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In der Sommersession 2021 schrieben die eidgenössischen Räte die beiden gleichlautenden Motionen ihrer Rechtskommissionen «Gerechtigkeit für Verdingkinder» (Mo. 19.3971 und 19.3973) ab. Deren Forderung, den ehemaligen Verdingkindern die Genugtuung ohne Anrechnung an die Ergänzungsleistungen auszubezahlen, war mit der parlamentarischen Initiative 19.476 inzwischen erfüllt worden.

Gerechtigkeit für Verdingkinder: Gewährleistung der Ergänzungsleistungen (Mo. 19.3971 und 19.3973, Pa.Iv. 19.476)
Dossier: Wiedergutmachung für Opfer von fürsorgerischen Zwangsmassnahmen und Fremdplatzierungen

Aufgrund des coronabedingten Abbruchs der Frühjahrssession 2020 standen die Schlussabstimmungen zur Änderung des Bundesgesetzes über die Aufarbeitung der fürsorgerischen Zwangsmassnahmen und Fremdplatzierungen vor 1981 in Umsetzung einer parlamentarischen Initiative Comte (fdp, NE) erst in der Sommersession desselben Jahres auf der Tagesordnung der eidgenössischen Räte. Konkret wurde mit der Gesetzesänderung die Frist zur Einreichung der Gesuche um Solidaritätsbeiträge gestrichen. Der Entwurf wurde vom Ständerat einstimmig bei einer Enthaltung (Philippe Bauer; fdp, NE) und vom Nationalrat mit einer Gegenstimme (Erich Hess; svp, BE) angenommen.

Fristverlängerung für Opfer fürsorgerischer Zwangsmassnahmen (Pa.Iv. 19.471)
Dossier: Wiedergutmachung für Opfer von fürsorgerischen Zwangsmassnahmen und Fremdplatzierungen

Nachdem der parlamentarischen Initiative Comte (fdp, NE) zur Fristverlängerung für die Gesuche um einen Solidaritätsbeitrag für die Opfer fürsorgerischer Zwangsmassnahmen und von Fremdplatzierungen vor 1981 von beiden Kommissionen Folge gegeben worden war, erarbeitete die RK-SR die entsprechende Gesetzesänderung. Im Gegensatz zur Anregung der Initiative sah sie jedoch keine Verlängerung, sondern die Streichung der Frist vor. Viele der Betroffenen müssten sich, um ein Gesuch einreichen zu können, der schwierigen Vergangenheit stellen und eine festgesetzte Frist lasse nicht allen genügend Zeit, die entsprechende Entscheidung zu treffen, begründete die RK-SR diesen Schritt. Um eine rechtsungleiche Behandlung der Personen, die ihr Gesuch später einreichen werden, gegenüber jenen, die die Auszahlung von CHF 25'000 bereits erhalten haben, zu vermeiden, müssten zudem alle auszubezahlenden Solidaritätsbeiträge CHF 25'000 betragen. Die Summe von CHF 25'000 sollte daher nicht mehr als Höchstbetrag, sondern als fixer Betrag im Gesetz festgeschrieben werden, auf dessen Auszahlung bei Erfüllung der gesetzlichen Kriterien auch ein Rechtsanspruch besteht.
Der Bundesrat befürwortete in seiner Stellungnahme das Vorhaben der Kommission, merkte aber an, dass der ursprünglich im Gesetz festgelegte Zahlungsrahmen von CHF 300 Mio. nicht mehr das richtige Finanzierungsinstrument darstelle, wenn der Bund sich verpflichte, bei Gutheissung eines Gesuchs in jedem Fall CHF 25'000 auszubezahlen. Die benötigten Mittel müssten nach Auslaufen des Zahlungsrahmens im Budgetprozess bewilligt werden. Er beantragte deshalb die Streichung des Zahlungsrahmens aus dem Gesetz.
In der Frühjahrssession 2020 nahmen sowohl der Ständerat (einstimmig bei einer Enthaltung) als auch der Nationalrat (mit 189 zu 4 Stimmen bei einer Enthaltung) in der Gesamtabstimmung den Entwurf der RK-SR mit der vom Bundesrat beantragten Änderung an. Im Nationalrat blieb ein Minderheitsantrag Geissbühler (svp, BE), der die Frist anstatt aufzuheben bis Ende 2022 verlängern wollte, ausserhalb der SVP-Fraktion ohne Unterstützung.
Die Schlussabstimmungen konnten aufgrund des Corona-bedingten Abbruchs der Session nicht mehr im Frühling 2020 durchgeführt werden.

