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Mittels parlamentarischer Initiative beabsichtigte SVP-Nationalrat Gregor Rutz (ZH), die mit der Umsetzung der Ausschaffungsinitiative eingeführte Härtefallklausel in Art. 66a Abs. 2 StGB aufzuheben. Seiner Ansicht nach verhindere diese «Täterschutzklausel» zu viele Landesverweisungen und widerspreche damit dem Ansinnen der Ausschaffungsinitiative und letztlich dem Volkswillen. Dies überzeugte die Mehrheit des Nationalrates jedoch nicht: Mit 105 zu 64 Stimmen bei 2 Enthaltungen – die befürwortenden Stimmen kamen aus der geschlossenen SVP-Fraktion sowie vereinzelt aus den Fraktionen der BDP und der CVP –, gab er der Initiative keine Folge. Die grosse Kammer schloss sich damit der Mehrheit ihrer Staatspolitischen Kommission an, die es im Lichte der abgelehnten Durchsetzungsinitiative für eine Missachtung des Volkswillens hielt, die Härtefallklausel wieder abzuschaffen; das Volk habe sich mit diesem Abstimmungsergebnis klar zur Härtefallklausel und zum Grundsatz der Verhältnismässigkeit bekannt.

Für eine konsequente Durchsetzung des Strafrechts. Streichung der Täterschutzklausel bei Landesverweisungen (Pa.Iv. 18.425)

Im Frühling 2019 verlängerte der Nationalrat die Frist für die Ausarbeitung einer Vorlage zu den beiden Tessiner Standesinitiativen (Kt.Iv. 15.320 und Kt.Iv. 15.321) bezüglich der systematischen Vorlage des Strafregisterauszugs bei der Beantragung von Aufenthaltsbewilligungen durch EU-Bürgerinnen und -Bürger um zwei Jahre. Er folgte damit stillschweigend dem Antrag seiner SPK, die zunächst den Bericht zu ihrem Postulat abwarten wollte, um über das weitere Vorgehen zu entscheiden.

Systematische Vorlage des Strafregisterauszugs bei der Beantragung von Aufenthaltsbewilligungen durch EU-Bürgerinnen und -Bürger (Kt.Iv. 15.320 und 15.321)
Dossier: Strafregisterauszug für Aufenthaltsbewilligung bei EU-Bürgerinnen und -Bürgern / Beitritt zu ECRIS

Anders als zuvor der Nationalrat war die SPK-SR mehrheitlich (6 zu 4 Stimmen, 2 Enthaltungen) der Ansicht, das Non-Refoulement-Prinzip sei ein fester Bestandteil der Bundesverfassung und schütze selbst verurteilte Terroristinnen und Terroristen zu Recht vor der Ausschaffung in ein Land, wo ihnen Folter oder die Todesstrafe droht. Demzufolge beantragte sie die Motion Regazzi (cvp, TI), die die Ausweisung von Dschihadistinnen und Dschihadisten in Folterstaaten ermöglichen sollte, ohne Gegenantrag zur Ablehnung. Dem Ständeratsplenum wurde in der Frühjahrssession 2019 dann jedoch ein Einzelantrag Minder (parteilos, SH) auf Annahme der Motion vorgelegt. Der parteilose Antragsteller argumentierte, das zwingende Völkerrecht greife hier nicht, sei gar «für jeden Rechtsstaat absurd und total unbefriedigend», denn «diese Nichtrückkehrer, diese Dschihadisten, diese Gefährder» kosteten den Staat «Millionen von Franken» und verursachten «in den Kantonen, beim Bund und in der Bevölkerung Frust und Unverständnis». Nicht zuletzt nahm er damit Bezug auf die fünf wegen Terrorismus verurteilten Iraker der «Schaffhauser IS-Zelle», die nach verbüsster Strafe nicht in den Irak ausgeschafft werden können, da ihnen dort mutmasslich Folter droht. FDP-Ständerat Andrea Caroni (AR) entgegnete mit einem Plädoyer für den Rechtsstaat, in dem er seine Ratskolleginnen und -kollegen dazu aufrief, sich nicht für Folter herzugeben und nicht das «innere Heiligtum» des Rechtsstaats preiszugeben. Die Schweiz solle ihre «höchsten Werte [...] nicht im blinden Eifer gegen die blinden Eiferer zerstören, damit wir nicht eines Tages werden wie sie». Überdies sei der Fokus der Motion auf Dschihadistinnen und Dschihadisten – «das Feindbild du jour» – unverständlich, denn Massenmord und Terrorismus seien nicht an eine Religion gebunden. Gegen den Vorstoss argumentierte ebenso Justizministerin Karin Keller-Sutter: Das menschenrechtliche Rückschiebungsverbot könne als Teil des zwingenden Völkerrechts nicht einfach umgangen werden. Zusätzlich wies sie auf die laufenden Arbeiten zum Bundesgesetz über polizeiliche Massnahmen zur Bekämpfung von Terrorismus hin und erläuterte, es sei nicht ganz einfach, geforderte Massnahmen wie beispielsweise die geschützte Unterbringung von Gefährderinnen und Gefährdern grundrechtskonform umzusetzen. Doch damit biss sie – wie im Nationalrat schon ihre Vorgängerin – letztlich auf Granit. Mit 22 zu 18 Stimmen bei einer Enthaltung nahm die kleine Kammer die Motion an. Auch wenn man das zwingende Völkerrecht nicht brechen könne, so müsse doch etwas getan werden, war in etwa der Grundtenor des Entscheids.
Das für eine Motion ungewöhnlich grosse Medienecho widerspiegelte ebenfalls die Umstrittenheit des Entscheids. Angesichts der Kritik, die Motion stelle den Rechtsstaat infrage, verteidigten die Befürworter – allen voran Motionär Fabio Regazzi – ihren Standpunkt, verurteilte Terroristen müssten sich nicht auf die Menschenrechte berufen können und «man müsse die Sorgen der Bevölkerung ernst nehmen» (NZZ). Demgegenüber sprach Gegner und FDP-Nationalrat Kurt Fluri (SO) gegenüber der NZZ von «Hysterie» und «Populismus». Die Menschenrechtsorganisation Amnesty International Schweiz bezeichnete den Gesetzgebungsauftrag als «inakzeptabel». Als Element des zwingenden Völkerrechts könne das Non-Refoulement-Prinzip in einem Rechtsstaat keinesfalls, auch nicht unter dem Deckmantel der inneren Sicherheit, derogiert werden. Wie der Bundesrat den verbindlichen Auftrag umsetzen will, war zunächst noch unklar; gemäss NZZ wolle das Justizdepartement «die Sache nun genauer analysieren».

