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In der Sommersession 2019 hiess der Nationalrat ein Postulat Romano (cvp, TI) gut, welches vom Bundesrat einen Bericht zu den Entwicklungen im internationalen Eisenbahnverkehr und deren Auswirkungen auf die Grenzkontrollen des Grenzwachtkorps forderte. Angesichts der Veränderungen im internationalen Bahnverkehr – namentlich auch infolge des NEAT-Tunnels und der damit verschobenen Haltestellen international verkehrender Personenzüge – wollte der Postulant vom Bundesrat dargelegt haben, inwiefern dies einen Einfluss auf die Kontrolltätigkeit der EZV habe und ob allfällige handlungsstrategische und logistische Anpassungen nötig seien, um weiterhin die korrekte Umsetzung des Zollgesetzes und der Migrationsbewegungen zu gewährleisten.
Der Bundesrat hatte die Ablehnung des Postulates empfohlen. Wie er in seiner Stellungnahme ausführte, seien die konkreten Anpassungen in laufender Abklärung oder bereits umgesetzt. So würden beispielsweise die Grenzkontrollen in den Eurocity-Zügen, welche statt in Chiasso nun erst in Lugano hielten, bereits während der Fahrt durchgeführt. Für die Analyse seien bereits alle zuständigen Instanzen von Bund, Kantonen und betroffenen Gemeinden miteinbezogen worden, weshalb ein zusätzlicher Bericht aus Sicht des Bundesrates nicht nötig sei.
Romano widersprach dieser Einschätzung im Plenum und verlangte aufgrund der Wichtigkeit dieser Praxisänderungen und der noch offenen Fragen erst recht einen offiziellen Bericht. Eine knappe Mehrheit des Nationalrates folgte ihm und überwies das Postulat mit 97 zu 91 Stimmen bei einer Enthaltung. Für das Postulat stimmten geschlossen die SVP- und Mitte- sowie eine Minderheit der FDP-Fraktion.

Entwicklungen im internationalen Eisenbahnverkehr und Grenzkontrollen des Grenzwachtkorps (Po. 17.4177)

Im Frühling 2019 verlängerte der Nationalrat die Frist für die Ausarbeitung einer Vorlage zu den beiden Tessiner Standesinitiativen (Kt.Iv. 15.320 und Kt.Iv. 15.321) bezüglich der systematischen Vorlage des Strafregisterauszugs bei der Beantragung von Aufenthaltsbewilligungen durch EU-Bürgerinnen und -Bürger um zwei Jahre. Er folgte damit stillschweigend dem Antrag seiner SPK, die zunächst den Bericht zu ihrem Postulat abwarten wollte, um über das weitere Vorgehen zu entscheiden.

Systematische Vorlage des Strafregisterauszugs bei der Beantragung von Aufenthaltsbewilligungen durch EU-Bürgerinnen und -Bürger (Kt.Iv. 15.320 und 15.321)
Dossier: Strafregisterauszug für Aufenthaltsbewilligung bei EU-Bürgerinnen und -Bürgern / Beitritt zu ECRIS

Als sich die SPK-NR im Frühling 2017 mit der Frage beschäftigte, wie die beiden Tessiner Standesinitiativen zur systematischen Einholung eines Strafregisterauszuges bei der Beantragung von Aufenthaltsbewilligungen durch EU-Bürgerinnen und -Bürger umgesetzt werden könnten, kam sie zum Schluss, dass für eine direkte Umsetzung das Ausländergesetz entsprechend geändert werden müsste. Diese Änderung stünde jedoch in klarem Widerspruch zum FZA und brächte Rechtsunsicherheit mit sich, da das Bundesgericht in einem Beschwerdefall wohl den Vorrang des FZA feststellen müsste. Ausserdem würden dadurch die Beziehungen zur EU belastet. Aus diesen Gründen zog die Kommission die Möglichkeit in Betracht, das Anliegen der Standesinitiativen durch den Beitritt der Schweiz zum Informationsaustauschsystem über Strafverfolgungen der EU (ECRIS) zu erfüllen. Zu diesem Zweck wolle sie den Bundesrat mittels Postulat beauftragen, die Aufnahme von entsprechenden Verhandlungen zu prüfen, gab die Kommission in einer Medienmitteilung bekannt. Bis zum Abschluss dieser Prüfung wurde die Umsetzung der Standesinitiativen sistiert.

