erheblichen Verletzungen der Menschen- und Grundrechte führt», zitierte beispielsweise der «Sonntags-Blick» aus dem Schreiben an den Bundesrat, das fünf UNO-Sonderberichterstatter unterzeichnet hatten. Die unpräzisen Formulierungen bzw. das vage Konzept des «potenziellen Terroristen» bereiteten das Feld für willkürliche Freiheitsentzüge und die vorgesehenen Massnahmen seien so weder mit der EMRK noch – da zum Teil schon ab 12 Jahren angedacht – mit der UNO-Kinderrechtskonvention vereinbar, lautete die internationale Schelte. Europaratskommissarin Mijatović forderte die Schweizer Parlamentarierinnen und Parlamentarier zudem in einem Brief auf, «ihr Vorhaben zu revidieren», wie «Le Temps» berichtete.
Die SiK-NR goss unterdessen munter Öl ins Feuer, als sie ungeachtet der Kritik am bundesrätlichen Entwurf diesen noch verschärfte. In ihrer Sitzung Mitte Mai 2020 ergänzte sie die polizeilichen Massnahmen mit 11 zu 10 Stimmen bei 4 Enthaltungen um eine sogenannte gesicherte Unterbringung von Gefährdern (GUG), d.h. eine Präventivhaft für Personen, die keine Straftat begangen haben, denen der Nachrichtendienst dies aber zutraut. Sie wolle damit eine vom Nationalrat 2018 angenommene entsprechende Motion 16.3673 umsetzen, war ihrer Medienmitteilung zu entnehmen. Die Aargauer Zeitung kommentierte diesen Entscheid in Anbetracht der Debatte um die Rechtsstaatlichkeit des – im Vergleich zur Haft weniger einschneidenden – Hausarrests als «überraschend». Als Anführer der starken Minderheit, die sich in der Kommission gegen die Präventivhaft stellte, liessen die Medien Nationalrat Beat Flach (glp, AG) zu Wort kommen: Ein liberaler Rechtsstaat müsse andere – auch «verrückt andere» – Meinungen zulassen, denn wenn wir unsere Grundwerte über Bord würfen, hätten die Terroristen uns «in die Knie gezwungen», so Flach gegenüber der Aargauer Zeitung. Relativierend äusserte sich in derselben Zeitung dagegen Kommissionspräsidentin Ida Glanzmann-Hunkeler (cvp, LU): «Damit man in der Schweiz als Gefährder eingestuft wird, braucht es mehr als eine extreme Meinungsäusserung.»
Bevor sich in der Sommersession 2020 der Nationalrat mit dem Geschäft befassen wird, sprachen sich in der Presse Vertreterinnen und Vertreter von Menschenrechtsorganisationen sowie Kinder- und Grundrechtsexperten noch einmal vehement gegen die umstrittenen Massnahmen aus. Bei der Terrorbekämpfung dürften die Menschenrechte nicht aussen vor bleiben, forderten sie unisono. Ausserdem habe die Schweiz mit Genf als «UNO-Menschenrechtshauptstadt» durchaus einen Ruf zu verlieren, gab eine Vertreterin von Amnesty International gegenüber dem «Corriere del Ticino» zu bedenken.

Bundesgesetz über polizeiliche Massnahmen zur Bekämpfung von Terrorismus (PMT; 19.032)
Dossier: Strategie der Schweiz zur Terrorismusbekämpfung
Dossier: PMT und damit umgesetzte Vorstösse
Dossier: Vorstösse und Massnahmen zur Bekämpfung islamistischer Radikalisierungstendenzen

