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  • Flach, Beat (glp/pvl, AG) NR/CN
  • Quadranti, Rosmarie (bdp/pbd, ZH) NR/CN

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Der Bundesrat soll prüfen, mit welchen rechtlichen, technischen und sonstigen Massnahmen verhindert werden kann, dass Kinder und Jugendliche zur Herstellung von kinderpornografischem Material erpresst oder angeleitet werden. Der Nationalrat überwies ein entsprechendes Postulat Quadranti (bdp, ZH), das zwischenzeitlich von Heinz Siegenthaler (bdp, BE) übernommen worden war, in der Wintersession 2019 stillschweigend.

Kinder und Jugendliche vor der Handykamera nicht alleine lassen (Po. 19.4111)

In der Herbstsession 2019 ging das Bundesgesetz über elektronische Identifizierungsdienste (E-ID-Gesetz) in die Differenzbereinigung. In der ersten Runde konnte sich die bürgerliche Mehrheit im Nationalrat bei allen Streitpunkten durchsetzen, womit die Volkskammer an ihren ursprünglichen Positionen festhielt und keine grosse Kompromissbereitschaft an den Tag legte. Obwohl sich die Frage um das Vertrauen der Bürgerinnen und Bürger in die E-ID wie ein roter Faden durch die Debatte zog, schienen die diesbezüglichen Überlegungen die Entscheidungen des Rats nur wenig zu beeinflussen. So lehnte der Nationalrat sowohl den von einer Minderheit Arslan (basta, BS) geforderten Zwang als auch die vom Ständerat eingeführte, vorbedingungslose Möglichkeit für den Staat zur Herausgabe einer E-ID ab und hielt an der rein subsidiären staatlichen Herausgabe fest, obwohl sich Bundesrätin Karin Keller-Sutter für den ständerätlichen Kompromiss ausgesprochen hatte. Der Staat sollte sich auch nicht wie vom Ständerat vorgesehen an privaten E-ID-Anbietern (Identity Providern) beteiligen können. Des Weiteren hielt die grosse Kammer an der Nennung der Sorgfaltspflichten im E-ID-Gesetz fest und strich lediglich die Delegationsnorm, welche die Konkretisierung der Sorgfaltspflichten durch den Bundesrat vorgesehen hätte. Eine Minderheit Flach (glp, AG) blieb mit dem Vorschlag eines Mittelwegs erfolglos, der das explizite Verbot der Weitergabe der E-ID streichen, die abstrakte Beschreibung der Sorgfaltspflichten aber beibehalten wollte. Ebenfalls erfolglos blieb die durch Beat Flach eingebrachte Forderung des Konsumentenschutzes, dass Dienstleistungen, für die eine E-ID der Sicherheitsstufe «niedrig» ausreicht, auch ohne E-ID genutzt werden können müssen. Da die Angst, im Internet eine Datenspur zu hinterlassen, nachvollziehbar sei, hatte sich Bundesrätin Keller-Sutter auch hierfür vergebens stark gemacht. Die vom Ständerat neu eingeführte E-ID-Kommission (Eidcom) als unabhängige Stelle zur Anerkennung und Kontrolle der Identity Provider blieb im Nationalrat vorerst ebenso chancenlos wie die von der Schwesterkammer verschärften Datenschutzbestimmungen.
Im Ständerat erklärte es Kommissionssprecher Beat Vonlanthen (cvp, FR) zum Ziel dieses Gesetzgebungsprozesses, dass das Gesetz bzw. die E-ID «vertrauenswürdig sein und in einer allfälligen Volksabstimmung bestehen können» müssten. In diesem Lichte hielt die Kantonskammer an ihren Positionen zur Möglichkeit für eine staatliche Herausgabe der E-ID und für eine staatliche Beteiligung an Identity Providern sowie zur Einführung der Eidcom, die sie allesamt als zentral für die Vertrauensbildung in der Bevölkerung erachtete, stillschweigend fest. Einen Schritt auf ihre Schwesterkammer zu machte sie bei den Sorgfaltspflichten, wo sie sich für den zuvor im Nationalrat diskutierten, aber dort noch abgelehnten Mittelweg Flach entschied. Mit der im Nationalrat abgelehnten, zwingenden Alternative zur E-ID bei Dienstleistungen, die nur Sicherheitsstufe «niedrig» verlangen, fand das Anliegen des Konsumentenschutzes im Ständerat Gehör und wurde ins Gesetz aufgenommen. Zugeständnisse an den Nationalrat machte die kleine Kammer auch beim Datenschutz, indem sie einen Kompromiss einführte, wonach die Zweckbindung der Datenverarbeitung erhalten bleiben, eine Bearbeitung durch Dritte im Rahmen des Datenschutzgesetzes aber erlaubt sein soll, um die konzerninterne Arbeitsteilung und das Outsourcing der Datenbearbeitung nicht zu verunmöglichen.
Während sich der Nationalrat bei den Sorgfaltspflichten schliesslich auf den Mittelweg Flach einliess und diese Differenz damit ausräumte, brachte die RK-NR einen neuen Vorschlag betreffend die Rolle des Staates vor. Demnach soll der Staat nur dann selber ein E-ID-System betreiben dürfen, wenn die Zwecke der E-ID gemäss Art. 1 BGEID nicht erfüllt werden. Der Bundesrat unterstützte diese Subsidiaritätsregel nun, da sie die Voraussetzungen für das Tätigwerden des Staates klar formuliere und der Bund auch ohne diese Einschränkung ohnehin nur mit gebührender Zurückhaltung agiert hätte. Entgegen einer Minderheit Min Li Marti (sp, ZH), die von der SP-, der Grünen- sowie einzelnen Mitgliedern der FDP-Fraktion getragen wurde und an der ständerätlichen Version festhalten wollte, entschied sich die grosse Kammer für diesen neuen Kompromiss. Bezüglich der Eidcom hatte sich die Mehrheit der RK-NR seit der letzten Beratung umstimmen lassen; sie setzte sich nun gemeinsam mit dem Bundesrat für deren Einführung als unabhängige Aufsicht ein, da der Staat, würde er subsidiär tätig, sich im Falle der Aufsicht durch das Informatiksteuerungsorgan des Bundes letztlich selber beaufsichtigen würde. Die Mehrheit des Nationalratsplenums liess sich davon überzeugen und schloss sich mit 113 zu 69 Stimmen dem Ständerat an, während die SVP- und die BDP-Fraktionen sowie einige FDP-Vertreterinnen und -vertreter dagegen votierten. Dem ständerätlichen Kompromiss beim Datenschutz stimmte die grosse Kammer stillschweigend ebenfalls zu.
In der einen verbleibenden Differenz zum subsidiären E-ID-System des Bundes schloss sich der Ständerat schliesslich stillschweigend dem neuen nationalrätlichen Vorschlag an. Die so bereinigte Vorlage passierte die Schlussabstimmung im Nationalrat mit 144 zu 51 Stimmen bei 2 Enthaltungen und jene im Ständerat mit 35 zu 2 Stimmen bei 8 Enthaltungen. Wie bereits seit längerem angekündigt, zeigten sich die SP und die Grünen nicht zufrieden mit dem Gesetz, weil sie sich die Herausgabe der E-ID durch den Staat gewünscht hätten. Das letzte Wort in dieser Angelegenheit dürfte wohl das Volk haben, mutmasste die Presse.

