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  • Rechtsordnung

Akteure

  • Bregy, Philipp-Matthias (cvp/pdc, VS) NR/CN
  • Tuena, Mauro (svp/udc, ZH) NR/CN
  • Christ, Katja (glp/pvl, BS) NR/CN
  • Bregy, Philipp-Matthias (cvpo/cvpo, VS) NR/CN
  • Hans-Ueli Vogt (svp/udc, ZH) NR/CN
  • Cattaneo, Rocco (fdp, plr, TI) NR/CN

Prozesse

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Die Differenzbereinigung beim ersten Teil der Erbrechtsrevision zur Erweiterung der Verfügungsfreiheit drehte sich um die Grundsatzfrage, wie bei einem vorliegenden Ehevertrag, der dem überlebenden Ehepartner mehr als die Hälfte des während der Ehe errungenen Vermögens zuspricht, die Pflichtteile für das Erbe der gemeinsamen Kinder berechnet werden. Konkret ging es darum, ob diese sogenannte überhälftige Vorschlagszuweisung zur Berechnung der Pflichtteile der gemeinsamen Kinder mitberücksichtigt wird oder nicht. Durch den Einbezug der überhälftigen Vorschlagszuweisung in die Berechnung fallen die Pflichtteile der Kinder höher aus, als wenn nur der Teil des Vermögens, der nicht durch den Ehevertrag dem überlebenden Ehepartner zugewiesen wird – im Falle der Maximalbegünstigung des Ehepartners also nur noch das Eigengut der verstorbenen Person – als Berechnungsgrundlage für die Pflichtteile dient.
Der bestehende Gesetzestext regelte diese Frage nicht eindeutig. Infolgedessen zeigte sich die juristische Lehre zwischen den zwei Auslegungen gespalten und es gab bislang auch keine wegweisenden Urteile, die den Streitpunkt geklärt hätten. Der Bundesrat hatte im Entwurf deshalb eine neue Regelung vorgeschlagen, um die Frage eindeutig zu klären und die Rechtsunsicherheit zu beenden. Der Nationalrat war als Zweitrat mit der Lösung des Bundesrates jedoch nicht einverstanden gewesen und hatte die einschlägigen Bestimmungen aus der Vorlage gestrichen.
Alles beim Alten zu belassen war für die RK-SR aber keine sinnvolle Lösung. Sie betrachtete es als Aufgabe des Gesetzgebers, eine Entscheidung für eine der beiden denkbaren Auslegungen zu fällen und nicht einfach zu warten, «bis eines Tages das Bundesgericht entscheidet», so Kommissionssprecher Andrea Caroni (fdp, AR) im Ratsplenum. Der Ständerat, der in der Wintersession 2020 die Differenzbereinigung begann, folgte stillschweigend seiner Kommission und beschloss, inhaltlich beim Bundesrat zu bleiben und die Streitfrage zugunsten der gemeinsamen Kinder zu entscheiden. Dies sei «inhaltlich naheliegender», erklärte Caroni, weil der überlebende Ehepartner im Falle einer zusätzlichen Begünstigung durch einen Ehevertrag ohnehin den «Löwenanteil» am Erbe erhalte, womit der Zusatzgewinn für ihn relativ gesehen kleiner wäre als für die Kinder.
So einig wie die ständerätliche, so zerstritten zeigte sich die nationalrätliche Rechtskommission in dieser Frage. Während die Kommissionsmehrheit beantragte, das Konzept des Bundesrates und des Ständerates zu übernehmen, wollte eine starke bürgerliche Minderheit an der Streichung der Bestimmungen festhalten und somit beim geltenden Recht bleiben. Ihrer Ansicht nach widerspreche die vorgeschlagene Lösung dem weit verbreiteten Rechtsempfinden und der überwiegenden Rechtspraxis in der Deutschschweiz; nur in der lateinischen Schweiz werde eher der Auslegung von Bundesrat und Ständerat gefolgt, die den Kindern höhere Anteile zurechnet, erklärte Minderheitsvertreterin Christa Markwalder (fdp, BE) im Nationalrat. Primäres Ziel müsse es gemäss der Minderheit sein, den Lebensstandard des überlebenden Ehepartners zu sichern, und nicht, die Pflichtteile der gemeinsamen Kinder zu schützen. Zudem wäre die Korrektur zum jetzigen Zeitpunkt übereilt, weil die Frage noch nicht in aller Tiefe diskutiert worden und auch nicht Teil des Vernehmlassungsentwurfs gewesen sei, führte Markwalder weiter aus. Im Unterschied zu ihrer Schwesterkommission war die RK-NR überdies mehrheitlich zum Schluss gekommen, dass es für die neue Regelung einer Übergangsbestimmung bedürfe, damit bestehende Erbverträge und Testamente, die in einem falschen Verständnis aufgesetzt worden waren, nicht nachträglich geändert werden müssten, um ihre Wirkung wie beabsichtigt zu entfalten. Sie schlug also vor, dass die neue Auslegung erst für Verträge gelten soll, die nach Inkrafttreten der Revision abgeschlossen werden. Gegen diese Lösung sprach sich jedoch neben einer Minderheit Flach (glp, AG) auch Justizministerin Karin Keller-Sutter aus, weil mit den klärenden Bestimmungen kein neues Recht geschaffen, sondern nur eine Rechtsunsicherheit beseitigt werde. Mit 106 zu 80 bzw. 109 zu 77 Stimmen folgte der Nationalrat in beiden Punkten seiner Kommissionsmehrheit, womit er sowohl die Klärung der Auslegungsdifferenz gemäss Bundesrat und Ständerat als auch die neu hervorgebrachten Übergangsbestimmungen ins Gesetz schrieb.
Die RK-SR war von der Übergangslösung so wenig begeistert, dass sie daraufhin inhaltlich in der Auslegungsfrage eine komplette Kehrtwende vollzog: Sie schlug ihrem Rat neu vor, die überhälftige Vorschlagszuweisung bei der Berechnung der Pflichtteile für die gemeinsamen Kinder nicht zu berücksichtigen. Das Wichtigste sei es, die Frage im Gesetz zu klären, und zwar mit einer einzigen Regel, die für alle Testamente gelte, erläuterte Kommissionssprecher Andrea Caroni. Unterschiedliche Regelungen für bestehende und zukünftige Verträge führten zu noch mehr Unklarheit als jetzt schon bestehe, weil ein Testament unter Umständen erst siebzig Jahre nach dem Aufsetzen – und damit vielleicht nach einigen weiteren Erbrechtsrevisionen – seine Wirkung entfalte. Um diese «siebzigjährigen Übergangsproblematiken» zu vermeiden, habe sich die Kommission inhaltlich also der vom Nationalrat favorisierten Auslegung angeschlossen, so Caroni. Obwohl der Bundesrat ursprünglich die andere Lösung vorgeschlagen hatte, sicherte auch Bundesrätin Keller-Sutter dem Kommissionsantrag ihre Unterstützung zu. Wichtig sei, dass Rechtssicherheit geschaffen werde; in welche inhaltliche Richtung der Meinungsstreit aufgehoben werde, erachtete sie als sekundär. Die Kantonskammer stimmte dem Antrag folglich stillschweigend zu.
Daraufhin zeigte sich RK-Sprecher Hans-Ueli Vogt (svp, ZH) im Nationalrat erfreut, stolz und etwas belustigt über die «Volte» des Ständerats: Der Beschluss des Nationalrats zur Einführung der Übergangsbestimmung habe sich insofern gelohnt, als es nur unter diesem Druck gelungen sei, «den Ständerat dazu zu bringen, dass er das 180-grädige Gegenteil von dem beschliesst, woran er zuvor während Monaten festgehalten hatte». Auf Antrag seiner einstimmigen Kommission schloss sich der Nationalrat stillschweigend dem nun vorliegenden Konzept an und bereinigte die Differenz.
In den Schlussabstimmungen lehnte schliesslich nur ein Grossteil der SVP-Fraktion, die anfänglich gar nicht auf die Vorlage hatte eintreten wollen, den Entwurf ab. So wurde er im Nationalrat mit 146 zu 46 Stimmen bei 3 Enthaltungen und im Ständerat mit 36 zu 5 Stimmen bei einer Enthaltung angenommen.

