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Weil der Ständerat die Publikation der Postadresse von Parlamentsmitgliedern beibehalten wollte, hatte er eine Differenz in der Vorlage geschaffen, mit der die Veröffentlichung zusätzlicher Staatsangehörigkeiten von Parlaments- und Regierungsmitgliedern bezweckt wurde. Marianne Streiff-Feller (evp, BE) erklärte im Namen der SPK-NR, dass diese einen Kompromiss ausgearbeitet habe. Der Ständerat habe geltend gemacht, dass Parlamentsmitglieder erreichbar sein müssten, weshalb die Veröffentlichung der Postanschrift nötig sei. Die SPK-NR habe eigentlich nur die E-Mail-Adresse veröffentlichen wollen, auch weil damit der Schutz von «Menschen, die sich öffentlich engagieren» erhöht werden könne. Als Kompromiss könne ein Parlamentsmitglied wählen, ob die Kurzbiographie mit postalischer oder elektronischer Adresse versehen werden soll. Eine Kommissionsminderheit sehe nicht ein, weshalb das ursprüngliche Anliegen der parlamentarischen Initiative von Marco Chiesa (svp, TI) erweitert werden müsse. Es bestehe heute schon die Möglichkeit, auf die Publikation der Postadresse zu verzichten. Der Minderheitensprecher Gerhard Pfister (mitte, ZG) ergänzte, dass man wegen dieses Details den Ständerat nicht noch einmal bemühen müsse und einfach die Version der Kantonskammer übernehmen solle. Die Mehrheit der grossen Kammer folgte allerdings der Kommissionsmehrheit und stimmte der mit dem Kompromissvorschlag ergänzten Vorlage mit 112 zu 89 Stimmen zu (2 Enthaltungen). Die Argumente der Minderheit wurde von der Mehrheit der Mitte-Fraktion und der geschlossenen SVP-Fraktion unterstützt.

Der Ständerat behandelte die Vorlage ebenfalls noch in der Wintersession 2021, wo sie für keinerlei Diskussionsbedarf sorgte und mit dem Kompromissvorschlag angenommen wurde.
Bei den Schlussabstimmungen passierte die Vorlage den Nationalrat mit 126 zu 67 Stimmen (keine Enthaltung) und den Ständerat mit 29 zu 12 Stimmen (1 Enthaltung). In beiden Kammern stimmte jeweils die Ratslinke gegen den Beschluss. Die Forderung, dass Parlamentsmitglieder ihre Staatsangehörigkeiten ausweisen müssen, war bei der Ratslinken seit Beginn der Diskussionen auf Ablehnung gestossen.

Staatsangehörigkeit transparent machen (Pa.Iv. 18.406)

Mittels parlamentarischer Initiative forderte SVP-Nationalrat Lukas Reimann (SG), dass bei Einbürgerungen künftig keine Doppelbürgerschaften mehr möglich sind. Wer sich in der Schweiz einbürgern lassen wolle, müsse «den Entscheid treffen, in welchem Land er seinen Lebensmittelpunkt haben will, und bereit sein, die ausländische Staatsbürgerschaft aufzugeben», begründete der Initiant sein Anliegen. Die Doppelbürgerschaft bringe laut Reimann Probleme mit sich, so etwa die Ungleichbehandlung von Personen mit einfacher und mehrfacher Staatsbürgerschaft, Loyalitätskonflikte und Schwierigkeiten beim Schutz von Doppelbürgern im Ausland. Durch den expliziten Entscheid für die Schweizer Staatsbürgerschaft würde hingegen die Bereitschaft zur Integration zum Ausdruck gebracht und dadurch die erfolgreiche Integration gefördert. Im Namen der RK-NR widersprach Greta Gysin (gp, TI) diesen Argumenten in der Wintersession 2021: Die Probleme, welche durch die parlamentarische Initiative gelöst werden sollten, seien kein Resultat der Doppelbürgerschaft, sondern gingen vielmehr auf den Grad der Integration betroffener Personen zurück. Zudem sei nicht klar, ob das Verbot von Doppelbürgerschaften grossflächig zur Anwendung kommen oder nur für Personen im Einbürgerungsprozess gelten solle. Kurt Fluri (fdp, SO) ergänzte für die Kommission, dass Doppelbürgerinnen und Doppelbürgern weder pauschalisierend unterstellt werden solle, gegenüber der Schweiz nicht loyal zu sein, noch der Eindruck erweckt werden dürfe, dass eingebürgerte Schweizerinnen und Schweizer einer anderen Klasse angehörten. Aus diesen Gründen beantragte die Kommissionsmehrheit, der Initiative keine Folge zu geben. Ein SVP-Minderheitsantrag auf Folgegeben fand ausschliesslich in der SVP-Fraktion Unterstützung. Mit 136 zu 49 Stimmen sprach sich der Nationalrat gegen Folgegeben aus.

Optionsmodell statt automatisches Doppelbürgerrecht (Pa.Iv. 20.501)

Im März 2021 forderte der SP-Ständerat Paul Rechsteiner (SG) mittels Motion das Schweizer Bürgerrecht für Menschen, die in der Schweiz geboren wurden (Ius Soli). Die Schweiz mit ihrer langen demokratischen Tradition sei gegenwärtig nur eine «Dreivierteldemokratie», da jede vierte Person, welche in der Schweiz lebe, nicht über das Schweizer Bürgerrecht verfüge. Darunter befänden sich auch viele, welche seit ihrer Geburt in der Schweiz lebten, hier aufgewachsen seien und das Land als ihre Heimat betrachteten. Bis zum Erhalt des Bürgerrechts stünden diesen voll integrierten Personen faktisch viele Hürden im Weg: So etwa Wohnortswechsel oder eine Sozialhilfeabhängigkeit der Eltern, aber auch das komplexe dreistufige Einbürgerungsverfahren auf den föderalen Ebenen der Schweiz. Wer hier geboren worden und aufgewachsen sei, müsse unbedingt als vollwertiges Mitglied der Gesellschaft anerkannt werden und automatisch das Bürgerrecht erhalten, fasste der Motionär sein Anliegen im Ratsplenum in der Wintersession 2021 zusammen. Der Ständerat behandelte die Motion dabei zusammen mit einer Motion Mazzone (gp, GE; Mo. 21.3112), die ebenfalls eine Erleichterung der Einbürgerung von Ausländerinnen und Ausländern zweiter Generation verlangte. Anders erachtete Ratskollegin Heidi Z'graggen (mitte, UR) die Sachlage: Beim schweizerischen Bürgerrecht handle es sich um eine historische Tradition, welche sehr stark in den föderalen Ebenen des Landes verankert sei. Die Einführung des aus den angelsächsischen historischen Einwanderungsstaaten stammenden Ius Soli würde deshalb eine «fundamentale Abkehr von der historischen Tradition des schweizerischen Bürgerrechts» bedeuten. Nicht zuletzt öffne eine solche Änderung des Bürgerrechtsprinzips das Tor zur Umgehung von Migrationsbestimmungen, da eine Staatsbürgerschaft der Kinder ein «sehr starkes Argument für ein Aufenthaltsrecht der Eltern» darstelle. An der Diskussion im Plenum beteiligte sich auch Marco Chiesa (svp, TI), der die Einbürgerung nicht als ersten Schritt des Integrationsprozesses, sondern als Abschluss davon verstand. Der Ständerat lehnte die Motion in der Folge mit 29 zu 13 Stimmen ab.

Bürgerrecht für Menschen, die in der Schweiz geboren wurden (Ius Soli; Mo. 21.3111)

Mittels Motion forderte Ständerätin Lisa Mazzone (gp, GE) eine Änderung der BV, sodass neben ausländischen Personen der dritten Generation auch Ausländerinnen und Ausländer der zweiten Generation erleichtert eingebürgert werden können. Die zweite Generation habe aufgrund der Geburt oder dem Aufwachsen in der Schweiz eine Beziehung sowie ein Zugehörigkeitsgefühl zur Schweiz entwickelt und erfülle damit die selben Voraussetzungen wie die Menschen der dritten Generation. In seiner Stellungnahme beantragte der Bundesrat die Ablehnung der Motion. Eine erleichterte Einbürgerung für die zweite Generation gemäss BV bedeutete, dass diese Kompetenz neu auf Bundesebene angesiedelt würde, und damit ein weiterer Bedeutungsverlust für das Kantons- und Gemeindebürgerrecht. Die unteren Staatsebenen könnten in diesem Fall nur noch über die Einbürgerung der ersten Generation verfügen, so der Bundesrat. Infolge eines Ordnungsantrags von FDP-Ständerat Andrea Caroni (AR) in der Wintersession 2021 wurde der Vorstoss der SPK-SR zur Vorberatung zugewiesen.

Am 17. März 2023 wurde die Motion schliesslich abgeschrieben, da die Zweijahresfrist ohne abschliessende Behandlung in Rat verstrichen war.