E-ID-Gesetz
Dossier: Elektronische Identität

Eine knappe Mehrheit von 97 zu 94 Nationalratsmitgliedern unterstützte in der Herbstsession 2019 das Anliegen einer Motion Quadranti (bdp, ZH), dass der Bund «hate crimes» aufgrund der sexuellen Orientierung, der Geschlechtsidentität, des Geschlechtsausdrucks oder von Geschlechtsmerkmalen statistisch erfassen sollte. Solche Daten böten die Grundlage zur Problemlösung und könnten Ansatzpunkte für die Prävention aufzeigen, argumentierte Quadranti. Der Bundesrat hatte die Ablehnung der Motion beantragt. Er befürchtete eine ungenügende Datenqualität, denn die Angabe des Tatmotivs erfolge in der polizeilichen Kriminalstatistik nur auf freiwilliger Basis. Mit der Einführung eines Straftatbestands für Diskriminierung aufgrund der sexuellen Orientierung würde die Erfassung in der polizeilichen Kriminalstatistik – wie für alle Straftatbestände des StGB – ohnehin obligatorisch werden. Im Falle der Ablehnung anlässlich des bevorstehenden Referendums könnte sich der Bundesrat hingegen eher Umfragen bei den betroffenen Gruppen vorstellen, erklärte Innenminister Alain Berset, von denen er sich aussagekräftigere Resultate verspreche als von der Erfassung durch die Polizei. Die grosse Kammer folgte indes mehrheitlich dem Aufruf Quadrantis, einen Schritt zu tun, um die «Problemdimension sichtbar» zu machen.

Statistische Erfassung von «hate crimes» aufgrund von sexueller Orientierung, Geschlechtsidentität, Geschlechtsausdruck oder Geschlechtsmerkmalen

Wie zuvor schon der Nationalrat nahm auch der Ständerat die Motion Flach (glp, AG) zum Sanierungsverfahren für Privatpersonen diskussionslos an. Sowohl die RK-SR als auch der Bundesrat hatten die Annahme der Motion beantragt.

Sanierungsverfahren für Privatpersonen. Bessere Zukunftsperspektiven für Schuldner und Gläubiger (Mo. 18.3683)

Rund zwei Jahre nach dem Beschluss des Bundesrates für die Schaffung einer nationalen Menschenrechtsinstitution (NMRI) und rund eineinhalb Jahre nach Ablauf der Vernehmlassungsfrist zum entsprechenden Bundesgesetz fehlte von der neuen Institution «immer noch jede Spur», wie das St. Galler Tagblatt im Mai 2019 konstatierte. Schuld an der Verzögerung, so der einheitliche Tenor in der Presse, sei Aussenminister Ignazio Cassis, der das Projekt, das noch von seinem Vorgänger Didier Burkhalter aufgegleist worden war, nun «auf die lange Bank» schiebe, wie die NZZ titelte. Es wurde gemutmasst, der neue EDA-Vorsteher sei mit der in der Vernehmlassung vorgeschlagenen Version nicht zufrieden und plane die Entschlackung des Projekts, zumal nach den ablehnenden Stellungnahmen der SVP und der FDP die Chancen im Parlament nicht besonders gut stünden. Ausser Spekulationen blieben den beteiligten Akteuren mangels amtlicher Informationen allerdings nur wenige Möglichkeiten; das EDA liess gemäss St. Galler Tagblatt einzig verlauten, man arbeite an einer mit den Pariser Prinzipien konformen Institution, die voraussichtlich im Januar 2021 den Betrieb aufnehmen werde. «Man hält uns hin», beklagte sich Eugen David, Präsident des Beirats des Schweizerischen Kompetenzzentrums für Menschenrechte (SKMR) – immerhin des Pilotprojekts, das durch die NMRI abgelöst werden sollte – in der NZZ. Skepsis bezüglich der Fortführung des Projekts breitete sich allmählich nicht nur bei der SKMR und einigen Menschenrechtsorganisationen, sondern auch in parlamentarischen Kreisen aus. SP-Nationalrätin Yvonne Feri (sp, AG) fragte den Bundesrat mittels Interpellation (Ip. 19.3443), wie es um die Zukunft des SKMR stehe, dessen Pilotphase Ende 2020 ende, und wie die Regierung gedenke, einen bruchlosen Übergang zur neuen Institution sicherzustellen. Im Juni doppelte BDP-Ratskollegin Rosmarie Quadranti (bdp, ZH) mit einer Motion (Mo. 19.3610) nach und forderte den Bundesrat nachdrücklich auf, «die Gesetzesvorlage zur Schaffung einer nationalen Menschenrechtsinstitution (NMRI) dem Parlament rasch zu unterbreiten».