Ende August 2019 eröffnete der Bundesrat die Vernehmlassung zu einer Anpassung des DNA-Profil-Gesetzes. Die Strafverfolgungsbehörden sollen aus einer am Tatort gefundenen DNA-Spur nicht mehr nur das Geschlecht, sondern neu auch die Augen-, Haar- und Hautfarbe, die biogeografische Herkunft und das Alter der Person bestimmen dürfen. Ziel dieser sogenannten Phänotypisierung ist es, Ermittlungen und Fahndungen fokussierter durchführen, den potenziellen Täterkreis eingrenzen und Unbeteiligte rasch ausschliessen zu können. Eine Phänotypisierung soll auf Anordnung der Staatsanwaltschaft und nur bei Verbrechen, d.h. Straftatbeständen mit einer minimalen Strafandrohung von drei Jahren Freiheitsstrafe, durchgeführt werden dürfen. Die Verwendung der Analyseergebnisse ist auf die Ermittlungen in einem konkreten, aktuellen Fall begrenzt; sie sollen nicht in der DNA-Datenbank gespeichert werden. Damit wird eine vom Parlament überwiesene Motion Vitali (fdp, LU; Mo. 15.4150) umgesetzt, die eine gesetzliche Grundlage für die Auswertung der codierenden DNA-Abschnitte forderte. Weiter will der Bundesrat in Umsetzung des Postulats 16.3003 die Regelung zur Löschung von DNA-Profilen vereinfachen. Er sieht vor, dass neu bereits im Strafurteil festgelegt werden soll, wie lange das DNA-Profil eines Täters oder einer Täterin in der DNA-Datenbank aufbewahrt wird. Zudem soll die vom Bundesstrafgericht für zulässig erklärte Ermittlungsmethode des erweiterten Suchlaufs mit Verwandtschaftsbezug ausdrücklich im Gesetz verankert werden: Kann einer am Tatort gefundenen DNA-Spur kein Treffer in der Datenbank zugeordnet werden, darf geprüft werden, ob im System sehr ähnliche Profile, d.h. nahe Verwandte der gesuchten Person, verzeichnet sind. Über eine Kontaktaufnahme zu den Verwandten können die Strafverfolgungsbehörden anschliessend versuchen, die gesuchte Person ausfindig zu machen.
In der Presse zeigte sich die Luzerner Staatsanwaltschaft entschlossen, die Ermittlungen im sistierten «Fall Emmen» wieder aufzunehmen, sobald die neue Gesetzesgrundlage in Kraft trete. Im Sommer 2015 hatte die Vergewaltigung einer seither querschnittgelähmten jungen Frau in Emmen (LU), bei der der Täter trotz DNA-Massentest bisher nicht gefunden werden konnte, eine öffentliche Debatte über die DNA-Analyse als Ermittlungsmethode angestossen. Der Fall hatte auch am Ursprung der Motion Vitali gestanden, die mit der vorgeschlagenen Gesetzesänderung umgesetzt werden soll. Bedenken wegen des zusätzlichen Eingriffs in die Grundrechte äusserte dagegen der EDÖB Adrian Lobsiger. Er zöge es vor, wenn die Phänotypisierung nur bei schweren Verbrechen gegen Leib und Leben, die Freiheit oder die sexuelle Integrität zulässig wäre und nicht von der Staatsanwaltschaft, sondern nur von einem Zwangsmassnahmengericht angeordnet werden dürfte. Ausserdem betonte er die eingeschränkte Genauigkeit der Phänotypisierung – bei blonden Haaren beispielsweise sei die Vorhersage nur zu 69 Prozent zutreffend –, weshalb die Analyseergebnisse nicht als Beweise missverstanden werden dürften.