Die Einbürgerung von Ausländerinnen und Ausländern der zweiten Generation erleichtern (Mo. 21.3112)

Im Co-Präsidium der Operation Libero trat Sanija Ameti die Nachfolge von Laura Zimmermann an. Dies beschloss der Vorstand im Oktober 2021, nachdem Zimmermann nach fünfjähriger Amtszeit zurückgetreten war. Zweiter Co-Präsident blieb der seit Juni 2020 amtierende Stefan Manser-Egli.
Die 28-jährige Juristin Ameti hatte bereits im Frühling 2021 wegen ihrer prominenten Rolle im Abstimmungskampf gegen das Gesetz über polizeiliche Massnahmen zur Terrorismusbekämpfung (PMT) und davor in der Kampagne gegen das E-ID-Gesetz einige öffentliche Bekanntheit erlangt. Aufgrund dieses Engagements war nach ihren Angaben auch die Operation Libero auf Ameti aufmerksam geworden und hatte sie in den Vorstand geholt. Ameti ist ausserdem auch Mitglied der Parteileitung der GLP des Kantons Zürich. Die NZZ glaubte deshalb, mit Ameti werde sich die offiziell parteiunabhängige Operation Libero weiter der GLP annähern, wie es bereits seit einiger Zeit festzustellen sei.
In einem Interview mit der NZZ zu ihrem Amtsantritt kündigte Ameti an, dass die Operation Libero ihre Position als ausserparlamentarische Bewegung, die nicht auf Wahlen schielen muss, nutzen werde, um «den Parteien die unbeliebtesten, aber strukturell wichtigsten Themen überhaupt auf[zu]zwingen: Europapolitik, Digitalisierung und Cybersicherheit sowie die Forderung [nach] einem liberalen Bürgerrecht». Dies sei nötig, weil namentlich die FDP ein «liberales Vakuum» in diesen Bereichen hinterlasse.

Im Co-Präsidium der Operation Libero folgte Sanija Ameti auf Laura Zimmermann

Nachdem der Nationalrat in der Sondersession vom Mai 2021 den Vorschlag der SPK-NR zur Änderung des Asylgesetzes (AsylG) unverändert angenommen hatte, befasste sich in der Herbstsession 2021 der Ständerat mit dem Geschäft. Die Anpassung hatte zum Ziel, dass das SEM zur Feststellung der Identität von Asylsuchenden künftig auch deren mobile Datenträger nutzen darf, falls die Identität nicht anders festgestellt werden kann. Als Sprecher der vorberatenden SPK-SR erläuterte Marco Chiesa (svp, TI), dass die Identität bei 70 bis 80 Prozent der Asylsuchenden in der Schweiz nicht mit Sicherheit festgestellt werden könne. Die Kommission anerkenne zwar das Recht auf Asyl, doch um die Fairness im Asylprozess zu bewahren, empfinde sie es als wichtig, durch die Identifizierung der betroffenen Person herauszufinden, ob Schutzbedarf bestehe oder nicht. Ausserdem habe ein Pilotprojekt des SEM vom November 2017 bis Mai 2018 den Nutzen dieser Massnahme bestätigt. Eine Minderheit um Hans Stöckli (sp, BE) wollte nicht auf die Vorlage eintreten. Gestützt auf Erfahrungen aus Deutschland bezweifelte der Berner die Wirksamkeit der Massnahme – wie es im Übrigen auch der EDÖB tue. Zudem sei es höchst problematisch, dass im Asylverfahren – im Gegensatz zum Strafverfahren – für die Einforderung der mobilen Datenträger keine richterliche Anordnung vorgesehen sei. Darüber hinaus könnte die Weigerung, das Handy abzugeben, den betroffenen Personen zu deren Nachteil als Missachtung der Mitwirkungspflicht ausgelegt werden. Abschliessend kritisierte Stöckli den seiner Ansicht nach mangelhaften Datenschutz. Justizministerin Karin Keller-Sutter äusserte sich bezüglich der Zweifel über die Wirksamkeit der Massnahme verständnisvoll, entgegnete aber, dass der Bundesrat dem Parlament aus diesem Grund drei Jahre nach Inkrafttreten einen Evaluationsbericht vorlegen müsse. Sie betonte überdies, dass die mobilen Datenträger den Asylsuchenden nicht zwangsweise abgenommen werden dürfen. In der Folge trat der Ständerat mit 28 zu 12 Stimmen auf die Vorlage ein und nahm sie in der Gesamtabstimmung unverändert mit 30 zu 12 Stimmen an.
In den Schlussabstimmungen nahm der Nationalrat den Entwurf mit 127 zu 68 Stimmen an. Der Ständerat hiess ihn mit 31 zu 12 Stimmen bei einer Enthaltung gut. Wie schon während der Beratungen sprachen sich die Grüne und die SP-Fraktion gegen die Gesetzesänderung aus. Am 20. Januar 2022 lief die Referendumsfrist ungenutzt aus.

Mitwirkungspflicht im Asylverfahren. Überprüfungsmöglichkeit bei Mobiltelefonen (Pa. Iv. 17.423)

In der Herbstsession 2021 beugte sich der Ständerat über die auf eine parlamentarische Initiative von Marco Chiesa (svp, TI) zurückgehende Revision der Parlamentsverwaltungsverordnung, mit der die Veröffentlichung zusätzlicher Staatsangehörigkeiten von Parlaments- und Regierungsmitgliedern geregelt werden soll. Der Initiant selber sprach sich im Namen der SPK-SR für seine ursprüngliche Idee aus. Alle allfälligen Staatsbürgerschaften anzugeben sei eine notwendige Etappe hin zu einem transparenteren Parlament. Zu wissen, ob ein Legislativ- oder Exekutivmitglied neben der Schweizer eine zweite Staatsbürgerschaft habe, sei ebenso bedeutsam für die Wählerinnen und Wähler wie die Kenntnis von Beruf oder Interessenbindungen. Dies werde allerdings von einer Kommissionsminderheit bestritten, so Chiesa. Die Kommission habe auch über den Änderungsantrag des Nationalrats diskutiert, künftig nur noch die Mail- aber nicht mehr die Postadresse zu veröffentlichen. Die SPK-SR beantrage, diese Modifikation der grossen Kammer nicht anzunehmen, weil dies dem Anliegen für mehr Transparenz nicht gerecht würde.
Für die Minderheit, die gegen eine Veröffentlichung weiterer Staatsangehörigkeiten eintrat, gab Mathias Zopfi (gp, GL) zu bedenken, dass die Veröffentlichung einer zweiten Staatsbürgerschaft sozusagen als eine Art Interessenbindung einen negativen Beigeschmack habe. Als sei eine Doppelbürgerschaft ein Zeichen dafür, dass jemand nicht zu den «richtigen Eidgenossen» gehöre. Das sei ähnlich wie bei der Fussballnationalmannschaft, wo vermutet werde, dass ein Spieler mit Migrationshintergrund «nicht so richtig für uns tschuttet». Vielleicht sei eine doppelte Staatsbürgerschaft interessant für Wählerinnen oder Wähler, genauso interessant wären dann aber die Hobbies. Vielleicht würde ja jemand auch gewählt, weil er gerne jasse. Die Bilder von Zopfi verfingen nicht – der Mehrheitsantrag passierte mit 28 zu 13 Stimmen. Weil in der Gesamtabstimmung, die ein Stimmenverhältnis von 29 zu 13 Stimmen (keine Enthaltungen) zeigte, auch der Vorschlag des Nationalrats, auf die Postanschrift zu verzichten, abgelehnt wurde, muss das Geschäft noch einmal in die grosse Kammer.

Staatsangehörigkeit transparent machen (Pa.Iv. 18.406)

Interessanterweise entbrannte in der Sommersession 2021 im Nationalrat eine vor allem in italienischer und französischer Sprache geführte Eintretensdebatte zur Revision der Parlamentsverwaltungsverordnung, die von der SPK-NR auf der Basis einer parlamentarischen Initiative von Marco Chiesa (svp, TI) ausgearbeitet worden war. Neu sollen im Internet neben den Kurz-CV der Parlamentsmitglieder allfällige zusätzliche Staatsangehörigkeiten aufgelistet werden. Von den 14 Eintretensvoten wurden sechs in italienischer und drei in französischer Sprache geführt. Dabei wurde auf der einen Seite darum gestritten, ob der Vorschlag in der Tat mehr Transparenz bringe oder aber eher Diskriminierung bedeute. Eine links-grüne Kommissionsminderheit hatte den Antrag auf Nichteintreten gestellt, weil es hier – anders als bei Interessenbindungen – keine direkte Verbindung zwischen Staatsangehörigkeit und Politik gebe. Greta Gysin (gp, TI) befürchtete gar, dass die Änderung zwei Kategorien von Bürgerinnen und Bürgern schaffe, weil man insgeheim befürchte, dass eine doppelte Staatsbürgerschaft zu einem Loyalitätskonflikt führe – so habe es etwa im Kanton Zug, aber auch schon in diesem Rat, Forderungen gegeben, Bürgerinnen und Bürger mit Doppelbürgerschaft von der Politik auszuschliessen («escludere i cittadini con la doppia cittadinanza dalla politica»). Auf der anderen Seite forderte eine weitere Kommissionsminderheit, dass die Forderung auch auf die Mitglieder des Bundesrats ausgeweitet werde. Diese starke, nur aufgrund des ablehnenden Votums des Kommissionspräsidenten zustande gekommene, von Damien Cottier (fdp, NE) angeführte Minderheit machte geltend, dass Transparenz nicht nur in der Legislative, sondern auch in der Exekutive von Interesse sei.
Eintreten wurde in der Folge mit 102 zu 62 Stimmen (1 Enthaltung) beschlossen. Lediglich die geschlossenen Fraktionen von GP und SP wollten nicht auf die Vorlage eintreten. Mit 96 zu 79 Stimmen (1 Enthaltung) wurde der Vorschlag der Minderheit Cottier angenommen. Die geschlossene Opposition der Fraktionen von GP und SP wurde erfolglos von einer Mehrheit der Mitte-Fraktion unterstützt. Eine breite Mehrheit von 175 zu 4 Stimmen hiess sodann einen schriftlichen Antrag des Büro-NR gut, nicht mehr die Postadresse, sondern nur noch die elektronische Adresse der Ratsmitglieder zu veröffentlichen. Die Kommunikation erfolge heute vorwiegend auf elektronischem Weg, wohingegen die Veröffentlichung der Postadresse ein zunehmendes Sicherheitsrisiko darstelle und die Privatsphäre der Parlamentarierinnen und Parlamentarier bedrohe. In der Gesamtabstimmung zeigte sich schliesslich noch einmal die Opposition von Links-Grün: Mit 115 zu 64 Stimmen (1 Enthaltung) wurde der Vorschlag an den Ständerat zur Beratung weitergereicht.