Systematische Vorlage des Strafregisterauszugs bei der Beantragung von Aufenthaltsbewilligungen durch EU-Bürgerinnen und -Bürger (Kt.Iv. 15.320 und 15.321)
Dossier: Strafregisterauszug für Aufenthaltsbewilligung bei EU-Bürgerinnen und -Bürgern / Beitritt zu ECRIS

Mit 60,4 Prozent Ja- gegenüber 39,6 Prozent Nein-Stimmen nahm das Schweizer Stimmvolk am 12. Februar 2017 die erleichterte Einbürgerung von Personen der dritten Ausländergeneration deutlich an. Die Stimmbeteiligung lag schweizweit bei 46,8 Prozent und schwankte zwischen 39 Prozent im Kanton Uri und rund 66 Prozent in Schaffhausen. Eher überraschend war das ebenfalls deutliche Ständemehr: 17 von 23 Ständen stimmten der Vorlage zu. Die auf frühere Abstimmungsergebnisse zur erleichterten Einbürgerung zurückgehenden Befürchtungen der Befürworter, am Ständemehr zu scheitern, wurden damit klar widerlegt. In den im Vorfeld des Urnengangs noch als „Swing States“ bezeichneten Kantonen resultierte überall ein Ja. Verglichen mit der Abstimmung von 1994, als das Anliegen am Ständemehr gescheitert war, wechselten somit die acht Kantone Luzern, Nidwalden, Solothurn, Aargau, Schaffhausen, Appenzell-Ausserrhoden, Tessin und Wallis auf die Befürworterseite, wobei es in Nidwalden, Appenzell-Ausserrhoden und Tessin ein enges Rennen war (NW 50,4%, AR 50,9%, TI 50,2% Ja-Stimmen). Die knappste Entscheidung überhaupt fiel im Kanton Thurgau, wo lediglich 24 Stimmen für die ablehnende Standesstimme ausschlaggebend waren. Ein ebenfalls hauchdünnes Nein resultierte in Glarus und St. Gallen mit Nein-Stimmenanteilen von 50,4 Prozent bzw. 50,2 Prozent. Demgegenüber stiess die Vorlage in sämtlichen Westschweizer Kantonen auf überdurchschnittlich hohe Zustimmung. Am deutlichsten stimmte der in Ausländerfragen ohnehin sehr offen eingestellte Kanton Neuenburg mit einem Ja-Stimmenanteil von 75,1 Prozent zu. Die höchste Ablehnung hingegen erfuhr die Vorlage in Appenzell-Innerrhoden, dessen Stimmbevölkerung zu 56,4 Prozent ein Nein einlegte. Augenfällig ist bei den Ergebnissen zudem das Gefälle zwischen Stadt und Land; so stimmte die Stadt Zürich zu 76 Prozent Ja (Kanton ZH: 63,2%) und die Stadt St. Gallen zu 65 Prozent (Kanton SG: 49,8%).

Bundesrätin Simonetta Sommaruga liess nach dem Urnengang verlauten, die Regierung nehme das Ergebnis „mit grosser Genugtuung“ zur Kenntnis und es stimme zuversichtlich „für weitere, ebenso umstrittene Vorlagen“. Darüber hinaus ermunterte sie junge Ausländerinnen und Ausländer der dritten Generation, nun „die Chance zu nutzen und ihre Heimat mitzugestalten“, und fügte an, die Erleichterung der Einbürgerung sollte voraussichtlich spätestens in einem Jahr in Kraft treten. Freude über den Entscheid herrschte auch beim SGB und bei der Operation Libero. Während Ersterer von einer überfälligen Reform sprach und ankündigte, nun auch die Anforderungen für andere Einbürgerungswillige senken zu wollen, sah Letztere in dieser Abstimmung einen „ersten, wichtigen Schritt zu einem liberalen Bürgerrecht“. Daran müsse man jetzt anknüpfen und beispielsweise auch die erforderliche Aufenthaltsdauer senken oder die Mindestwohnsitzfristen in den Gemeinden abschaffen. Wenig erfreut zeigte sich die SVP, die nach der Durchsetzungsinitiative und dem Asylgesetz mit dieser Abstimmung die dritte Niederlage in der Ausländerpolitik innerhalb eines Jahres hinnehmen musste. Als Kopf des Gegenkomitees und Initiator der umstrittenen Plakate machte Andreas Glarner (svp, AG) besonders die bereits Eingebürgerten für das Resultat verantwortlich und forderte die Abschaffung des Doppelbürgerrechts. Die SVP erklärte aber auch, das Verdikt von Volk und Ständen zu akzeptieren und die noch offenstehende Möglichkeit, das Referendum gegen die in dieser Sache beschlossene Gesetzesänderung zu ergreifen, nicht wahrnehmen zu wollen.


