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In Erfüllung des 2019 überwiesenen Postulats Rechsteiner (sp, SG) veröffentlichte der Bundesrat Anfang Juni 2021 einen Bericht zur Antisemitismus-Definition der International Holocaust Remembrance Alliance (IHRA). Darin anerkannte die Regierung den Wert und die praktische Relevanz der rechtlich nicht bindenden Definition «als Leitfaden für die Identifikation antisemitischer Vorfälle». Sie könne insbesondere als Ausgangspunkt dienen, um spezifische, auf den jeweiligen Anwendungsbereich und -zweck ausgerichtete Definitionen zu verfassen. Allerdings erachtete der Bundesrat eine explizite Bestätigung der Definition durch die Schweizer Behörden als nicht angezeigt, weil es sich um einen nicht bindenden internationalen Text handle. Bei der Verwendung der Definition müsse überdies darauf geachtet werden, dass die Meinungsfreiheit gewahrt werde; Kritik an der israelischen Politik müsse beispielsweise – auch in einem politisch heiklen Kontext – frei geäussert werden können. Es seien in diesem Sinne immer alle Bestandteile der Definition – sie umfasst neben der Basisdefinition auch Erläuterungen, Erklärungen und Beispiele – heranzuziehen sowie situativ und kontextuell zu beurteilen. In der Rechtsprechung könne die Anwendung der Definition «helfen, mögliche Verschleierungsstrategien zu entlarven, und dazu führen, dass antisemitische Motivationen bei der Strafverschärfung berücksichtigt werden». Im zweiten Teil des Berichts betrachtete die Regierung die Politik und Massnahmen gegen Antisemitismus auf nationaler und internationaler Ebene und formulierte eine Reihe von konkreten Empfehlungen, um gesamtschweizerisch noch umfassender und konsequenter gegen Antisemitismus vorzugehen. Demnach wünschte sich der Bundesrat eine bessere Koordination von Bundes-, Kantons- und Gemeindeebene durch die Klärung von Verantwortlichkeiten, die Stärkung des Austauschs und die Förderung einer gemeinsamen strategischen Planung. Auf Bundesebene betraute er die Fachstelle für Rassismusbekämpfung (FRB) und die Eidgenössische Kommission gegen Rassismus (EKR) mit der Umsetzung.

Antisemitismus-Definition der International Holocaust Remembrance Alliance (Po. 19.3942)

Jahresrückblick 2020: Rechtsordnung

Die innere und äussere Sicherheit der Schweiz waren im Kapitel Rechtsordnung aufgrund der fortwährenden internationalen Terrorismusgefahr auch 2020 dominante Themen. So verabschiedeten die eidgenössischen Räte gleich drei Gesetzesvorlagen zur Umsetzung der Strategie der Schweiz zur Terrorismusbekämpfung. Erstens wurden mit der Verstärkung des strafrechtlichen Instrumentariums gegen Terrorismus und organisierte Kriminalität das Übereinkommen des Europarates zur Verhütung des Terrorismus und das dazugehörige Zusatzprotokoll umgesetzt. Damit sind neu bereits bestimmte Handlungen im Vorfeld eines geplanten terroristischen Aktes strafbar, insbesondere das Anwerben und Ausbilden von Terroristinnen und Terroristen, das Reisen für terroristische Zwecke (sog. Dschihadreisen) und die entsprechende Finanzierung. Das Vorläuferstoffgesetz reguliert zweitens den Zugang von Privatpersonen zu bestimmten Chemikalien, die zur Herstellung von Sprengstoff missbraucht werden können. Das dritte und umstrittenste der drei neuen Antiterrorgesetze war das Bundesgesetz über polizeiliche Massnahmen zur Bekämpfung von Terrorismus (PMT), auf dessen Grundlage die Polizei präventiv gegen terroristische Gefährderinnen und Gefährder vorgehen kann. Die PMT umfassen unterschiedlich starke Freiheitseinschränkungen von einer Meldepflicht bis zum Hausarrest und können gegen potenziell gefährliche Personen verhängt werden. Die Gegnerschaft sah damit den Rechtsstaat in Gefahr, weil die betroffenen Personen keine Straftat begangen hätten und die Massnahmen aufgrund blosser Indizien angeordnet würden. Die Jungen Grünen, die Juso und die Junge GLP ergriffen zusammen mit der Piratenpartei und dem Chaos Computer Club das Referendum gegen das Gesetz und begannen im Oktober mit der Unterschriftensammlung. Neben dem Parlament beschäftigte sich auch das Bundesstrafgericht mit der terroristischen Bedrohung, indem es mehrere Prozesse wegen der Unterstützung terroristischer Aktivitäten führte.

