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Zur Umsetzung der parlamentarischen Initiative Marra (sp, VD) hatten die eidgenössischen Räte im Herbst 2016 einerseits eine Änderung des Bürgerrechtsgesetzes verabschiedet und andererseits einen Bundesbeschluss erlassen, der die erleichterte Einbürgerung von Ausländerinnen und Ausländern der dritten Generation in der Bundesverfassung verankert. Im Hinblick auf das auf den 12. Februar 2017 angesetzte obligatorische Referendum über die Verfassungsänderung gewann das Thema im zu Ende gehenden Jahr 2016 auch in der öffentlichen Debatte langsam an Präsenz. Mit Ausnahme der „Weltwoche“, die schon Anfang November das erste Mal zum verbalen Zweihänder griff und die Linke bezichtigte, „sich von den vielen Eingebürgerten viele linke Stimmen“ zu erhoffen, sowie die „Umwälzung der politischen Entscheide, ja des ganzen politischen Erfolgsmodells der Schweiz“ befürchtete, liess das Nein-Lager lange Zeit nichts von sich verlauten. Die erste SVP-Exponentin, die sich in dieser Sache zu Wort meldete, war Nationalrätin Yvette Estermann (svp, LU); als gebürtige Slowakin, die sich nach ihrer Heirat selbst erleichtert hatte einbürgern lassen, sprach sie sich im „Blick“ allerdings für die erleichterte Einbürgerung der dritten Generation aus. So war es denn auch das Befürworter-Komitee – eine breite Allianz aus Vertreterinnen und Vertretern aller grossen Parteien ausser der SVP –, das unterstützt von den Alt-Bundesrätinnen Ruth Dreifuss (sp, GE) und Eveline Widmer-Schlumpf (bdp, GR) sowie Alt-Bundesrat Pascal Couchepin (fdp, VS) am 22. November 2016 medienwirksam den Abstimmungskampf eröffnete. Kurz darauf wurde aber bekannt, dass dem Pro-Komitee die finanziellen Mittel fehlten, um eine sichtbare Inseratekampagne zu führen, da sich die Wirtschaftsverbände in dieser Frage nicht engagierten. Neben der grossen Kontroverse um die Unternehmenssteuerreform III fristete die Debatte um die erleichterte Einbürgerung somit ein Mauerblümchendasein.

Das laue Lüftchen gegen die Vorlage – hauptsächlich Argumente bezüglich föderalistischer Bedenken oder mangelnden Handlungsbedarfs – wich Anfang 2017 jedoch schlagartig einem Wirbelsturm, der sich – für eine von SVP-Exponenten geführte Kampagne nicht ganz untypisch – einmal mehr um ein Burka-Plakat drehte. „Die kennen wir doch!“, übertitelte der „Blick“ einen Artikel, in dem er aufzeigte, dass das gleiche Sujet bereits bei den Kampagnen für das Minarettverbot und die Masseneinwanderungsinitiative sowie bei der Unterschriftensammlung für das nationale Verhüllungsverbot zum Einsatz gekommen war. Damit war die öffentliche Debatte definitiv lanciert, wenn auch vielmehr jene über die Angemessenheit der Plakate als jene über das inhaltliche Für und Wider der erleichterten Einbürgerung. Mit dem Motiv hätten die Gegner das Thema völlig verfehlt, da es sich bei den betreffenden Ausländerinnen und Ausländern der dritten Generation hauptsächlich um italienische, spanische, portugiesische und türkische Staatsangehörige handle, empörte sich die Unterstützerseite. Während Bundesrätin Simonetta Sommaruga der Gegenseite fehlende Argumente unterstellte, verkündete Initiantin Ada Marra im Radio gar, dem- oder derjenigen 2000 Franken zu bezahlen, der oder die ihr eine Burka tragende Ausländerin der dritten Generation zeige. Im Internet sorgten die Plakate mit dem „Burka-Schreckgespenst aus der Mottenkiste“ (BZ) derweil auch für Belustigung, indem das Sujet in völlig andere Kontexte gesetzt, ad absurdum geführt und durch den Kakao gezogen wurde. Selbst aus den Reihen der SVP ertönten kritische Stimmen zum umstrittenen Plakat. Während SVP-Nationalrat Maximilian Reimann (svp, AG) das Sujet als „nicht optimal“ bezeichnete, war es für Alex Kuprecht (svp, SZ) als Befürworter der Vorlage schlicht „einige Niveaus zu tief“. Die Mitglieder des Pro-Komitees legten daraufhin etwas Geld für eine eigene, kleine Plakatkampagne an einigen grossen Bahnhöfen der Deutschschweiz zusammen. Nachdem die grosse Welle der Empörung abgeebbt war, plätscherte der Abstimmungskampf wieder gemächlich vor sich hin.