Staatsangehörigkeit transparent machen (Pa.Iv. 18.406)

Am 26. Mai 2021 brach der Bundesrat die Verhandlungen über das institutionelle Rahmenabkommen mit der EU offiziell ab. Nach dem Treffen von Bundespräsident Parmelin mit Kommissionspräsidentin von der Leyen Ende April 2021, hatte sich in dem Dossier lang wenig bewegt, bis schliesslich Radio SRF mit der Publikation eines vom Bundesrat als geheim eingestuften Dokuments, welches die Risiken und Nebenwirkungen eines gescheiterten Rahmenabkommens aufschlüsselte, für neuen Gesprächsstoff sorgte. Potenziell schwerwiegende Konsequenzen drohten in einer ganzen Palette von Themenbereichen, die von Strom und Handel über Gesundheit bis zur Filmförderung reichten. Insbesondere auf die Gefahr, dass bestehende Abkommen nicht erneuert werden, oder dass die EU die Äquivalenz der Schweizer Gesetzgebung nicht anerkennen würde, wurde hingewiesen. So könne beispielsweise eine fehlende Gleichwertigkeit beim Datenschutz zahlreiche Schweizer KMUs und deren Geschäftspraktiken bedrohen, hielt der Bericht fest. Nichtsdestotrotz fand sich im Medienecho zu jenem Zeitpunkt zumindest ein Funken Hoffnung auf einen positiven Ausgang der Verhandlungen. Der Sonntags-Blick zitierte in der Ausgabe vom 23. Mai aus einer E-Mail der EU-Chefunterhändlerin Riso, in der diese die Diskussion über die Unionsbürgerrichtlinie als «am wenigsten finalisierte» Frage bezeichnete, gleichzeitig aber eine gewisse Kompromissbereitschaft der EU ausdrückte, den Vertrag erneut durchzugehen und nach Lösungen zu suchen. Gleichentags veröffentlichte die Sonntagszeitung jedoch die Meldung, dass der Bundesrat den Abbruch der Verhandlungen über das Rahmenabkommen am 26. Mai vorsehe. Gemäss Sonntagszeitung plante der Bundesrat stattdessen einen Auffangplan, um den Konflikt mit der EU und die negativen wirtschaftlichen Folgen innen- und aussenpolitisch abzuschwächen. Unter anderem sei die Freigabe des zweiten Kohäsionsbeitrags vorgesehen, um Kooperationen wie das Forschungsprogramm Horizon weiterführen zu können. Eine weitere Möglichkeit der Bekräftigung des bilateralen Wegs – «Stabilex» genannt – beinhalte die einseitige Anpassung des Schweizer Rechts in politisch unumstrittenen Bereichen an EU-Bestimmungen, berichteten sowohl die Sonntagszeitung wie auch die NZZ.

Am 26. Mai bestätigte der der Bundesrat also diese Gerüchte und erklärte die Verhandlungen in einer Medienmitteilung für beendet. Dieser war zu entnehmen, dass der Bundesrat in zentralen Bereichen des Abkommens – Lohnschutz, Unionsbürgerrichtlinie, staatliche Beihilfen – weiterhin substanzielle Differenzen identifiziert hatte, weshalb er sich entschieden habe, das InstA nicht zu unterzeichnen und dies der EU auch so mitzuteilen. Im offiziellen Schreiben an die Europäische Kommission bot der Bundesrat die Einrichtung eines regelmässigen politischen Dialogs sowie die Prüfung von Problemen hinsichtlich der bestehenden Abkommen und die Suche nach pragmatischen Lösungen an. Er formulierte darin auch die Erwartungshaltung, dass die geltenden Abkommen «von beiden Parteien weiterhin vollumfänglich angewandt und im Falle relevanter Weiterentwicklungen des EU-Rechts aktualisiert» würden. Dabei hob er vor allem die Zusammenarbeit im Gesundheits- und Strombereich hervor. In seiner Medienmitteilung gestand der Bundesrat, dass das Nichtzustandekommen gewisse Nachteile mit sich bringe, wie zum Beispiel die Tatsache, dass keine neuen Marktzugangsabkommen abgeschlossen werden können. Er betonte jedoch, dass die Schweiz die bilaterale Zusammenarbeit mit der EU weiterführen wolle, weil man nicht nur in wirtschaftlicher Hinsicht verbunden sei, sondern auch eine europäische Wertegemeinschaft bilde und gemeinsam globale Herausforderungen angehe. Der Bundesrat versprach, den politischen Dialog mit der EU zu suchen und sich für eine rasche Deblockierung der Kohäsionsmilliarde einzusetzen. Er liess auch verlauten, dass er das EJPD damit beauftragt habe, gemeinsam mit anderen Departementen die Möglichkeit von eigenständigen Anpassungen im Schweizer Recht (Stabilex) zu prüfen, um dadurch die bilateralen Beziehungen zu stabilisieren.
Die EU-Kommission bezog gleichentags Stellung zur «einseitige[n] Entscheidung» und drückte ihr Bedauern über den Ausgang der Verhandlungen aus. Das InstA hätte eine Verbesserung des bilateralen Ansatzes ermöglicht und dessen Weiterentwicklung sichergestellt, liess die Kommission verlauten. Aus Kreisen der Kommission wurden zudem Stimmen laut, die behaupteten, die EU hätte zurzeit dringendere Probleme als die Schweiz, beispielsweise die Lage in Belarus. Der luxemburgische Aussenminister Jean Asselborn wünschte sich im Gespräch mit Le Temps eine solide Verhandlungsbasis, weil man die Situation so nicht auf sich beruhen lassen könne. Weitere prominente EU-Parlamentarier reagierten prompt auf diesen Paukenschlag. Andreas Schwab, der Vorsitzende der EU-Parlamentsdelegation für die Beziehungen zur Schweiz, sah durch den Entscheid mehr als sieben Jahre Verhandlungen «sinnlos vergeudet», wobei die offenen Fragen auch nach dem Verhandlungsabbruch weiter bestünden. Die vom Bundesrat geplante Freigabe der Kohäsionsmilliarde würde die angespannte Situation seiner Meinung nach nicht verbessern. Er warnte auch, dass sich die EU-Kommission in Zukunft noch genauer darauf achten werde, ob die Schweiz die geltenden bilateralen Verträge korrekt umsetze. Die NZZ berichtete, dass die EU auf den Schweizer Vorschlag der selektiven Rechtsangleichung verärgert reagiert habe. Neue sektorielle Marktzugangsabkommen in den Bereichen Strom oder Medizinaltechnik seien ohne übergeordneten Rahmen nicht denkbar, schliesslich habe die EU-Kommission klar gemacht, dass ein privilegierter Zugang zum Binnenmarkt gleiche Regeln und Pflichten voraussetze, so die NZZ.