Unabhängig von der spezifisch terroristischen Bedrohung trieb das Parlament die Informationssicherheit des Bundes weiter voran, indem es die bereits 2017 begonnenen Beratungen zum Informationssicherheitsgesetz fortführte und in der Wintersession 2020 zum Abschluss brachte. Im Februar erschütterte überdies die sogenannte Crypto-Affäre die Schweizer Politlandschaft, als bekannt wurde, dass die Zuger Firma Crypto AG über Jahrzehnte von der CIA und dem BND manipulierte Chiffriergeräte in alle Welt verkauft hatte. Über Wochen wurde in den Medien gemutmasst, wer wie viel darüber wusste, welche Rolle der NDB, die Armee, die Bundesanwaltschaft, das Fedpol und der Bundesrat gespielt hatten und inwiefern sich die Schweizer Behörden und einzelne Führungsfiguren damit zu Komplizen ausländischer Nachrichtendienste gemacht hatten. Die ausgiebige Berichterstattung liess die Anzahl Zeitungsartikel im Themenbereich innere und äussere Sicherheit im Februar denn auch markant nach oben schnellen, während er über das ganze Jahr 2020 im Vergleich mit den Vorjahren medial eher schwach abgedeckt war (vgl. Abb. 1: Anteil Zeitungsberichte pro Monat und Abb. 2: Anteil Zeitungsberichte pro Jahr). Das Ansinnen der Grünen und der sozialdemokratischen Fraktion, zur Aufarbeitung der Ereignisse rund um die Crypto AG eine PUK einzusetzen, scheiterte vorerst am Widerstand des Büros-NR, das den beiden entsprechenden parlamentarischen Initiativen im November keine Folge gab. Es erachtete die Untersuchung der GPDel, die kurz zuvor ihren Bericht veröffentlicht hatte, als ausreichend.

Im Bereich Strafrecht schlossen die eidgenössischen Räte den ersten Teil der Revision der Strafprozessordnung ab. Die Bestimmungen zur Sicherheitshaft wurden infolge einer Verurteilung der Schweiz durch den EGMR als dringend revidierungsbedürftig eingestuft und der Revision der gesamten Strafprozessordnung deshalb zeitlich vorgezogen. Auch zum zweiten laufenden, umfassenden Revisionsprojekt im Strafrecht, der Revision des Besonderen Teils des Strafgesetzbuchs (BT), nahm das Parlament die Beratungen in Angriff. Hauptbestandteil der BT-Revision bildet die Harmonisierung der Strafrahmen, mit der die im Strafgesetzbuch aus den 1940er-Jahren angedrohten Strafen mit den heutigen Werthaltungen in Einklang gebracht und deren Verhältnis zueinander neu ausgelotet werden sollen. Die von der Öffentlichkeit mit Spannung erwartete Anpassung der sexualstrafrechtlichen Normen wurde vorerst jedoch weiter aufgeschoben, da der Ständerat diese Bestimmungen im Einvernehmen mit dem Bundesrat in einen separaten Entwurf auslagerte, der zuerst noch in die Vernehmlassung gegeben werden soll.

Im Bereich Zivilrecht verabschiedete das Parlament sowohl die erste Etappe der Erbrechts-Revision, mit der durch die Verkleinerung der Pflichtteile die Verfügungsfreiheit von Erblasserinnen und Erblassern erhöht wird, als auch die Änderung des Zivilgesetzbuches zur einfacheren Änderung des Geschlechts im Personenstandsregister für Menschen mit Transidentität oder einer Variante der Geschlechtsentwicklung. Betreffend das internationale Privatrecht wurden die Normen über die internationale Schiedsgerichtsbarkeit modernisiert, um die Schweiz als internationalen Schiedsplatz attraktiv zu halten.

Mit dem Datenschutzgesetz fand ein weiteres, grosses Gesetzgebungsprojekt 2020 seinen Abschluss. Knapp vier Jahre nach dem Beginn der Vernehmlassung und drei Jahre nach Beginn der parlamentarischen Beratung stimmten die eidgenössischen Räte dem Antrag der Einigungskonferenz zu und brachten damit das hart umkämpfte Geschäft in trockene Tücher. Umstritten waren vor allem die Voraussetzungen, unter denen das sogenannte Profiling, d.h. die Verknüpfung von Daten zur Erstellung von Persönlichkeitsprofilen, zulässig ist. Im Sinne eines Kompromisses setzte sich ein risikobasierter Ansatz durch, der strengere Voraussetzungen, wie beispielsweise die ausdrückliche Einwilligung der betroffenen Person, stellt, wenn die Datenverknüpfung die Beurteilung wesentlicher Aspekte der Persönlichkeit der betroffenen Person ermöglicht. Damit hat die Schweiz nun ein modernes Datenschutzrecht, das nach Einschätzung des Bundesrates und des Parlaments dem Datenschutzniveau der EU gleichwertig sein sollte. Der diesbezügliche Äquivalenzbeschluss, der wie ein Damoklesschwert über den Verhandlungen hing und der eigentlich für 2020 angekündigt war, ist indes noch ausstehend.