Fristverlängerung für Opfer fürsorgerischer Zwangsmassnahmen (Pa.Iv. 19.471)
Dossier: Wiedergutmachung für Opfer von fürsorgerischen Zwangsmassnahmen und Fremdplatzierungen

In der Fragestunde vom 18. März 2019 bemerkte Nationalrätin Ursula Schneider Schüttel (sp, FR), dass die Auszahlung des Solidaritätsbeitrages an Betroffene der fürsorgerischen Zwangsmassnahmen zur Kürzung von deren Ergänzungsleistungen (EL) führen kann. In seiner Antwort auf die entsprechende Frage Schneider Schüttels erklärte der Bundesrat, der Solidaritätsbeitrag sei gemäss geltendem Recht bei der Berechnung der Ergänzungsleistungen zwar nicht als Einnahme, aber als Vermögensbestandteil anzurechnen. Dass ehemalige Verdingkinder und Administrativversorgte aufgrund der Solidaritätszahlung Einbussen bei den Ergänzungsleistungen hinnehmen müssten, dürfe aber nicht sein; zur Behebung dieses Missstandes sei eine Gesetzesänderung notwendig.
Ende August rückte ein Beitrag der SRF-Sendung «Kassensturz» über eine betroffene Frau, deren Ergänzungsleistungen aufgrund des Solidaritätsbeitrags gekürzt worden waren, die Diskussion ins Licht der Öffentlichkeit. Daraufhin reichten die Rechtskommissionen beider Räte zwei gleichlautende Motionen ein mit der Forderung, die Genugtuung für ehemalige Verdingkinder sei ohne Anrechnung an die Ergänzungsleistungen auszubezahlen (Mo. 19.3971 und Mo. 19.3973). Zeitgleich nahm sich auch die SGK-SR des Problems an und beschloss einstimmig, eine entsprechende parlamentarische Initiative auszuarbeiten. Sie hoffte, auf dem Weg der parlamentarischen Initiative schneller zur angestrebten Gesetzesänderung zu gelangen als via Motion. Ihre Schwesterkommission stimmte der Initiative denn auch kurz darauf zu, sodass die SGK-SR noch im Oktober einstimmig einen Erlassentwurf verabschieden konnte. Dieser sah vor, dass Solidaritätsbeiträge künftig bei der Berechnung der Ergänzungsleistungen nicht mehr als Vermögen oder Vermögenserträge gewertet werden und dass bereits erfolgte EL-Kürzungen aufgehoben und den Betroffenen zurückerstattet werden. In seiner Stellungnahme räumte der Bundesrat ein, dass die in den bekannten Fällen angewandte Ausnahmeregel «in einem gewissen Widerspruch zum Grundsatz, wonach der Solidaritätsbeitrag nicht zur Reduktion von Sozial- und Ergänzungsleistungen führen soll», stehe. Er versicherte dem Kommissionsentwurf deshalb seine Unterstützung. Unverändert passierte die Vorlage in der Wintersession 2019 beide eidgenössischen Räte oppositionslos und wurde in den Schlussabstimmungen jeweils einstimmig angenommen. Zusätzlich hiessen die Räte auch die Motionen ihrer jeweiligen Rechtskommissionen mit demselben Anliegen gut.