«Gratulation an den Bundesrat» titelte der Blick am Tag nach der Entscheidung und sowohl SVP-Parteipräsident Chiesa (svp, TI) wie auch SGB-Präsident Maillard (sp, VD) zeigten sich erleichtert über den Abbruch, wenn auch aus unterschiedlichen Gründen. Maillard äusserte seine Zufriedenheit über den Abbruch an der Delegiertenversammlung des SGB, wo er klar machte, dass die Gewerkschaften nie eine Schwächung des Lohnschutzes hingenommen hätten. Der SGB forderte für das weitere Vorgehen die Beibehaltung der bilateralen Abkommen, mehr sozialen Schutz, Mindestlöhne und verbindliche Tarifverträge, nur dann würde man Reformen unterstützen, sagte Maillard. Chiesa sah im Abbruch indes einen «Sieg für die Selbstbestimmung, die direkte Demokratie und die Schweizer Bevölkerung». Die Reaktionen der Schweizer Parteien fielen sowohl bezüglich Inhalt als auch Intensität unterschiedlich aus. Als «das grösste Armutszeugnis, das ich von unserer Landesregierung je gesehen habe» kritisierte Jürg Grossen (glp, BE) den Bundesrat harsch für dessen Entscheid. Er sparte auch nicht mit Kritik an anderen Parteien wie der SP, die sich von den Gewerkschaften habe treiben lassen, der Mitte, deren Präsident eine schädliche Haltung vertreten habe, und der FDP, welche laut Grossen mit ihren zwei Bundesräten die Hauptverantwortung für das Scheitern trage. Die SP und die FDP bedauerten das Scheitern des InstA zwar beide, machten aber mit Ignazio Cassis respektive den Gewerkschaften unterschiedliche Akteure dafür verantwortlich. SP-Co-Präsident Wermuth (sp, AG), der sich lange optimistisch gegeben hatte und einen Kompromiss bei der Unionsbürgerrichtlinie in Betracht gezogen hatte, kritisierte den Bundesrat im Tages-Anzeiger dafür, dass er parallel zum Abbruch keinen Plan B vorlegen konnte und forderte eine Auslegeordnung, bei der auch der EWR- und EU-Beitrittsverhandlungen zur Wahl stehen. Petra Gössi (fdp, SZ) griff an gleicher Stelle hingegen die Gewerkschaften an, die «jeden Kompromiss beim Lohnschutz verhindert» hätten und forderte neben einer gemeinsamen Lösungssuche mit der EU auch ein «Fitnessprogramm», beispielsweise einen Einheitssatz bei der Mehrwertsteuer. Gössi erklärte, dass sich die FDP für den bilateralen Weg nach aktuellem Stand einsetze und weder eine Vertiefung noch einen Rückbau der Beziehungen unterstütze. Konkret fordere sie eine limitierte Dynamisierung der Bilateralen in technischen Sachbereichen, die unbestritten sind; aktive Partnerschaften mit Drittstaaten durch neue Freihandelsabkommen und einen flexibleren Arbeitsmarkt mit höheren Kontingenten für Fachkräfte aus Drittstaaten. Zufrieden zeigten sich gegenüber dem Tages-Anzeiger Mitte-Präsident Gerhard Pfister (mitte, ZG), der gemäss Blick an den Von-Wattenwyl-Gesprächen Anfang Mai bereits offen den Verhandlungsabbruch gefordert haben soll und sich über die neu herrschenden Klarheit freute, – ebenso wie Thomas Aeschi (svp, ZG), der einzig das Abkommen über die Medizinaltechnik als Problem anerkannte. Ebenjene Medtech-Branche wurde von den Medien zum «ersten Opfer» des Verhandlungsabbruchs ernannt, denn am gleichen Tag, an dem das Rahmenabkommen beerdigt wurde, trat eine neue EU-Regulierung zu Medizinprodukten in Kraft. Zwar hatte die Schweiz ihr Recht an diese neue Regulierung angepasst, doch da die EU die Erneuerung des Abkommens zur gegenseitigen Anerkennung von Produktbescheinigungen verzögerte, galten Schweizer Anbieter in der EU fortan als Drittstaatenanbieter. Daher mussten Schweizer Exportfirmen plötzlich Bevollmächtigte mit Niederlassung im EU-Raum bestimmen und deren Produkte benötigten eine spezifische Etikettierung. Insgesamt rechnete der Branchenverband Swiss Medtech mit einmaligen Zusatzkosten von CHF 110 Mio. und einem jährlichen Zusatzaufwand in Höhe von CHF 75 Mio., was einer Exportsteuer von 1.4 bis 2 Prozent gleichkäme. Laut Swiss Medtech mache diese neue Regelung die Schweiz als Hauptsitz für aussereuropäische Firmen unattraktiv.

Wie der Tages-Anzeiger berichtete, hatten europafreundliche Akteure aus Politik, Wirtschaft und Zivilgesellschaft schon im Vorfeld des Verhandlungsabbruchs unter der Leitung der Operation Libero über eine Volksinitiative zur institutionellen Einigung mit der EU beraten. Die Operation Libero verkündete, dass die Idee einer Volksinitiative nach dem Scheitern des Rahmenabkommens «überhaupt nicht vom Tisch» sei. Zwar sei es schwieriger geworden, die Unterzeichnung des Rahmenabkommens zu fordern, doch es gebe weiter Ideen, wie man die institutionellen Fragen mit der EU klären könnte. Der emeritierte Rechtsprofessor Thomas Cottier befürwortete die Lancierung einer Volksinitiative, denn es müsse endlich eine richtige europapolitische Debatte in Gang gesetzt werden. Den Plan B des Bundesrats, sich durch Stabilex einseitig an EU-Recht anzupassen, bezeichnete er als «kolossales Eigentor» und den Ausgang der Verhandlungen als «Regierungsversagen», weil die Schweiz sich damit noch stärker als bisher selbstständig an das EU-Recht anpassen werde ohne über ein Mitspracherecht zu verfügen und ohne dass dadurch der Marktzugang gesichert werde. Cédric Wermuth und SP-Nationalrat Eric Nussbaumer (sp, BL) gingen in ihren Vorschlägen noch weiter und stellten einen EU- oder EWR-Beitritt in Aussicht. Um diese Annäherung zu starten, schlug die SP ein ganzes Bündel an Massnahmen, Reformen und Gesprächsangeboten vor. Die Kohäsionsmilliarde solle nicht nur freigegeben, sondern auch substanziell erhöht werden. Darüber hinaus solle die Schweiz in den Bereichen Migration, Green New Deal, Wirtschaftsprogramm nach Covid aber auch in Steuerfragen, wie der Unternehmensbesteuerung, Kooperationsverträge mit der EU abschliessen. Mittelfristig könne man so die Beziehung zur EU wieder normalisieren, erklärte Parteipräsident Wermuth. Die Forderung des EU-Beitritts mit Opting-Out (Ausnahmebestimmungen) seines Parteikollegen Fabian Molina beurteilte Wermuth nüchtern als «kein kurzfristig realistisches Szenario», aber er hielt die Beitrittsdiskussion für nötig. Molinas Extremposition stiess bei den Grünen und den Grünliberalen zu diesem Zeitpunkt jedoch auf wenig Unterstützung. Sowohl Balthasar Glättli (gp, ZH) wie auch Jürg Grossen bevorzugten gemässigtere Alternativen wie ein neues Rahmenabkommen oder den EWR. Die Mitte und die FDP distanzierten sich hingegen in der Öffentlichkeit von Annäherungsmassnahmen, die über die Freigabe der Kohäsionsmilliarde hinausgingen. Im Parlament wurden Anfang Juni verschiedene Vorstösse eingereicht, die vom Bundesrat eine umfassende Auslegeordnung der bilateralen Beziehungen forderten oder konkrete Handlungsalternativen vorschlugen, darunter auch eine Motion von Molina zum EU-Beitritt.

Abbruch der Verhandlungen über das Rahmenabkommen mit der EU
Dossier: Institutionelles Rahmenabkommen

In der Sondersession im Mai 2021 nahm der Nationalrat ein Postulat der SPK-NR zur Protokollierung bei Einbürgerungsverfahren mit 122 zu 54 Stimmen bei einer Enthaltung an. Darin hatte die Kommission eine Evaluation der konkreten Umsetzung der Protokollführung bei Einbürgerungsgesprächen sowie die Erarbeitung von Lösungen zusammen mit betroffenen Kantonen gefordert. Das Postulat ging auf eine 2018 eingereichte und später abgelehnte parlamentarische Initiative Wermuth (sp, AG; Pa.Iv 18.478) zurück, welche die Einführung einer Protokollierungspflicht gefordert hatte. Das nun zur Beratung stehende Postulat habe ihr gegenüber den Vorteil, dass es nicht in kantonale Kompetenzen eingreife, sondern die Umsetzung des Bundesgesetzes durch die Kantone evaluiere und mit diesen das Gespräch suche, erklärte Wermuth als Kommissionssprecher im Ratsplenum. Wie Damien Cottier (fdp, NE) ebenfalls im Namen der Kommission anmerkte, müssten negative Entscheide bei Einbürgerungsgesuchen ausreichend begründet werden. Dies werde durch eine ungenügende oder fehlende Protokollierung, insbesondere in Fällen, bei welchen die Entscheidungsgrundlage im Gespräch liege, deutlich erschwert. In diesen Fällen könne folglich die «ordnungsgemässe Anwendung des Bundesgesetzes und die Achtung des Rechts der Einbürgerungsbewerber auf ein faires Verfahren» nicht gewährleistet werden. Der Bundesrat hatte das Postulat zur Ablehnung empfohlen. Das bestehende Akteneinsichtsrecht für die betroffenen Personen bedinge bereits, dass ein umfassendes Einbürgerungsdossier mit allen entscheidrelevanten Informationen, so auch dem Inhalt des Einbürgerungsgesprächs, geführt werden müsse. Zudem lege sie im Bereich der ordentlichen Einbürgerung grossen Wert auf die kantonale Autonomie, betonte die Regierung.