Revision des Erbrechts (BRG 18.069)
Dossier: Revision des Erbrechts (2016– )

Der Nationalrat debattierte in der Herbstsession 2020 als Zweitrat die Revision des ZGB zur einfacheren Änderung des Geschlechtseintrags im Personenstandsregister. Eine Minderheit Nidegger (svp, GE) beantragte Nichteintreten, weil ihrer Ansicht nach die innerliche Überzeugung, nicht dem eingetragenen Geschlecht anzugehören, nicht als Grund für eine Änderung des Eintrags im Personenstandsregister genüge, da ein staatliches Register nur auf objektiven Kriterien basieren dürfe. Man könne ja auch nicht sein Geburtsdatum ändern lassen, wenn man sich nicht so alt fühle, wie man sei, argumentierte Nidegger und unkte, in der «Geschichte der Dekadenz des Westens» werde diese Änderung haften bleiben «wie Caligulas Ernennung seines Pferdes zum Konsul». Um die angepriesene Entbürokratisierung tatsächlich umzusetzen, sollte der Rat – «Gott bewahre» – dennoch auf das Gesetz eintreten, beantragte Nidegger, dass die Änderung des Geschlechts gleich wie die Änderung des Namens bei legitimen Gründen von der Kantonsregierung des Wohnsitzkantons bewilligt werden solle. Beide Anträge blieben in der grossen Kammer jedoch genauso erfolglos wie zwei Minderheitsanliegen aus der Grünen Fraktion zur Änderung des Begriffs «Geschlecht» bzw. «sexe» zu «Geschlechtsidentität» bzw. «identité de genre» sowie zur Zulassung auch schriftlich eingereichter und nicht nur persönlich und mündlich vorgebrachter Anträge. Ebenso deutlich lehnte die Volkskammer einen Minderheitsantrag Vogt (svp, ZH) ab, der die binäre Geschlechterordnung explizit festschreiben und so verhindern wollte, dass «die Tür hin zum dritten Geschlecht geöffnet wird». Einigermassen knapp – mit 100 zu 93 Stimmen bei 2 Enthaltungen – setzte sich die Kommissionsmehrheit gegen eine Minderheit Bregy (cvp, VS) in der Frage durch, ob Minderjährige die Zustimmung ihrer Eltern brauchen, um die Änderung des Geschlechts auf dem Zivilstandsamt zu erklären. Die Minderheit Bregy vertrat die Ansicht des Bundesrates, der auch der Ständerat zugestimmt hatte, dass dies nötig sei, um Minderjährige vor leichtfertigen Entscheidungen und dem Einfluss Dritter zu schützen. Dagegen entschied die Mehrheit, diese Entscheidung sei urteilsfähigen Jugendlichen selbstbestimmt zu ermöglichen. Mit 121 zu 61 Stimmen bei 13 Enthaltungen verabschiedete der Nationalrat die Vorlage zur Bereinigung der einen Differenz an den Ständerat.

Änderung des Geschlechts im Personenstandsregister (BRG 19.081)