Schaffung einer nationalen Menschenrechtsinstitution (NMRI)
Dossier: Nationale Menschenrechtsinstitution

Wie schon in der Vernehmlassung stellte sich auch im Nationalrat die Frage der Aufgabenteilung zwischen Staat und Privatwirtschaft als der zentrale Knackpunkt des Bundesgesetzes über elektronische Identifizierungsdienste (E-ID-Gesetz) heraus. Während Eintreten in der Frühjahrssession 2018 unbestritten war, wurde lange und ausführlich über einen Rückweisungsantrag der links-grünen Kommissionsminderheit diskutiert, mit dem der Bundesrat beauftragt werden sollte, eine Vorlage auszuarbeiten, die die Ausstellung der E-ID als öffentliche Aufgabe definiert, die der Bund allenfalls mittels Leistungsauftrag an Private übertragen könnte. Die SP- und die Grüne Fraktion unterstützten die Rückweisung mit dem Argument, analoge Ausweise wie der Pass und die Identitätskarte würden auch vom Staat ausgegeben. Alle übrigen Fraktionen sprachen sich jedoch für die vom Bundesrat vorgeschlagene Lösung aus, wonach die Prüfung und Bestätigung der Identität einer Person dem Staat zufallen, die technologische Umsetzung der E-ID hingegen von der Privatwirtschaft übernommen werden soll. Sie betonten, privatwirtschaftliche Anbieter könnten besser auf die technologischen Entwicklungen und die Bedürfnisse der Anwenderinnen und Anwender reagieren, was die E-ID sicherer und nutzerfreundlicher mache; die Innovation werde durch den Wettbewerb gefördert. Mit 131 zu 53 Stimmen bei 2 Enthaltungen wurde das links-grüne Lager überstimmt und der Rückweisungsantrag abgelehnt.
Auch in der Detailberatung stand das links-grüne Lager mehr oder weniger isoliert; alle dessen Minderheitsanträge wurden mit grosser Mehrheit abgelehnt. Die Streichung der Sorgfaltspflichten für E-ID-Inhaberinnen und -Inhaber aus dem Gesetz, wie erstens von einer Minderheit Arslan (basta, BS) gefordert, ändere nichts an der Rechtslage, so die Ansicht der ablehnenden Ratsmehrheit, da die Verschuldenshaftung des OR ohnehin zum Tragen komme – d.h. haftbar ist grundsätzlich, wer in Verletzung von Sorgfaltspflichten einen Schaden verursacht. Um die E-ID nutzen zu können, müssen die Antragstellerinnen und Antragsteller zweitens einwilligen, dass ihre persönlichen Daten ans Fedpol übermittelt werden, damit dieses die Identität bestätigen kann. Ebenfalls eine Minderheit Arslan beantragte, diese Einwilligung durch eine Kenntnisnahme der Übermittlung zu ersetzen, da man sie nicht verweigern könne, sofern man die E-ID nutzen möchte, und unterlag damit der Mehrheit, die fand, die Formulierung mache hier letztendlich keinen Unterschied, wobei die Einwilligung einfacher verständlich sei. Drittens wollte eine Minderheit Marti (sp, ZH) dem Bund die Möglichkeit einräumen, ein eigenes E-ID-System zu betreiben bzw. sich an einem bestehenden System zu beteiligen, und zwar nicht nur wie im Entwurf vorgesehen, wenn der Markt kein Angebot mit den für behördliche Applikationen geforderten Sicherheitsniveaus «substanziell» und «hoch» bereitstellt. Damit sollte verhindert werden, dass bei Nichtfunktionieren der Marktlösung, z.B. infolge Vertrauensverlust nach Hackerangriffen oder Ausstieg der Anbieter aufgrund zu geringer Rentabilität, gar keine E-ID mehr angeboten wird. Der Ratsmehrheit zufolge sei jedoch ein Staatseingriff nur subsidiär zum Markt akzeptabel und eine Mehrheitsbeteiligung von Bundesunternehmen an E-ID-Anbietern nicht wünschenswert, weshalb es keine solche Bestimmung brauche; mit Minderheitsanteilen seien die SBB, die Post und die Swisscom auch ohne explizite gesetzliche Grundlage bereits am SwissSign-Konsortium beteiligt. Viertens solle die Beantragung einer E-ID nicht nur wie vom Bundesrat vorgesehen online direkt beim Anbieter, sondern auch analog auf der Gemeindekanzlei oder beim Passbüro eingeleitet werden können, um Nicht-Digital-Natives den Zugang zu erleichtern, so ein Minderheitsantrag Flach (glp, AG). Die ablehnende Mehrheit argumentierte jedoch, man wolle den Gemeinden und Kantonen keine Zusatzaufgaben aufbürden und ohnehin würden Personen, die nicht mit dem Internet vertraut sind, keine E-ID benutzen. Weitere Minderheiten forderten vergebens die sofortige Vernichtung der Daten durch die Identity Provider, statt wie vorgesehen die Löschung nach sechs Monaten, ein explizites Verbot der kommerziellen Nutzung dieser Daten (beide Arlsan), die Anbindung der Preise an die tatsächlich anfallenden Kosten (Marti) und ausdrückliche Garantien, dass staatliche Dienstleistungen auch weiterhin ohne E-ID zugänglich und eine E-ID auch ohne Kundenbeziehung zum Anbieter erhältlich sein müssen (beide Mazzone, gp, GE).
Als Einzige mit ihrem Minderheitsantrag erfolgreich war Andrea Gmür-Schönenberger (cvp, LU), die Bundesrätin Karin Keller-Sutter sowie eine knappe Ratsmehrheit von der Notwendigkeit überzeugen konnte, den barrierefreien Zugang zur E-ID im Gesetz zu verankern, sodass Menschen mit Behinderung bei der Beantragung einer E-ID nicht benachteiligt werden. Als zweite substanzielle Änderung am bundesrätlichen Entwurf ergänzte der Nationalrat das Gesetz auf Antrag seiner Kommission dahingehend, dass die Identity Provider allen Personen, die einen Antrag stellen und die Voraussetzungen erfüllen, eine E-ID ausstellen müssen. Der Bundesrat plädierte vergeblich für die Wirtschaftsfreiheit der privaten Anbieter. Mit 181 zu 1 Stimme war die grosse Kammer der Ansicht, dass niemand von der E-ID ausgeschlossen werden soll. Das viel und heftig diskutierte, am Ende gegenüber dem Entwurf des Bundesrates aber nur leicht angepasste Gesetz passierte die Gesamtabstimmung im Nationalrat schliesslich mit 128 zu 48 Stimmen bei 4 Enthaltungen; dagegen votierten die Fraktionen der Grünen und der SP – letztere mit einer Ausnahme – geschlossen.