Die Corona-Krise wurde im Kapitel Rechtsordnung vor allem in zwei Dimensionen sichtbar. Einerseits wurde die Einführung der Corona-Warn-App «SwissCovid» von einer ausführlichen Datenschutz-Diskussion begleitet. Andererseits gab es im ganzen Land zahlreiche Demonstrationen gegen die und trotz der Massnahmen zur Eindämmung der Pandemie. Gegen die Corona-Massnahmen wurde ab Anfang Mai demonstriert, weil sich die Bürgerinnen und Bürger in ihren Grundrechten eingeschränkt sahen, nicht zuletzt gerade durch das Versammlungsverbot. Menschen, die nicht an die Gefährlichkeit des Virus glaubten, wehrten sich so gegen die aus ihrer Sicht ungerechtfertigten Freiheitsbeschränkungen. Der Pandemie zum Trotz demonstrierten im Juni – in Folge der antirassistischen Proteste in den USA als Reaktion auf den durch Polizeigewalt verursachten Tod des Afroamerikaners George Floyd – auch in den Schweizer Städten Tausende unter dem Motto «Black Lives Matter». Die Ereignisse lösten eine grosse gesellschaftliche Debatte über strukturellen Rassismus in der Schweizer Gesellschaft aus, die sich um systematische Benachteiligung nichtweisser Menschen, Polizeigewalt und Racial Profiling, und nicht zuletzt auch um die umstrittene Bezeichnung einer Süssigkeit drehte. Diese Debatte machte zusammen mit der Grundrechtsdiskussion um die Corona-Massnahmen die Bürgerrechte über den Sommer zum in der Presse meistdiskutierten Themenfeld des Kapitels Rechtsordnung (vgl. Abb. 1: Anteil Zeitungsberichte pro Monat). Über das ganze Jahr zeichnete zudem der Themenbereich innere Konflikte und Krisen für einen deutlich höheren Anteil an der Zeitungsberichterstattung verantwortlich als in den Vorjahren (vgl. Abb. 2: Anteil Zeitungsberichte pro Jahr).

Jahresrückblick 2020: Rechtsordnung
Dossier: Jahresrückblick 2020

Stillschweigend überwies der Ständerat in der Herbstsession 2019 ein Postulat Rechsteiner (sp, ZH), das vom Bundesrat verlangte, die Verwendung der Antisemitismus-Definition der International Holocaust Remembrance Alliance in der Innen- und Aussenpolitik des Bundes darzulegen. Der geforderte Bericht muss gemäss Postulatstext aufzeigen, welche rechtlichen Implikationen die Definition hat, wie sie der Sensibilisierungs-, Präventions-, Beratungs- und Interventionsarbeit auf allen Staatsebenen dient und inwiefern sie für die gezielte Erhebung von Fallzahlen, für die Forschungsarbeit und von den Gerichten genutzt wird oder werden kann.

Antisemitismus-Definition der International Holocaust Remembrance Alliance (Po. 19.3942)

Der Hitlergruss stellt keine Verletzung der Anti-Rassismus-Strafnorm dar. Dies entschied das Bundesgericht in Aufhebung eines Urteils gegen einen Neo-Nazi, der 2010 im Rahmen einer unbewilligten, rechtsextremen Demonstration auf dem Rütli die Hand zum Hitlergruss erhoben hatte. Nicht die öffentliche Bekennung zum Nationalsozialismus allein, sondern erst die Verbreitung bzw. die Propaganda rassendiskriminierender Ideologien erfülle den Tatbestand dieser Strafnorm. Das Verdikt wurde in rechtsextremen Kreisen gefeiert und sorgte weltweit für Schlagzeilen. In Reaktion auf das Urteil wollten mehrere Parlamentarier Vorstösse für ein Verbot rassistischer Symbole einreichen.