In der Herbstsession 2020 stand der erste Teil der Erbrechts-Revision, mit der in erster Linie die Verfügungsfreiheit von Erblassern und Erblasserinnen vergrössert werden sollte, auf der Tagesordnung des Nationalrats, der die Vorlage als Zweitrat behandelte. Einige Mitglieder der SVP-Fraktion beantragten Nichteintreten, weil sie es für falsch hielten, die Pflichtteile der Eltern und Kinder zugunsten des Lebenspartners oder der Lebenspartnerin zu verringern. Diese Bevorzugung der horizontalen und temporären gegenüber der vertikalen und beständigen Beziehung stelle «die traditionellen Linien auf den Kopf», begründete Yves Nidegger (svp, GE) die Ablehnung der Vorlage. Ausserhalb der SVP-Fraktion fand der Antrag jedoch keine Unterstützung, sodass der Nationalrat mit 142 zu 48 Stimmen bei einer Enthaltung auf das Geschäft eintrat.
Inhaltlich hatte sich die grosse Kammer mit drei Minderheitsanträgen aus ihrer vorberatenden Rechtskommission zu befassen. Der erste betraf eine Bestimmung, die der Ständerat noch stillschweigend durchgewunken hatte, die in der RK-NR jedoch für heftige Diskussionen gesorgt hatte: Hat ein Ehepaar nichts anderes vereinbart, kommt grundsätzlich die Hälfte der Errungenschaft (d.h. des während der Ehe gebildeten Vermögens) der verstorbenen Person dem überlebenden Ehegatten zugute, während die andere Hälfte zusammen mit dem Eigengut (d.h. des vor der Ehe gebildeten Vermögens) in den Nachlass fällt und unter den Erben aufgeteilt wird. Mit einem Ehevertrag kann ein Ehepaar von dieser Regel abweichen und den überlebenden Ehegatten stärker oder sogar maximal begünstigen, indem ihm die gesamte Errungenschaft zugewiesen wird, sodass nur noch das Eigengut der verstorbenen Person in den Nachlass fällt. In der juristischen Lehre und Literatur sei nun seit längerem umstritten, erläuterte Bundesrätin Karin Keller-Sutter, ob eine solche Bevorzugung des Ehegatten für die Berechnung der Pflichtteile der gemeinsamen Kinder berücksichtigt werden muss oder nicht. Der Bundesrat hatte hier darum eine klärende Regelung vorgeschlagen, wonach der überhälftige Teil der Errungenschaft, der an den überlebenden Ehegatten geht, bei der Berechnung der Pflichtteilsmasse zu berücksichtigen wäre. Konkret müsste der Pflichtteil berechnet werden, bevor die zusätzliche Begünstigung gemäss Ehevertrag angewandt wird, sodass die Basis zur Berechnung der Pflichtteile damit grösser wäre, als wenn die ehevertragliche Bevorzugung nicht berücksichtigt wird. In der Kommission wurde kritisiert, dass in der Praxis eine andere Interpretation des geltenden Rechts vorherrsche und diese Berücksichtigung bei der Berechnung der Pflichtteile üblicherweise gerade nicht gemacht werde, sodass in der Folge zahlreiche bestehende Verfügungen an das neue Recht angepasst werden müssten, was zu noch mehr Rechtsunsicherheit führe. Die Justizministerin erklärte, der Bundesrat habe sich dabei auf die Analyse einer Expertengruppe aus juristischer Lehre und Praxis gestützt, die ein grosses Interesse an der Klärung der Rechtslage kundgetan habe. Eine Minderheit der Kommission wollte eine in der Formulierung verbesserte Version des bundesrätlichen Vorschlags übernehmen, währenddessen die Kommissionsmehrheit beantragte, beim geltenden Recht zu bleiben. Der Nationalrat folgte mit 106 zu 80 Stimmen bei einer Enthaltung dem Mehrheitsantrag. Da dieser Entscheid aber ohnehin zu einer Differenz mit dem Ständerat führte, könne der Bundesrat gemäss Karin Keller-Sutter auch damit gut leben; wichtig sei, dass sich der Ständerat noch einmal mit der Thematik befasse.
Mit einem zweiten Minderheitsantrag brachte Nationalrätin Min Li Marti (sp, ZH) die im Ständerat bereits gescheiterte Idee erneut ein, dass die erblassende Person den Pflichtteil weiter, d.h. bis auf die Hälfte des neu im Gesetz vorgeschriebenen Werts, verringern können sollte, um so den Lebenspartner oder die Lebenspartnerin in grösserem Umfang zu begünstigen. Diese noch grössere Verfügungsfreiheit als vom Bundesrat vorgesehen ging jedoch auch dem Nationalrat zu weit; er lehnte den Minderheitsantrag mit 106 zu 81 Stimmen ab.
Bei der dritten Minderheit ging es um den vom Bundesrat neu ins Gesetz eingebrachten Unterstützungsanspruch für faktische Lebenspartnerinnen und Lebenspartner, der von der Kommissionsmehrheit wie vom Ständerat abgelehnt worden war und für dessen Beibehaltung die Minderheit Arslan (basta, BS) eintrat. Der Unterstützungsanspruch sei gedacht, um Notlagen zu verhindern, beispielsweise weil der Lebenspartner oder die Lebenspartnerin die verstorbene Person gepflegt und darum kein Erwerbseinkommen hatte, und entspreche damit der Gerechtigkeit, so das Argument der Minderheit. Die Kommissionsmehrheit war dagegen der Ansicht, dass die Verringerung der Pflichtteile und die damit erweiterte Verfügungsfreiheit eine ausreichende Möglichkeit schaffe, den Lebenspartner oder die Lebenspartnerin zu begünstigen, wie Kommissionssprecher Hans-Ueli Vogt (svp, ZH) ausführte. Eine knappe Mehrheit aus den geschlossenen Fraktionen der SVP und der Mitte sowie zwei Dritteln der FDP-Fraktion besiegelte schliesslich das Aus für diese Idee. Sie wurde von der Volkskammer mit 94 zu 90 Stimmen bei zwei Enthaltungen abgelehnt, womit die entsprechenden Artikel definitiv aus dem Gesetzesentwurf gestrichen sind.
In der Gesamtabstimmung nahm der Nationalrat die Vorlage mit 140 zu 48 Stimmen bei einer Enthaltung an, wobei alle Opposition aus der SVP-Fraktion kam. Stillschweigend schrieb er zudem die Motion Gutzwiller (fdp, ZH; Mo. 10.3524) für ein zeitgemässes Erbrecht und das Postulat Nantermod (fdp, VS; Po. 16.3416) betreffend eine gesetzliche Regelung der Erbfolge in Patchworkfamilien ab.