Ausweisung von Terroristinnen und Terroristen in ihre Herkunftsländer, unabhängig davon, ob sie als sicher gelten oder nicht (Mo. 16.3982)

Um sicherzustellen, dass strafrechtliche Landesverweisungen konsequent vollzogen und damit dem Willen des Gesetzgebers, die Härtefallklausel nur in Ausnahmefällen anzuwenden, Rechnung getragen wird, beantragte die Mehrheit der SPK-NR ihrem Rat, eine entsprechende Motion Müller (fdp, AG) anzunehmen und damit verfahrensökonomische Anreize zum Verzicht auf eine Landesverweisung zu beseitigen. Angesichts der noch dürftigen Datenlage zur Anwendung der bei der Umsetzung der Ausschaffungsinitiative eingeführten Härtefallklausel erachtete die Kommissionsminderheit eine Anpassung zu diesem Zeitpunkt jedoch als voreilig. Der Nationalrat folgte in der Frühjahrssession 2019 als Zweitrat grossmehrheitlich seiner Kommissionsmehrheit und nahm die Motion, die auch der Bundesrat zur Annahme beantragt hatte, mit 126 zu 54 Stimmen bei 4 Enthaltungen an.

Mo. Müller: Konsequenter Vollzug von Landesverweisungen

Indem eine Landesverweisung in jedem Fall von einem Strafgericht ausgesprochen werden müsse, bei der Anwendung der Härtefallklausel jedoch teilweise das Strafbefehlsverfahren angewandt werde, böten die Bestimmungen über die strafrechtliche Landesverweisung einen verfahrensökonomischen Anreiz, die Härtefallklausel anzuwenden und auf einen Landesverweis zu verzichten. So begründete Ständerat Philipp Müller (fdp, AG) seine Motion, mit der er den Bundesrat beauftragen wollte, die entsprechenden Bestimmungen anzupassen, um den konsequenten Vollzug von Landesverweisungen sicherzustellen. Der Bundesrat begrüsste die offene Formulierung des Vorstosses und erklärte sich bereit, künftig als sich notwendig erweisende Anpassungen vorzunehmen, sollte sich abzeichnen, dass der Wille des Gesetzgebers in der Praxis nicht umgesetzt werde. Der Ständerat lehnte in der Herbstsession 2018 zuerst einen Ordnungsantrag Jositsch (sp, ZH) ab, der die Motion der Kommission zur Vorberatung zuweisen wollte, damit diese die Forderung im Zusammenhang mit der Revision der Strafprozessordnung beraten könnte. Die Ratsmehrheit sah eine solche Vorgehensweise nicht als zweckmässig an und wollte sich direkt zum Anliegen der Motion äussern, die schliesslich oppositionslos angenommen wurde.