Protokollierung bei Einbürgerungsverfahren (Po. 20.4344)

Nachdem der Bundesrat im Januar 2021 den Entwurf der SPK-NR zur Änderung des Asylgesetzes (AsylG), gutgeheissen hatte, widmete sich der Nationalrat in der Sondersession 2021 als Erstrat dem Entwurf. Konkret schlug die SPK-NR vor, dem SEM das Recht zu erteilen, im Rahmen des Asyl- oder Wegweisungsverfahrens die mobilen Datenträger von Asylbewerbenden zu verwenden, deren Identität nicht anders festgestellt werden kann. Die Feststellung der Identität, der Staatsangehörigkeit und des Fluchtweges sei ein wichtiger Faktor für die Geschwindigkeit der Asylverfahren, insbesondere bei Personen, die keine Papiere mit sich tragen – was auf 70 bis 80 Prozent der Asylbewerbenden zutreffe. Die Möglichkeit zur Nutzung von Mobiltelefonen im Rahmen der Mitwirkungspflicht würde diesen Vorgang und somit das gesamte Verfahren beschleunigen, was wünschenswert sei, erklärte Marco Romano (mitte, TI) im Namen der Kommissionsmehrheit. Der zweite Kommissionssprecher, Damien Cottier (fdp, NE), erläuterte weiter, dass es das Ziel dieses Entwurfes sei, eine Brücke zu schlagen zwischen dem nötigen Zugang zu verlässlichen Informationen über die Identität der Antragstellenden und deren Privatsphäre. Letztere werde unter anderem dadurch sichergestellt, dass die Herausgabe der Datenträger nur als Ultima Ratio vorgesehen sei. Weiter solle die betroffene Person über die genauen Massnahmen und die Vorgehensweise informiert werden und in Begleitung eines Rechtsbeistandes bei der Auswertung persönlich anwesend sein. Ausserdem dürfe die Aushändigung nicht erzwungen werden und der Bundesrat solle nach drei Jahren eine Evaluation dieser Massnahmen vornehmen und einen entsprechenden Bericht veröffentlichen. Gregor Rutz (svp, ZH), auf dessen parlamentarische Initiative dieser Gesetzesentwurf zurückging, betonte im Namen der SVP-Fraktion, dass die Daten dabei helfen könnten, den Kampf gegen Schlepper-Netzwerke voranzubringen, und vielleicht sogar dabei, Kriegsverbrechen aufzudecken. Auch der Bundesrat sprach sich für die beantragte Gesetzesrevision aus, wobei er insbesondere die Regeln zur Wahrung der Verhältnismässigkeit und des Datenschutzes befürworte, wie Bundesrätin Karin Keller-Sutter ausführte.
Eine Minderheit um Balthasar Glättli (gp, ZH) wollte nicht auf die Vorlage eintreten, weil es das offensichtliche Ziel dieser Vorlage sei, dass Asylsuchende leichter abgewiesen und zurückgeführt werden können. Daten aus Deutschland zeigten, dass das Auswerten von mobilen Datenträgern fehleranfällig sei und oft nicht den gewünschten Effekt bringe. So habe nur in seltenen Fällen ein Widerspruch zu den Aussagen der betroffenen Personen aufgedeckt werden können. Für einen solch kleinen «materiellen Bonus» sei das Verfahren schlicht zu teuer und zu aufwendig, wie Glättli erklärte. Ada Marra (sp, VD) ergänzte, es sei höchst problematisch, dass mit dieser Gesetzesänderung den Asylsuchenden faktisch mehr Privatsphäre abgesprochen werde als Schwerverbrecherinnen und Schwerverbrechern; um die Daten der mobilen Datenträger in einem Strafverfahren durchsuchen zu dürfen, sei nämlich ein richterlicher Entscheid nötig, was hier nicht vorgesehen sei. Ähnlich schien es auch das UNHCR zu sehen, welcher sich in einer Stellungnahme kritisch zur vorgeschlagenen Gesetzesänderung geäussert hatte. Das Hochkommissariat hatte moniert, der starke Eingriff in die Privatsphäre der Schutzsuchenden, welche völkerrechtlich sowie durch die Bundesverfassung geschützt sei, werde zu wenig gut geregelt. Des Weiteren sei es – mit Blick auf die auch von Balthasar Glättli angesprochenen Evaluationen aus Deutschland – zu bezweifeln, dass die Massnahme wirklich das gewünschte Ziel erreiche. Gegen den Widerstand von Links-Grün trat der Nationalrat schliesslich mit 122 zu 65 Stimmen auf die Vorlage ein.
In der Detailberatung forderte Gregor Rutz, dass die mobilen Geräte bei Asylverfahren und Wegweisungsverfahren für fünf Tage zwangsweise entzogen werden dürfen, sollte eine betroffene Person diese nicht freiwillig abgeben. Rutz argumentierte, dieser Zwang könne auch präventiv wirken und die Gesuchstellenden dazu bewegen, von selbst aktiv mitzuwirken. Da dies lediglich die Klärung der Identität betreffe, gehe dieser Vorschlag zu weit, fand jedoch Kurt Fluri (fdp, SO), insbesondere da bereits die Verweigerung per se in den Asylentscheid mit einfliessen werde. Céline Widmer (sp, ZH) fügte an, dass auch der EDÖB klar vermerkt habe, dass die Durchsuchung der Daten nie unter Zwang geschehen dürfe. Und auch der Bundesrat habe in seiner Stellungnahme deutlich gemacht, dass ein Zwang die Verhältnismässigkeit verletzen würde, die nötig ist, um ein Grundrecht einzuschränken, führte Damien Cottier weiter aus. In der Folge lehnte der Nationalrat diese Forderung mit 117 zu 70 Stimmen bei einer Enthaltung ab, wobei sich neben der geschlossenen SVP-Fraktion auch die Hälfte der Mitte-Fraktion sowie einzelne Stimmen aus der FDP.Liberalen-Fraktion dafür aussprachen. Auf der anderen Seite versuchte Ada Marra ebenso erfolglos, die Regelung, dass Mobiltelefone beim Asylverfahren oder bei Rückweisungen genutzt werden dürfen, ganz zu streichen. Unterstützung erhielt sie aus der eigenen sowie der Grünen Fraktion. Ihre beiden Einzelanträge wurden somit mit 121 zu 65 Stimmen bei einer Enthaltung abgelehnt.
In einem zweiten Block wurde in insgesamt fünf Anträgen geklärt, welche Daten erhoben, wie lange sie gespeichert und wie sie verarbeitet werden dürfen. Auch hier lehnte der Nationalrat alle Minderheiten und Einzelanträge ab und stimmte somit dem Entwurf der SPK-NR unverändert zu. Gregor Rutz forderte etwa zum einen, dass die Notwendigkeit und die Verhältnismässigkeit des Verfahrens nicht in jedem Einzelfall neu geprüft werden müssen, und zum anderen, dass die betroffene Person nicht über das Verfahren aufgeklärt werden muss. Das Verfahren solle laut Rutz nicht zuletzt im Sinne der Betroffenen «fair, korrekt, aber auch effizient» sein, weshalb diese zeitintensiven Bedingungen zu streichen seien. Ausserhalb der Fraktionen der SVP und der Mitte erhielten die Anträge von Rutz allerdings keine Zustimmung. Es sei wichtig, dass die Menschen verstünden, worum es gehe und was mit ihren Daten passiere, verteidigte Kommissionssprecher Cottier die Auflagen. Céline Widmer (sp, ZH) übernahm zudem zwei Minderheitsanträge von Angelo Barrile (sp, ZH) für eine Verstärkung des Datenschutzes, die allerdings ebenfalls ausschliesslich von Mitgliedern der SP-, der Grünen- und der Grünliberalen-Fraktion unterstützt wurden und somit mit 111 zu 79 Stimmen abgelehnt wurden.
In der Gesamtabstimmung nahm der Nationalrat den Entwurf der SPK-NR mit 123 zu 65 Stimmen gegen den Willen der SP- und der Grünen-Fraktion sowie einem Mitglied der Grünliberalen an. Damit ging das Geschäft weiter an den Ständerat.