Revision des Erbrechts (BRG 18.069)
Dossier: Revision des Erbrechts (2016– )

In der Sommersession 2020 befasste sich der Nationalrat als Zweitrat mit dem Bundesgesetz über polizeiliche Massnahmen zur Terrorismusbekämpfung (PMT). In der langen Eintretensdebatte wurden die grundsätzlichen Fragen erörtert, ob die vorgesehenen Massnahmen mit den Menschenrechten vereinbar seien und ob es sie überhaupt brauche. Während die Fraktionen der Grünliberalen, der Grünen und der Sozialdemokraten beide Fragen entschieden verneinten, zeigte sich die bürgerliche Ratsseite sowohl von der Notwendigkeit als auch von der Völkerrechtskonformität des Gesetzes vollkommen überzeugt. GLP-Nationalrätin Katja Christ (glp, BS) beantragte Nichteintreten, weil die Gesetzesvorlage die Schweiz nicht sicherer mache, sondern den Rechtsstaat untergrabe. «Rund achtzig Nichtregierungsorganisationen sowie namhafte Straf- und Völkerrechtler» seien sich darin einig, dass mit den geplanten Massnahmen «eine Grenze überschritten» werde, nahm Christ auf die mediale Diskussion im Vorfeld der Ratsdebatte Bezug und warnte pathetisch: «Die Freiheit stirbt mit Sicherheit». Ins gleiche Horn blies Grünen-Vertreterin Marionna Schlatter (gp, ZH), die das Geschäft an den Bundesrat zurückweisen wollte. Sie forderte, die unklare Definition des Gefährders müsse überarbeitet werden, «denn weder Sie noch sonst jemand kann das Gegenteil beweisen, wenn ihr oder ihm vorgeworfen wird, potenziell gefährlich zu sein.» Gerade die Grundrechte seien «unser stärkstes Schutzschild» im Kampf gegen den Terrorismus und sie hoffe deshalb, dass die öffentliche Kritik der Menschenrechtsbeauftragten des Europarats sowie der UNO-Sonderberichterstatter «in diesem Saal etwas bewegt» habe. Dasselbe postulierte die Sozialdemokratin Franziska Roth (sp, SO), die ebenfalls einen Rückweisungsantrag stellte. Das Gesetz gefährde «das, was wir eigentlich vor Terrorismus schützen wollen, und das ist, gelinde gesagt, Stumpfsinn», polterte sie. Der Bundesrat müsse die vorgeschlagenen Massnahmen – insbesondere jene, die Kinder und Jugendliche betreffen, was «der Schweiz nicht würdig» sei – deshalb auf Vereinbarkeit mit der Bundesverfassung und mit dem Völkerrecht sowie auf ihre Notwendigkeit prüfen und einen Mitbericht der RK-NR einfordern. Kommissionssprecher Mauro Tuena (svp, ZH) plädierte dagegen für Eintreten und gegen die Rückweisungen, denn die Verschärfungen seien angesichts der terroristischen Bedrohungslage dringend notwendig. «Mit diesen Präventivmassnahmen können Menschenleben gerettet werden», appellierte er an das Ratsplenum. SVP-Fraktionssprecher Jean-Luc Addor (svp, VS) erklärte, die Schweiz befinde sich gegenüber dem Terrorismus in einer «Situation der legitimen Selbstverteidigung» und dass Kinder von Terrorgruppen benutzt würden, sei «eine traurige Realität». Dass internationale Menschenrechtsinstitutionen die Schweiz öffentlich kritisiert hatten, oder in seinen Worten sich «mit mindestens zweifelhafter Legitimität» für «berechtigt» gehalten hätten, den Volksvertretern eines souveränen Staats «eine Predigt zu halten» und ihnen zu «erklären», was sie tun dürften und was nicht, bezeichnete er indes als «einigermassen originell». FDP-Sprecher Rocco Cattaneo (fdp, TI) hob hervor, dass mit diesem Gesetz die kantonalen und kommunalen Polizeikorps «endlich» die Möglichkeit erhielten, schnell zu reagieren. Alois Gmür (cvp, SZ) legte die Position der Mitte-Fraktion so dar, dass es eben «gewisse Opfer» brauche, «wenn man tatsächlich mehr Sicherheit will», worauf ihm SP-Nationalrat Fabian Molina (sp, ZH) die rhetorische Frage stellte, ob es dann nicht am sinnvollsten wäre, «dass man alle Männer von 15 bis 50 Jahren präventiv unter Hausarrest stellen würde, um die Anzahl der Delikte gegen Leib und Leben auf nahezu null zu reduzieren». Mit vielen Fragen konfrontiert wurde auch Bundesrätin Karin Keller-Sutter, die in ihrem Votum die Notwendigkeit der Vorlage betonte und mehrfach bekräftigte, der Bundesrat habe die Grundrechtsfragen «vertieft und sorgfältig geprüft». Die international geäusserten Bedenken teile sie nicht und erachte sie als «unbegründet», erläuterte sie. Es handle sich dabei um «eine politische Stellungnahme», die aber «rechtlich nicht sehr präzis» und eher «Ausdruck einer allgemeinen Sorge» gewesen sei.
Nach einem langen, veritablen Schlagabtausch zwischen dem befürwortenden und dem ablehnenden Lager trat der Nationalrat schliesslich mit 107 zu 84 Stimmen bei einer Enthaltung auf das Geschäft ein. Die beiden Rückweisungsanträge wurden mit 85 zu 106 Stimmen (1 Enthaltung) respektive 85 zu 105 Stimmen (2 Enthaltungen) abgelehnt. Es standen sich dabei das links-grün-grünliberale und das bürgerliche Lager jeweils geschlossen gegenüber. In der Detailberatung brachte das links-grüne Lager etliche Minderheitsanträge zur Abschwächung der Vorlage ein, die allesamt scheiterten. Ebenso erfolglos blieb der einzige Änderungsantrag der Kommissionsmehrheit, die einen neuen Artikel zur sogenannten gesicherten Unterbringung von Gefährdern (GUG) einbringen wollte. Mit diesem Artikel könnten «klar Leben gerettet werden», argumentierte Kommissionssprecher Tuena, während die Kommissionsminderheit um Beat Flach (glp, AG) betonte, diese Massnahme sei nicht EMRK-konform. Auch nach Ansicht des Bundesrates gehe eine solche Präventivhaft – im Gegensatz zum Hausarrest als ultima ratio – «tatsächlich zu weit», weshalb der Bundesrat trotz Bitten der Kantone ausdrücklich auf die GUG verzichtet habe, wie die Justizministerin ausführte. Mit 113 zu 78 Stimmen bei 2 Enthaltungen folgte der Nationalrat der Minderheit und lehnte die Präventivhaft ab – dies, weil sich hier zusätzlich zur links-grünen Ratsseite auch die grosse Mehrheit der FDP-Fraktion sowie eine Minderheit der Mitte-Fraktion zum Nein-Lager gesellten. Somit nahm die grosse Kammer die inhaltlich unveränderte Vorlage – es wurden jedoch einige redaktionelle Anpassungen vorgenommen – in der Gesamtabstimmung mit 111 zu 86 Stimmen ohne Enthaltungen an. Abgelehnt hatten das Gesetz die geschlossenen Fraktionen der SP, der Grünen und der Grünliberalen sowie SVP-Nationalrat Pirmin Schwander (svp, SZ).