Mo. Müller: Konsequenter Vollzug von Landesverweisungen

Das in Art. 3 EMRK formulierte und auch in Art. 25 Abs. 3 BV verankerte Rückschiebeverbot verbietet es absolut, eine Person in einen Staat auszuschaffen, in dem ihr Folter oder eine andere Art grausamer oder unmenschlicher Behandlung oder Bestrafung droht. CVP-Nationalrat Fabio Regazzi (cvp, TI) forderte mit seiner Motion «Ausweisung von Terroristinnen und Terroristen in ihre Herkunftsländer, unabhängig davon, ob sie als sicher gelten oder nicht», die innere Sicherheit der Schweiz solle im Falle von Flüchtlingen, die mit terroristischen Aktivitäten in Verbindung gebracht werden und damit eine Gefahr für die Sicherheit der Schweiz darstellen, Vorrang haben. Erreichen wollte er dies durch die vorrangige Anwendung von Art. 33 Abs. 2 des internationalen Abkommens über die Rechtsstellung der Flüchtlinge, demzufolge sich ein Flüchtling nicht auf das Ausweisungsverbot berufen könne, «wenn erhebliche Gründe dafür vorliegen, dass er als eine Gefahr für die Sicherheit des Aufenthaltsstaates angesehen werden muss oder wenn er eine Bedrohung für die Gemeinschaft dieses Landes bedeutet, weil er wegen eines besonders schweren Verbrechens oder Vergehens rechtskräftig verurteilt worden ist.» Das Ausweisungsverbot an der vom Motionär genannten Stelle in der Flüchtlingskonvention ist jedoch weiter gefasst ist als das Non-Refoulement-Prinzip des zwingenden Völkerrechts und verbietet eine Rückschiebung nicht nur bei drohender Folter oder Todesstrafe, sondern auch bei Gefährdung des Lebens oder der Freiheit des Flüchtlings «wegen seiner Rasse, Religion, Staatszugehörigkeit, seiner Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder seiner politischen Anschauungen» (Art. 33 Abs. 1 FK). Ergo kann das Ausweisungsverbot der Flüchtlingskonvention bei Gefährdung der öffentlichen Sicherheit eingeschränkt werden; für das Rückschiebeverbot des zwingenden Völkerrechts gilt dies jedoch nicht, das Non-Refoulement-Prinzip gilt absolut.
Obwohl Justizministerin Simonetta Sommaruga vor dem Nationalratsplenum klarstellte, dass es erstens nicht nur ausländische Dschihadisten gebe und zweitens die Schweiz bereits heute Rückführungen in «unsichere Staaten» vornehme, da die Unsicherheit in einem Land kein Hinderungsgrund für eine Rückführung sei, sondern nur eine Verletzung des Rückschiebeverbots im individuellen Fall, nahm der Nationalrat die Motion im Herbst 2018 mit 102 zu 73 Stimmen bei 3 Enthaltungen an. Auch die Begründung, der Bundesrat habe hier gar keinen Handlungsspielraum – man könne das zwingende Rückschiebeverbot nicht einfach ignorieren, weil man der Flüchtlingskonvention Vorrang vor der Bundesverfassung gewähre – sowie die Versicherung, man sei auch vonseiten des Bundesrats durchaus um Massnahmen zur Terrorismusbekämpfung bemüht – so zeige dies beispielsweise die in der Vernehmlassung gut angekommene Ausweitung des präventiv-polizeilichen Instrumentariums –, stiess mehrheitlich auf taube Ohren. Während die SVP-Fraktion geschlossen für den Vorstoss votierte, stimmten die Grüne, die SP- und die GLP-Fraktion geschlossen dagegen. Die bürgerlichen Parteien zeigten sich gespalten, wobei sich die Fraktionen der FDP und der CVP mehrheitlich dafür und jene der BDP mehrheitlich dagegen aussprachen.

Ausweisung von Terroristinnen und Terroristen in ihre Herkunftsländer, unabhängig davon, ob sie als sicher gelten oder nicht (Mo. 16.3982)

Mit der Annahme des Postulates seiner SPK im Sommer 2017 beauftragte der Nationalrat den Bundesrat zu prüfen, ob die Forderung der Tessiner Standesinitiativen nach systematischer Einholung von Strafregisterauszügen, wenn EU-Bürgerinnen und -Bürger eine Aufenthaltsbewilligung für die Schweiz beantragen, durch einen Beitritt zum europäischen Strafregisterinformationssystem ECRIS mindestens teilweise erfüllt werden kann. Der Bundesrat hatte sich bereit erklärt, das Postulat entgegenzunehmen. Darüber hinaus wolle er eine umfassende Prüfung der Vor- und Nachteile einer Schweizer ECRIS-Beteiligung im Allgemeinen vornehmen und dabei sowohl die Kosten als auch den Nutzen für die Straf- und Verwaltungsbehörden berücksichtigen.

Internationaler Austausch von Strafnachrichten. Prüfung eines Beitritts der Schweiz zu Ecris (Po. 17.3269)
Dossier: Strafregisterauszug für Aufenthaltsbewilligung bei EU-Bürgerinnen und -Bürgern / Beitritt zu ECRIS

In einem Bericht soll der Bundesrat mögliche Verbesserungen der Ausschaffungsprozesse und beim Schutz vor Gefährdern, die nicht ausgeschafft werden können, aufzeigen. Stillschweigend überwies der Ständerat in der Sommersession 2017 ein entsprechendes Postulat Müller (fdp, LU). Der Bundesrat hatte die Annahme des Postulats beantragt, da er sich mit den aufgeworfenen Fragen im Gesetzgebungsprojekt zu den präventiv-polizeilichen Massnahmen zur Terrorismusbekämpfung befasse.