Hitlergruss

Anlässlich des Internationalen Tags zur Beseitigung der Rassendiskriminierung vom 21. März äusserte sich die Eidgenössische Kommission gegen Rassismus (EKR) zustimmend zu den Empfehlungen des UNO-Ausschusses gegen Rassismus (CERD). Dieser hatte der Schweiz unter anderem empfohlen, eine zivilrechtliche Grundlage gegen rassistische Diskriminierung zu schaffen sowie Stereotypen und Stigmatisierungen in den Medien zu bekämpfen. Die EKR will das zwanzigjährige Jubiläum der Rassismusstrafnorm im kommenden Jahr 2015 zum Anlass nehmen, um eine Sensibilisierungskampagne zu lancieren.

Beseitigung der Rassendiskriminierung

Wie weit darf Humor gehen? Zu Beginn des Jahres 2014 wurde in den Schweizer Medien eine moralistisch aufgeladene Humordebatte geführt. Den Auftakt bildeten Italiener-Witze, die der Berner Stadtpräsident Alexander Tschäppät (sp) im Rahmen der Kulturreihe „Das Zelt“ zum Besten gab und die ihm eine Anzeige wegen Verletzung der Anti-Rassismus-Strafnorm einhandelten. Es folgten Proteste gegen das Blackfacing von Birgit Steinegger und Äusserungen über den jüdischen Humor durch Massimo Rocchi. Im Zentrum stand jeweils die Frage, wo die Linie zwischen Freiheit von Kulturschaffenden und Rassismus zu ziehen sei. Umstritten waren auch die als antisemitisch eingestuften, aber dennoch restlos ausverkauften Auftritte des Franzosen Dieudonné M’bala M‘bala in Nyon. Der Komiker war in Frankreich mit einem Auftrittsverbot belegt worden. Eine präventive Zensur wurde jedoch von der Präsidentin der Eidgenössischen Kommission gegen Rassismus, Martine Brunschwig Graf, abgelehnt. Die Anti-Rassimus-Strafnorm sei kein Zensurinstrument und führe auch nicht zu einem landesweiten Lachverbot. Zudem belegten die Zahlen keine Zunahme von Klagen gegen Rassismus seit der Einführung der Strafnorm im Jahr 1995.

Freiheit von Kulturschaffenden und Rassismus

Die 2007 von den Schweizer Demokraten lancierte Volksinitiative für die Abschaffung des Antirassismusgesetzes kam nicht zustande. Die nur von der Freiheitspartei und der PNOS, nicht aber von der SVP unterstützte SD vermochte nicht genügend Unterschriften zu sammeln. Eine parlamentarische Initiative Hess (sd, BE) zur ersatzlosen Streichung der Rassismusstrafnorm lehnte der Nationalrat in der Frühjahrssession ab. Für diese Initiative hatte sich die SVP ausgesprochen.

Volksinitiative zur Abschaffung der Rassismus-Strafnorm

Nachdem der Vorentwurf für ein Verbot der Verwendung von Symbolen, welche extremistische, zu Gewalt und Rassendiskriminierung aufrufende Bewegungen verherrlichen, in der Vernehmlassung auf breiten Widerstand gestossen war, beschloss der Bundesrat im Sommer 2010, auf die vorgeschlagene Ergänzung des Strafgesetzbuchs und des Militärstrafgesetzes zu verzichten. Wie die Regierung in einem entsprechenden Bericht darlegte, schliesse sie sich den in der Vernehmlassung vorgebrachten Argumenten an, dass eine genügend bestimmte Definition der verbotenen Symbole schwierig wäre und dass ein solches Verbot «keinem dringenden gesellschaftlichen Bedürfnis» entspreche. Auf der Grundlage dieses Berichts beantragte sie der Bundesversammlung, die Motion 04.3224, mit der die Forderung nach dem Verbot eingebracht worden war, abzuschreiben. Die eidgenössischen Räte kamen diesem Antrag im darauffolgenden Jahr stillschweigend nach und schrieben die Motion ab.

Bundesrätliche Unternehmungen zum Verbot von rassistischen Symbolen
Dossier: Verbot der öffentlichen Verwendung von nationalsozialistischen Symbolen

Im Juli eröffnete das EJPD die Vernehmlassung über ein Verbot der öffentlichen Verwendung, Verbreitung und der Ein- und Ausfuhr von rassistischen Symbolen wie zum Beispiel das Hakenkreuz. Ein solches Verbot hatte der Nationalrat 2005 mit einer Motion gefordert. Als rassistisch gelten nach den geplanten Bestimmungen insbesondere Symbole des Nationalsozialismus und auch deren Abwandlungen, die in rechtsextremen Kreisen als Ersatz verwendet werden. Diese Vorschläge stiessen in der Konsultation auf breiten Widerstand. Die Konferenz der Strafverfolgungsbehörden der Schweiz gab zu bedenken, die vorgesehenen Bestimmungen seien nur schwer anzuwenden. Dagegen sprachen sich auch die FDP, die SVP und die Grünen aus, während sich CVP und SP nicht zur Vorlage äusserten.

