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Die 1990 vom Bundesrat vorgelegten Entlastungsvorschläge fanden im Parlament ohne Begeisterung Zustimmung. Im Ständerat wurde von mehreren Rednern betont, dass dies keine echte Reform sei; im Nationalrat wurde auf Wortmeldungen verzichtet. Damit akzeptierte das Parlament die Kompetenzerweiterung für die Generalsekretäre der Departemente. Es erteilte dem Bundesrat ferner die Erlaubnis, Leitern von Gruppen und Ämtern den Titel Staatssekretär zu verleihen, und zwar nicht nur wie von der Regierung vorgeschlagen, für den Verkehr mit dem Ausland, sondern auch im Inland. Anderen Direktoren und Generalsekretären soll dieser Titel für die Dauer der Beteiligung an internationalen Verhandlungen temporär zugesprochen werden können [4].

Entlastungsvorschläge des Bundesrates

Der Ständerat, welcher bereits im Vorjahr eine zur Motion Petitpierre analoge parlamentarische Initiative Rhinow gutgeheissen hatte, überwies die beiden vom Nationalrat verabschiedeten Motionen ebenfalls, wobei er die Einschränkung formulierte, dass er die Motion Kühne für eine Heraufsetzung der Zahl der Bundesratsmitglieder nicht als imperatives Mandat ansehe
.

Parlamentarische Vorstösse Rhinow von 1991 für eine Regierungsreform (Pa.Iv. 90.231)

Namentlich die Fichenaffäre, aber auch der unsichere Ausgang der laufenden Verhandlungen mit der EG über den Europäischen Wirtschaftsraum (EWR) und die Probleme beim Vollzug der Asylpolitik führten zu vermehrten Zweifeln an der Funktionsfähigkeit des schweizerischen politischen Systems insgesamt und der Regierung im besonderen.

Zweifeln an der Funktionsfähigkeit

Turnusgemäss wurden in der Dezembersession Flavio Cotti mit 161 Stimmen zum Bundespräsidenten für 1991 und René Felber mit 160 Stimmen zum Vizepräsidenten gewählt.

1991 - Flavio Cotti
Dossier: Wahlen des Bundespräsidiums

Ein Entscheid über eine grundlegende Reform des Regierungssystems darf nach Ansicht des Bundesrates jedoch erst gefällt werden, wenn Klarheit über die zukünftige Stellung der Schweiz in den europäischen Institutionen herrscht. Nach der guten Aufnahme der Vorstösse Petitpierre und Rhinow im Parlament und dem bescheidenen Echo, das sein eigenes Paket mit Sofortmassnahmen ausgelöst hatte, gab der Bundesrat die Einsetzung einer Expertenkommission unter der Leitung des Staatsrechtlers Eichenberger bekannt. Diese soll das gesamte Regierungs- und Rechtssetzungssystem unter Berücksichtigung der neuen politischen Herausforderungen analysieren, die Landesregierung bei der Behandlung der parlamentarischen Vorstösse für eine Regierungs- und Verwaltungsreform beraten und Vorschläge für eine Weiterführung der organisatorischen Reformen machen.

Parlamentarische Vorstösse Rhinow von 1991 für eine Regierungsreform (Pa.Iv. 90.231)

Der Nationalrat lehnte auf Antrag seiner Kommission eine parlamentarische Initiative für eine gesetzliche Regelung der zulässigen Erwerbstätigkeiten von Ehegatten und -gattinnen von Magistratspersonen ab. Nationalrat Reichling (svp, ZH) hatte diesen Vorstoss unmittelbar nach der Rücktrittserklärung von Bundesrätin Kopp eingereicht.