Gerechtigkeit für Verdingkinder: Gewährleistung der Ergänzungsleistungen (Mo. 19.3971 und 19.3973, Pa.Iv. 19.476)
Dossier: Wiedergutmachung für Opfer von fürsorgerischen Zwangsmassnahmen und Fremdplatzierungen

Die Rechtskommissionen beider Räte gaben im Herbst 2019 einer parlamentarischen Initiative Comte (fdp, NE) Folge, mit der den Opfern fürsorgerischer Zwangsmassnahmen eine Fristverlängerung für die Einreichung der Gesuche um einen Solidaritätsbeitrag gewährt werden sollte. Nach Kenntnisnahme des Schlussberichts der Unabhängigen Expertenkommission Administrative Versorgungen entschlossen sich beide Kommissionen dazu, deren Empfehlung nachzukommen, die einjährige Frist zur Einreichung der Gesuche abzuschaffen. Den betroffenen Personen falle es oftmals schwer, gegenüber den Behörden mit Forderungen aufzutreten, argumentierte der Initiant, und deshalb wäre eine Fristerstreckung «ein Akt der Menschlichkeit», sodass auch Personen entschädigt werden könnten, denen es durch das erlittene Leid unmöglich war, sich an die vorgegebene Frist zu halten.

Fristverlängerung für Opfer fürsorgerischer Zwangsmassnahmen (Pa.Iv. 19.471)
Dossier: Wiedergutmachung für Opfer von fürsorgerischen Zwangsmassnahmen und Fremdplatzierungen

Nach bestehender Praxis müssen die Erstellung von Vorsorgeaufträgen und andere Rechtshandlungen der ausserordentlichen Vermögensverwaltung, die von der gesetzlichen Vertretung für eine urteilsunfähige Person vorgenommen werden, durch die Kesb validiert werden. Ein Postulat Schenker (sp, BS) stellte die Notwendigkeit dieser Validierung infrage und beauftragte den Bundesrat zu prüfen, ob bei solchen Rechtshandlungen durch Ehegattinnen oder Ehegatten bzw. eingeschriebene Partnerinnen oder Partner auf die Zustimmungspflicht der Kesb verzichtet werden könnte. Mit der Stärkung der Selbstbestimmung und der gesetzlichen Vertretung im Erwachsenenschutz könne dem bestehenden Misstrauen der Gesellschaft gegenüber dieser Behörde entgegengewirkt werden, so die Motionärin. Die grosse Kammer nahm den Vorstoss in der Herbstsession 2019 stillschweigend an und folgte damit auch dem Antrag des Bundesrates.

Stärkung der Selbstbestimmung im Erwachsenenschutz (Po. 19.3880)

Mit der stillschweigenden Annahme eines Postulats Caroni (fdp, AR) in der Sommersession 2018 erteilte der Ständerat dem Bundesrat den Auftrag, eine Übersicht über die verschiedenen Definitionen und Rechtsfolgen des Konkubinats im geltenden Recht zu erstellen. Im geltenden Recht knüpften zahlreiche Rechtsfolgen an das Vorliegen eines Konkubinats an, der dazugehörige Rechtsbegriff variiere jedoch von Rechtsgebiet zu Rechtsgebiet, begründete der Postulant seinen Vorstoss. Vor dem Hintergrund zukünftiger familienpolitischer Diskussionen, etwa über die Ehe für alle oder über den PACS, sei diese Grundlagenarbeit unabdingbar. Auch der Bundesrat hatte das Postulat begrüsst.

Übersicht über das Konkubinat im geltenden Recht (Po. 18.3234)
Dossier: Ein Pacs nach Schweizer Art?