Bundesgesetz über polizeiliche Massnahmen zur Bekämpfung von Terrorismus (PMT; 19.032)
Dossier: Strategie der Schweiz zur Terrorismusbekämpfung
Dossier: PMT und damit umgesetzte Vorstösse
Dossier: Vorstösse und Massnahmen zur Bekämpfung islamistischer Radikalisierungstendenzen

In der Sommersession 2020 beriet der Nationalrat als Zweitrat die Vorlage zur Verstärkung des strafrechtlichen Instrumentariums gegen Terrorismus und organisierte Kriminalität, die auch die Genehmigung des Europarats-Übereinkommens über die Terrorismusprävention und dessen Zusatzprotokolls beinhaltete. Während die vorberatende SiK-NR die Stossrichtung des Geschäfts mehrheitlich unterstützte, wie deren Sprecher Mauro Tuena (svp, ZH) dem Ratsplenum bekannt gab, beantragte eine Minderheit Schlatter (gp, ZH) die Rückweisung an den Bundesrat, weil sie eine klare Definition von terroristischen Organisationen vermisste und diese nicht der Rechtsprechung überlassen wollte. Welche Organisation terroristisch sei, sei keine juristische, sondern eine politische Entscheidung, begründete die Grüne Nationalrätin ihren Antrag. Zudem forderte sie, dass sich die Strafrechtsverschärfung darauf beschränken müsse, was das internationale Abkommen zwingend verlange. Votantinnen und Votanten gegen die Rückweisung wandten ein, es gebe keine allgemeingültige, globale Definition von Terrorismus, auf die man sich stützen könnte, und betonten das Vertrauen in die Schweizer Justizbehörden. So einig wie die Fraktionen der SP und der Grünen die Rückweisung unterstützen, stellten sich jene der GLP, der Mitteparteien, der FDP und der SVP dagegen, sodass der Antrag mit 127 zu 67 Stimmen deutlich abgelehnt wurde.
In der Detailberatung wandte sich die grosse Kammer in einem ersten Block den Änderungen im Nachrichtendienstgesetz zu und erörterte die Frage, unter welchen Voraussetzungen der Bundesrat eine Organisation, die die innere oder äussere Sicherheit der Schweiz bedroht, verbieten können soll. Eine Minderheit Addor (svp, VS) blieb mit der Forderung, dass der Bundesrat dies im Sinne von mehr Sicherheit und Souveränität allein entscheiden können müsse, erfolglos. Die Mehrheit blieb beim Entwurf des Bundesrates, demgemäss sich ein Verbot auf einen Verbots- oder Sanktionsbeschluss der UNO gegen die fragliche Gruppierung stützen muss. Diese Bedingung sei wichtig für die Neutralität der Schweiz, erläuterte Bundesrätin Karin Keller-Sutter, weil sonst andere Staaten die Schweiz politisch oder diplomatisch unter Druck setzen könnten, eine bestimmte Organisation zu verbieten.
Im zweiten Block widmete sich der Nationalrat den Anpassungen im Strafrecht. Der mit sechs Minderheitsanträgen meistdiskutierte Artikel 260ter StGB definiert den Tatbestand der Beteiligung an und Unterstützung einer kriminellen bzw. terroristischen Organisation und legt das einschlägige Strafmass fest. Die Kommissionsmehrheit wich mit ihrem Vorschlag insofern von der ständerätlichen Fassung ab, als sie humanitäre Dienste einer unparteiischen humanitären Organisation wie dem IKRK explizit von der Strafbarkeit ausschliessen wollte. Dieser Vorschlag setzte sich deutlich gegen alle Minderheitsanträge durch, sowohl jene, die diese Ausnahmebestimmung für humanitäre Organisationen einerseits als überflüssig oder andererseits mit der Nennung des IKRK als zu eng gefasst in Frage stellten, als auch jene, die den Strafrahmen insgesamt verkleinern, den Kampf für Demokratie und Rechtsstaatlichkeit nicht als Terrorismus klassifizieren, die zusätzliche Bestrafung für weitere im Rahmen einer Organisation begangene Straftaten explizit machen oder die Definition terroristischer Organisationen ganz streichen wollten. Der zweite grosse Streitpunkt der Vorlage lag im neuen Art. 260sexies StGB, der die Anwerbung und Ausbildung sowie das Reisen im Hinblick auf eine terroristische Straftat unter Strafe stellt. Eine Minderheit Seiler Graf (sp, ZH) wollte den ganzen Artikel streichen, weil sie diese Vorverlagerung der Strafbarkeit als rechtsstaatlich problematisch ansah. Man befinde sich hier «definitiv im Gesinnungsstrafrecht», urteilte die Antragstellerin. Terroristen liessen sich kaum durch eine Strafandrohung abschrecken; Prävention und Ursachenbekämpfung – etwa gestützt auf den Nationalen Aktionsplan zur Verhinderung und Bekämpfung von Radikalisierung und gewalttätigem Extremismus – wären an dieser Stelle zielführender als repressive Massnahmen, schloss sie. Im Gegensatz dazu bezeichnete Justizministerin Keller-Sutter den umstrittenen Artikel als «de[n] zentrale[n] Pfeiler des Europaratsübereinkommens» und dessen Streichung als «empfindlich[e] Schwächung des Strafrechts». Gegen die bis auf eine Ausnahme (Philipp-Matthias Bregy, cvp/VS) geschlossen stimmenden Fraktionen der bürgerlichen Parteien sowie der Grünliberalen blieb das links-grüne Lager schliesslich chancenlos.
Der dritte und letzte Block betraf die Änderungen im Rechtshilfegesetz. Auch hier folgte der Nationalrat in allen Punkten seiner Kommissionsmehrheit und lehnte drei Minderheitsanträge Roth (sp, SO) hochkant ab, die internationale Rechtshilfe bei Steuerhinterziehung zulassen, die Voraussetzungen für die vorzeitige Übermittlung von Informationen und Beweismitteln an ausländische Ermittlungsbehörden (sog. dynamische Rechtshilfe) erhöhen und grenzüberschreitende Ermittlungsgruppen der Aufsichtsbehörde über die Bundesanwaltschaft unterstellen wollten. Bei den Bedingungen für die dynamische Rechtshilfe kehrte der Nationalrat diskussionslos zu den lockereren Voraussetzungen des Bundesrats zurück, anstatt sich der vom Ständerat beschlossenen Verschärfung anzuschliessen.
In der Gesamtabstimmung nahm die grosse Kammer die gegenüber dem Ständerat in zwei Punkten veränderte Vorlage mit 127 zu 54 Stimmen bei 13 Enthaltungen an. Die Fraktionen der SP und der Grünen machten damit ihre bereits in der Eintretensdebatte geäusserte Drohung wahr, dem Entwurf ihre Zustimmung zu verweigern, sollten die Tatbestände des Anwerbens, Ausbildens und Reisens im Hinblick auf einen Terrorakt im Strafgesetzbuch festgeschrieben werden. Stillschweigend schrieb der Nationalrat zudem die beiden Motionen 14.4187 für die Ratifizierung des Europaratseinkommens zur Terrorismusverhütung und 15.3008 für wirksamere Strafbestimmungen zur Verfolgung der organisierten Kriminalität ab.