E-ID-Gesetz
Dossier: Elektronische Identität

Diskussionslos nahm der Nationalrat in der Herbstsession 2018 eine Motion Flach (glp, AG) für ein Sanierungsverfahren für Privatpersonen an. Der Bundesrat soll dazu verschiedene Varianten prüfen und anschliessend einen Gesetzesentwurf vorlegen. In seinem Bericht vom März 2018 in Erfüllung eines Postulats Hêche (sp, JU) war der Bundesrat zum Schluss gekommen, dass diesbezüglich Handlungsbedarf bestehe. Ein Entschuldungsverfahren für Privatpersonen könne den Schuldnern eine Perspektive eröffnen und Fehlanreize beseitigen, wovon auch die Gläubiger und die Gesellschaft als Ganzes profitierten, zitierte der Motionär den Bericht in der Begründung seines Vorstosses. Der Bundesrat hatte sich bereits im Bericht dazu bereit erklärt, auf Aufforderung des Parlaments hier tätig zu werden, weshalb er auch die Motion zur Annahme beantragt hatte.

Sanierungsverfahren für Privatpersonen. Bessere Zukunftsperspektiven für Schuldner und Gläubiger (Mo. 18.3683)

Wie im vergangenen Dezember schon der Ständerat und dessen sicherheitspolitische Kommission stellte im Frühjahr 2018 auch die SiK-NR Handlungsbedarf im Informationssicherheitsmanagement des Bundes fest. Anders als ihre Schwesterkommission, der die kleine Kammer widerstandslos gefolgt war, zweifelte die nationalrätliche Kommission jedoch am Mehrwert, den das Informationssicherheitsgesetz mit sich brächte. Die bedeutendsten Unbekannten im Gesetzgebungsprojekt waren nach wie vor die Kosten und der Personalaufwand im Zusammenhang mit der Umsetzung. Während sich der Ständerat mit der Zusicherung zufriedengegeben hatte, zu den Kosten später noch einmal konsultiert zu werden, beauftragte die SiK-NR die Verwaltung, die Kosten und den Personalaufwand für verschiedene mögliche Sicherheitsniveaus zu beziffern. Es wurden also drei mögliche Szenarien vorgestellt: Ambitionsniveau 1 mit Kosten von CHF 5 Mio. und 9,5 bis 15,5 zusätzlichen Stellen, Ambitionsniveau 2 mit Kosten von CHF 33 bis 58 Mio. und 42 zusätzlichen Stellen sowie Ambitionsniveau 3 mit Kosten von CHF 62 bis 87 Mio. und 78 zusätzlichen Stellen. Für die Kommissionsmehrheit standen diese beträchtlichen Kosten in einem ungenügenden Verhältnis zum Ertrag und darüber hinaus befürchtete sie, der neu geschaffene, komplexe Informationsschutzapparat könnte eine Eigendynamik entwickeln und sich zunehmend der Kontrolle durch das Parlament entziehen. Aus diesen Gründen beantragte die Mehrheit der SiK-NR ihrem Rat Nichteintreten. Eine Minderheit erachtete hingegen den gesamtheitlichen Ansatz der Vorlage als zentral, um die Informationssicherheit beim Bund zu verbessern. Sie hielt die Kosten für vertretbar, da dadurch Sicherheitslücken geschlossen und die Koordination erheblich verbessert werden könne. Einen drohenden Kontrollverlust des Parlaments sah sie nicht und beantragte folglich Eintreten. Die Eintretensdebatte gestaltete sich dementsprechend umfangreich, kontrovers und emotionsgeladen.

Die bürgerlichen Fraktionen machten sich – mit Ausnahme der BDP – für den Nichteintretensantrag stark. Die Kosten entsprächen einer «Blackbox» und es sei «unseriös», nur auf Annahmen gestützt zu entscheiden; anstatt Experimente zu machen, sollten besser bestehende Gesetze angepasst werden, um die Sicherheit zu gewährleisten, so Ida Glanzmann-Hunkeler (cvp, LU) als Vertreterin der CVP-Fraktion. David Zuberbühler (svp, AR) legte die Ansicht der SVP-Fraktion dar: Das Gesetz sei ein neues «Bürokratiemonster», biete nur «Scheinsicherheit» und sei einen konkreten Nutzennachweis bisher schuldig geblieben, weshalb es «brandgefährlich» sei, darauf einzutreten. Für die FDP-Fraktion waren vor allem die Bedenken bezüglich der Kostenfolgen ausschlaggebend dafür, dass man nicht auf das überladene Gesetz und den damit verbundenen «Blindflug» eintrete. Demgegenüber stellte BDP-Fraktionssprecherin Rosmarie Quadranti (bdp, ZH) Eintreten als alternativlos dar; angesichts des Handlungsbedarfs sei Nichtstun jetzt «fahrlässig». Priska Seiler Graf (sp, ZH) hielt als Vertreterin der SP-Fraktion eine regelrechte Brandrede für Eintreten: Das Gesetz werde dringend benötigt und es sei «fatal», dass anstelle der Sicherheitsfragen vielmehr die finanziellen Folgen im Zentrum der Beratungen in der sicherheitspolitischen Kommission gestanden hätten. Sie warf der SiK «Arbeitsverweigerung» vor und wies darauf hin, dass man nach dem Eintreten die Möglichkeit hätte, das – je nach Ansicht überladene, unberechenbare oder lückenhafte – Gesetz zu «entrümpeln». Arbeitsscheue sei in diesem Fall jedoch «geradezu verantwortungslos», denn auch ein Versäumnis ziehe unbezifferbare Kosten nach sich. Ins gleiche Horn blies auch der Grünen-Vertreter Balthasar Glättli (gp, ZH), indem er Nichteintreten als «Dienstverweigerung» bezeichnete und argumentierte, dass Informationssicherheitslecks sowohl Reputations- als auch Finanzschäden zur Folge hätten. Auch Beat Flach (glp, AG) als Sprecher der GLP-Fraktion erschien es unverständlich, weshalb trotz erkanntem Handlungsbedarf nicht eingetreten werden sollte; ein weiteres Mal fiel das Wort «Arbeitsverweigerung». Die Abstimmung ergab schliesslich 117 zu 68 Stimmen für Nichteintreten (8 Enthaltungen). Obschon die Fraktionen der BDP, der SP, der Grünen und der GLP geschlossen für Eintreten votierten, besiegelte die geballte Stimmkraft des SVP-/FDP-/CVP-Blocks mit nur drei Abweichlern den Nichteintretensentscheid.