Verbesserungen der Ausschaffungsprozesse und Schutz vor Gefährdern (Po. 17.3044)
Dossier: PMT und damit umgesetzte Vorstösse

Als sich die SPK-NR im Frühling 2017 mit der Frage beschäftigte, wie die beiden Tessiner Standesinitiativen zur systematischen Einholung eines Strafregisterauszuges bei der Beantragung von Aufenthaltsbewilligungen durch EU-Bürgerinnen und -Bürger umgesetzt werden könnten, kam sie zum Schluss, dass für eine direkte Umsetzung das Ausländergesetz entsprechend geändert werden müsste. Diese Änderung stünde jedoch in klarem Widerspruch zum FZA und brächte Rechtsunsicherheit mit sich, da das Bundesgericht in einem Beschwerdefall wohl den Vorrang des FZA feststellen müsste. Ausserdem würden dadurch die Beziehungen zur EU belastet. Aus diesen Gründen zog die Kommission die Möglichkeit in Betracht, das Anliegen der Standesinitiativen durch den Beitritt der Schweiz zum Informationsaustauschsystem über Strafverfolgungen der EU (ECRIS) zu erfüllen. Zu diesem Zweck wolle sie den Bundesrat mittels Postulat beauftragen, die Aufnahme von entsprechenden Verhandlungen zu prüfen, gab die Kommission in einer Medienmitteilung bekannt. Bis zum Abschluss dieser Prüfung wurde die Umsetzung der Standesinitiativen sistiert.

Systematische Vorlage des Strafregisterauszugs bei der Beantragung von Aufenthaltsbewilligungen durch EU-Bürgerinnen und -Bürger (Kt.Iv. 15.320 und 15.321)
Dossier: Strafregisterauszug für Aufenthaltsbewilligung bei EU-Bürgerinnen und -Bürgern / Beitritt zu ECRIS

Mitte Januar 2017 war auch die SPK-NR mit 13 zu 11 Stimmen mehrheitlich der Ansicht, die Vergabe von Aufenthaltsbewilligungen ohne vorgängige Überprüfung des Strafregisters der antragsstellenden Person stelle eine potenzielle Gefahr für die öffentliche Sicherheit in der Schweiz dar. Sie gab damit den beiden Tessiner Standesinitiativen Folge, die es ermöglichen wollen, systematisch Strafregisterauszüge von allen zuziehenden EU-Bürgerinnen und -Bürgern einzuholen. Während die Minderheit zu bedenken gab, eine solche systematische Überprüfung werde vom FZA ausgeschlossen und belastete dadurch die Beziehungen zu Italien und zur EU, argumentierte die Mehrheit, das FZA könne und dürfe die Schweiz nicht an der Wahrung ihrer öffentlichen Sicherheit hindern.

Systematische Vorlage des Strafregisterauszugs bei der Beantragung von Aufenthaltsbewilligungen durch EU-Bürgerinnen und -Bürger (Kt.Iv. 15.320 und 15.321)
Dossier: Strafregisterauszug für Aufenthaltsbewilligung bei EU-Bürgerinnen und -Bürgern / Beitritt zu ECRIS

Der Kanton Tessin forderte mit einer im September 2015 eingereichten Standesinitiative (Kt.Iv. 15.320), dass von EU-Bürgerinnen und -Bürgern, die eine Aufenthaltsbewilligung für die Schweiz beantragen, ein Strafregisterauszug eingefordert werden kann. Die Schweiz soll in solchen Fällen wieder systematisch und von Amtes wegen sowie ohne nähere Begründung Informationen über allfällige Vorstrafen beim Herkunftsland oder bei Drittstaaten einholen dürfen. Mit einer zweiten, gleichzeitig eingereichten Standesinitiative (Kt.Iv. 15.321) wollte der Grosse Rat des Kantons Tessin darüber hinaus sicherstellen, dass in diesem Rahmen auch über entsandte Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer diskutiert wird. Anhand schwerer Straftaten, argumentierte der Tessiner Grosse Rat, zeige sich die Gefährdung der öffentlichen Sicherheit, die von der Vergabe von Aufenthaltsbewilligungen ohne Überprüfung der antragstellenden Person – und damit letztlich von den bilateralen Personenfreizügigkeitsabkommen – ausgehe. Im Gegensatz zu Grenzgängerinnen und Grenzgängern, die immerhin bei der Behörde um eine Bewilligung ersuchen müssten, kämen entsandte Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer zudem völlig unkontrolliert nach einer einfachen Online-Anmeldung in die Schweiz.
Mit Stichentscheid des Präsidenten gab die SPK-SR im November 2016 beiden Initiativen Folge. Obgleich sie sich bewusst sei, dass die Forderungen des Kantons Tessin im Lichte des Freizügigkeitsabkommens mit der EU (FZA) problematisch sein könnten, solle geprüft werden, ob mit der EU bezüglich des systematischen Einholens von Strafregisterauszügen verhandelt werden könne oder ob die Schweiz bzw. einzelne Kantone diesbezüglich autonom vorgehen könnten. Die Minderheit lehnte die Initiativen ab, weil sie das FZA sowie die Beziehungen zur EU und zu Italien verletzten, ohne den erwünschten Erfolg zu bringen.