Mitwirkungspflicht im Asylverfahren. Überprüfungsmöglichkeit bei Mobiltelefonen (Pa. Iv. 17.423)

Mit einer 2018 eingereichten parlamentarischen Initiative verlangte Nationalrat Cédric Wermuth (sp, AG) die gesetzliche Verankerung einer Protokollpflicht bei Einbürgerungsverfahren. Die standardmässige Protokollierung der Gespräche könnte durch unterschiedliche Interpretationen des Gesprächsablaufs verursachte Missverständnisse vermeiden und beide Seiten vor unzutreffenden Vorwürfen schützen, so die Begründung. Die Veröffentlichung der Protokolle sollte grundsätzlich den Kantonen und Gemeinden überlassen werden, dürfte aber nur mit Zustimmung des Einbürgerungskandidaten bzw. der -kandidatin erfolgen.
Die Staatspolitische Kommission des Nationalrates gab der Initiative im Januar 2020 mit knapper Mehrheit Folge. Anderer Ansicht war im Juni desselben Jahres ihre Schwesterkommission, die sich mit 7 zu 4 Stimmen gegen die Initiative aussprach. Sie erachtete es nicht als Sache des Bundes, den Kantonen und Gemeinden eine solche Vorschrift zu machen. Daraufhin kam die SPK-NR in ihrer erneuten Beratung zum Schluss, dass es verfrüht wäre, eine Protokollpflicht ins Gesetz zu schreiben. Stattdessen reichte sie im November 2020 ein Postulat (Po. 20.4344) ein, demzufolge geprüft werden soll, wie die Nachvollziehbarkeit der Einbürgerungsgespräche für alle Beteiligten sichergestellt werden kann. Wie ihm seine SPK entsprechend beantragte, gab der Nationalrat in der Frühjahrssession 2021 der parlamentarischen Initiative Wermuth keine Folge.

Recht auf nachvollziehbare Einbürgerungsverfahren. Protokollpflicht (Pa.Iv. 18.478)

Im Januar 2021 nahm der Bundesrat Stellung zur Vorlage der SPK-NR zur Änderung des Asylgesetzes. In Erfüllung einer parlamentarischen Initiative Rutz (svp, ZH) sollte die Möglichkeit geschaffen werden, zur Überprüfung der Identität von Asylsuchenden deren mobile Geräte beizuziehen. Der Bundesrat machte deutlich, dass die Überprüfung elektronischer Datenträger ein «schwerwiegende[r] Eingriff in das Grundrecht auf Schutz der Privatsphäre nach Artikel 13 der Bundesverfassung» darstelle. Seiner Ansicht nach wahre die Vorlage jedoch das Verhältnismässigkeitsprinzip und beachte den Datenschutz. Ebenfalls begrüsste der Bundesrat, dass die Vorlage eine Informationspflicht vorsah und «dass die betroffenen Personen vor der Anordnung der vorgeschlagenen Massnahme von sich aus Angaben zur Identität, zur Nationalität und zum Reiseweg machen können». Deutlich lehnte der Bundesrat eine zwangsweise Abnahme der Datenträger ab und begrüsste darüber hinaus, dass die Anwesenheit der betroffenen Person während der Überprüfung im Grunde vorgesehen sei. Er hielt auch fest, dass zum gegebenen Zeitpunkt nicht abschliessend beurteilt werden könne, ob die Massnahme wirksam oder zweckmässig sei, weswegen er die vorgesehene Pflicht zur Evaluation der Massnahme drei Jahre nach Inkrafttreten unterstütze. Somit beantragte er Eintreten und Zustimmung gemäss der Mehrheit der SPK-NR.

Mitwirkungspflicht im Asylverfahren. Überprüfungsmöglichkeit bei Mobiltelefonen (Pa. Iv. 17.423)

Die im Frühjahr 2020 durchgeführte Vernehmlassung zur Änderung des Asylgesetzes – angestossen durch eine parlamentarische Initiative Rutz (svp, ZH) – ergab, dass die Mehrheit der Stellungnehmenden die Möglichkeit begrüssten, zur Identitätsüberprüfung von Asylsuchenden deren mobile Geräte zu nutzen. 24 von 25 stellungnehmenden Kantonen – alle mit Ausnahme des Kantons Neuenburg – sowie die Parteien der CVP, FDP und SVP stimmten diesem Vorhaben im Grundsatz zu, da sie sich davon eine effiziente Methode zur Identifizierung von Personen erhofften, für die keine Identitätsdokumente vorliegen würden. Opposition erfuhr der Entwurf von den linken Parteien und von den meisten stellungnehmenden interessierten Kreisen. Diese erachteten die Massnahme als unverhältnismässigen Eingriff in die persönlichen Grundrechte, vermissten eine gesetzliche Grundlage und bezweifelten darüber hinaus die postulierte Effizienz eines solchen Vorgehens. Nicht zuletzt brachten sie datenschutzrechtliche Bedenken vor. Fünf Kantone und die SVP setzten sich auf der anderen Seite für die Möglichkeit einer zwangsweisen Abnahme der elektronischen Datenträger ein. Der Entwurf der Kommission sah eine Mitwirkungspflicht, aber keinen Zwang vor. Einige stellungnehmende Akteure, darunter auch der EDÖB, machten deutlich, dass sie die Grundrechtskonformität im Falle eines Zwanges nicht mehr gegeben sähen. Der EDÖB forderte etwa auch die Schaffung einer Gesetzesgrundlage für die Bearbeitung personenbezogener Daten von Drittpersonen, da diese auch von den zur Identitätserkennung unternommenen Auswertungen betroffen sein könnten.
Die zuständige SPK-NR übernahm gewisse Empfehlungen aus der Vernehmlassung, insbesondere datenschutzrechtliche Belange, und verabschiedete im Oktober 2020 mit 13 zu 8 Stimmen bei 2 Enthaltungen die Vorlage an den Bundesrat.

Mitwirkungspflicht im Asylverfahren. Überprüfungsmöglichkeit bei Mobiltelefonen (Pa. Iv. 17.423)

In der Herbstsession 2020 befasste sich der Ständerat mit dem Abkommen mit dem Vereinigten Königreich von Grossbritannien und Nordirland, wobei nach der einstimmigen Annahme durch den Nationalrat im Juni desselben Jahres auch in der kleinen Kammer kaum Diskussionsbedarf bestand. Laut Kommissionssprecher Damian Müller (fdp, LU) empfehle auch die APK-SR die Vorlage einstimmig zur Annahme. Bundesrätin Keller-Sutter bezeichnete das Abkommen als ein Zeichen der «engen und freundschaftlichen Beziehungen» zwischen den beiden Ländern, welches Kontinuität und Rechtssicherheit schaffe. Schweizer Staatsangehörige würden zukünftig im Vereinigten Königreich mindestens gleich gut behandelt wie EU-Bürgerinnen und -Bürger. Der Ständerat nahm den Entwurf mit 40 Stimmen und ohne Enthaltungen einstimmig an. Auch das Ergebnis der Schlussabstimmungen war eindeutig. Der Nationalrat wie auch der Ständerat stimmten mit 195 Stimmen respektive 44 Stimmen einstimmig für die Annahme des Entwurfs.

Abkommen mit dem Vereinigten Königreich von Grossbritannien und Nordirland
Dossier: Mind the Gap-Strategie nach dem Brexit

Die im Mai 2017 von Gregor Rutz (svp, ZH) eingereichte parlamentarische Initiative «Mitwirkungspflicht im Asylverfahren. Überprüfungsmöglichkeit bei Mobiltelefonen» forderte eine dahingehende Anpassung des Asylgesetzes, dass Mobiltelefone und Computer von Asylsuchenden von den zuständigen Behörden eingezogen und überprüft werden dürfen, wenn ansonsten die Identität der betroffenen Person nicht festgestellt werden kann. Rutz begründete sein Anliegen damit, dass 2016 anscheinend acht von zehn Asylbewerbern ohne Papiere in die Schweiz eingereist seien und deren Identität nur mit grossem Aufwand geklärt werden konnte. Zugriffsrechte auf Mobiltelefone und Computer würden diesen Prozess erleichtern und zudem für zusätzliche Sicherheit sorgen.
Im Februar 2018 gab die SPK-NR der Initiative mit 17 zu 7 Stimmen Folge, im Juni folgte mit 9 zu 1 Stimmen bei 2 Enthaltungen die Zustimmung der Schwesterkommission SPK-SR.
Im Februar 2020 gab die Nationalratskommission per Medienmitteilung die Eröffnung des Vernehmlassungsverfahrens bekannt. Die geplante Gesetzesänderung sah wie von Rutz gefordert vor, dem SEM «weitreichende Kompetenzen zur Überprüfung von mobilen Datenträgern bei der Identitätsabklärung» einzuräumen. Für die Person, deren Identität ermittelt wird, soll bei der Auswertung der Daten eine Mitwirkungspflicht gelten: Einerseits, damit ihr das rechtliche Gehör gewährt werde, andererseits, damit sie während der Sichtung der Daten Stellung nehmen und so die Bestimmung der Identität beschleunigen könne. Datenträger sollen aber auch in Abwesenheit deren Besitzer ausgewertet werden dürfen. Eine Verweigerung des Herausgebens der Datenträger soll verfahrensrechtliche Konsequenzen für die Asylsuchenden nach sich ziehen. Die zur Feststellung der Identität benötigten Daten sollen für maximal zwei Jahre zwischengespeichert werden dürfen.
Ursprünglich war die Frist der Vernehmlassung auf den 4. Juni 2020 angesetzt, doch beantragte die SPK-NR im Mai ohne Gegenstimme, die Frist zur Ausarbeitung einer Vorlage bis zur Sommersession 2022 zu verlängern. Im Juni 2020 wurde dieser Antrag auf Verlängerung der Frist im Nationalrat stillschweigend gutgeheissen.