Abstimmung vom 12. Februar 2017

Beteiligung: 46,84%
Ja: 1'499'627 (60,4%) / Stände: 15 4/2
Nein: 982'844 (39,6%) / Stände: 5 2/2

Parolen:
– Ja: SP, FDP (1*), CVP (1*), Grüne, GLP, BDP (1*), EVP, Städteverband, Eidgenössische Migrationskommission, SGB, Travail.Suisse
– Nein: SVP, EDU (1*)
* In Klammer Anzahl abweichender Kantonalsektionen

La Suisse doit reconnaître ses enfants (Iv.Pa. 08.432) / Erleichterte Einbürgerung der dritten Generation

Zur Umsetzung der parlamentarischen Initiative Marra (sp, VD) hatten die eidgenössischen Räte im Herbst 2016 einerseits eine Änderung des Bürgerrechtsgesetzes verabschiedet und andererseits einen Bundesbeschluss erlassen, der die erleichterte Einbürgerung von Ausländerinnen und Ausländern der dritten Generation in der Bundesverfassung verankert. Im Hinblick auf das auf den 12. Februar 2017 angesetzte obligatorische Referendum über die Verfassungsänderung gewann das Thema im zu Ende gehenden Jahr 2016 auch in der öffentlichen Debatte langsam an Präsenz. Mit Ausnahme der „Weltwoche“, die schon Anfang November das erste Mal zum verbalen Zweihänder griff und die Linke bezichtigte, „sich von den vielen Eingebürgerten viele linke Stimmen“ zu erhoffen, sowie die „Umwälzung der politischen Entscheide, ja des ganzen politischen Erfolgsmodells der Schweiz“ befürchtete, liess das Nein-Lager lange Zeit nichts von sich verlauten. Die erste SVP-Exponentin, die sich in dieser Sache zu Wort meldete, war Nationalrätin Yvette Estermann (svp, LU); als gebürtige Slowakin, die sich nach ihrer Heirat selbst erleichtert hatte einbürgern lassen, sprach sie sich im „Blick“ allerdings für die erleichterte Einbürgerung der dritten Generation aus. So war es denn auch das Befürworter-Komitee – eine breite Allianz aus Vertreterinnen und Vertretern aller grossen Parteien ausser der SVP –, das unterstützt von den Alt-Bundesrätinnen Ruth Dreifuss (sp, GE) und Eveline Widmer-Schlumpf (bdp, GR) sowie Alt-Bundesrat Pascal Couchepin (fdp, VS) am 22. November 2016 medienwirksam den Abstimmungskampf eröffnete. Kurz darauf wurde aber bekannt, dass dem Pro-Komitee die finanziellen Mittel fehlten, um eine sichtbare Inseratekampagne zu führen, da sich die Wirtschaftsverbände in dieser Frage nicht engagierten. Neben der grossen Kontroverse um die Unternehmenssteuerreform III fristete die Debatte um die erleichterte Einbürgerung somit ein Mauerblümchendasein.