Als Zweitrat befasste sich in der Herbstsession 2016 der Ständerat mit der Wiedergutmachungsinitiative und dem indirekten Gegenentwurf des Bundesrates. Die vorberatende Kommission beantragte Eintreten und Zustimmung zum Beschluss des Nationalrates in allen Punkten. Dennoch hatte die kleine Kammer zuerst über einen Nichteintretensantrag zu befinden; Werner Hösli (svp, GL) war der Ansicht, man solle besser das Volk über die Initiative abstimmen lassen als hier ohne Volksbefragung zu legiferieren. Mit seiner Argumentation konnte er jedoch kein anderes Ständeratsmitglied überzeugen und so wurde Eintreten mit 36 zu 1 Stimme beschlossen. Mit dem gleichen Stimmenverhältnis stimmte der Ständerat auch der Gesetzesvorlage zu. Wie schon der Nationalrat nahm auch der Ständerat den Bundesbeschluss über die Finanzierung der Solidaritätsbeiträge diskussionslos an und empfahl die Volksinitiative zur Ablehnung. In der Schlussabstimmung wurde das Bundesgesetz über die Aufarbeitung der fürsorgerischen Zwangsmassnahmen und Fremdplatzierungen vor 1981 im Nationalrat mit 149 zu 47 Stimmen bei 2 Enthaltungen und im Ständerat mit 39 zu 1 Stimme bei 4 Enthaltungen angenommen. Wie sich in den Debatten schon gezeigt hatte, stammte sämtliche Opposition aus dem rechtsbürgerlichen Lager.

Bei den Initianten war die Freude über diesen Parlamentsentscheid gross: Es sei ein „grosser Moment nicht nur für die Betroffenen, sondern für die Schweiz“, werden die Mitinitianten Joachim Eder (fdp, ZG) und Matthias Aebischer (sp, BE) im Tages-Anzeiger zitiert. Hauptinitiant Guido Fluri sprach von einem „historischen Tag“ und liess verlauten, er sei „stolz, Bürger dieses Landes zu sein“. Wie angekündigt zog das Initiativkomitee nach der Annahme des Gegenvorschlags durch das Parlament sein Begehren zurück. Die Referendumsfrist für das Gesetz läuft bis am 26. Januar 2017; verstreicht sie ungenutzt, wird es im April 2017 – nur gut zwei Jahre nach Einreichung der Initiative – in Kraft treten. Ab dann werden die Betroffenen ein Jahr Zeit haben, um ein Gesuch für einen Solidaritätsbeitrag zu stellen. Fluri zeigte sich optimistisch, dass die ersten Auszahlungen bereits 2018 erfolgen könnten. Wichtiger als das Geld sei jedoch die Anerkennung des Unrechts, betonte er.

Wiedergutmachung für Verdingkinder und Opfer fürsorgerischer Zwangsmassnahmen (Volksinitiative und indirekter Gegenvorschlag; 15.082)
Dossier: Wiedergutmachung für Opfer von fürsorgerischen Zwangsmassnahmen und Fremdplatzierungen

Zwei Jahre nach der Schaffung eines entsprechenden Fonds im April 2014 sind insgesamt CHF 8,7 Mio. Soforthilfe an Opfer fürsorgerischer Zwangsmassnahmen in einer finanziellen Notlage ausgezahlt worden. Von den durch die Glückskette verwalteten Geldern wurde 1117 Personen mit Beträgen zwischen 4000 und 12'000 Franken geholfen. Der Soforthilfefonds dient als Überbrückungslösung, bis die gesetzlichen Grundlagen für die Aufarbeitung der fürsorgerischen Zwangsmassnahmen und Fremdplatzierungen geschaffen sein werden.

Aufarbeitung der fürsorgerischen Zwangsmassnahmen
Dossier: Wiedergutmachung für Opfer von fürsorgerischen Zwangsmassnahmen und Fremdplatzierungen