Mitwirkungspflicht im Asylverfahren. Überprüfungsmöglichkeit bei Mobiltelefonen (Pa. Iv. 17.423)

Im Dezember 2019 publizierte der Bundesrat seine Botschaft zum Abkommen mit dem Vereinigten Königreich von Grossbritannien und Nordirland, welches als Teil der «Mind the Gap-Strategie» die bestehenden Rechte der Bürgerinnen und Bürger nach dem Brexit sichern soll. Das vorliegende Abkommen solle die geltende Rechtslage im Migrationsbereich nach dem Austritt des Vereinigten Königreichs aus der EU ersetzen, so der Bericht. Es gilt nur für jene Personen, welche sich im Rahmen des bereits bestehenden FZA in Grossbritannien oder der Schweiz aufhalten. Personen, welche erst nach dem Wegfall des FZA in eines der beiden Länder einreisen, werden einem anderen, noch zu verhandelnden Abkommen, unterstellt. Das vorliegende Abkommen umfasst laut Bundesrat die erworbenen Rechte im Bereich der Freizügigkeit (Anhang I FZA), die Koordinierung der Systeme der sozialen Sicherheit (Anhang II FZA) und die gegenseitige Anerkennung von Berufsqualifikationen (Anhang III FZA). Grundsätzlich wurden die geltenden Rechte der Bürgerinnen und Bürger im neuen Abkommen übernommen, in einigen Punkte falle es jedoch etwas restriktiver aus.

Die einstimmige Annahme der Vorlage durch die APK-NR im Februar 2020 begründete Kommissionssprecher Portmann (fdp, ZH) mit dem Ausblick auf einen weiterhin «freundschaftlichen, pragmatischen und prosperierenden» Wirtschaftsaustausch. Selbst die SVP-Fraktion unterstützte das Abkommen, denn solange das FZA zwischen der Schweiz und der EU gelte, sollten auch die Rahmenbedingungen des Personenverkehrs zwischen der Schweiz und Grossbritannien gleich geregelt werden, argumentierte Franz Grüter (svp, LU). Mit 194 Stimmen nahm der Nationalrat den Entwurf in der Sommersession 2020 daher einstimmig an.

Abkommen mit dem Vereinigten Königreich von Grossbritannien und Nordirland
Dossier: Mind the Gap-Strategie nach dem Brexit

Mit seiner Motion schlug Cédric Wermuth (sp, AG) vor, die Abstimmungsunterlagen als Integrationsinstrument zu verwenden. Die Kenntnis des politischen Systems der Schweiz sei ein Integrationskriterium im neuen Bürgerrechtsgesetz. Um allen Menschen die Möglichkeit zu geben, sich für politische Prozesse zu interessieren, sollten die Abstimmungs- und Wahlunterlagen auch Nicht-Stimmberechtigten, namentlich eben Einbürgerungswilligen, zugesandt werden. Dies sei ein Zeichen dafür, dass sie ernst genommen und willkommen geheissen würden, und biete gleichzeitig eine Möglichkeit zur Förderung von politischem Interesse.
Bundeskanzler Walter Thurnherr verwies in der Ratsdebatte auf die Bedeutung der Abstimmungsunterlagen. Rund 90 Prozent der Abstimmenden würden diese in der Tat als Informationsquelle nutzen, was für das Anliegen spreche. Allerdings bestehe neben den Unterlagen bereits ein derart reiches Angebot an Informationen, dass Aufwand und Kosten für Druck und Distribution verglichen mit dem symbolischen Mehrwert nicht zu rechtfertigen seien. Bei der Mehrheit der Nationalratsmitglieder verfing diese Argumentation, wurde die Motion doch mit 141 zu 48 Stimmen (2 Enthaltungen) abgelehnt, wobei die Stimmenminderheit auf das links-grüne Lager fiel.

Abstimmungsunterlagen als Integrationsinstrument

Die Voraussetzungen für eine erleichterte Einbürgerung seien im Bürgerrechtsgesetz sowie in der dazugehörigen Bürgerrechtsverordnung, die nach der Abstimmung über die erleichterte Einbürgerung von Personen der dritten Ausländergeneration in revidierter Form in Kraft getreten sind, hinreichend definiert, befand sowohl die Mehrheit der SPK-NR als auch des Nationalratsplenums. Demnach gab die grosse Kammer im Sommer 2019 einer parlamentarischen Initiative Hess (svp, BE) keine Folge, die vier Mindestkriterien für die erleichterte Einbürgerung (keine rechtskräftige Verurteilung zu einer hohen Freiheitsstrafe, kein Sozialhilfebezug, Nachweis über gute Sprachkenntnisse sowie über ausreichende Kenntnisse des Staatsaufbaus und seiner Geschichte) im Bürgerrechtsgesetz verankern wollte. Die parlamentarische Initiative war noch vor der Revision des Bürgerrechtsgesetzes eingereicht worden. Folge geben wollte ihr allein die geschlossene SVP-Fraktion, die die Ansicht vertrat, der Bund müsse angehalten werden, die materiellen Integrationsvoraussetzungen bei erleichterten Einbürgerungen konsequenter zu überprüfen.

Klare Integrationsbestimmungen bei erleichterten Einbürgerungen (Pa.Iv. 17.503)

Mit einer parlamentarischen Initiative forderte Marco Chiesa (svp, TI), dass nur Bundesrätin oder Bundesrat werden darf, wer ausschliesslich die Schweizer Staatsbürgerschaft besitzt. Ein Regierungsmitglied müsse der Schweiz stark verbunden sein, argumentierte er. Insbesondere im Falle des Aussenministers oder der Aussenministerin könne eine Doppelbürgerschaft zu Interessenkonflikten führen. Damit dies nicht passiere, müsse die Bundesverfassung geändert werden, um von einem Regierungsmitglied verlangen zu können, dass es die Staatsbürgerschaft eines anderen Landes ablegt.
Die SPK-NR begründete ihren mit 13 zu 9 Stimmen gefällten Mehrheitsentscheid, der Initiative keine Folge zu geben, mit den rund 20 Prozent in der Schweiz lebenden Doppelbürgerinnen und Doppelbürgern, die – obwohl stimmberechtigt – die Wählbarkeit in die Regierung verlieren würden. Es bestehe kein Anlass, an der Loyalität von Personen mit doppelter Staatsbürgerschaft zu zweifeln. Würde man der Argumentation der parlamentarischen Initiative konsequent folgen, dann müsste sie für zahlreiche Berufe ausgedehnt werden, die mit der Ausführung staatlicher Hoheitsrechte beauftragt seien (Grenzschützende, Zoll-, Sicherheits- und Migrationsbeamte, etc.).
Die Frage, ob Bundesratsmitglieder Bürgerin oder Bürger mehrerer Staaten sein dürfen, war schon im Rahmen der Bundesratswahl von Ignazio Cassis virulent diskutiert worden und hatte bereits in eine Motion Quadri (lega, TI; Mo. 17.3724) gemündet, die eine ähnliche Stossrichtung verfolgte. Genauso wie die Motion Quadri scheiterte auch die parlamentarische Initiative Chiesa. Diese hatte im Nationalrat keine Chance und wurde mit 125 zu 64 Stimmen bei 2 Enthaltungen abgelehnt. Lediglich die geschlossene SVP hatte sich für Folge geben ausgesprochen.

Bundesratsamt nur für Schweizer Staatsangehörige

Pas de naturalisation facilitée pour les jeunes qui bénéficient de l'aide sociale: c'est la revendication à laquelle le Conseil national a refusé de donner suite. Proposée par la députée Steinemann (udc, ZH), cette initiative parlementaire visait à revenir sur la naturalisation facilitée pour les personnes étrangères mineures de troisième génération. En effet, celle-ci, pour autant que ses critères soient remplis, pourrait permettre la naturalisation de personnes percevant l'aide sociale.
Par 16 voix contre 9, la commission des institutions politiques (CIP-CE) avait choisi de ne pas donner suite à l'initiative, arguant qu'il était trop tôt pour juger des effets de la nouvelle législation sur la naturalisation, que la plupart des candidats de troisième générations étaient plutôt bien intégrés socialement et économiquement, et que si ce n'était pas le cas, il serait injuste de les pénaliser pour la dépendance à l'aide sociale de leurs parents. Les mêmes arguments ont été présentés en chambre basse. 112 voix se sont opposées à l'initiative, contre 67, émanant du groupe UDC dans son entier, de 5 conseillers PLR et d'un PDC.