Das laue Lüftchen gegen die Vorlage – hauptsächlich Argumente bezüglich föderalistischer Bedenken oder mangelnden Handlungsbedarfs – wich Anfang 2017 jedoch schlagartig einem Wirbelsturm, der sich – für eine von SVP-Exponenten geführte Kampagne nicht ganz untypisch – einmal mehr um ein Burka-Plakat drehte. „Die kennen wir doch!“, übertitelte der „Blick“ einen Artikel, in dem er aufzeigte, dass das gleiche Sujet bereits bei den Kampagnen für das Minarettverbot und die Masseneinwanderungsinitiative sowie bei der Unterschriftensammlung für das nationale Verhüllungsverbot zum Einsatz gekommen war. Damit war die öffentliche Debatte definitiv lanciert, wenn auch vielmehr jene über die Angemessenheit der Plakate als jene über das inhaltliche Für und Wider der erleichterten Einbürgerung. Mit dem Motiv hätten die Gegner das Thema völlig verfehlt, da es sich bei den betreffenden Ausländerinnen und Ausländern der dritten Generation hauptsächlich um italienische, spanische, portugiesische und türkische Staatsangehörige handle, empörte sich die Unterstützerseite. Während Bundesrätin Simonetta Sommaruga der Gegenseite fehlende Argumente unterstellte, verkündete Initiantin Ada Marra im Radio gar, dem- oder derjenigen 2000 Franken zu bezahlen, der oder die ihr eine Burka tragende Ausländerin der dritten Generation zeige. Im Internet sorgten die Plakate mit dem „Burka-Schreckgespenst aus der Mottenkiste“ (BZ) derweil auch für Belustigung, indem das Sujet in völlig andere Kontexte gesetzt, ad absurdum geführt und durch den Kakao gezogen wurde. Selbst aus den Reihen der SVP ertönten kritische Stimmen zum umstrittenen Plakat. Während SVP-Nationalrat Maximilian Reimann (svp, AG) das Sujet als „nicht optimal“ bezeichnete, war es für Alex Kuprecht (svp, SZ) als Befürworter der Vorlage schlicht „einige Niveaus zu tief“. Die Mitglieder des Pro-Komitees legten daraufhin etwas Geld für eine eigene, kleine Plakatkampagne an einigen grossen Bahnhöfen der Deutschschweiz zusammen. Nachdem die grosse Welle der Empörung abgeebbt war, plätscherte der Abstimmungskampf wieder gemächlich vor sich hin.

Mit näher rückendem Abstimmungstermin richtete sich die Aufmerksamkeit nochmals auf einen ganz anderen Aspekt der Abstimmung: das Ständemehr. Was das Volksmehr betrifft, zeigten die letzten Umfragen eine eher klare Tendenz zu einem Ja, doch das Ständemehr war bereits früheren Bestrebungen zur erleichterten Einbürgerung zum Verhängnis geworden (insb. bei der Volksabstimmung vom 12. Juni 1994). Experten gingen davon aus, dass die Westschweizer Kantone und Zürich der Vorlage bei einem Volksmehr mit grosser Wahrscheinlichkeit zustimmen würden, während die meisten Zentral- und Ostschweizer Kantone – traditionell skeptisch in Ausländerfragen – eher zur Ablehnung der Vorlage neigen sollten. Den entscheidenden Ausschlag erwarteten sie von den als „Swing States“ bezeichneten Kantonen Basel-Landschaft, Graubünden, Luzern, Solothurn, Wallis und Zug. Dies sind zugleich jene Kantone, die die Einbürgerung der dritten Ausländergeneration im Jahr 2004 mit weniger als 60% Nein-Stimmen abgelehnt hatten. Angesichts der aktuellen, weniger radikalen Reform, die im Gegensatz zu jener von 2004 insbesondere keinen Automatismus vorsieht, ist es durchaus denkbar, dass einige der „Swing States“ nun ins andere Lager wechseln.