Gleichzeitig mit der Veröffentlichung seines Entwurfs zum Bundesgesetz über die Aufarbeitung der fürsorgerischen Zwangsmassnahmen und Fremdplatzierungen vor 1981 empfahl der Bundesrat ein Postulat Schneider Schüttel (sp, FR) zur Abschreibung. Das Postulat hatte den Bundesrat beauftragt, zu prüfen, inwiefern Opfer fürsorgerischer Zwangsmassnahmen bei der Suche nach ihren Guthaben auf Sparheften unterstützt werden können. Der Gesetzesentwurf – als indirekter Gegenvorschlag zur Wiedergutmachungsinitiative – erfülle laut dem Bundesrat das Anliegen des Postulats, da er vorsehe, dass insbesondere die kantonalen Archive auf Ersuchen hin abklären, ob in ihren Aktenbeständen Informationen über allfällige Sparguthaben von Betroffenen enthalten sind. Bei allfälligen Hinweisen auf ebensolche Sparguthaben sollen die betroffenen Personen oder ihre Rechtsnachfolger die erforderlichen Abklärungen unentgeltlich vornehmen können. Der Nationalrat schrieb das Postulat daher im Juni 2016 ab.

Auffinden der Sparhefte von Opfern fürsorgerischer Zwangsmassnahmen (Po. 15.3202)
Dossier: Wiedergutmachung für Opfer von fürsorgerischen Zwangsmassnahmen und Fremdplatzierungen

Die Wiedergutmachungsinitiative und der indirekte Gegenentwurf des Bundesrates in Form des Bundesgesetzes über die Aufarbeitung der fürsorgerischen Zwangsmassnahmen und Fremdplatzierungen vor 1981 waren in der Aprilsession 2016 Gegenstand der Beratung im Nationalrat. Der Bundesrat hatte dem Nationalrat drei Entwürfe vorgelegt: den Bundesbeschluss über die Volksinitiative, das Bundesgesetz als indirekten Gegenvorschlag und einen Bundesbeschluss über die Finanzierung der Solidaritätsbeiträge. Da im Fall der Volksinitiative Eintreten obligatorisch ist, drehte sich die Eintretensdebatte um die beiden letztgenannten Vorlagen. Die Mehrheit der RK-NR beantragte ihrem Rat Eintreten. Sie unterstütze die Ziele der Initiative, bevorzuge aber den indirekten Gegenvorschlag, da dieser rascher umgesetzt werden könne und schnelle Hilfe in Anbetracht des fortgeschrittenen Alters und des Gesundheitszustands vieler Opfer sinnvoll sei. Eine Kommissionsminderheit stellte einen Nichteintretensantrag. Sie war der Meinung, der Staat dürfe nicht einfach so ohne rechtliche Grundlage Geld verteilen, da Grundlage und Schranke staatlichen Handelns eben das Recht sei. Die rechtlichen Ansprüche der Opfer seien bereits verjährt und auch die Verjährung sei eine „Errungenschaft des Rechtsstaates“, führte Claudio Zanetti (svp, ZH) aus. Im Rat sprach sich nur aus der SVP-Fraktion eine Mehrheit für Nichteintreten aus. Fraktionssprecher Hans-Ueli Vogt (svp, ZH) erklärte, er gehe davon aus, dass alle Vorfahren nach bestem Wissen und Gewissen das für sie Richtige getan hätten und man sie dafür nicht verurteilen dürfe, nur weil die heutige Gesellschaft andere Anschauungen entwickelt habe. Mit einer deutlichen Mehrheit von 142 zu 28 Stimmen bei 10 Enthaltungen trat die grosse Kammer schliesslich auf die beiden Vorlagen ein.

In der Detailberatung ergänzte der Nationalrat das Bundesgesetz um zwei Bestimmungen. Erstens beschränkte er die Solidaritätszahlungen auf höchstens 25'000 Franken pro Opfer. Zweitens sollen Forderungen, die ihren Rechtsgrund unmittelbar in einer fürsorgerischen Zwangsmassnahme oder einer Fremdplatzierung haben und sich gegen die Opfer oder deren Angehörige richten, beispielsweise Heimkosten, mit Inkrafttreten des Gesetzes automatisch erlöschen. Die so abgeänderte Vorlage wurde mit 143 zu 26 Stimmen bei 13 Enthaltungen gutgeheissen. Matthias Aebischer (sp, BE) versprach, sich im Initiativkomitee für den Rückzug der Initiative stark zu machen, sollte der indirekte Gegenvorschlag im Parlament angenommen werden. Die beiden anderen Entwürfe wurden von der grossen Kammer diskussionslos angenommen. Damit schloss sich der Nationalrat dem Bundesrat an und empfahl die Initiative zur Ablehnung.