Informationssicherheitsgesetz (BRG 17.028)

Die Veröffentlichung des Ergebnisses der Vorprüfung durch die Bundeskanzlei Mitte März 2016 war für das Egerkinger Komitee der Startschuss zur Unterschriftensammlung für die Volksinitiative «Ja zum Verhüllungsverbot», deren Text sich am Tessiner Verhüllungsverbot orientierte. Die dazugehörige medienwirksame Inszenierung auf dem Bundesplatz, bei der einige Komitee-Mitglieder als vermummte Chaoten und Burkaträgerinnen – zum Teil mit Sprengstoffgürtel-Attrappe – verkleidet posierten, hatte für das Komitee ein juristisches Nachspiel. Im Kanton Bern gilt seit 1999 ein Vermummungsverbot bei unbewilligten Demonstrationen, weshalb die Stadt Bern das Komitee wegen «Kundgebung ohne Bewilligung» mit 500 Franken büsste, wie die Aargauer Zeitung berichtete. Da die eidgenössischen Räte sich später aber gegen die Aufhebung der parlamentarischen Immunität Walter Wobmanns – Präsident des Komitees und Nationalrat – entschieden, musste die Busse nicht bezahlt werden.
Einige Monate nach Anlaufen der Unterschriftensammlung, im Sommer 2016, vereinnahmte der Zürcher SP-Regierungsrat Mario Fehr die Schlagzeilen zur Burka-Debatte, indem er sich als prominenter Vertreter des linken Lagers zu den bisher hauptsächlich rechtsbürgerlichen Befürwortern eines Verhüllungsverbots gesellte. Burkas gehörten nicht in die Schweiz, denn in einer liberalen Gesellschaft zeige man das Gesicht, zitierte ihn die Presse. Erwartungsgemäss löste er mit dieser «Provokation», wie die NZZ seinen öffentlichen Positionsbezug gegen die Parteilinie nannte, weit über seine eigene Partei hinaus einen Sturm der Entrüstung aus. Linke wie Liberale warfen ihm ein seltsames Verständnis von Liberalismus vor. Doch es zeigte sich auch, dass die SP in dieser Frage keineswegs geeint war. Mit Pierre-Yves Maillard (sp, VD) und Anita Fetz (sp, BS) sprachen sich in den Tagen darauf zwei weitere SP-Aushängeschilder gegen die Burka in der Schweiz aus und auch bei der Parteibasis erfreue sich Fehr – nicht nur, aber auch wegen seiner Haltung in der Burka-Frage – grosser Beliebtheit, erklärte der Zürcher SP-Präsident Daniel Frei. Christian Levrat (sp, FR), Präsident der SP Schweiz, betonte gegenüber «La Liberté» unterdessen, dass die Burka aus der Schweiz verschwinden müsse, aber die Initiative der SVP der falsche Weg sei. Einig waren sich die Beteiligten letztlich darin, dass die Debatte über das Burkaverbot parteiintern noch geführt werden müsse.
Damit war die SP jedoch nicht allein; gespalten zeigten sich in der Burka-Frage auch die FDP, die CVP und sogar die SVP, deren Nationalräte Claudio Zanetti (svp, ZH) und Alfred Heer (svp, ZH) zu den prominentesten Gegnern des Burkaverbots gehörten. Handkehrum sprachen sich nach dem «Bekenntnis» Fehrs auch immer mehr bürgerliche Politikerinnen und Politiker öffentlich für ein Burkaverbot aus, auch wenn dieses ihrer Meinung nach nicht in die Verfassung gehöre, sondern vielmehr auf Gesetzesebene oder kantonal geregelt werden solle. Den «rasanten Meinungsumschwung» im bürgerlichen Lager beäugte Initiant Walter Wobmann eher skeptisch und brachte den Vorwurf des politischen Opportunismus aufs Tapet.
Nichts zur Entkräftung dieses Vorwurfs beitragen konnten die Ende August publizierten Resultate einer repräsentativen Umfrage von «Le Matin Dimanche» und der Sonntagszeitung, wonach 71 Prozent der befragten Stimmberechtigten ein Verhüllungsverbot in der Schweiz befürworteten. Fast alle (96%) der befragten SVP-Wählerinnen und -Wähler sprachen sich dafür aus; bei den anderen bürgerlichen Parteien BDP, CVP und FDP äusserten sich rund drei Viertel positiv zu einem Verbot. Die Wählerschaften der GLP und der SP zeigten sich mit 54 bzw. 47 Prozent Zustimmung gespalten, während die Basis der Grünen als einzige klare Ablehnung signalisierte. Eine weitere Umfrage im Auftrag der «Schweiz am Sonntag», deren Ergebnisse drei Wochen später veröffentlicht wurden, bestätigte diese Tendenz, wenn auch in leicht abgeschwächter Form. Hier sprachen sich schweizweit rund 61 Prozent der Befragten für ein Verhüllungsverbot aus, ältere deutlich stärker als jüngere.
Als Alternative zum Burkaverbot in der Verfassung, das allenfalls Signalwirkung habe, aber keine Probleme löse, erneuerte CVP-Präsident Gerhard Pfister (cvp, ZG) unterdessen die Idee eines Religionsartikels in der Verfassung. Es müsse eine grundsätzliche und breitere Diskussion darüber stattfinden, «welche Werte in unserer Gesellschaft für alle gelten sollen» und «wie unsere Rechtsordnung gegen fundamentalistische Ideologien durchgesetzt werden» könne, so Pfister gegenüber dem St. Galler Tagblatt. Der Aargauer SP-Nationalrat Cédric Wermuth griff die Idee Pfisters auf und präsentierte in der «Schweiz am Sonntag» einen Entwurf für einen solchen Religionsartikel, den er als «Koalitionsangebot an die progressiven Kräfte – nicht nur, aber auch im Islam» bezeichnete. Der Vorschlag sah Gleichbehandlung und Nichtdiskriminierung für alle religiösen Gemeinschaften bei gleichzeitiger Verpflichtung derselben auf die Werte der Bundesverfassung vor und gründete in der Hoffnung, durch die staatliche Anerkennung des Islams dessen fundamentalistische Strömungen zurückzudrängen. Da ein solcher Toleranzartikel jedoch einerseits die Abschaffung des Minarettverbots bedeutete und andererseits viele neue Fragen nach tolerablen und intolerablen Glaubensäusserungen aufwürfe, räumten ihm die Medien keine allzu grossen Erfolgschancen ein. Auch von Seiten christlicher und muslimischer Religionsgemeinschaften äusserten sich kritische Stimmen zu diesem Vorhaben.
Zur Halbzeit der Sammelfrist, Anfang 2017, gab Initiant Walter Wobmann in der Presse bekannt, sein Komitee habe bereits 70'000 Unterschriften beisammen und schaue somit zuversichtlich dem Ablauf der Frist Mitte September entgegen. Derweil zeichnete sich auch immer deutlicher ab, dass ein indirekter Gegenvorschlag mit einem Verbot auf Gesetzesstufe durchaus denkbar sein würde und dass ein solcher bei vielen v.a. bürgerlichen Parlamentarierinnen und Parlamentariern wohl auf Unterstützung zählen könnte. Darauf liess sich Wobmann im «Blick» zitieren: Falls der Inhalt des Gegenvorschlags deckungsgleich zu jenem der Volksinitiative wäre, werde man den Rückzug der Initiative in Betracht ziehen.
Anfang September 2017, also noch vor Ablauf der Sammelfrist, präsentierte der Ausserrhoder FDP-Ständerat Andrea Caroni bereits ein Nein-Komitee zum Verhüllungsverbot, für dessen Co-Präsidium er Vertreterinnen und Vertreter aus allen Fraktionen gewinnen konnte. Zu seinen Mitstreitenden zählten gemäss «Sonntags-Blick» SVP-Nationalrat Claudio Zanetti, die Zürcher Nationalrätinnen Tiana Angelina Moser von der GLP, Barbara Schmid-Federer von der CVP und Rosmarie Quadranti von der BDP sowie die Ständeräte Hans Stöckli (sp, BE) und Robert Cramer (gp, GE). Caroni nannte die Initiative des Egerkinger Komitees «Symbolpolitik», die ein «Scheinproblem» lösen wolle. Es gehe den Initianten nicht um Frauenrechte, sondern um den «Kulturkampf gegen den Islam». Ausserdem verletze ein nationales Verbot den Föderalismus; einen Entscheid sollte jeder Kanton für sich treffen, präsentierte er seine Argumente im «Sonntags-Blick». Initiant Wobmann kommentierte die Gründung des Gegenkomitees laut «Blick» mit der Bemerkung, Caroni verfüge über «spezielle Hirnwindungen». Unverständlich sei für ihn auch, was in seinen Parteikollegen Zanetti gefahren sei, dass er sich so vehement gegen die Initiative engagiere.