Systematische Vorlage des Strafregisterauszugs bei der Beantragung von Aufenthaltsbewilligungen durch EU-Bürgerinnen und -Bürger (Kt.Iv. 15.320 und 15.321)
Dossier: Strafregisterauszug für Aufenthaltsbewilligung bei EU-Bürgerinnen und -Bürgern / Beitritt zu ECRIS

Bei der Differenzbereinigung zur Umsetzung der Ausschaffungsinitiative war zu Beginn der Frühjahrssession 2015 der Nationalrat an der Reihe. Im Vorjahr hatte die grosse Kammer zuerst auf eine harte Linie gesetzt, um so allenfalls die Abstimmung über die Durchsetzungsinitiative zu verhindern. Der Ständerat hatte jedoch nichts von dieser Strategie gehalten und einen Mittelweg zwischen dem Entwurf des Bundesrates und jenem des Nationalrates eingeschlagen. Für die erneute Beratung im Nationalrat lagen nun prinzipiell zwei Konzepte auf dem Tisch: Die Mehrheit der SPK-NR schlug vor, der Version des Ständerates zu folgen; demgegenüber wollte eine Kommissionsminderheit aus Mitgliedern der SVP-Fraktion am letzten Beschluss des Nationalrates festhalten. Die Umsetzung nach Vorschlag des Ständerates verwässere die Absicht der Initiative – nämlich eine deutliche Änderung der Praxis – bis zur Unkenntlichkeit und sei darum im Sinne des Volkswillens klar abzulehnen, so die Begründung der Minderheit. Ein zweiter Antrag derselben Minderheit wollte nicht das gesamte Konzept stürzen, aber wenigstens die vom Ständerat eingeführte sogenannte Härtefallklausel streichen. Die umstrittene Klausel bildet das eigentliche Herzstück des ständerätlichen Entwurfes und sieht vor, dass das Gericht ausnahmsweise von einer Landesverweisung absehen kann, «wenn diese für den Ausländer einen schweren persönlichen Härtefall bewirken würde und die öffentlichen Interessen an der Landesverweisung gegenüber den privaten Interessen des Ausländers am Verbleib in der Schweiz nicht überwiegen.» Vertreter der SVP argrumentierten, eine solche Härtefallklausel sei nicht mit dem Volkswillen vereinbar, da das Volk selbst eine solche mit dem direkten Gegenvorschlag zur Ausschaffungsinitiative abgelehnt habe. Die Befürworter der Klausel betonten indessen, die Klausel im vorliegenden Entwurf sei strikter formuliert und gestehe dem Gericht viel weniger Handlungsspielraum zu als die Regelung, welche im direkten Gegenvorschlag vorgesehen gewesen wäre. Die Fassung des Ständerates stelle somit trotz allem eine Verschärfung gegenüber der heutigen Praxis und auch gegenüber dem abgelehnten Gegenvorschlag dar, da der Ausschaffungsautomatismus wie im Initiativtext vorgesehen darin enthalten sei. Die Härtefallklausel diene allein dazu, gröbste Verletzungen rechtsstaatlicher Prinzipien sowie des Völkerrechts zu vermeiden. Die beiden Minderheitsanträge wurden neben der geschlossenen SVP-Fraktion auch von einzelnen Vertretern der FDP und der CVP unterstützt, unterlagen jedoch mit je einer Zweidrittelmehrheit dem Mehrheitsantrag. Mit diesen Entscheiden machte der Nationalrat eine Kehrtwende und folgte dem vom Ständerat eingeschlagenen Weg. Damit wurde die Umsetzung der Ausschaffungsinitiative endgültig von der bevorstehenden Abstimmung über die Durchsetzungsinitiative entkoppelt. Die restlichen Änderungsanträge waren weit weniger umkämpft, weil mehrheitlich redaktioneller Natur oder aber kohärent aus dem grundsätzlichen Bekenntnis zum Entwurf des Ständerates folgend. Damit erhielt die kleine Kammer ihre Vorlage fast unverändert zurück und stimmte ihr stillschweigend zu. In der Schlussabstimmung wurde die so erarbeitete Lösung in beiden Räten deutlich angenommen. Der Ständerat votierte mit 36 zu 3 Stimmen bei 5 Enthaltungen dafür, während der Nationalrat mit 109 zu 68 Stimmen bei 18 Enthaltungen zustimmte. Dagegen sprachen sich in der grossen Kammer die geschlossene Fraktion der SVP, die Mehrheit der Grünen sowie einzelne Vertreter der FDP aus.
SVP-Parteipräsident Toni Brunner (svp, SG) zeigte sich enttäuscht über dieses Resultat, aber gleichzeitig durchaus siegessicher in Bezug auf die bevorstehende Abstimmung über die Durchsetzungsinitiative. Das Referendum gegen das beschlossene Gesetz werde die SVP trotz Unzufriedenheit nicht ergreifen, weil diese Arbeit ohnehin obsolet sei, wenn die Durchsetzungsinitiative angenommen werde. Die Durchsetzungsinitiative wird erst nach Inkrafttreten des Umsetzungsgesetzes zur Ausschaffungsinitiative zur Abstimmung gelangen.

Umsetzung der Ausschaffungsinitiative (BRG 13.056)
Dossier: Ausschaffungsinitiative – Abstimmung und Umsetzung

Aus den gleichen Gründen wie der Ständerat 2014 gab auch der Nationalrat in der Frühjahrssession 2015 der Standesinitiative des Kantons Tessin zur Wiedereinführung des Landesverweises keine Folge. Der Rat folgte dabei dem Antrag seiner Kommissionsmehrheit mit 118 Stimmen. Nur die fast geschlossen stimmende SVP-Fraktion sowie einzelne Vertreter aus FDP und CVP wollten der Initiative Folge geben.