Wiedergutmachung für Verdingkinder und Opfer fürsorgerischer Zwangsmassnahmen (Volksinitiative und indirekter Gegenvorschlag; 15.082)
Dossier: Wiedergutmachung für Opfer von fürsorgerischen Zwangsmassnahmen und Fremdplatzierungen

In der Herbstsession 2015 nahm der Nationalrat ein Postulat Schneider Schüttel (sp, FR) an, das den Bundesrat auffordert zu prüfen, wie Opfer fürsorgerischer Zwangsmassnahmen beim Auffinden ihrer Sparhefte unterstützt werden können. Konkret sollen Betroffene bei Banken für die Nachforschungen keine Gebühren bezahlen müssen. Bundesrätin Simonetta Sommaruga begrüsste den Vorstoss insofern, dass er genau in die Richtung gehe, die der Bundesrat in der Vernehmlassungsvorlage zum Bundesgesetz über die Aufarbeitung der fürsorgerischen Zwangsmassnahmen und Fremdplatzierungen vor 1981 – dem Gegenentwurf zur Wiedergutmachungsinitiative – vorgesehen habe.

Auffinden der Sparhefte von Opfern fürsorgerischer Zwangsmassnahmen (Po. 15.3202)
Dossier: Wiedergutmachung für Opfer von fürsorgerischen Zwangsmassnahmen und Fremdplatzierungen

Im Juni 2015 gab der Bundesrat als indirekten Gegenentwurf zur Wiedergutmachungsinitiative ein Bundesgesetz über die Aufarbeitung der fürsorgerischen Zwangsmassnahmen und Fremdplatzierungen vor 1981 in die Vernehmlassung. Insgesamt 300 Millionen Franken sollen demnach als Solidaritätsbeiträge an die schätzungsweise 12'000 bis 15'000 noch lebenden Opfer von fürsorgerischen Zwangsmassnahmen und Fremdplatzierungen ausgezahlt werden. Die Hintergründe, das Ausmass und die Auswirkungen der damaligen Praktiken sollen in einer umfassenden wissenschaftlichen Untersuchung beleuchtet werden. Des Weiteren enthält die Vorlage Massnahmen zur Aktensicherung und Regelungen für die Akteneinsicht sowohl für Betroffene als auch für die Forschung. Betroffenen soll zudem Beratung und Unterstützung durch kantonale Anlaufstellen angeboten sowie – wie auch in einem Postulat Schneider Schüttel (sp, FR) gefordert – die Suche nach früheren Sparguthaben erleichtert werden. Die Gesetzesvorlage sieht überdies vor, dass Zeichen der Erinnerung errichtet werden sollen. Der Vorteil des indirekten Gegenvorschlags des Bundesrates liegt vor allem darin, dass auf diesem Weg eine schnellere Aufarbeitung der Ereignisse möglich ist als über eine Verfassungsrevision. Dadurch können möglichst viele der zum Teil betagten oder gesundheitlich angeschlagenen Opfer noch eine Anerkennung für ihr Leiden erhalten. Hauptinitiant Guido Fluri begrüsste den Vorschlag des Bundesrates grundsätzlich, möchte aber vorerst noch an den Anliegen des Initiativkomitees wie einem umfangreicheren Entschädigungsfonds und der Bemessung der Entschädigungshöhe nach dem erlittenen Unrecht festhalten.