Volksinitiative «Ja zum Verhüllungsverbot» und indirekter Gegenvorschlag (19.023)
Dossier: Nationales Burkaverbot

Lange bevor der Bundesrat Mitte Juni 2016 mit seiner Medienkonferenz den Abstimmungskampf zum Nachrichtendienstgesetz offiziell eröffnete, wurde das Thema breit in der Öffentlichkeit diskutiert. Anlass dazu boten etwa die Terroranschläge in Brüssel vom 22. März 2016, in deren Nachgang bürgerliche Sicherheitspolitikerinnen und -politiker den Bundesrat dazu aufforderten, dem Nachrichtendienst per dringlichem Bundesbeschluss schleunigst zu den notwendigen Kompetenzen zu verhelfen. Man könne nicht warten, bis das neue NDG nach der Referendumsabstimmung vom September in Kraft treten könne; die jüngsten Anschläge hätten gezeigt, «dass die Bedrohung durch Terrorismus real ist», erklärte die Präsidentin der SiK-NR, Ida Glanzmann-Hunkeler (cvp, LU), gegenüber der NZZ. In Zeiten wie diesen sei es «unsinnig», dass der NDB in seiner Arbeit behindert werde, zitierte die «Tribune de Genève» dazu SiK-SR-Präsident Isidor Baumann (cvp, UR). Der NDB sei momentan «blind und taub», mahnte der Genfer Sicherheitsdirektor Pierre Maudet (GE, fdp) an gleicher Stelle. Obschon die Forderung unerfüllt verhallte, lagen die Hauptargumente für das neue Nachrichtendienstgesetz damit schon einmal auf dem Tisch.

Dass ein grosser Teil der Schweizer Bevölkerung ähnlich dachte, zeigte die im Mai veröffentlichte Studie «Sicherheit 2016» der ETH Zürich. Darin schätzten rund drei Viertel der Befragten die weltpolitische Lage (eher) pessimistisch ein, wobei die Erhebungen bereits im Januar und damit vor den Terrorattacken in Brüssel stattgefunden hatten. Damit einher gingen ein gegenüber dem Vorjahr gestiegenes subjektives Unsicherheitsempfinden sowie die klare Unterstützung von Massnahmen zur Wahrung der inneren Sicherheit wie Datensammlungen über verdächtige Personen, Armeeeinsätze zur Sicherstellung von Ruhe und Ordnung, die Aufstockung der Polizeikorps, Videoüberwachung im öffentlichen Raum oder vorsorgliche Verhaftungen. Von einer gewissen Ambivalenz zeugten die Antworten zum Verhältnis von Freiheit und Sicherheit: 55 Prozent der Befragten waren der Meinung, dass der Staat die Sicherheit der Bevölkerung auch auf Kosten der persönlichen Freiheit garantieren solle, gleichzeitig würden sich aber ebenfalls 55 Prozent für Freiheit statt Sicherheit entscheiden, wenn sie gezwungen wären, eins der beiden zu wählen. Zwei Drittel befürworteten aber die Terrorismusbekämpfung auch unter Einschränkung der persönlichen Freiheit – ein Ergebnis, das «Wasser auf die Mühlen der Befürworter» des neuen NDG sei, wie das St. Galler Tagblatt resümierte.