Terrorismus und organisierte Kriminalität: Übereinkommen des Europarates und Verstärkung des strafrechtlichen Instrumentariums (BRG 18.071)
Dossier: Strategie der Schweiz zur Terrorismusbekämpfung
Dossier: Internationale polizeiliche Zusammenarbeit
Dossier: Übereinkommen des Europarates zur Verhütung des Terrorismus / Verstärkung des strafrechtlichen Instrumentariums gegen organisierte Kriminalität

Das Übereinkommen des Europarats über einen ganzheitlichen Ansatz für Sicherheit, Schutz und Dienstleistungen bei Fussballspielen und anderen Sportveranstaltungen ist die vollständig überarbeitete Weiterentwicklung des «Europäischen Übereinkommens über Gewalttätigkeiten und Ausschreitungen von Zuschauern bei Sportanlässen, insbesondere bei Fussballspielen» von 1985, dem die Schweiz 1990 beigetreten war. Zusätzlich zu den Sicherheits- und Schutzmassnahmen des alten Vertrags enthält das neue Abkommen einen präventiven Dienstleistungsansatz: Friedliche Fans, Anwohnerinnen und Anwohner sowie Passantinnen und Passanten sollen von den Sicherheits- und Schutzmassnahmen so wenig wie möglich betroffen sein. Zentral dafür ist die umfassende Zusammenarbeit zwischen Behörden, Sportorganisationen, Fanorganisationen und Transportunternehmen. Der Bundesrat bezeichnete das Übereinkommen in seiner Botschaft, mit der er es dem Parlament zur Genehmigung vorlegte, als wichtigen Schritt zur Aktualisierung und Vereinheitlichung der nationalen Regeln unter Berücksichtigung von internationaler Good Practice. Eine Anpassung des schweizerischen Rechts sei nicht vonnöten, um den Erfordernissen des Vertrags nachzukommen.
Mit Ausnahme der SVP, die einen Nichteintretensantrag stellte, sprachen sich im Nationalrat alle Fraktionen für die Ratifizierung des Abkommens aus. Es sei für die Schweiz mit keinerlei Kosten verbunden, verbessere die internationale Zusammenarbeit und könne bestenfalls sogar verhindern, dass ausländische Hooligans an Sportveranstaltungen in der Schweiz teilnehmen, wenn die übrigen Vertragsstaaten von der Möglichkeit Gebrauch machen, Hooligans ihrerseits mit Ausreisesperren zu belegen, so der Grundtenor der Wortmeldungen. Die SVP stand mit ihrer Forderung, diesem «Stück Papier, das unter dem Strich nichts bringt», wie Fraktionssprecher Mauro Tuena (svp, ZH) das Übereinkommen bezeichnete, «eine Abfuhr zu erteilen», auf verlorenem Posten. Mit 125 zu 56 Stimmen und 3 Enthaltungen – alle Gegenstimmen und Enthaltungen aus der SVP-Fraktion – stimmte die grosse Kammer in der Frühjahrssession 2019 dem Abkommen zu.

Sicherheit, Schutz und Dienstleistungen bei Fussballspielen und anderen Sportveranstaltungen. Übereinkommen des Europarats

Noch bevor sich der Ständerat als Zweitrat mit der parlamentarischen Initiative Vogt (svp, ZH) «Überregulierung stoppen! Gesetze befristen (Sunset-Klauseln)» beschäftigen konnte, fand deren Anliegen in einer anderen Vorlage Unterschlupf. Im Rahmen einer Sammelvorlage zur Änderung des Parlamentsrechts beschlossen die Räte, den Bundesrat zu verpflichten, in seinen an das Parlament gerichteten Botschaften zu Erlassentwürfen jeweils eine Befristung des Erlasses zu prüfen (Art. 141 Abs. 2 ParlG). Der Ständerat befand, die Initiative Vogt sei damit inhaltlich umgesetzt worden und entschied im Frühjahr 2018 stillschweigend, ihr keine Folge zu geben.

Überregulierung stoppen! Gesetze befristen (Sunset-Klauseln) (Pa.Iv. 16.437)
Dossier: «Überregulierung stoppen!»
Dossier: Effektivere Berücksichtigung von Regulierungskosten bei der Gesetzgebung

Zusammen mit einer zweiten (Pa.Iv. 16.436) der vier parlamentarischen Initiativen Vogt (svp, ZH) zur Überregulierung schrieb der Nationalrat die Initiative «Überregulierung stoppen! Die Internationalisierung des Rechts, die Übernahme von EU-Recht und den Hang zum Swiss Finish bremsen» in der Wintersession 2017 ab, da er das Anliegen in die Sammelvorlage zur Änderung des Parlamentsrechts aufgenommen hatte.