Änderung des DNA-Profil-Gesetzes (BRG 20.088)
Dossier: DNA-Profile

Immer wieder berichtete die Presse im Jahr 2016 von der vermehrten Gewalt gegen Polizistinnen und Polizisten und der zunehmenden Brutalität der Angriffe. Waren im Jahr 2000 noch knapp 800 Anzeigen wegen Gewalt und Drohung gegen Behörden und Beamte eingegangen, verzeichnete die Kriminalstatistik 2015 deren 2800 – mehr als dreimal so viele wie zu Beginn des Jahrtausends. Der Verband Schweizerischer Polizeibeamter (VSPB) sowie verschiedene Kantons- und Stadtpolizeien monierten abnehmenden Respekt und zunehmende Rücksichtslosigkeit gegenüber den Beamten. Die Situation habe sich in den vergangenen Jahren stark verschlimmert, konstatierte VSPB-Generalsekretär Max Hofmann gegenüber dem Tages-Anzeiger, und dennoch stosse man bei der Politik auf «taube Ohren». Zusammen mit dem Tessiner Verein «Amici delle Forze di Polizia Svizzere» und dem Verband der Tessiner Kommunalpolizeien lancierte der VSPB deshalb eine Online-Petition mit der Forderung nach schärferen Strafen bei Gewalt gegen die Polizei. Damit wollte er den Druck auf die Politik erhöhen, denn durch deren bisherige Untätigkeit – eine Petition des VSPB aus dem Jahr 2010 sowie mehrere Standesinitiativen (VD: Kt.Iv. 11.312; GE: Kt.Iv. 12.306; TI: Kt.Iv. 14.301) waren im Parlament noch pendent – fühlten sich die Polizeibeamten nicht mehr ernst genommen, so Hofmann. Besonders betroffen seien die Ordnungskräfte in den Städten, wo sie – vor allem in Zürich und Bern – immer wieder ins Visier der linksextremen Szene gelangten oder im Rahmen von emotionsgeladenen Sportveranstaltungen mit Hooligans zu tun hätten. Doch auch einzelne, «schlecht gelaunte Mitmenschen» würden etwa im Rahmen von Personenkontrollen vermehrt ausfällig oder sogar gewalttätig, schilderte das St. Galler Tagblatt. Die Präsidentin des VSPB, Johanna Bundi Ryser, bezeichnete die Situation in derselben Zeitung als «alarmierend». Eine Gesetzesverschärfung allein löse das Problem zwar nicht, aber die jetzige Strafpraxis sei «inakzeptabel»; Gewalt dürfe für Polizistinnen und Polizisten kein Berufsrisiko sein. Von einem höheren Strafmass erhoffte sie sich vor allem eine abschreckende Wirkung.
Politische Unterstützung erhielt das Anliegen schliesslich von den beiden Nationalräten Bernhard Guhl (bdp, AG) und Marco Romano (cvp, TI) sowie Nationalrätin Sylvia Flückiger-Bäni (svp, AG). Während die Aargauer SVP-Vertreterin eine entsprechende Motion einreichte, setzten Romano und Guhl auf parlamentarische Initiativen. Guhl versprach zudem als Präsident der parlamentarischen Gruppe für Polizei- und Sicherheitsfragen, die Parlamentsangehörigen für das Thema sensibilisieren zu wollen. Auch in den Kantonsparlamenten, wo gemäss NZZ «die Klagen der Beamten unmittelbar vernommen werden», wurde das Thema debattiert. So legte etwa der Kanton Bern eine weitere Standesinitiative (Kt.Iv. 16.317) für die Verschärfung der Strafen nach.

Schärfere Strafen bei Gewalt gegen die Polizei gefordert

Verschiedene Ereignisse machten Missstände in kantonalen Polizeien zum Gegenstand der Mediendebatten. So löste etwa die Meldung, dass eine Aargauer Regionalpolizei vorbestrafte Polizisten beschäftigte, einen kräftigen Medienwirbel aus, der auch Missstände in der Luzerner Polizei aufdeckte. Im Kanton Luzern hatten Polizisten trotz Verurteilung oder schwerer Anschuldigungen Karriere machen können. Als Antwort auf die lautgewordene Kritik richtete die Luzerner Polizei eine interne Meldestelle ein und nahm eine Reorganisation vor. Der Polizeichef Beat Hensler musste seinen Posten räumen. Auch die Zürcher Polizei war nicht vor Skandalen gefeit. Die Korruptionsaffäre in der Zürcher Sittenpolizei, in der den Stadtpolizisten vorgeworfen wurde, Informationen gegen sexuelle Dienste geliefert zu haben, entfachte eine Diskussion über den Regelungsbedarf der Prostitution.

Missstände in kantonalen Polizeien

Für Aufsehen sorgte die Affäre um den Chef der Bundeskriminalpolizei Michael Perler. Perler hatte 2009 seine russische Lebensgefährtin an ein mehrtätiges Treffen in St. Petersburg mitgenommen und damit die Debatte ausgelöst, ob er ein Sicherheitsrisiko eingegangen war. Sowohl die Fachstelle für Personensicherheitsprüfung im Departement für Verteidigung, Bevölkerungsschutz und Sport (VBS) sowie das Bundesverwaltungsgericht schätzten Perler als eine Gefahr für die Staatssicherheit ein. Dieser hatte den Entscheid des Bundesverwaltungsgerichts an das Bundesgericht weitergezogen. Bis zum Urteil des Bundesgerichts befindet sich Perler in bezahltem Urlaub.

Chef der Bundeskriminalpolizei Michael Perler

Am 1. September 2011 fand der letzte Runde Tisch mit Vertretern aus Fussball-Liga, Bund, Kantonen, Städten und Polizei statt. Die Verhandlungen blieben aber ergebnislos. Der vom Bund initiierte Runde Tisch wurde deshalb nach drei Jahren aufgelöst. Im Anschluss konnten sich aber die Swiss Football League (SFL) und die Vereine einigen, dass Rayonverbote gegen Hooligans künftig für die ganze Schweiz gelten, Straftäter konsequenter und rascher verfolgt werden und dass ein einheitliches Konzept für den Umgang mit Gästefans entwickelt werden solle. Eine flächendeckende ID-Kontrolle wurde aber weiterhin abgelehnt.