La Suisse doit reconnaître ses enfants (Iv.Pa. 08.432) / Erleichterte Einbürgerung der dritten Generation

Mitte Januar 2017 war auch die SPK-NR mit 13 zu 11 Stimmen mehrheitlich der Ansicht, die Vergabe von Aufenthaltsbewilligungen ohne vorgängige Überprüfung des Strafregisters der antragsstellenden Person stelle eine potenzielle Gefahr für die öffentliche Sicherheit in der Schweiz dar. Sie gab damit den beiden Tessiner Standesinitiativen Folge, die es ermöglichen wollen, systematisch Strafregisterauszüge von allen zuziehenden EU-Bürgerinnen und -Bürgern einzuholen. Während die Minderheit zu bedenken gab, eine solche systematische Überprüfung werde vom FZA ausgeschlossen und belastete dadurch die Beziehungen zu Italien und zur EU, argumentierte die Mehrheit, das FZA könne und dürfe die Schweiz nicht an der Wahrung ihrer öffentlichen Sicherheit hindern.

Systematische Vorlage des Strafregisterauszugs bei der Beantragung von Aufenthaltsbewilligungen durch EU-Bürgerinnen und -Bürger (Kt.Iv. 15.320 und 15.321)
Dossier: Strafregisterauszug für Aufenthaltsbewilligung bei EU-Bürgerinnen und -Bürgern / Beitritt zu ECRIS

Im Anschluss an die Debatte über die Umsetzung der Ausschaffungsinitiative hatte der Nationalrat auch die Botschaft zur 2012 eingereichten Durchsetzungsinitiative zur Umsetzung der 2010 angenommenen Ausschaffungsinitiative zu behandeln. Dabei folgte er mit 131 zu 51 SVP-Stimmen dem Antrag des Bundesrates und empfahl die Volksinitiative, die einen direkt anwendbaren Deliktkatalog von Ausschaffungsgründen in der Bundesverfassung verankern will, zur Ablehnung und erklärte den Teil betreffend die enge Definition von zwingendem Völkerrecht für ungültig. Zum einen widerspreche die Durchsetzungsinitiative dem Prinzip der Verhältnismässigkeit und zum anderen sei sie unnötig, weil zurzeit der Vorschlag des Bundesrates zur Umsetzung der Ausschaffungsinitiative vorliege. Falls der Ständerat den Beschlüssen bezüglich der Ausschaffungsinitiative des Nationalrats folge, wäre der Rückzug der Durchsetzungsinitiative möglich, stellte SVP-Präsident Brunner in Aussicht. Um den Initianten den Rückzug der Initiative zu ermöglichen, beschloss der Ständerat einstimmig, die Schlussabstimmung über die Durchsetzungsinitiative bis zu einem allfälligen Referendum gegen das Gesetz zur Ausschaffung krimineller Ausländer aufzuschieben. Zuvor schloss sich die kleine Kammer jedoch dem Nationalrat an und erklärte jenen Teil der Initiative für ungültig, der den Umfang des zwingenden Völkerrechts festlegen wollte. Ein Minderheitsantrag für die Ungültigkeitserklärung der ganzen Initiative aufgrund der Durchbrechung der Gewaltentrennungsabläufe und ihres Charakters als „Gesetzesinitiative“ fand mit 27 zu 16 Stimmen keine Mehrheit. Die Ungültigkeitsgründe seien in der Verfassung klar festgeschrieben, deren Änderung würde also zuerst eine Verfassungsänderung bedingen, lautete das Argument.

Initiative zur Durchsetzung der Ausschaffung krimineller Ausländer (Durchsetzungsinitiative) (BRG 13.091)

Im Kanton Bern hiess die Stimmbevölkerung im November mit überraschenden 55,8% Ja-Stimmen bei einer Stimmbeteiligung von 50% eine Verfassungsinitiative „Keine Einbürgerung von Verbrechern und Sozialhilfeempfängern“ der Jungen SVP gut. Kriminelle, Sozialhilfeempfänger und Personen ohne Aufenthaltsbewilligung sollten künftig nicht mehr eingebürgert werden. Ob die Initiative wirklich die postulierte Verschärfung bringt, war bereits im Abstimmungskampf umstritten. Da nur die SVP die Vorlage unterstützte und alle anderen Parteien sich in einem Gegenkomitee zusammenschlossen, war die Annahme der Initiative überraschend. Bei der Umsetzung der Initiative wird zu prüfen sein, inwiefern die Forderung mit dem verfassungsrechtlich verankerten Diskriminierungsverbot zu vereinbaren ist.