Bundesrätliche Unternehmungen zum Verbot von rassistischen Symbolen
Dossier: Verbot der öffentlichen Verwendung von nationalsozialistischen Symbolen

Gegen die Anti-Rassismus-Norm im Strafgesetz (Art. 261bis) wurde nach diversen parlamentarischen Vorstössen nun auch eine Volksinitiative lanciert. Das von den Schweizer Demokraten gestartete Begehren mit dem Titel „Für freie Meinungsäusserung – weg mit dem Maulkorb!“ verlangt, dass keine Gesetzesbestimmung die Meinungsäusserungsfreiheit im Rahmen der politischen Auseinandersetzung beschränken darf. Als Übergangsbestimmung postuliert die Initiative die sofortige Streichung des Anti-Rassismus-Artikels im StGB. Bundesrat Blocher, der aus seiner Ablehnung dieser Strafnorm nie ein Hehl gemacht hatte, lud im Mai Experten ein, um über deren Abschaffung oder zumindest Einschränkungen zu diskutieren. Im Dezember lehnte der Gesamtbundesrat den Antrag Blochers auf die Ausarbeitung einer Vorlage für eine Einschränkung des Anwendungsbereichs des Gesetzesartikels ab.

Volksinitiative zur Abschaffung der Rassismus-Strafnorm

Der Nationalrat lehnte in der Frühjahrssession eine Motion der SVP für die Abschaffung der Eidgenössischen Kommission gegen den Rassismus mit 112 zu 62 Stimmen ab. Neben der fast geschlossenen SVP (4 Gegenstimmen), sprachen sich auch 8 Vertreter der CVP und 7 der FDP für die SVP-Motion aus. Eine anschliessend eingereichte Motion Dunant (svp, BS) (Mo. 07.3032) für die Reduktion des Bundesbeitrags an die Rassismuskommission von rund 180 000 Fr. auf 1 Fr. wurde im Rat bekämpft und deshalb noch nicht behandelt.

Abschaffung der Kommission gegen den Rassismus hat keine Chance

Im Bestreben, griffigere rechtliche Mittel zur Bekämpfung von Rassismus und Gewaltpropaganda zu schaffen, nahm die Rechtskommission des Nationalrats das Anliegen einer Petition der Jugendsession 2003 auf und reichte eine Motion ein für ein Verbot der öffentlichen Verwendung von Symbolen, welche für extremistische, gewalttätige oder rassistische Bewegungen stehen (z.B. Hakenkreuz). Im Einverständnis mit dem Bundesrat hiess der Nationalrat diese Motion gut. Bundesrat Blocher erläuterte in diesem Zusammenhang, dass er ein derartiges Verbot nicht wie ursprünglich geplant zusammen mit den Strafnormen zur Bekämpfung des Hooliganismus bei Sportveranstaltungen und der Propaganda für Gewalt vorlegen werde. Letztere seien wegen der in der Schweiz stattfindenden Fussballeuropameisterschaft 2008 vordringlich. Der Ständerat akzeptierte die Motion und die Petition in der Folge ebenfalls.

Bundesrätliche Unternehmungen zum Verbot von rassistischen Symbolen
Dossier: Verbot der öffentlichen Verwendung von nationalsozialistischen Symbolen

Der Bundesrat gab im Dezember sein weiteres Vorgehen bei der Schaffung von griffigeren rechtlichen Mitteln zur Bekämpfung von Rassismus und Gewaltpropaganda bekannt. Da die Einführung der Strafbarkeit der Zugehörigkeit zu rassendiskriminierenden Vereinigungen in der Vernehmlassung keine Mehrheit gefunden habe, werde man sich auf ein Verbot der öffentlichen Verwendung von Symbolen konzentrieren, welche mit Rassismus assoziiert werden, wie etwa Hakenkreuze oder SS-Zeichen.