Wiedereinführung der Landesverweisung (Kt.Iv. 10.300)

Die durch die Annahme der Ausschaffungsinitiative angestossene Gesetzgebung machte eine Standesinitiative des Kantons Tessin sowie eine Motion Gmür (cvp, SZ) gegenstandslos. So waren sowohl die durch die Initiative geforderte Wiedereinführung der Landesverweisung als auch der Straftatbestand der Zwangsverheiratung als Ausschaffungsgrund bereits aufgenommen worden. Aus diesem Grund gab der Ständerat dem 2011 sistierten Begehren des Kantons Tessin keine Folge und lehnte die im Frühjahr vom Nationalrat noch angenommene Motion ab.

Wiedereinführung der Landesverweisung (Kt.Iv. 10.300)

Zur Stärkung der inneren Sicherheit wollte der Bundesrat den Strafbefolgungsbehörden den Zugriff auf die Eurodac-Datenbank, die Fingerabdrücke von Personen speichert, welche in einem Dublin-Staat ein Asylgesuch einreichen oder bei der illegalen Einreise aufgegriffen werden, ermöglichen. Zu diesem Zweck verabschiedete der Bundesrat im November ein Verhandlungsmandat. Die revidierte EU-Verordnung zur Eurodac-Datenbank, die neu den nationalen Strafverfolgungsbehörden den Zugriff auf die Daten erlaubt, gilt für die an Dublin assoziierten Staaten wie die Schweiz nämlich nicht automatisch.

Eurodac-Datenbank

Der Nationalrat beriet als Erstrat die Botschaft zur Umsetzung der Ausschaffungsinitiative, die der Bundesrat im Juni 2013 zuhanden des Parlaments verabschiedet hatte. Der ursprüngliche Lösungsvorschlag des Bundesrates hatte versucht, zwischen dem anvisierten Ausweisungsautomatismus, dem Verhältnismässigkeitsprinzip sowie den Menschenrechtsgarantien zu vermitteln. So sollte unter anderem nur ab einer Mindeststrafe von sechs Monaten Freiheitsentzug eine Landesverweisung ausgesprochen werden können. Auf Antrag des FDP-Präsidenten Müller arbeitete jedoch der Bundesrat eine zweite Variante aus, die sich stärker am Text der Durchsetzungsinitiative orientierte. Bei den Beratungen im Nationalrat war das Damoklesschwert der Durchsetzungsinitiative allgegenwärtig spürbar. So entschied sich die Mehrheit der grossen Kammer mit 106 gegen 65 Stimmen von Seiten der SP, Grünen und einer Grossmehrheit der GLP bei 11 Enthaltungen schliesslich dafür, der SVP gewisse Konzessionen zu machen. Damit sollte eine Annahme der Durchsetzungsinitiative und damit die Verankerung eines Deliktkatalogs in der Bundesverfassung verhindert werden. Der Ausschaffungs-Automatismus sollte bei gewissen, aufgelisteten Delikten Eingang in die Gesetzgebung finden. Ein Mindeststrafmass sollte keine Voraussetzung für eine Ausschaffung sein und der Behörde sollte auch kein Ermessensspielraum eingeräumt werden. Mit dieser harten Linie wollten die Mitteparteien zum einen den Volkswillen umsetzen; die Stimmbürger hätten die Initiative im Wissen um die rechtsstaatlich heiklen Bestimmungen angenommen. Zum anderen gelte es, einen erneuten Urnengang über kriminelle Ausländer vor den eidgenössischen Wahlen zu vermeiden, da dieser nur der SVP nützen würde. Falls der Ständerat den Beschlüssen bezüglich der Ausschaffungsinitiative des Nationalrats folge, wäre der Rückzug der Durchsetzungsinitiative möglich, stellte SVP-Präsident Brunner in Aussicht. Dies schien jedoch nicht der Fall zu sein. Bereits im Sommer 2014 kündigte die ständerätliche Kommission an, bei der Umsetzung einen eigenen Weg einschlagen zu wollen. Gesucht wurde ein Mittelweg zwischen dem bundesrätlichen und dem nationalrätlichen Vorschlag. Da diese Suche jedoch länger dauerte als angenommen, konnte die Vorlage erst in der Wintersession weiterbehandelt werden. Die ständerätliche Kommission präsentierte ihrem Rat einen Entwurf, der, sich am Initiativtext orientierend, unabhängig von der tatsächlich ausgesprochenen Strafe für bestimmte schwere Straftaten einen 5 bis 15-jährigen Landesverweis vorsah. Bei anderen Delikten sollte jedoch eine differenziertere Regelung ermöglicht werden. Unter sehr eingeschränkten Bedingungen sollte das Gericht bei schweren persönlichen Härtefällen von einer Ausschaffung absehen können. Die Härtefallklausel, welche den Kern der ständerätlichen Vorlage darstellte, war im Wesentlichen mit Blick auf die Secondos formuliert worden. Ein Minderheitsantrag der Linken, der ein grundsätzliches Ausschaffungsverbot für Secondos forderte, wurde abgelehnt. Um die Gesetzesvorlage noch vor der Durchsetzungsinitiative verabschieden zu können, sollte das Gesetz als indirekter Gegenvorschlag deklariert werden, wodurch sich die Behandlungsfrist für die Durchsetzungsinitiative verlängern würde. Der Ständerat wollte sich nicht von der „Angstmacherei“ leiten lassen und folgte dem Antrag seiner Kommission mit 28 zu 3 Stimmen. Die Umsetzung der Ausschaffungsinitiative war zudem einer der Anstösse für die Lancierung einer SVP-Volksinitiative „Schweizer Recht geht fremdem Recht vor“.