Keine Einbürgerung von Verbrechern und Sozialhilfeempfängern

Der Bundesrat verabschiedete im November die Botschaft zur Ende 2012 eingereichten Volksinitiative „Zur Durchsetzung der Ausschaffung krimineller Ausländer (Durchsetzungsinitiative)“, welche den Artikel 121 der Bundesverfassung konkretisieren und damit die Ausschaffungsinitiative direkt anwendbar machen will. Die Regierung empfahl die Initiative aus mehreren Gründen zur Ablehnung. Zum einen widerspräche die Initiative dem verfassungsmässigen Grundsatz der Verhältnismässigkeit, weil im Einzelfall nicht geprüft werden könne, ob ein Landesverweis eine geeignete, notwendige sowie zumutbare Massnahme darstelle. Zum anderen verunmögliche die Annahme der Initiative die völkerrechtskonforme Umsetzung der Ausschaffungsinitiative, da sie den Bestimmungen über den Landesverweis ausdrücklich Vorrang gegenüber dem Völkerrecht einräumt. Schliesslich stünde es der Schweiz nicht zu, zu definieren, was unter zwingendem Völkerrecht zu verstehen sei. Die von den Initianten vorgeschlagene Definition wäre enger als der völkerrechtliche Ius-Cogens-Begriff. Damit verstiesse sie gegen das zwingende Völkerrecht, was wiederum ein Ungültigkeitsgrund für Volksinitiativen nach Art. 139.3 BV darstellte. Aus diesem Grund beantragte der Bundesrat denn auch, die Initiative als teilungültig zu erklären. Überhaupt sah der Bundesrat keine Notwendigkeit für die Durchsetzungsinitiative. Er hatte im Sommer des Berichtjahres einen Entwurf für die Umsetzung der Ausschaffungsinitiative an das Parlament überwiesen. Damit läge er gut im Zeitrahmen von fünf Jahren, welchen die 2010 angenommene Initiative vorgäbe.

Initiative zur Durchsetzung der Ausschaffung krimineller Ausländer (Durchsetzungsinitiative) (BRG 13.091)

Auch im Kanton Basel-Land wurde die Einbürgerung verschärft. Der Landrat hiess mit 69 zu 1 Stimmen eine Bestimmung gut, wonach gegen den Einbürgerungswilligen keine Herabsetzung oder Einstellung der Sozialhilfe wegen schuldhafter Verletzung von Pflichten verfügt worden sein darf. Das eindeutige Abstimmungsergebnis spiegelte jedoch nicht die Stimmung im Parlament wider. Der SVP ging die Verschärfung zu wenig weit und sie gedachte mit einer Volksinitiative, die Sozialhilfeabhängigkeit als Ausschlusskriterium durchzusetzen.

Einbürgerung

Unzufrieden mit dem Gang der Bürgerrechtsrevision diskutierte die SP über die Möglichkeit, eine Volksinitiative für die erleichterte Einbürgerung zu lancieren. Ein Begehren unter dem Titel „Für ein zeitgemässes Bürgerrecht“ würde die automatische Einbürgerung von Kindern, die bis zum 18. Lebensjahr mindestens fünf Jahre in der Schweiz gelebt haben, staatenlos sind oder aus einer dritten Generation stammen, vorsehen. Zudem sollten künftig nicht mehr die Gemeinden und Kantone, sondern der Bund für die Einbürgerung zuständig sein.

Volksinitiative für die erleichterte Einbürgerung

Mit der Revision des Bürgerrechtsgesetzes wurde eine parlamentarische Initiative der SVP-Fraktion hinfällig und im Nationalrat abgeschrieben. Die Initiative hätte gefordert, dass nur Personen mit einer Niederlassungsbewilligung einen Einbürgerungsantrag stellen können.