Mit näher rückendem Abstimmungstermin richtete sich die Aufmerksamkeit nochmals auf einen ganz anderen Aspekt der Abstimmung: das Ständemehr. Was das Volksmehr betrifft, zeigten die letzten Umfragen eine eher klare Tendenz zu einem Ja, doch das Ständemehr war bereits früheren Bestrebungen zur erleichterten Einbürgerung zum Verhängnis geworden (insb. bei der Volksabstimmung vom 12. Juni 1994). Experten gingen davon aus, dass die Westschweizer Kantone und Zürich der Vorlage bei einem Volksmehr mit grosser Wahrscheinlichkeit zustimmen würden, während die meisten Zentral- und Ostschweizer Kantone – traditionell skeptisch in Ausländerfragen – eher zur Ablehnung der Vorlage neigen sollten. Den entscheidenden Ausschlag erwarteten sie von den als „Swing States“ bezeichneten Kantonen Basel-Landschaft, Graubünden, Luzern, Solothurn, Wallis und Zug. Dies sind zugleich jene Kantone, die die Einbürgerung der dritten Ausländergeneration im Jahr 2004 mit weniger als 60% Nein-Stimmen abgelehnt hatten. Angesichts der aktuellen, weniger radikalen Reform, die im Gegensatz zu jener von 2004 insbesondere keinen Automatismus vorsieht, ist es durchaus denkbar, dass einige der „Swing States“ nun ins andere Lager wechseln.

La Suisse doit reconnaître ses enfants (Iv.Pa. 08.432) / Erleichterte Einbürgerung der dritten Generation

Eine aktive Einbürgerungspolitik wurde von Swiss-Re-Präsident Walter Kienholz gefordert. Während die Wirtschaft seine Vorschläge positiv aufnahm, forderten Vertreter von SVP, FDP und CVP eine Verschärfung der Regeln. So arbeitet etwa SVP-Nationalrat Walter Wobmann an einer Volksinitiative, die eine Einbürgerung auf Probe vorsieht, d.h. Eingebürgerten soll das Bürgerrecht wieder entzogen werden, wenn sie in der Probezeit straffällig werden. Für den Bundesrat wäre eine solche Regelung völkerrechtswidrig. Zudem gilt bereits seit dem 1.3.2011 eine schärfere Bestimmung, wonach aufgrund falscher Angaben bei der Einbürgerung neu nach acht statt fünf Jahren das Bürgerrecht wieder entzogen werden kann.