Weiteren Impetus fand die Befürworterseite in der Tatsache, dass sich offenbar auch der IZRS an der Unterschriftensammlung gegen das NDG beteiligt hatte, wie die Luzerner Zeitung Mitte Juni bekannt machte. Die umstrittene islamische Organisation sehe im NDG ein «Vehikel gegen Muslime», in dessen Fokus «je nach politischem Klima» auch andere Gruppen geraten könnten, weshalb Mediensprecher Qaasim Illi zur Unterschrift gegen das NDG aufgerufen habe. Im Einsatz für das NDG sah man sich dadurch bestätigt, denn es sei «bezeichnend», dass «ein Verein wie der IZRS, der selber im Fokus des NDB stehen könnte», gegen das Gesetz mobil mache, zitierte die Zeitung Ida Glanzmann-Hunkeler. Sogar Bundesrat Guy Parmelin sollte den Widerstand des IZRS einige Tage später vor den Medien lakonisch als «beste Werbung für das Gesetz» bezeichnen. Die Gegenseite distanzierte sich derweil von «diesen Extremisten», wie SP-Sprecher Michael Sorg betonte; man sei nicht verbündet und stehe in keinerlei Kontakt. Aus dem Abstimmungskampf wollte sich der IZRS denn auch heraushalten, wie er über eine Sprecherin verlauten liess.

Auf der Pro-Seite stand neben dem Bundesrat ein überparteiliches Ja-Komitee, das Parlamentarierinnen und Parlamentarier aller grösseren Parteien ausser den Grünen vereinte. Im Laufe der Kampagne sprachen sich zudem die Ost- und Westschweizer Konferenzen der Justiz- und Polizeidirektorinnen und -direktoren sowie die Regierungsräte der Kantone Zürich und Schaffhausen für das NDG aus. Das Hauptargument für das neue Gesetz war, dass die Mittel des schweizerischen Nachrichtendienstes an die aktuelle Bedrohungslage angepasst werden müssten, denn mit seinen heutigen Instrumenten könne er die Schweiz nicht ausreichend vor den sich ständig verändernden und komplexer werdenden Gefahren schützen. Der NDB sei schlicht «überholt», konstatierte FDP-Nationalrätin Corina Eichenberger (fdp, AG) gegenüber der Presse. Klar könne das Risiko nicht vollständig eliminiert werden, aber es seien schon viele Attentate dank Überwachung verhindert worden, pries SVP-Ratskollege Raymond Clottu (svp, NE) die neuen Überwachungsmöglichkeiten an. Als die Ziele des NDG nannte Verteidigungsminister Guy Parmelin einerseits die präventive Überwachung der «gefährlichsten Individuen» (NZZ) sowie andererseits die Erschwerung von Cyberangriffen und -spionage, wie im Fall der Ruag, der Anfang 2016 aufgedeckt worden war. Als weiteren Vorzug des neuen Gesetzes hob NDB-Chef Markus Seiler die Vereinfachung der internationalen Zusammenarbeit in der Terrorismusbekämpfung hervor. Gleichzeitig warnte er vor einer Schwächung der internationalen Stellung der Schweiz, sollte das Gesetz abgelehnt werden, denn je weniger eigene nachrichtendienstliche Erkenntnisse die Schweiz habe, umso grösser sei die Gefahr, von ausländischen Geheimdiensten instrumentalisiert zu werden. Es sei aber mitnichten die Absicht des neuen Gesetzes, alle Bürgerinnen und Bürger zu überwachen und selbstverständlich müsse Missbrauch verhindert werden, betonte Bundesrat Parmelin weiter. Auch das Komitee erklärte, umfassende Kontrollmechanismen und eine gut ausgebaute Aufsicht über den Nachrichtendienst verhinderten, dass ein Überwachungsstaat geschaffen werde. Die Befürworterinnen und Befürworter wurden nicht müde zu betonen, dass das NDG das Gleichgewicht zwischen individueller Freiheit und Sicherheit wahre und letztlich schlicht notwendig sei – oder mit den Worten von SP-Nationalrätin Rebecca Ruiz (sp, VD) in der «Tribune de Genève»: «Wir können nicht bei Windows 95 und Walkie-Talkies bleiben.» Der Status quo sei eine Reaktion auf den Fichenskandal in den 1990er-Jahren gewesen, erklärte auch EDÖB Adrian Lobsiger gegenüber der Sonntagszeitung. Seither hätten sich die Welt verändert und die Sicherheitslage verschärft. Auch er bezeichnete das NDG als «Kompromiss zwischen Freiheit und Sicherheit», liess sich aber nicht auf eine explizite Abstimmungsempfehlung hinaus. Zum frühen Zeitpunkt des offiziellen Kampagnenstarts Mitte Juni sagte Bundesrat Parmelin, er wolle eine «pädagogische» Abstimmungskampagne führen, um der Bevölkerung angesichts des heiklen und komplexen Themas genau zu erklären, was die Neuerungen seien und warum sie nötig seien.