Runder Tisch

Zu ernsthaften Ausschreitungen im Umfeld von politischen Manifestationen kam es insbesondere anlässlich einer SVP-Demonstration am 6. Oktober, also kurz vor den eidgenössischen Wahlen in Bern. Die SVP beabsichtigte, mit Bundesrat Blocher an der Spitze, einen Demonstrationszug durch die Berner Altstadt auf den Bundesplatz durchzuführen. Eine Gegenkundgebung ebenfalls in der Altstadt wurde von lokalen grünen Parteien, Jungparteien und Gewerkschaften unterstützt, von den Gemeindebehörden aber nicht bewilligt. Während sich gut 5000 SVP-Demonstranten vor dem unteren Ende der Altstadt zum Abmarsch bereit machten, versammelten sich rund 2000 Gegendemonstranten auf dem Münsterplatz nahe an der Marschroute. Einige Hundert Gegendemonstranten blieben allerdings nicht dort, sondern errichteten Strassenblockaden am Eingang zur unteren Altstadt, zerstörten Material für die SVP-Kundgebung auf dem Bundesplatz, attackierten dort auch Personen und lieferten sich in den engen Altstadtgassen Scharmützel mit der Polizei. Die Polizei räumte unter Einsatz von Tränengas und Gummischrot die Strassenblockaden und nahm 42 Gegenmanifestanten fest. Die SVP, in deren Demonstrationszug sich auch ca. hundert Rechtsextremisten und bekannte Neonazis eingereiht hatten, brach in der Folge ihre Demonstration ab. Bereits drei Wochen zuvor war es bei einem Auftritt von Bundesrat Blocher in Lausanne zu Protestaktionen mit heftigen Auseinandersetzungen zwischen der Polizei und Demonstranten gekommen.

Ausschreitungen SVP-Demonstration am 6. Oktober in Bern

Von den Grosskundgebungen waren nur die beiden Bauerndemonstrationen von Gewaltakten begleitet: 2'500 Landwirte aus der Westschweiz hatten im September gegen die im Zusammenhang mit der Bekämpfung der Rinderseuche BSE angekündigten Massenschlachtungen protestiert, indem sie mit 1'200 Traktoren die Autobahn A12 westlich von Freiburg für mehrere Stunden blockierten. Zu schweren Ausschreitungen kam es wenig später in Bern, als eine von rund 15'000 Personen besuchte nationale Kundgebung des Bauernverbandes von der Polizei mit Tränengas und Gummigeschossen aufgelöst wurde, nachdem einige Hundert Manifestanten versucht hatten, die Absperrung um das Bundeshaus gewaltsam zu durchbrechen. Zu gewalttätigen Auseinandersetzungen zwischen zumeist sehr jungen Demonstranten und der Polizei kam es auch mehrfach in Zürich. Dabei gerieten an der sogenannten Nachdemonstration zur 1. Mai-Veranstaltung der Gewerkschaften und der SP auch friedliche Kundgebungsteilnehmer zwischen die Fronten. Als Sprecherin der einige Hundert zählenden, und sich als Antirassisten und Antifaschisten bezeichnenden Manifestanten trat mehrmals eine Organisation «Revolutionärer Aufbau Zürich» in Erscheinung.