aktive Einbürgerungspolitik Einbürgerung auf Probe

Im Jahr 2010 fanden 14 Grossdemonstrationen mit 1000 und mehr Beteiligten statt. An zwei Kundgebungen nahmen mehr als 5000 Personen teil. Im März demonstrierten rund 6000 Personen auf dem Bundesplatz für die Gleichstellung der Geschlechter und im April unterstützten rund 5000 Personen die Solidaritätskundgebung für Tibet in Zürich. In Bern fanden acht Grossdemonstrationen statt, in Genf und Zürich je zwei, in Freiburg und in Gösgen je eine. Im Gegensatz zum Vorjahr, als bei 25 Grossdemonstrationen mehrheitlich aussenpolitische Fragen bewegt hatten, standen 2010 vermehrt spezifische Interessen einzelner Gruppen im Vordergrund: neben Gleichstellungsfragen waren etwa Proteste von Wirten gegen die Mehrwertsteuer, von Lehrern für bessere Arbeitsbedingungen, von Postangestellten gegen Poststellenabbau und Rationalisierung, von Jugendlichen für Genfer Konzertlokale oder von Velofahrern gegen den Autoverkehr Gründe für die Protestaktionen. Darüber hinaus bewegten Solidaritätskundgebungen für verfolgte Christen und für Ausländer, darunter die Protestdemonstration gegen die Annahme der Ausschaffungsinitiative. In Gösgen demonstrierten rund 4000 Personen gegen das AKW und in Bern nahmen etwa 1000 Linksautonome am antifaschistischen Abendspaziergang teil.

Grossdemonstrationen in der Schweiz im Jahr 2010
Dossier: Grossdemonstrationen in der Schweiz

Die grössten politischen Demonstrationen führten im Berichtsjahr die Landwirte durch: am 9. Januar protestierten an drei Orten insgesamt 31'000 Bauern (15'000 in Bern, 10'000 in Weinfelden/TG und 6'000 in Luzern) gegen die GATT-Verhandlungen. Gut besucht waren auch die am 10. Dezember vor allem von Frauen durchgeführten Protestaktionen gegen die sexuelle Gewalt im Krieg in Bosnien. Die kriegerischen Auseinandersetzungen im ehemaligen Jugoslawien waren denn auch das häufigste Thema bei den insgesamt 40 (1991: 30) von uns verzeichneten Kundgebungen mit 1'000 und mehr Beteiligten: zehn Grosskundgebungen fanden zu diesem Anlass statt (inkl. eine Demonstration von Griechen gegen die Anerkennung der neuen Republik Mazedonien und eine von Serben gegen die Berichterstattung in den deutschsprachigen Medien). Am zweithäufigsten waren Grossdemonstrationen gegen die Fremdenfeindlichkeit bzw. gegen eine Verschlechterungen der Arbeitsverhältnisse (je sieben). Letztere fanden vorwiegend in der französischsprachigen Schweiz statt, während sich die Kundgebungen gegen Fremdenfeindlichkeit und gegen den Krieg in Bosnien auf die Deutschschweiz konzentrierten. Mehr als die Hälfte der Grossdemonstrationen wurden in den Städten Zürich und Bern durchgeführt (elf resp. zehn), wovon in Zürich deren sechs von in der Schweiz ansässigen Ausländern organisiert wurden. Bei diesen Grossanlässen kam es lediglich an der Bauerndemonstration in Bern zu Aùsschreitungen und Auseinandersetzungen mit der Polizei. Viel häufiger waren derartige Vorkommnissen jedoch bei den kleineren Demonstrationen im Zusammenhang mit der Räumung von besetzten Häusern (v.a. in Zürich und Genf) und mit Blockierungen des motorisierten Privatverkehrs (v.a. in Zürich).

In der folgenden Zusammenstellung sind die Kundgebungen der Gewerkschaften zum 1. Mai, welche in den Grossstädten jeweils einige Tausend Beteiligte aufweisen, und die traditionellen – allerdings nur noch schwach besuchten – Ostermärsche der Pazifisten im schweizerisch/deutschen Grenzgebiet nicht erfasst. Demonstrationen mit 1000 und mehr Teilnehmenden, unterteilt nach Ort, Datum (Zeitung), Anzahl Teilnehmende und Thema:

Basel: 23.10. (5'000 / Gewerkschafter), 11.12. (2'000 / Frauen gegen Krieg in Bosnien);
Bern: 10.1. (15'000 / Bauern gegen Gatt), 24.2. (1'000 / gegen Fremdenfeindlichkeit), 23.3. (6'000 / gegen Fremdenfeindlichkeit), 30.3. (1'500 / für liberale Drogenpolitik), 6.7. (6'000 / ausländische Bauarbeiter; Pensionskassen im EWR), 21.9. (2'000 / AKW Mühleberg), 27.9. (3'000 / Krieg in Bosnien), 27.11. (1'000 / Krieg in Bosnien), 11.12. (5'000 / Frauen gegen Krieg in Bosnien), 21.12. (6'000 / Jugend für europäische Integration);
Erstfeld/UR: 30.11. (2'000 / Eisenbahner);
Genf: 3.2. (2'000 / Kosovo-Albaner); 20.2. (3'000 / Staatsangestellte), 12.3. (5'000 / Staatsangestellte), 23.10. (1'500 / Mittelschüler), 6.11. (2'000 / Bauunternehmer), 9.12. (8'000 / Gewerkschafter), 18.12. (1'000 / Staatsangestellte);
La Chaux-de-Fonds: 27.4. (1'000 / gegen Fremdenfeindlichkeit), 19.12. (1'500 / für europäische Integration);
Lausanne: 18.1. (3'000 / gegen Fremdenfeindlichkeit), 9.10. (1'000 / Staatsangestellte);
Luzern: 10.1. (6'000 / Bauern gegen Gatt), LNN, 11.12. (1'500 / Frauen gegen Krieg in Bosnien);
Schaffhausen: 28.12. (3'000 / gegen Fremdenfeindlichkeit);
St. Gallen: 23.3. (1'200 / gegen Fremdenfeindlichkeit);
Weinfelden/TG: 10.1. (10'000 / Bauern gegen Gatt);
Zürich: 23.3. (1'500 / gegen Fremdenfeindlichkeit), 10.2. (2'000 / Serben gegen Medien), 2.3. (1'500 / Schliessung Kanzlei-Zentrum), 23.3. (1'000 / Schliessung Kanzlei-Zentrum), 30.3. (2'000 / Kurden gegen Türkei), 11.5. (1'000 / Griechen gegen Mazedonien), 25.5. (2'000 / Kroaten und Bosnier), 12.10. (1'000 / Kurden gegen Türkei), 23.10 (3'000 / Gewerkschafter), 26.10. (1'000 / Kurden gegen Türkei), 11.12. (5'000 / Frauen gegen Krieg in Bosnien).

Nachtrag zu 1991: Zürich: NZZ, 3.1.92 (3'000 / Schliessung Kanzlei-Zentrum).

Statistik Grossdemonstrationen 1992
Dossier: Grossdemonstrationen in der Schweiz

Die Welle der fremdenfeindlichen Aktionen ist im Berichtsjahr deutlich abgeflaut. Nach Angaben des EJPD wurden 42 Ereignisse mit tatsächlichem oder vermutetem fremdenfeindlichem Hintergrund registriert. Bei rund der Hälfte davon handelte es sich um Sachbeschädigungen oder Schmierereien an Flüchtlingsunterkünften, in 15 Fällen kam es zu Brandstiftungen resp. Brandstiftungsversuchen, je zwei Anschläge wurden mit Schusswaffen resp. mit Feuerwerkskörpern durchgeführt. Der ehemalige Anführer der rechtsextremen Patriotischen Front, Marcel Strebel, stand erneut vor Gericht. Das Bezirksgericht Schwyz verurteilte ihn wegen Landfriedensbruchs zu zwanzig Tagen Gefängnis, wobei er diese Strafe nicht absitzen muss, sondern sich einer ambulanten psychiatrischen Behandlung zu unterziehen hat. Nach Angaben von BR Koller waren aber bei weitem nicht alle Anschläge auf Asylbewerberunterkünfte fremdenfeindlich motiviert; von den aufgeklärten Vorfällen des Vorjahres waren mehr als ein Drittel von Asylbewerbern selbst begangen worden.

Extremismusbericht des Bundesrates von 1992 (BRG 92.033)