Überregulierung stoppen! Die Internationalisierung des Rechts, die Übernahme von EU-Recht und den Hang zum Swiss Finish bremsen (Pa.Iv. 16.440)
Dossier: «Überregulierung stoppen!»
Dossier: Parlamentarische Initiativen für verschiedene Änderungen des Parlamentsrechts
Dossier: Effektivere Berücksichtigung von Regulierungskosten bei der Gesetzgebung

Zusammen mit einer zweiten (Pa.Iv. 16.440) der vier parlamentarischen Initiativen Vogt (svp, ZH), mit denen der Zürcher SVP-Vertreter die Überregulierung stoppen wollte, schrieb der Nationalrat die Initiative «Entscheidungsfreiheit und Handlungsspielraum für die Privaten und die Unternehmen bewahren» in der Wintersession 2017 ab, da er das Anliegen in die Sammelvorlage zur Änderung des Parlamentsrechts aufgenommen hatte.

Überregulierung stoppen! Entscheidungsfreiheit und Handlungsspielraum für die Privaten und die Unternehmen bewahren (Pa.Iv. 16.436)
Dossier: «Überregulierung stoppen!»
Dossier: Parlamentarische Initiativen für verschiedene Änderungen des Parlamentsrechts
Dossier: Effektivere Berücksichtigung von Regulierungskosten bei der Gesetzgebung

Einmal in Kraft getretene Gesetze würden nicht mehr hinterfragt oder könnten aus politischen Gründen nicht mehr aufgehoben werden; diese Tatsache trägt laut Hans-Ueli Vogt (svp, ZH) nicht unwesentliche Mitschuld an der von ihm diagnostizierten Überregulierung in der Schweiz. Von den vier im Juni 2016 eingereichten parlamentarischen Initiativen, mit denen er die Überregulierung stoppen will, fordert die dritte, dass bei neuen Gesetzesvorlagen in Zukunft systematisch eine Befristung mittels sogenannter Sunset-Klauseln zu prüfen ist. Insbesondere wenn neue Regelungen staatliche Ausgaben, Steuern oder andere Abgaben, hohe Kosten der Rechtsbefolgung oder schwere Eingriffe in die Privatsphäre, die Wirtschaftsfreiheit oder die Eigentumsgarantie nach sich ziehen, soll eine Befristung in Betracht gezogen werden. Beim Ablaufen der Frist soll dann evaluiert werden, ob die Regulierung weiterhin nötig ist und was ihre Auswirkungen bei erweiterter Geltungsdauer sind. Während die SPK-NR der Initiative im Januar 2017 zustimmte, lehnte sie ihre Schwesterkommission im März mit 6 zu 5 Stimmen bei einer Enthaltung ab. Sie hob den zusätzlichen bürokratischen Aufwand hervor, welche eine Befristung von Gesetzen auch ohne sachlichen Grund mit sich brächte. Der Nationalrat schloss sich in der Herbstsession 2017 mit 97 zu 84 Stimmen bei 7 Enthaltungen seiner Kommissionsmehrheit an, die diese Chance auf eine regelmässige Evaluation der Zweckmässigkeit von Gesetzesvorschriften begrüsste.

Überregulierung stoppen! Gesetze befristen (Sunset-Klauseln) (Pa.Iv. 16.437)
Dossier: «Überregulierung stoppen!»
Dossier: Effektivere Berücksichtigung von Regulierungskosten bei der Gesetzgebung

Mit insgesamt vier Anfang Juni 2016 eingereichten parlamentarischen Initiativen wollte Nationalrat Hans-Ueli Vogt (svp, ZH) die «Überregulierung stoppen», welche er als eine Gefahr für die Wettbewerbsfähigkeit der Schweiz sieht. Der Erste der vier im Titel verwandten Vorstösse zielte auf die Einführung der Regel «one in, one out» im schweizerischen Gesetzgebungsprozess. Für jedes neue Gesetz, das Pflichten, Lasten oder erhebliche Einschränkungen für Private und Unternehmen zur Folge hat, müsste nach der neuen Regel an anderer Stelle im Bundesrecht eine gleichwertige Entlastung realisiert werden. Falls keine solche Entlastung erfolgte, müsste das neue Gesetz mit qualifiziertem Mehr verabschiedet werden. Die Mehrheit der SPK-NR erachtete diese Regelung als nicht praktikabel, da der Gesetzgebungsprozess dadurch noch träger und komplizierter würde. Auch die Aufhebung einer Gesetzesbestimmung müsste die Vernehmlassung und den normalen parlamentarischem Prozess durchlaufen und die Einführung eines neuen Gesetzes könnte somit durch Diskussionen um die Kompensation jahrelang verzögert werden. Die Kommissionsminderheit wies indessen darauf hin, dass solche Regelungen im Ausland, beispielsweise in Deutschland und in Grossbritannien, erfolgreich erprobt worden seien und die offene Formulierung der Initiative auch Lösungsvorschläge zulasse, die den Gesetzgebungsprozess nicht im Übermass behinderten. In der Sommersession 2017 gab der Nationalrat der Initiative denkbar knapp mit 87 zu 85 Stimmen bei 9 Enthaltungen Folge.

Überregulierung stoppen! Für jedes neue Gesetz muss ein bestehendes aufgehoben werden («one in, one out»; Pa.Iv. 16.435)
Dossier: «Überregulierung stoppen!»
Dossier: Effektivere Berücksichtigung von Regulierungskosten bei der Gesetzgebung

Die Zweite der insgesamt vier parlamentarischen Initiativen Vogt (svp, ZH) mit dem gemeinsamen Titel «Überregulierung stoppen!» möchte den Bundesrat bei der Unterbreitung neuer Gesetzesvorlagen dazu verpflichten, auch «alternative Regelungen» vorzuschlagen. Der Initiant stellte sich hier beispielsweise dispositive statt zwingende Vorschriften, Regelungen mit Opting-in- oder Opting-out-Klauseln, Rahmenbedingungen zur Selbstregulierung sowie Zielvorgaben anstatt konkrete Verhaltenspflichten vor. Da das Regulierungsdickicht in der Schweiz Kosten für die Unternehmen verursache, Innovation verhindere und das Wachstum bremse, soll in der Gesetzgebung vermehrt auf Regelungsformen gesetzt werden, welche Entscheidungsfreiheit, Handlungsspielraum und Verantwortung für Private und Unternehmen bewahren. Die Staatspolitischen Kommissionen beider Räte erachteten eine solche systematische Prüfung alternativer Regelungsmöglichkeiten für sinnvoll und gaben der Initiative im Frühjahr 2017 Folge.