Wiedergutmachung für Verdingkinder und Opfer fürsorgerischer Zwangsmassnahmen (Volksinitiative und indirekter Gegenvorschlag; 15.082)
Dossier: Wiedergutmachung für Opfer von fürsorgerischen Zwangsmassnahmen und Fremdplatzierungen

Am 6. März 2014 lancierte ein überparteiliches Komitee (ohne SVP) unter der Leitung der Guido Fluri Stiftung eine Volksinitiative zur Wiedergutmachung für Verdingkinder und Opfer fürsorgerischer Zwangsmassnahmen («Wiedergutmachungsinitiative»). Gefordert wurde insbesondere eine finanzielle Wiedergutmachung des erlittenen Unrechts durch die Schaffung eines mit CHF 500 Mio. dotierten Fonds. Weiter soll eine wissenschaftliche Aufarbeitung der Vorfälle geleistet und eine öffentliche Diskussion geführt werden. Mit dem Instrument der Volksinitiative sollen die bereits gestarteten Prozesse der Rehabilitierung, wie sie das Bundesgesetz über die Rehabilitierung administrativ versorgter Menschen und der Runde Tisch vorsahen, beschleunigt werden. Kurz vor Weihnachten 2014 konnte das Komitee die Initiative mit über 110‘000 Unterschriften einreichen.

Wiedergutmachung für Verdingkinder und Opfer fürsorgerischer Zwangsmassnahmen (Volksinitiative und indirekter Gegenvorschlag; 15.082)
Dossier: Wiedergutmachung für Opfer von fürsorgerischen Zwangsmassnahmen und Fremdplatzierungen

Mit den fürsorgerischen Zwangsmassnahmen soll ein dunkles Kapitel der Schweizer Sozialgeschichte aufgearbeitet werden. Dabei wird an verschiedenen Stellen angesetzt: Zum einen will der Staat durch Gedenkanlässe und die Einsetzung eines Runden Tisches das begangene Unrecht anerkennen. Der bekundete Wille zur Wiedergutmachung wird unterstützt durch die Einrichtung kantonaler Anlaufstellen, eine erleichterte Akteneinsicht für die Betroffenen, eine wissenschaftliche Untersuchung sowie die Information der breiten Öffentlichkeit. Zum anderen verabschiedete das Parlament ein Bundesgesetz über die Rehabilitierung administrativ versorgter Menschen. Am meisten mediale Aufmerksamkeit erregte die durch den Runden Tisch für die Opfer von fürsorgerischen Zwangsmassnahmen und Fremdplatzierungen beschlossene Schaffung eines hauptsächlich staatlich finanzierten Solidaritätsfonds. Um Streitigkeiten über die Betroffenheit zu vermeiden, wird dabei allen Opfern ein einheitlicher Betrag ausgezahlt. Bis zur Verabschiedung einer gesetzlichen Grundlage für den Solidaritätsfonds sollten die Opfer finanzielle Unterstützung aus dem von der Glückskette verwalteten Soforthilfefonds beantragen können. Bis Oktober 2014 wurden bereits 500 Gesuche eingereicht.

Aufarbeitung der fürsorgerischen Zwangsmassnahmen
Dossier: Wiedergutmachung für Opfer von fürsorgerischen Zwangsmassnahmen und Fremdplatzierungen