Bundesrätliche Unternehmungen zum Verbot von rassistischen Symbolen
Dossier: Verbot der öffentlichen Verwendung von nationalsozialistischen Symbolen

Ein Urteil des Bundesgerichts zum Antirassismusgesetz gab erneut zu politischen Diskussionen über die Auslegung dieses Gesetzes Anlass. Das Gericht hatte entschieden, dass auch rassistische oder antisemitische Äusserungen strafbar sind, die in einer geschlossenen, nur eingeladenen Gästen zugänglichen Veranstaltung gemacht werden. Rechtsextreme Gruppen (insbesondere sogenannte Skinheads) hatten in letzter Zeit ihre Propagandaveranstaltungen und Konzerte oft in derartiger Form abgehalten. Zulässig sind laut Bundesgericht rassistische oder antisemitische Sprüche nur im privaten Kreis unter Verwandten und Bekannten. Die SVP kritisierte dieses Urteil als nicht akzeptable Verschärfung der Gesetzesauslegung, da damit auch am Stammtisch im Restaurant gemachte Äusserungen strafbar würden, was der Gesetzgeber ausdrücklich nicht gewollt habe. Sie kündigte einen parlamentarischen Vorstoss für die Streichung des Antirassismusgesetzes an, den die Fraktion dann allerdings erst Anfang 2005 einreichte.

Versuche zur Abschwächung des Antirassismusgesetzes scheitern

Die Anerkennung der Zuständigkeit des Ausschusses zur Beseitigung jeder Form von Rassendiskriminierung (CERD) schaffte im zweiten Anlauf auch die Hürde des Ständerates. Dessen Kommission, an welche das Geschäft im Vorjahr zurückgewiesen worden war, hatte sich überzeugen lassen, dass die Entscheide des CERD keinen juristischen Charakter haben, sondern dazu dienen, den Dialog zwischen diesem Ausschuss und dem Vertragsstaat über die Elimination von rassendiskriminierenden Strukturen und Verhaltensweisen zu fördern. Relativ unzufrieden war die kleine Kammer jedoch mit den periodischen Berichten über Massnahmen zur Verhinderung von Rassendiskriminierung, welche die Bundesverwaltung in regelmässigen Abständen zuhanden des CERD ausarbeitet. In diesen Berichten war an mehreren Stellen die föderalistische Struktur der Schweiz (namentlich die Zuständigkeit der Kantone für die Polizei und die Gerichte) für Probleme bei der Bekämpfung von Rassendiskriminierung verantwortlich gemacht worden. Um solche seiner Ansicht nach unzulässigen und unkorrekten Schuldzuweisungen zu verhindern, überwies der Ständerat ein Postulat, welches verlangt, diese Berichte in Zukunft den Aussenpolitischen Kommissionen des Parlaments zur Stellungnahme vorzulegen.

Schweizer Beitritt zum CERD

Im Februar gab der Bundesrat den Vorentwurf zu einem Gesetzespaket in die Vernehmlassung, welches griffigere rechtliche Mittel zur Bekämpfung von Rassismus und Gewaltpropaganda enthält. So soll namentlich die öffentliche Verwendung von Kennzeichen verboten werden, welche mit Rassismus assoziiert werden, wie etwa Hakenkreuze oder SS-Zeichen. Die Gesetzesrevision strebt zudem auch an, die Zugehörigkeit zu rassendiskriminierenden Vereinigungen oder zu Organisationen, welche zu Gewalt aufrufen, unter Strafe zu stellen. Im Hinblick auf die Durchführung der Fussball-Europameisterschaft in der Schweiz im Jahre 2008 schlug die Regierung auch die gesetzlichen Grundlagen für eine Datenbank vor, in der sogenannte Hooligans, aber auch andere gewalttätig vorgehende Individuen erfasst werden können.

Bundesrätliche Unternehmungen zum Verbot von rassistischen Symbolen
Dossier: Verbot der öffentlichen Verwendung von nationalsozialistischen Symbolen

Die Anerkennung der Zuständigkeit des Ausschusses zur Beseitigung jeder Form von Rassendiskriminierung (CERD), welche der Nationalrat im Vorjahr beschlossen hatte, geriet im Ständerat unter Beschuss. Zwar lehnte der Rat einen Antrag seiner Kommissionsmehrheit auf Nichteintreten mit 23:15 Stimmen ab. Auf Antrag Pfisterer (fdp, AG) wies er das Geschäft aber an seine Aussenpolitische Kommission zurück mit der Auflage, weitere Abklärungen durchzuführen. Dabei soll insbesondere festgestellt werden, wie sich eine Ratifizierung aussenpolitisch auswirken würde und wie die Verpflichtungen aus dem Übereinkommen konkret vollzogen werden sollen. Die Kommissionsmehrheit hatte damit argumentiert, dass für die Schweiz mit ihrer Anti-Rassismus-Strafnorm, den leistungsfähigen Gerichten und den ausgebauten Rechtsmitteln kein Handlungsbedarf bestehe, neben dem Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte in Strassburg noch eine zusätzliche UNO-Beschwerdeinstanz anzuerkennen.