Besitz einer Niederlassungsbewilligung (Pa.Iv. 06.485)

Um die Umsetzung ihrer 2010 in der Volksabstimmung angenommen Ausschaffungsinitiative sicherzustellen, lancierte die SVP 2012 die Folgeinitiative „Zur Durchsetzung der Ausschaffung krimineller Ausländer (Durchsetzungsinitiative)“. Diese enthält eine detaillierte Liste mit Delikten, für welche ein Ausländer aus der Schweiz ausgewiesen werden muss sowie eine zweite Aufzählung von Straftaten, welche zu einer Ausschaffung führen, wenn der Delinquent innerhalb der letzten zehn Jahre bereits zu einer Geld- oder Freiheitsstrafe verurteilt worden ist. Der Initiativtext hält auch fest, dass die Bestimmungen nur dem zwingenden Völkerrecht, d.h. dem Verbot der Folter, des Völkermords, des Angriffskrieges, der Sklaverei sowie dem Verbot der Rückschiebung in einen Staat, in dem Tod oder Folter drohen, nachgeordnet sei. Die Initianten konnten die Initiative nur fünf Monate nach Sammelbeginn bei der Bundeskanzlei einreichen.

Initiative zur Durchsetzung der Ausschaffung krimineller Ausländer (Durchsetzungsinitiative) (BRG 13.091)

Neben der Speicherung von biometrischen Daten im Ausländerausweis war auch die Übernahme der Rückführungsrichtlinie, mit der die EU eine Vereinheitlichung der Rückführung illegaler Einwanderer auf der Basis von klaren Regelungen schaffen wollte, umstritten. Die Richtlinie verlangte Anpassungen im Bundegesetz über die Ausländerinnen und Ausländer (AuG). Während der Ständerat dem Vorschlag des Bundesrates gefolgt war, wurde im Nationalrat insbesondere über die Dauer der Haftstrafe für illegale Einwanderung debattiert. Die EU-Richtlinie sieht eine maximale Haftdauer von 18 Monaten vor, während die Obergrenze in der Schweiz bisher 24 Monate betrug. Die Mehrheit des Nationalrates wollte an der bisherigen Praxis festhalten und den Bundesrat beauftragen, in diesem Punkt mit der EU zu verhandeln. Nachdem der Ständerat in der Geschäftsbereinigung allerdings auf der Herabsetzung beharrte, lenkte schliesslich auch der Nationalrat ein – mit Ausnahme der geschlossen stimmenden SVP-Fraktion.

Rückführung illegal anwesender Drittstaatsangehöriger

Die Staatspolitischen Kommissionen des Parlaments nahmen einen neuen Anlauf, die 2004 in der Volksabstimmung knapp gescheiterte erleichterte Einbürgerung von Ausländern der dritten Generation zu ermöglichen. Beide unterstützten eine parlamentarische Initiative Marra (sp, VD), welche zwar keinen Automatismus, aber eine Einbürgerung auf eigenes Verlangen oder Antrag der Eltern einführen will. Die SPK des Nationalrats arbeitete einen Entwurf für eine entsprechende Gesetzesrevision aus und gab diesen im November in die Vernehmlassung. Der Bundesrat befasste sich auch mit dem Thema und gab gegen Jahresende eine umfassendere Reform der Einbürgerungsbestimmungen in die Vernehmlassung. Er schlug darin insbesondere vor, die für die ordentliche Einbürgerung geforderte minimale Dauer des Aufenthalts in der Schweiz von zwölf auf acht Jahre zu verkürzen; als Ergänzung dazu sollen auch die von den Kantonen und Gemeinden verlangten Fristen für die Ortsansässigkeit aneinander angeglichen und verkürzt werden. Im Gegensatz zu heute sollen aber nur noch Personen mit einer Niederlassungsbewilligung eingebürgert werden dürfen.

La Suisse doit reconnaître ses enfants (Iv.Pa. 08.432) / Erleichterte Einbürgerung der dritten Generation

Die Zahl der Einbürgerungen blieb mit 21'698 stabil. Wie üblich stammte die Mehrheit der Neubürger und -bürgerinnen aus europäischen Staaten (rund 16'000, davon die Hälfte aus EU- oder EFTA-Staaten). Das grösste Kontingent stellte wie in den vergangenen Jahren Italien (5'510), gefolgt von ex-Jugoslawien (2'365) und der Türkei (2'260).