Die Kontra-Seite bestand hauptsächlich aus dem Referendumskomitee «Bündnis gegen den Schnüffelstaat», das von den Grünen, der SP, den Juso, der Piratenpartei, der Gewerkschaft Syndicom, der Digitalen Gesellschaft, dem Verein Grundrechte.ch sowie dem Chaos Computer Club unterstützt wurde. Ein bürgerlich geprägtes Gegenkomitee um die bürgerlichen Jungparteien, kritische Parlamentarierinnen und Parlamentarier von SVP bis GLP sowie die Operation Libero, das liberale Argumente gegen das NDG anführen wollte, zerbrach hingegen, bevor es sich formieren konnte. Man habe das NDG gleichzeitig mit dem BÜPF bekämpfen wollen, aber mit dem Scheitern des BÜPF-Referendums sei die Gruppe auseinandergefallen, schilderte der Koordinator und stellvertretende SGV-Direktor Henrique Schneider dem St. Galler Tagblatt. So dominierten denn auch die von links geäusserten Bedenken das Argumentarium der Gegnerschaft. Weil es dem NDB erlaube, auf Basis blosser Vermutungen zu agieren, gehe das neue Nachrichtendienstgesetz zu weit, so das Hauptargument des Nein-Lagers. Juso-Präsidentin Tamara Funiciello nannte das NDG einen «Schritt Richtung Massenüberwachung». Mit dem Gesetz würden alle Bürgerinnen und Bürger zu Verdächtigen gemacht, sodass der NDB letztlich jeden zum potenziellen Terroristen «emporstilisieren» könne, kritisierte der Präsident des Vereins Grundrechte.ch, Viktor Györffy. Das von der Befürworterseite propagierte Gleichgewicht zwischen individueller Freiheit und Sicherheit konnte die Gegnerschaft nirgends erkennen. Mit der Stärkung des Nachrichtendienstes kreiere man nur eine «Illusion von Sicherheit», bemängelte der Grüne Nationalrat Balthasar Glättli (gp, ZH). Die Attentäter von Paris und Brüssel seien sehr wohl nachrichtendienstlich oder polizeilich bekannt gewesen, aber nichtsdestotrotz hätten die Anschläge nicht verhindert werden können. Dass eine parlamentarische oder juristische Kontrolle die Aktivitäten des NDB und damit die Eingriffe in die Grundrechte wirklich begrenzen könne, sei ebenfalls «illusorisch», so Györffy weiter. Glättli sah das Gesetz ausserdem – sowohl aufgrund der Zusammenarbeit mit ausländischen Nachrichtendiensten als auch wegen der Möglichkeit zum Eindringen in ausländische Computersysteme – als Gefahr für die Neutralität der Schweiz. Zudem missbilligte die Gegnerschaft, dass der Staat durch den Kauf von Trojanern den Schwarzmarkt für Sicherheitslücken und das organisierte Verbrechen fördere.

Insgesamt verlief die öffentliche Debatte über lange Zeit unaufgeregt und angesichts der Tragweite des Themas eher spärlich. Erst rund drei Wochen vor dem Abstimmungssonntag, im Anschluss an die SRF-«Arena» zum NDG, gewann sie «doch noch etwas an Temperatur», wie der Tages-Anzeiger kommentierte. Dabei stand das Instrument der Kabelaufklärung im Fokus, in der die Gegenseite nichts anderes als die verdachtsunabhängige Massenüberwachung erkannte. Die Beteuerung, es werde nur der grenzüberschreitende, nicht aber der inländische Internetverkehr überwacht, sei bedeutungslos, da etwa sehr viele E-Mails über ausländische Server verschickt würden, auch wenn sich Sender und Empfänger in der Schweiz befänden. Ein viel genanntes Argument gegen diese Art der Überwachung war die Suche nach der sprichwörtlichen Nadel im Heuhaufen, die eben nicht einfacher werde, wenn man den Heuhaufen vergrössere. NDG-Fürsprecherin Corina Eichenberger hielt dem in der «Tribune de Genève» entgegen, man werde im Internetverkehr schon nach sehr eng definierten Schlagworten suchen, und nicht einfach nach «Islam» oder «Bombe». Ausserdem führte die Pro-Seite an, der NDB verfüge gar nicht über genug Ressourcen für eine solche Massenüberwachung. Der Bundesrat sprach bis zuletzt von rund zehn Fällen pro Jahr, in denen bewilligungspflichtige Beschaffungsmassnahmen eingesetzt würden, wie er auch schon dem Parlament erklärt hatte. In den Medien wurde diese Zahl jedoch in Zweifel gezogen, da sich seit den parlamentarischen Beratungen die Bedrohungslage durch vermehrte Anschläge in Europa – die bisher folgenschwersten in Paris und Brüssel – und die zunehmende Anzahl Dschihad-Reisender aus der Schweiz verschärft habe. Während das VBS die Zahl als Durchschnittswert, der mit der Bedrohungslage variieren könne, verteidigte, sprach Ida Glanzmann-Hunkeler eher von 20 bis 25 Fällen pro Jahr, wobei diese Schätzung nicht statistisch extrapoliert, sondern «mehr ein Gefühl» sei, wie sie gegenüber dem Tages-Anzeiger erklärte. NDG-Gegner Balthasar Glättli sah in diesem Zahlenwirrwarr gemäss St. Galler Tagblatt ein Indiz dafür, dass «die staatlichen Schnüffler wesentlich hungriger» seien, als sie es «vor der Abstimmung zugeben» wollten. Wie der Tages-Anzeiger feststellte, wurde der Abstimmungskampf gegen Ende zum «Streit der Begrifflichkeiten», der sich vor allem um die Definition von Massenüberwachung drehte. Es sei die Antwort auf die von Beat Flach (glp, AG) in der «Arena» gestellte Frage, ob es wirklich so furchtbar sei, dass in Zukunft alles zuerst durch den Filter des NDB gehe, die Befürworter und Gegner des NDG trenne, konstatierte dieselbe Zeitung.

Die ab Mitte August durchgeführten Umfragen zeigten schon von Anfang an eine breite Unterstützung von knapp 60 Prozent für das NDG, die bis zur letzten Umfragewelle Mitte September ungefähr konstant blieb. Als wichtigste Argumente identifizierten die Befragungen die Befürchtung möglichen Missbrauchs neuer Technologien auf der Pro- sowie den mangelhaften Schutz der Privatsphäre auf der Kontra-Seite. Bei den bürgerlichen Parteien wollte die Mehrheit der Basis Ja stimmen, während die Anhängerschaft der linken Parteien mehrheitlich ein Nein einlegen wollte. Damit hatte das NDG gute Voraussetzungen, das Referendum ungefährdet zu passieren.

Neues Nachrichtendienstgesetz (BRG 14.022)
Dossier: Staatliche Überwachung
Dossier: Vorstösse und Massnahmen zur Bekämpfung islamistischer Radikalisierungstendenzen