Bauerndemonstrationen Gewaltakten jungen Demonstranten Zürich

Erstmals seit 1988 ist 1992 die Gesamtheit der bei der Polizei angezeigten Verbrechen und Vergehen wieder zurückgegangen. Ausschlaggebend für diese Entwicklung war eine Abnahme bei den gemeldeten Diebstählen; die angezeigten Gewaltdelikte wie Raub oder Körperverletzung nahmen jedoch weiterhin zu. Die wachsende Angst eines Teils der Bevölkerung, Opfer eines Verbrechens zu werden, liess die öffentliche resp. die innere Sicherheit auch zu einem wichtigen politischen Thema werden. Nach einer recht emotionalen Debatte im Sommer präsentierten im Oktober sowohl die FDP als auch die CVP ihre Thesen und Vorschläge zu dieser Problematik. Bei der Ursachenforschung vermieden beide Parteien Schuldzuweisungen an politische Gegner oder bestimmte Bevölkerungsgruppen. Sie machten für die wachsende Kriminalität eher allgemeine gesellschaftliche Entwicklungen wie zunehmende Anonymität und Wertewandel verantwortlich. Als Gegenmittel schlugen sie einen Ausbau der Strafverfolgungs- und -vollzugsbehörden vor, was freilich nicht ohne zusätzliches Personal und neue Strafvollzugsanstalten zu bewerkstelligen wäre. Auch Exponenten der SVP äusserten sich in ähnlicher Weise. Bundesrat Koller beauftragte eine verwaltungsinterne Arbeitsgruppe mit der Abklärung der Frage, welche Beiträge das EJPD zur Verbesserung der Situation leisten kann. Wenig Resonanz fand dieses Thema bei der SP, die zwar ebenfalls Vollzugsprobleme konstatierte, sonst aber den Verdacht äusserte, dass dieses Thema von den bürgerlichen Parteien hochgespielt werde, um von den wirtschaftlichen Problemen abzulenken und um Wählerstimmen zu erobern. Zumindest im lokalen Rahmen wurde ihre Anschuldigung bestätigt, als die Zürcher SVP in Wahlkampfinseraten die «Linken und Netten» für die zunehmende Kriminalität verantwortlich machte.

Gewaltdelikte emotionalen Debatte

Die regelmässig von Auseinandersetzungen mit der Polizei und grösseren Sachbeschädigungen begleiteten Demonstrationen gegen die Wohnungsnot, welche im Vorjahr jeweils am Donnerstagabend die Stadt Zürich in Aufregung versetzt hatten, ebbten im Berichtsjahr ab. Nur noch einmal berichtete die Presse über Ausschreitungen.

Stadt Zürich Demonstrationen

Lautstark und gewalttätig setzte sich insbesondere die "Patriotische Front" in Szene, als deren Sprecher der in der Politik bisher nicht bekannte Marcel Strebel auftrat. Diese rund 20 zumeist junge Männer zählende rechtsradikale Organisation war Ende 1988 in der Innerschweiz gegründet worden. Sie trat erstmals im Mai mit einer Demonstration in Rotkreuz (ZG) und einer nächtlichen Jagd auf Asylbewerber in Zug öffentlich auf. Im November erregte sie mit ihrem gewalttätigen und von der anwesenden Polizei nicht verhinderten Eindringen in eine Flüchtlingsunterkunft in Steinhausen (ZG) landesweite Empörung. Diese Empörung richtete sich auch gegen das passive Verhalten der Polizei, welche dann allerdings doch noch aktiv wurde und einige Mitglieder der Patriotischen Front in Untersuchungshaft steckte. Ähnliche, aber weniger auf Medienwirksamkeit ausgelegte Aktionen gingen im Raum Schaffhausen auf das Konto von sogenannten Skins (Skinheads).

Patriotische Front

Nach dem Scheitern der «Busipo» wurde die Verstärkung der Sicherheitskräfte zur Bekämpfung des Terrorismus und zum Schutz der öffentlichen Ordnung auf neuen Wegen angestrebt. War 1970 der Versuch mit einem alle Kantone umfassenden Konkordat und 1978 die Abstützung auf ein Bundesgesetz misslungen, so sollte jetzt das Ziel von regionalen Vereinbarungen her angestrebt werden. Bereits 1977 war eine solche für die Ostschweiz in Kraft getreten; wenige Wochen nach der Verwerfung der «Busipo»-Vorlage wurde ein entsprechender Konkordatsentwurf der Zentralschweizer Kantone bekanntgegeben; dessen Text bezog ausdrücklich die Hilfe bei «schweren aufrührerischen Angriffen gegen Personen und Eigentum» ein. Doch auch dieser «Zesipo» (Zentralschweizer Sicherheitspolizei) sagten die Linksparteien den Kampf an. Die Parlamente der meisten beteiligten Kantone stimmten dem Konkordatsbeitritt bis zum Sommer zu; nur Uri verschob den Entscheid auf das folgende Jahr. In Luzern und Zug kam es darauf zu Referendumsbewegungen; die Zuger Bürger erteilten jedoch im Oktober dem Vorhaben ihre Genehmigung.

Scheitern der Busipo Bekämpfung des Terrorismus