Einbürgerungen 1999
Dossier: Migrationsbericht
Dossier: Statistiken zur Einbürgerung

Nach dem im Vorjahr positiv verlaufenen Vernehmlassungsverfahren präsentierte der Bundesrat seine Botschaft für ein Bundesgesetz über die Freizügigkeit der Anwältinnen und Anwälte. Der Gesetzesentwurf schlägt vor, dass Anwälte, die sich mit einem Patent über die Erfüllung der fachlichen Anforderungen ausweisen, sich im Kanton ihrer Geschäftsadresse in ein Anwaltsregister eintragen lassen können. Dieser Registereintrag erlaubt ihnen, in sämtlichen Kantonen ohne weitere Bewilligungen Parteien vor Gericht zu vertreten. Das neue Gesetz legt die Anforderungen für den Erwerb eines Anwaltpatentes fest: Abschluss eines mindestens dreijährigen Rechtsstudiums (mit einem Lizentiatsabschluss oder einer gleichwertigen Prüfung an einer schweizerischen oder einer EU-Universität) sowie ein in der Schweiz absolviertes einjähriges Praktikum mit einem Abschlussexamen. Als Begleitmassnahme regelt das Gesetz zudem die bisher kantonal gestalteten Vorschriften über die Berufsausübung von Anwälten. Im Hinblick auf das Abkommen mit der EU über die Freizügigkeit im Personenverkehr bestimmt das Gesetz auch die Modalitäten für die freie Berufsausübung von Anwälten im europäischen Raum.

Bundesgesetz über die Freizügigkeit der Anwältinnen und Anwälte
Dossier: Bundesgesetz über die Freizügigkeit der Anwältinnen und Anwälte (2002)

Die Sozialdemokratin Hubmann (ZH) nahm mit der Ende 1998 erfolgten Einreichung einer von 120 Abgeordneten aus allen Bundesratsparteien unterzeichneten Motion im Nationalrat einen neuen Anlauf für die Erleichterung der Einbürgerungsprozedur. In der Schweiz aufgewachsene Ausländer und Ausländerinnen sollen gemäss diesem Vorschlag auf ein blosses Gesuch hin eingebürgert werden. Für die anderen soll die verlangte Wohnsitzdauer von heute zwölf Jahren halbiert werden; die lokal unterschiedlichen Gebühren sollen zudem auf tiefem Niveau harmonisiert werden. Der Bundesrat kündigte in seiner Antwort im Frühjahr an, dass er in der kommenden Legislaturperiode eine neue Vorlage für die Erleichterung der Einbürgerung von in der Schweiz aufgewachsenen Ausländern präsentieren werde.

Motion will Automatische Einbürgerung für in der Schweiz Aufgewachsene (Mo. 98.3582)
Dossier: Revision der Bürgerrechtsregelung

Die Zahl der Einbürgerungen nahm 1998 um 11.5 Prozent auf 21'705 zu. An der Rangliste der Herkunftsländer der Eingebürgerten änderte sich im Vergleich zum Vorjahr nichts. An der Spitze mit 5'722 Personen stand weiterhin Italien, gefolgt vom ehemaligen Jugoslawien (3'296), Türkei (2'093) und Frankreich (1'761).

Zahl der Einbürgerungen 1998
Dossier: Statistiken zur Einbürgerung

Beide Parlamentskammern hiessen den im Vorjahr vom Bundesrat vorgeschlagenen Verfassungsartikel für eine Erleichterung der Einbürgerung junger Ausländer und Ausländerinnen gut. Gemäss den Ausführungen von Bundesrat Koller im Ständerat ist vorgesehen, dass für in der Schweiz geborene oder in die Schule gegangene Jugendliche im Alter zwischen 16 und 24 Jahren das Verfahren vereinfacht, die vorgeschriebene Wohnsitzdauer in der Einbürgerungsgemeinde verkürzt und die Gebühren reduziert werden sollen. Im Ständerat erwuchs dem Vorschlag keine Gegnerschaft; im Nationalrat opponierten Schweizer Demokraten (SD) und Lega, die Autopartei (AP) sowie der Freisinnige Giger (SG). Der neue Verfassungsartikel wurde hier mit 113 zu 19 Stimmen angenommen.

Erleichterung der Einbürgerung junger Ausländer und Ausländerinnen (BRG 92.079)