Schweizer Beitritt zum CERD

Auf Antrag des Bundesrats beschloss der Nationalrat – gegen den Widerstand der SVP – die Anerkennung der Zuständigkeit des Ausschusses zur Beseitigung jeder Form von Rassendiskriminierung (CERD). Damit erhalten von nationalen Gerichten abgewiesene Kläger das Recht, mit ihrem Fall an diese internationale Instanz zu gelangen. Diese amtet allerdings nicht als Gericht, sondern als Kontrollorgan, dessen Urteile auf die kritisierten Staaten moralischen Druck ausüben sollen.

Schweizer Beitritt zum CERD

Die öffentlichen Auftritte von Anhängern rechtsradikaler und faschistischer Ideen häuften sich. Bereits in seinem Staatsschutzbericht für 1999 hatte das EJPD zunehmende Aktivitäten der gewaltbereiten rechtsextremen Szene konstatiert. Die Anzahl der dazugehörenden Personen wurde auf 6-700 geschätzt. Nicht zuletzt dank dem Internet seien diese im entsprechenden internationalen Umfeld gut verankert. Für grosses Aufsehen sorgte das Erscheinen von ca. 100 rechtsextremen Skinheads an der Bundesfeier zum 1. August auf dem Rütli, wo sie die Rede von Bundesrat Villiger mit Zwischenrufen störten. Im Nationalrat führten Interpellationen der Fraktionen der SP, der CVP und der Grünen, welche sich nach Massnahmen gegen den Rechtsradikalismus erkundigten, zu einer angeregten Diskussion. Der Bundesrat hielt fest, dass Rassismus und anderes intolerantes Verhalten bekämpft werden müssen. Auf internationaler Ebene seien neue Massnahmen zur Verhinderung der grenzüberschreitenden Propagierung derartiger Ideen namentlich via Internet erforderlich. Die Gefahr, welche von diesen Gruppierungen ausgehe, schätze er in Übereinstimmung mit dem Staatsschutzbericht momentan aber nicht als gross ein. Sie seien jedoch unter Beobachtung der Bundespolizei, und Verstösse gegen einschlägige Gesetze (v.a. Antirassismusnorm) würden selbstverständlich geahndet.

Rechtsradikale Demonstartionen und Gegendemonstrationen im Jahr 2000

Der Nationalrat lehnte eine von der SVP und der FP unterstützte Motion Gusset (fp, TG) für eine Revision des Rassismusartikels im Strafgesetzbuch mit 96 zu 42 Stimmen ab. Gusset hatte dabei namentlich ein präzisere Fassung von einzelnen Bestimmungen wie etwa «Propagandaaktionen» verlangt, da sowohl in der Bevölkerung als auch bei den Gerichten Unklarheit bestehe, welche Äusserungen in welchen Formen nun strafbar seien und welche nicht. Der Bundesrat teilte zwar die Meinung, dass der Rassismusartikel Auslegungsprobleme biete, dies sei jedoch bei neuen gesetzlichen Bestimmungen oft der Fall. Er beantragte, da ihm keine besser geeigneten Formulierungen bekannt seien, erfolgreich die Ablehnung der Motion.

Motion Gusset zum Antirassismusgesetz (Mo. 97.3327)
Dossier: Das Antirassismusgesetz von 1995 und dessen Folgen

Bei strafbaren Handlungen im Internet (z.B. Angebot von illegaler Pornographie und Verbreitung von gegen das Antirassismusgesetz verstossenden Aussagen) bestehen nicht nur Probleme bei der Verfolgung der Täter, da diese ja oft in Staaten tätig sind, wo ihre Aktionen nicht verboten sind (z.B. rassistische Aussagen in den USA). Unklarheit besteht auch in bezug auf die rechtliche Mitverantwortung der sogenannten Provider, die als Vermittler zwischen den Internetnutzern fungieren. Gemäss dem seit April 1998 geltenden neuen Medienstrafrecht können diese wegen Nichtverhinderung einer strafbaren Publikation zur Verantwortung gezogen werden, wenn es nicht möglich ist, die Autoren selbst in der Schweiz zu belangen. Der Bundesrat beantragte dem Nationalrat erfolgreich die Umwandlung einer Motion von Felten (sp, BS) für einen spezifischen Strafrechtsartikel, der die Verantwortlichkeit der Provider festhält, in ein Postulat. Er riet dabei, die weitere Entwicklung abzuwarten, da sich das Problem ohnehin nur auf internationaler Ebene lösen lasse und zudem auch die Provider selbst versuchten, Standards für eine Selbstregulierung zu entwickeln. Im Juli hatte die Bundesanwaltschaft einige Provider ersucht, für ihre Abonnenten den Zugang zu Seiten mit in der Schweiz illegalen Inhalten zu sperren. Die Provider wiesen in ihrer Reaktion auf die technischen Probleme solcher Sperren hin, bei denen entweder Tausende von legalen Seiten gleichzeitig gesperrt würden, oder die nutzlos blieben, da die Autoren in kürzester Zeit unter neuen Adressen auftauchen würden.