Umsetzung der Ausschaffungsinitiative (BRG 13.056)
Dossier: Ausschaffungsinitiative – Abstimmung und Umsetzung

Im Anschluss an die Debatte über die Umsetzung der Ausschaffungsinitiative hatte der Nationalrat auch die Botschaft zur 2012 eingereichten Durchsetzungsinitiative zur Umsetzung der 2010 angenommenen Ausschaffungsinitiative zu behandeln. Dabei folgte er mit 131 zu 51 SVP-Stimmen dem Antrag des Bundesrates und empfahl die Volksinitiative, die einen direkt anwendbaren Deliktkatalog von Ausschaffungsgründen in der Bundesverfassung verankern will, zur Ablehnung und erklärte den Teil betreffend die enge Definition von zwingendem Völkerrecht für ungültig. Zum einen widerspreche die Durchsetzungsinitiative dem Prinzip der Verhältnismässigkeit und zum anderen sei sie unnötig, weil zurzeit der Vorschlag des Bundesrates zur Umsetzung der Ausschaffungsinitiative vorliege. Falls der Ständerat den Beschlüssen bezüglich der Ausschaffungsinitiative des Nationalrats folge, wäre der Rückzug der Durchsetzungsinitiative möglich, stellte SVP-Präsident Brunner in Aussicht. Um den Initianten den Rückzug der Initiative zu ermöglichen, beschloss der Ständerat einstimmig, die Schlussabstimmung über die Durchsetzungsinitiative bis zu einem allfälligen Referendum gegen das Gesetz zur Ausschaffung krimineller Ausländer aufzuschieben. Zuvor schloss sich die kleine Kammer jedoch dem Nationalrat an und erklärte jenen Teil der Initiative für ungültig, der den Umfang des zwingenden Völkerrechts festlegen wollte. Ein Minderheitsantrag für die Ungültigkeitserklärung der ganzen Initiative aufgrund der Durchbrechung der Gewaltentrennungsabläufe und ihres Charakters als „Gesetzesinitiative“ fand mit 27 zu 16 Stimmen keine Mehrheit. Die Ungültigkeitsgründe seien in der Verfassung klar festgeschrieben, deren Änderung würde also zuerst eine Verfassungsänderung bedingen, lautete das Argument.

Initiative zur Durchsetzung der Ausschaffung krimineller Ausländer (Durchsetzungsinitiative) (BRG 13.091)

Im Gegensatz zum Nationalrat sprach sich der Ständerat gegen DNA-Tests bei kriminellen Asylbewerbern aus. Er lehnte eine dahingehende Motion Darbellay (cvp, VS) mit den Argumenten ab, dass solche Tests nur bei konkretem Tatverdacht vorgenommen werden dürften und die Rechtsgleichheit der Asylbewerber gewahrt werden müsse. Die Motion war im Kontext der erhöhten Anzahl Kriminalfälle von Asylsuchenden aus den vom arabischen Frühling betroffenen Maghrebstaaaten eingereicht worden.

DNA-Tests bei kriminellen Asylbewerbern (Mo. 12.3909)

Nach dem Nationalrat nahm auch der Ständerat eine Motion Müri (svp, LU) an. Damit überwies er an den Bundesrat den Auftrag, die Kantone zu verpflichten, jährlich eine Vollzugsstatistik über die Ausschaffung von kriminellen Ausländern zu führen. Dadurch soll im Hinblick auf die Umsetzung der Ausschaffungsinitiative Klarheit über die bestehende Ausschaffungspraxis gewonnen werden.

Vollzugsstatistik über die Ausschaffung von kriminellen Ausländern (Mo. 13.3455)

Im November 2011 hatte der Bundesrat dem Parlament einen Entwurf für einen bilateralen Vertrag zwischen der Schweiz und dem Kosovo, der die Überstellung verurteilter Personen regelte, präsentiert. Strafgefangene müssen künftig ihre Haft in ihrem Heimatstaat verbüssen können. Für die Überstellung wird die Zustimmung beider Staaten notwendig. Es besteht also kein Recht, die Strafe in der Heimat absitzen zu können. Die Vorlage, mit welcher der Bundesrat Kriminaltouristen abschrecken möchte, wurde im Nationalrat mit 141 zu 0 Stimmen diskussionslos gutgeheissen, wobei sich ein Teil der Grünen und die Mehrheit der SP der Stimme enthielten. Auch der Ständerat hatte der Vorlage nichts hinzuzufügen, sodass das Geschäft noch im Jahr 2013 erledigt werden konnte.