Überregulierung stoppen! Entscheidungsfreiheit und Handlungsspielraum für die Privaten und die Unternehmen bewahren (Pa.Iv. 16.436)
Dossier: «Überregulierung stoppen!»
Dossier: Parlamentarische Initiativen für verschiedene Änderungen des Parlamentsrechts
Dossier: Effektivere Berücksichtigung von Regulierungskosten bei der Gesetzgebung

Als wichtigster Treiber der Überregulierung bezeichnete Hans-Ueli Vogt (svp, ZH) die Internationalisierung des Rechts und vor allem die Übernahme von Regulierungen der G20, der OECD oder der EU. So beabsichtigte die Vierte der vier parlamentarischen Initiativen mit dem gemeinsamen Titel «Überregulierung stoppen!», die Übernahme von internationalem Recht durch die Schweiz einzuschränken. Die Internationalisierung des Rechts, die Übernahme von EU-Recht und der Hang zum Swiss Finish sollen dadurch gebremst werden, dass die Umsetzungsvorschläge des Bundesrates erstens nicht über die Anforderungen der für die Schweiz verbindlichen internationalen Regelungen hinausgehen sollen und zweitens auf die Ziele des internationalen Rechts fokussieren, ohne dessen Regeln genau zu übernehmen. Bei einer freiwilligen Übernahme internationalen Rechts müsste der Bundesrat in Zukunft die Folgen einer Nichtübernahme sowie Alternativen zur Übernahme darlegen. Generell soll internationales Recht nur dann übernommen werden, wenn es der Exportwirtschaft zugute kommt. Im Übrigen soll das Schweizer Recht nicht mehr dynamisch an geänderte internationale Vorschriften angepasst werden, sondern nur, wenn eine solche Anpassung für die Schweiz von Vorteil ist. Die Staatspolitischen Kommissionen beider Räte stimmten dem Anliegen im Frühjahr 2017 zu.

Überregulierung stoppen! Die Internationalisierung des Rechts, die Übernahme von EU-Recht und den Hang zum Swiss Finish bremsen (Pa.Iv. 16.440)
Dossier: «Überregulierung stoppen!»
Dossier: Parlamentarische Initiativen für verschiedene Änderungen des Parlamentsrechts
Dossier: Effektivere Berücksichtigung von Regulierungskosten bei der Gesetzgebung

Die Wiedergutmachungsinitiative und der indirekte Gegenentwurf des Bundesrates in Form des Bundesgesetzes über die Aufarbeitung der fürsorgerischen Zwangsmassnahmen und Fremdplatzierungen vor 1981 waren in der Aprilsession 2016 Gegenstand der Beratung im Nationalrat. Der Bundesrat hatte dem Nationalrat drei Entwürfe vorgelegt: den Bundesbeschluss über die Volksinitiative, das Bundesgesetz als indirekten Gegenvorschlag und einen Bundesbeschluss über die Finanzierung der Solidaritätsbeiträge. Da im Fall der Volksinitiative Eintreten obligatorisch ist, drehte sich die Eintretensdebatte um die beiden letztgenannten Vorlagen. Die Mehrheit der RK-NR beantragte ihrem Rat Eintreten. Sie unterstütze die Ziele der Initiative, bevorzuge aber den indirekten Gegenvorschlag, da dieser rascher umgesetzt werden könne und schnelle Hilfe in Anbetracht des fortgeschrittenen Alters und des Gesundheitszustands vieler Opfer sinnvoll sei. Eine Kommissionsminderheit stellte einen Nichteintretensantrag. Sie war der Meinung, der Staat dürfe nicht einfach so ohne rechtliche Grundlage Geld verteilen, da Grundlage und Schranke staatlichen Handelns eben das Recht sei. Die rechtlichen Ansprüche der Opfer seien bereits verjährt und auch die Verjährung sei eine „Errungenschaft des Rechtsstaates“, führte Claudio Zanetti (svp, ZH) aus. Im Rat sprach sich nur aus der SVP-Fraktion eine Mehrheit für Nichteintreten aus. Fraktionssprecher Hans-Ueli Vogt (svp, ZH) erklärte, er gehe davon aus, dass alle Vorfahren nach bestem Wissen und Gewissen das für sie Richtige getan hätten und man sie dafür nicht verurteilen dürfe, nur weil die heutige Gesellschaft andere Anschauungen entwickelt habe. Mit einer deutlichen Mehrheit von 142 zu 28 Stimmen bei 10 Enthaltungen trat die grosse Kammer schliesslich auf die beiden Vorlagen ein.

In der Detailberatung ergänzte der Nationalrat das Bundesgesetz um zwei Bestimmungen. Erstens beschränkte er die Solidaritätszahlungen auf höchstens 25'000 Franken pro Opfer. Zweitens sollen Forderungen, die ihren Rechtsgrund unmittelbar in einer fürsorgerischen Zwangsmassnahme oder einer Fremdplatzierung haben und sich gegen die Opfer oder deren Angehörige richten, beispielsweise Heimkosten, mit Inkrafttreten des Gesetzes automatisch erlöschen. Die so abgeänderte Vorlage wurde mit 143 zu 26 Stimmen bei 13 Enthaltungen gutgeheissen. Matthias Aebischer (sp, BE) versprach, sich im Initiativkomitee für den Rückzug der Initiative stark zu machen, sollte der indirekte Gegenvorschlag im Parlament angenommen werden. Die beiden anderen Entwürfe wurden von der grossen Kammer diskussionslos angenommen. Damit schloss sich der Nationalrat dem Bundesrat an und empfahl die Initiative zur Ablehnung.

Wiedergutmachung für Verdingkinder und Opfer fürsorgerischer Zwangsmassnahmen (Volksinitiative und indirekter Gegenvorschlag; 15.082)
Dossier: Wiedergutmachung für Opfer von fürsorgerischen Zwangsmassnahmen und Fremdplatzierungen