Rechtliche Mitverantwortung der Provider

Die Rechtsprechung war weiterhin mit der Suche nach einer einheitlichen Auslegung des Antirassimusgesetzes befasst. In Genf wurde die erstinstanzliche Verurteilung eines Buchhändlers bestätigt, der ein antisemitische Passagen enthaltendes Buch des französischen Philosophen Roger Garaudy verkauft hatte. Da der Buchhändler nicht aus antisemitischen Gründen gehandelt habe, reduzierte das Gericht die Busse. In einem analogen Fall hatte demgegenüber das Waadtländer Kantonsgericht einen erstinstanzlich verurteilten Buchhändler mit der Begründung freigesprochen, dass nur der Autor und der Herausgeber derartiger Publikationen bestraft werden können. Das Bezirksgericht Baden (AG) sprach gegen zwei notorische Holocaust-Leugner, den Basler Publizisten Jürgen Graf und dessen Verleger, den im Aargau lebenden Deutschen Gerhard Förster, exemplarisch hohe Strafen aus. Sie wurden zu einem unbedingten Freiheitsentzug von 15 resp. 12 Monaten verurteilt.

Einheitliche Auslegung des Antirassismusgesetz von 1995
Dossier: Das Antirassismusgesetz von 1995 und dessen Folgen

Das Urteil eines Schaffhauser Gerichtes gegen Emil Rahm wegen Verbreitung eines Buches, welches antisemitische Aussagen enthält, führte zu einer Petition des zu einer Busse von CHF 5'000 Verurteilten an die Bundesversammlung. Er verlangte darin eine Ergänzung des Antirassismusgesetzes für dessen Auslegung bei Klagen gegen Verleger und Buchhändler. Insbesondere forderte er, in diesen Fällen auch die Gesinnung des Angeklagten miteinzubeziehen und – bei nicht rassistischer Gesinnung – diesen für den Vertrieb von gerichtlich nicht verbotenen Büchern nicht zu bestrafen. Der Ständerat sah jedoch keinen Anlass, das Gesetz in diesem Sinne zu präzisieren. Der Schweizerische Buchhändler- und Verlegerverband erkannte allerdings ebenfalls Probleme bei der Auslegung der neuen Strafnorm, welche bereits mehrmals zur Verurteilung von Buchhändlern geführt hatte. Er beschloss deshalb, ein juristisches Gutachten in Auftrag zu geben. In der Westschweiz führte die erstinstanzliche Verurteilung eines Buchhändlers, der ein antisemitische Passagen enthaltendes Buch des französischen Philosophen Garaudy vertrieben hatte, zu einer grundsätzlichen Diskussion über die Einschränkung der Meinungsfreiheit durch das Antirassismusgesetz.

Einheitliche Auslegung des Antirassismusgesetz von 1995
Dossier: Das Antirassismusgesetz von 1995 und dessen Folgen

Das seit anfang 1995 geltende Antirassismusgesetz führt nach Ansicht eines Teils der bürgerlichen Nationalräte bei den Gerichten zu Auslegungsschwierigkeiten und bewirke damit nicht nur Rechtsunsicherheit, sondern bedrohe auch das Recht auf freie Meinungsäusserung. Eine von 17 Freisinnigen und 23 SVP-Politikern mitunterzeichnete Motion von Nationalrat Gusset (fp, TG) forderte deshalb eine Teilrevision. Der Vorstoss verlangt, dass die Bestimmungen namentlich bezüglich «Propagandaaktionen» präziser gefasst werden und die Vorsätzlichkeit stärker gewichtet wird. Der Bundesrat empfahl, die im Berichtsjahr noch nicht behandelte Motion abzulehnen.

Motion Gusset zum Antirassismusgesetz (Mo. 97.3327)
Dossier: Das Antirassismusgesetz von 1995 und dessen Folgen

Die 1995 auf der Grundlage des Antirassismusgesetzes eingesetzte Eidgenössische Kommission gegen Rassismus lancierte im Sommer eine breite Inserat- und Plakataktion gegen rassistische und antisemitische Vorurteile und Diskriminierungen.

Eidgenössische Kommission gegen Rassismus Inserat- und Plakataktion