Accord de coopération policière avec le Kosovo
Dossier: Internationale polizeiliche Zusammenarbeit

Die Bestimmungen betreffend die ausländerrechtliche Administrativhaft im Ausländergesetz werden nicht vereinfacht. Die Mehrheit im Nationalrat sah keinen Harmonisierungsbedarf und gab einer entsprechenden parlamentarischen Initiative Amarelle (sp, VD) keine Folge. Der Vorstoss forderte, dass in Anlehnung an die EU-Rückführungslinien nur noch bei bestehender Fluchtgefahr oder wenn die betreffende Person das Abschiebungsverfahren behindert eine kurzfristige Festhaltung angeordnet wird.

ausländerrechtliche Administrativhaft

Um das Verursacherprinzip im Strafvollzug durchzusetzen, forderte eine parlamentarische Initiative Amaudruz (svp, GE), dass ausländische Delinquenten, die in der Schweiz keine Steuern zahlen, selbst für die Verfahrenskosten aufkommen und sich an den Haftkosten beteiligen müssen. Sollten sie den Betrag nicht selber aufbringen können, würde der Wert durch gemeinnützige Arbeit abgegolten werden müssen. Die Mehrheit des Nationalrates sah hingegen keinen Handlungsbedarf und lehnte die Initiative, die zudem in den Kompetenzbereich der Kantone eingreifen würde, mit 127 zu 60 Stimmen ab.

Übernahme der Verfahrenskosten und Beteiligung an den Haftkosten durch Personen, die in der Schweiz keine Steuern zahlen (Pa.Iv. 12.440)
Dossier: Revision der Strafprozessordnung (Umsetzung der Mo. 14.3383)

Im Kanton Bern hiess die Stimmbevölkerung im November mit überraschenden 55,8% Ja-Stimmen bei einer Stimmbeteiligung von 50% eine Verfassungsinitiative „Keine Einbürgerung von Verbrechern und Sozialhilfeempfängern“ der Jungen SVP gut. Kriminelle, Sozialhilfeempfänger und Personen ohne Aufenthaltsbewilligung sollten künftig nicht mehr eingebürgert werden. Ob die Initiative wirklich die postulierte Verschärfung bringt, war bereits im Abstimmungskampf umstritten. Da nur die SVP die Vorlage unterstützte und alle anderen Parteien sich in einem Gegenkomitee zusammenschlossen, war die Annahme der Initiative überraschend. Bei der Umsetzung der Initiative wird zu prüfen sein, inwiefern die Forderung mit dem verfassungsrechtlich verankerten Diskriminierungsverbot zu vereinbaren ist.

Keine Einbürgerung von Verbrechern und Sozialhilfeempfängern

Der Bundesrat verabschiedete im November die Botschaft zur Ende 2012 eingereichten Volksinitiative „Zur Durchsetzung der Ausschaffung krimineller Ausländer (Durchsetzungsinitiative)“, welche den Artikel 121 der Bundesverfassung konkretisieren und damit die Ausschaffungsinitiative direkt anwendbar machen will. Die Regierung empfahl die Initiative aus mehreren Gründen zur Ablehnung. Zum einen widerspräche die Initiative dem verfassungsmässigen Grundsatz der Verhältnismässigkeit, weil im Einzelfall nicht geprüft werden könne, ob ein Landesverweis eine geeignete, notwendige sowie zumutbare Massnahme darstelle. Zum anderen verunmögliche die Annahme der Initiative die völkerrechtskonforme Umsetzung der Ausschaffungsinitiative, da sie den Bestimmungen über den Landesverweis ausdrücklich Vorrang gegenüber dem Völkerrecht einräumt. Schliesslich stünde es der Schweiz nicht zu, zu definieren, was unter zwingendem Völkerrecht zu verstehen sei. Die von den Initianten vorgeschlagene Definition wäre enger als der völkerrechtliche Ius-Cogens-Begriff. Damit verstiesse sie gegen das zwingende Völkerrecht, was wiederum ein Ungültigkeitsgrund für Volksinitiativen nach Art. 139.3 BV darstellte. Aus diesem Grund beantragte der Bundesrat denn auch, die Initiative als teilungültig zu erklären. Überhaupt sah der Bundesrat keine Notwendigkeit für die Durchsetzungsinitiative. Er hatte im Sommer des Berichtjahres einen Entwurf für die Umsetzung der Ausschaffungsinitiative an das Parlament überwiesen. Damit läge er gut im Zeitrahmen von fünf Jahren, welchen die 2010 angenommene Initiative vorgäbe.

Initiative zur Durchsetzung der Ausschaffung krimineller Ausländer (Durchsetzungsinitiative) (BRG 13.091)

Um die Umsetzung ihrer 2010 in der Volksabstimmung angenommen Ausschaffungsinitiative sicherzustellen, lancierte die SVP 2012 die Folgeinitiative „Zur Durchsetzung der Ausschaffung krimineller Ausländer (Durchsetzungsinitiative)“. Diese enthält eine detaillierte Liste mit Delikten, für welche ein Ausländer aus der Schweiz ausgewiesen werden muss sowie eine zweite Aufzählung von Straftaten, welche zu einer Ausschaffung führen, wenn der Delinquent innerhalb der letzten zehn Jahre bereits zu einer Geld- oder Freiheitsstrafe verurteilt worden ist. Der Initiativtext hält auch fest, dass die Bestimmungen nur dem zwingenden Völkerrecht, d.h. dem Verbot der Folter, des Völkermords, des Angriffskrieges, der Sklaverei sowie dem Verbot der Rückschiebung in einen Staat, in dem Tod oder Folter drohen, nachgeordnet sei. Die Initianten konnten die Initiative nur fünf Monate nach Sammelbeginn bei der Bundeskanzlei einreichen.

Initiative zur Durchsetzung der Ausschaffung krimineller Ausländer (Durchsetzungsinitiative) (BRG 13.091)