In der Frühlingssession verabschiedete die Bundesversammlung ein auf eine parlamentarische Initiative Rechsteiner (sp, SG) zurückgehendes Bundesgesetz über die Rehabilitierung administrativ versorgter Menschen. Zu den Opfern dieser Art fürsorgerischer Zwangsmassnahmen zählen Menschen, die bis 1981 von Verwaltungsbehörden aufgrund von Tatbeständen wie "Arbeitsscheue", "lasterhaftem Lebenswandel" oder "Liederlichkeit" ohne gerichtliches Verfahren in Anstalten eingewiesen wurden. Neben der gesetzlichen Anerkennung des begangenen Unrechts bringt der Erlass ein umfassendes Akteneinsichtsrecht für die Betroffenen. Weiter sieht er eine wissenschaftliche Aufarbeitung der Fälle durch eine unabhängige Expertenkommission vor. Nicht vorgesehen sind jedoch finanzielle Wiedergutmachungen.
Nachdem der Nationalrat 2013 dem Entwurf des Bundesgesetzes zugestimmt hatte, schuf der Ständerat im Frühjahr 2014 eine kleine Differenz. Die kleine Kammer zeigte sich einmal mehr als Vertreter des Föderalismus und forderte die Streichung der Bestimmung, die eine 80-jährige Schutzfrist für Akten administrativ Versorgter vorsah. Die kantonalen Schutzfristen seien ausreichend und es gäbe daher keinen Grund, in die kantonale Archivhoheit einzugreifen und die Schutzfristen zu harmonisieren. Da sowohl die Wissenschaft als auch die Betroffenen aber jederzeit ein Einsichtsrecht haben, ist die Schutzfristfrage von untergeordneter Bedeutung, weshalb der Nationalrat der Änderung zustimmte. Das Bundesgesetz konnte so im Nationalrat mit 142 zu 34 Stimmen bei 19 Enthaltungen und im Ständerat einstimmig verabschiedet werden. Nach ungenutzt verstrichener Referendumsfrist konnte das Gesetz am ersten August 2014 in Kraft treten. Im November 2014 setzte der Bundesrat dann eine unabhängige, multidisziplinär zusammengesetzte Expertenkommission unter der Leitung des Zürcher alt Regierungsrats Markus Notter ein, welche die administrativen Versorgungen vor 1981 aufarbeiten wird.

Rehabilitierung administrativ versorgter Menschen (Pa.Iv. 11.431)
Dossier: Wiedergutmachung für Opfer von fürsorgerischen Zwangsmassnahmen und Fremdplatzierungen

2011 hatte das Parlament einer parlamentarischen Initiative Rechsteiner (sp, SG) Folge gegeben, die ein Gesetz zur Rehabilitierung der administrativ versorgten Menschen forderte. Konkret geht es um Personen, die bis 1981 wegen "Arbeitsscheue", "lasterhaften Lebenswandels" oder "Liederlichkeit" von Verwaltungsbehörden in psychiatrische Anstalten und Strafanstalten eingewiesen wurden. Im Berichtjahr legte die Rechtskommission des Nationalrates einen entsprechenden Gesetzesentwurf vor. Dieser sieht eine Anerkennung des den Opfern zugefügten Unrechts vor und beauftragt den Bundesrat mit der wissenschaftlichen Aufarbeitung der administrativen Versorgung. Weiter sollen die Betroffenen Zugang zu ihren Akten erhalten. Im Rahmen des Bundesgesetzes nicht geregelt wird jedoch die Frage nach einer finanziellen Wiedergutmachung. Es sei nicht Aufgabe des Bundes, für auf kantonaler und kommunaler Ebene begangenes Unrecht aufzukommen. Genau diese nicht enthaltene Regelung prägte die Debatte in den Räten. Der Nationalrat fasste schliesslich mit 142 zu 45 Stimmen bei 4 Enthaltungen einen Beschluss nach dem Entwurf seiner Kommission. Dagegen votierte die Mehrheit der SVP, allerdings ohne ihre Argumente gegen die Rehabilitierung darzulegen. Die Frage der finanziellen Wiedergutmachung war Gegenstand eines Runden Tisches. Die Organisationen der Opfer forderten die Einrichtung eines Fonds für Härtefälle in der Höhe von 50 Mio. CHF. Das Geld solle von der Täterseite bereitgestellt werden. Am 11. April des Berichtjahres fand in Bern ein Gedenkanlass statt. Er eröffnete eine umfassende Auseinandersetzung mit diesem dunklen Kapitel der Schweizer Sozialgeschichte.

Rehabilitierung administrativ versorgter Menschen (Pa.Iv. 11.431)
Dossier: Wiedergutmachung für Opfer von fürsorgerischen Zwangsmassnahmen und Fremdplatzierungen