Pas de naturalisation facilitée pour les jeunes qui bénéficient de l'aide sociale

Nationalrat Claudio Zanetti (svp, ZH) reichte im September 2017 die parlamentarische Initiative «Keine Einbürgerung ohne zweifelsfrei geklärte Identität» ein. Laut Zanetti sei es in letzter Zeit vorgekommen, dass Gemeindebehörden den Stimmbürgerinnen und Stimmbürgern Personen mit dem Vermerk «Staatsangehörigkeit ungeklärt» zur Einbürgerung vorschlagen; dies sei «in höchstem Masse stossend». Die zuständige SPK-NR beantragte ihrem Rat mit 13 zu 9 Stimmen, der Initiative keine Folge zu geben. Wie die Kommission in ihrem Bericht festhielt, liege eine ungeklärte Staatsangehörigkeit vor, wenn eine Person aus einer Region stammt, deren Staatlichkeit international nicht anerkannt ist (z.B. Palästina), wenn die Staatsangehörigkeit unklar ist, weil der Herkunftsstaat nicht mehr existiert und der Nachfolgestaat keine Dokumente ausstellt (z.B. Ex-Jugoslawien), oder weil infolge Bürgerkriegswirren die nötigen Dokumente vernichtet sind. Diese Ursachen könnten einer einbürgerungswilligen Person nicht zur Last gelegt werden und sollten daher kein Hindernis für die Erteilung des Bürgerrechts sein, wenn im Übrigen alle Voraussetzungen dafür erfüllt sind, begründete die Kommissionsmehrheit ihren Antrag. Der Nationalrat folgte seiner SPK in der Herbstsession 2018 und verwarf die Initiative mit 121 zu 71 Stimmen bei 2 Enthaltungen.

Keine Einbürgerung ohne zweifelsfrei geklärte Identität (Pa.Iv. 17.475)

Weil die Fussballer Xherdan Shaqiri und Granit Xhaka ihre Tore während dem Spiel Schweiz-Serbien in Kaliningrad (RUS) mit der Doppeladler-Geste bejubelten, kam es im Juni im Rahmen der Fussball-Weltmeisterschaft der Männer zu einem Eklat.
Nicht wenige Spieler der Schweizer Nationalmannschaft verfügen über kosovarische oder albanische Wurzeln und Spieler und Fans beider Seiten der Partie haben den Kosovokrieg Ende der 1990er-Jahre direkt oder indirekt miterlebt. Noch heute existieren Spannungen zwischen den ehemaligen Kriegsparteien, so anerkennt Serbien beispielsweise den Kosovo nicht als unabhängigen Staat. Die Stimmung im Stadion war also im Hinblick auf vergangene Konflikte aufgeheizt – serbische Fans pfiffen die Schweizer Spieler aus, Shaqiri und Xhaka machten den Doppeladler.
Bei der Doppeladler-Geste wird, indem man die Hände über die Daumen kreuzt und mit den Fingern flattert, das Wappentier Albaniens – ein Adler – imitiert. Obwohl der Adler das Wappentier vieler Nationen ist, auch dasjenige Serbiens, sei die albanische Doppeladler-Flagge auf rotem Grund als «Flagge aller ethnischen Albaner» zu deuten, wie die Aargauer Zeitung erklärte. Weltweit würden daher albanische Spieler von ihren Fans gefeiert, wenn sie «den Adler machen». In den albanisch besiedelten Teilen Jugoslawiens hingegen sei früher öfters die Polizei eingeschritten, wenn die Doppeladler-Flagge öffentlich gezeigt wurde.
Die Geste im Spiel habe laut Xhaka folglich auch den albanischen und nicht den serbischen Fans gegolten, dennoch stufte die Fifa die Handlung als Provokation gegenüber dem serbischen Publikum ein. Es folgten Bussen in Höhe von CHF 10'000 für die beiden Spieler und eine weitere Busse von CHF 5'000 für Teamcaptain Lichtsteiner, der den Doppeladler aus Solidarität mit seinen Teamkollegen ebenfalls zeigte. Die Schweiz gewann die Partie 2:1.

Damit war aber die Diskussion nicht abgepfiffen: Die Frage, ob ein Schweizer Nationalspieler eine ausländische Jubelgeste machen dürfe, beschäftigte die Schweiz noch über einen Monat und war während Wochen ein dominierendes Thema in der Tagespresse. Der Direktor des SFV, Alex Miescher, fragte im Juli in einem Interview mit dem Tages-Anzeiger gar, ob Doppelbürger überhaupt für eine Nationalmannschaft geeignet seien. Xhaka selbst bezeichnete diese Aussage gemäss Tages-Anzeiger als «Unsinn» und «Steinzeitkommentar», laut Jacqueline Fehr (sp, ZH) sei sie «eine Ohrfeige für alle Doppelbürger», wie der Blick titelte. Dieser veröffentlichte daraufhin in der Sonntagsausgabe auf über elf Seiten unterschiedliche Stellungnahmen zur Doppeladler- und Doppelbürger-Diskussion.
Für die Aussage Mieschers entschuldigte sich der Präsident des SFV, Peter Gilliéron, später, Jürg Stahl (svp, ZH), Präsident des Dachverbandes von Swiss Olympics, unterstützte hingegen die Aussage Mieschers gegenüber dem Blick: Schweizer Sportlerinnen und Sportler, welche die Schweiz an olympischen Spielen und Weltmeisterschaften vertreten, sollen «durch und durch und nur unsere Nation vertreten», was im Falle von Doppelbürgern aber oft schwierig sei. Mit einer Abschaffung von Doppelbürgerschaften könne man hier Abhilfe schaffen, so Stahl weiter.
Auch die Weltwoche griff die Thematik auf: Dort zitierte Roger Köppel (svp, ZH) den Schriftsteller Gottfried Keller, indem er definierte, was Schweizer Staatsangehörige ausmache: Es sei das Bürgerrecht und die Identifikation mit dem Land und seiner Staatsform. Dass nun die Doppeladler-Geste für Irritierung darüber sorge, ob die Spieler der Schweizer Nati denn überhaupt für die Schweiz oder für Albanien spielten, sei nur naheliegend, meinte Köppel weiter, denn der Doppeladler sei eben nicht ein Schweizer Symbol.

Schliesslich gab es aber auch humorvolle Beiträge zur Diskussion: Vielleicht sei der Doppeladler ja nur Werbung für die Vogelwarte Sempach gewesen, witzelte man im Tages-Anzeiger. Insgesamt erregte der Zwischenfall aber derart viel Aufmerksamkeit, dass die ZHAW den Begriff «Doppeladler» im Dezember zum Wort des Jahres 2018 kürte.

Doppeladler-Affäre
Dossier: Nationale Identität: Debatte über die Fussballnationalmannschaft

Mit einer parlamentarischen Initiative forderte Nationalrat Michaël Buffat (svp, VD), dass nur gemäss Art. 136 BV stimmberechtigte Personen über die Erteilung der Schweizer Staatsbürgerschaft bestimmen dürfen. Ausländische Staatsangehörige mit Stimmrecht auf kantonaler oder kommunaler Ebene sollen an Entscheidungen über die Erteilung und Verweigerung des Bürgerrechts nicht mehr teilhaben können. Die SPK-NR zeigte wenig Verständnis für das Anliegen, da ihr diesbezüglich keine Probleme oder Missstände bekannt seien, die auf den Einbezug nicht stimmberechtigter Personen zurückzuführen seien. Ein Eingriff in die Kompetenzen der Kantone und Gemeinden sei hier nicht angebracht. Die Kommissionsminderheit – bestehend aus 9 Vertreterinnen und Vertretern der SVP-Fraktion – betonte hingegen, es sei eine «Frage der Logik», dass Nichtmitglieder einer Gemeinschaft nicht über die Aufnahme von Dritten in dieselbe bestimmen können sollten. In der Sommersession 2018 fand die Initiative auch im Nationalrat keine Unterstützung ausserhalb der geschlossen stimmenden SVP-Fraktion, womit ihr mit 125 zu 68 Stimmen deutlich keine Folge gegeben wurde.

Pa.Iv. Buffat: Einbürgerung durch Ausländerinnen und Ausländer

Im Rahmen der Bundesratswahl von Ignazio Cassis wurde die mehrfache Staatszugehörigkeit zum Thema. Cassis, der sowohl Bürger der Schweiz als auch von Italien ist bzw. war, gab im Vorfeld seiner Wahl seinen italienischen Pass ab. Die Diskussion um diesen Schritt nahm Lorenzo Quadri (lega, TI) zum Anlass, mit einer Motion die Doppelbürgerschaft für Bundesrätinnen und Bundesräte sowie für Bundesangestellte mit Beziehungen zum Ausland zu verbieten. Seit 1992 ist es in die Schweiz eingebürgerten Personen erlaubt, die Bürgerschaft ihres Herkunftslandes zu behalten. Quadri machte die Gefahr fehlender Loyalität von politisch für die Schweiz tätigen Doppelbürgerinnen und Doppelbürgern für seinen Vorstoss geltend.
Loyalität sei eine Frage der inneren Haltung und nicht von Gesetzen, gab Bundeskanzler Thurnherr in der Ratsdebatte zu bedenken. Das Argument Quadris, dass etwa in Australien – wie die Schweiz ein Einwanderungsland – ein solches Verbot bestehe, konterte Thurnherr mit der Bemerkung, dass es in Australien ein Gesetz gebe, dass Barbesitzer verpflichte, auch Pferde zu bedienen. Nur weil es dieses Gesetz in Australien gebe, müsse es ja nicht in der Schweiz eingeführt werden. Der Vorstoss Quadris wurde schliesslich von lediglich 40 Mitgliedern der SVP-Fraktion unterstützt und mit 129 Gegenstimmen bei 2 Enthaltungen versenkt.

Doppelbürgerschaft für Bunderäte