Zulässige Erwerbstätigkeiten von Ehegatten und -gattinnen (Pa.Iv. 88.242)
Dossier: Affäre Kopp

Die sich namentlich im Zusammenhang mit der europäischen Integration ergebende Zunahme der internationalen Konferenzen und wohl auch die parlamentarischen Reformforderungen führten dazu, dass der Bundesrat seinen Widerstand gegenüber gewissen institutionellen Veränderungen abschwächte. Zwar ging er noch nicht so weit, eine Erhöhung der Zahl der Exekutivmitglieder ins Auge zu fassen. Aber im Sinne einer sofort wirksamen Massnahme beantragte er eine Änderung des Verwaltungsorganisationsgesetzes. Er möchte damit die Kompetenz erhalten, den Vorstehern von Gruppen und Amtern den Titel "Staatssekretär" zu verleihen. Dieser Titel wäre lediglich im Verkehr mit dem Ausland zu verwenden und könnte temporär auch anderen Amtsdirektoren und den Generalsekretären der Departemente, welche die Schweiz im Auftrag des Bundesrates an internationalen Konferenzen vertreten, zuerkannt werden. Zudem möchte der Bundesrat die Kompetenzen der Generalsekretäre erweitern. Diese sollen in Zukunft mehr Weisungsbefugnisse erhalten und den Departementschef im Ausland und in parlamentarischen Kommissionen vertreten dürfen. Bereits zuvor hatte Bundesrat Ogi in der Presse den Wunsch nach zwei Staatssekretären in seinem Departement geäussert, welche auch bei internationalen Konferenzen als anerkannte Gesprächspartner von Ministern auftreten könnten.

Entlastungsvorschläge des Bundesrates

Die wachsende Beanspruchung durch internationale Treffen auf Ministerebene diente den beiden Freisinnigen Rhinow (fdp, BL) und Petitpierre (fdp, GE) als Hauptargument für ihre im März eingereichten parlamentarischen Vorstösse für eine Regierungsreform. Im Nationalrat wurde das Anliegen als Motion der freisinnigen Fraktion eingebracht, im Ständerat als parlamentarische Initiative Rhinow. In Form einer allgemeinen Anregung werden darin folgende drei Modelle in den Vordergrund gestellt: entweder die Schaffung von Staatssekretären oder eine grössere Zahl von Bundesräten mit einem verstärkten Präsidium oder eine Regierung, welche aus einem kleinen Führungskollegium und zusätzlichen Ministern für bestimmte Fachbereiche gebildet wird. Noch bevor der Bundesrat seine eigenen Reformvorschläge vorlegen konnte (siehe unten), beschloss der Ständerat, dieser Initiative Folge zu geben und eine Kommission mit der Uberprüfung der Vorschläge Rhinows zu beauftragen. Die Volkskammer, in der auch eine Motion Kühne (cvp, SG) zur Erhöhung der Anzahl der Mitglieder des Bundesrats hängig ist, befasste sich noch nicht mit dem Vorstoss. Mit der Überweisung von zwei gleichlautenden Postulaten von Ständerat Gadient (svp, GR) und der SVP-Fraktion beauftragte das Parlament zudem den Bundesrat, einen Bericht über mögliche Reformen zur Verbesserung der Führungsstrukturen auf allen Ebenen der Bundesverwaltung vorzulegen.

Parlamentarische Vorstösse Rhinow von 1991 für eine Regierungsreform (Pa.Iv. 90.231)

Die Vorschläge von Rhinow und Petitpierre blieben aber nicht unwidersprochen. SVP-Präsident Uhlmann, welcher zuvor an einer Parteidelegiertenversammlung dem Bundesrat Handlungsschwäche vorgeworfen und von einer eigentlichen Führungskrise gesprochen hatte, kritisierte sie als zu weitgehend und lobte das System der siebenköpfigen Kollegialbehörde als kompakt und schlagkräftig. Erforderlich seien allerdings rasche Massnahmen zur Entlastung der Bundesräte von Unwesentlichem und die Schaffung von Staatssekretären für die Vertretung der Regierung auf internationaler Ebene.

nicht unwidersprochen.

Vom 19. bis 23. Februar 1990 fand unter grosser Anteilnahme der Medien vor dem Bundesstrafgericht in Lausanne die strafrechtliche Beurteilung des Verhaltens von alt Bundesrätin Elisabeth Kopp statt. Mitangeklagt waren ihre persönliche Mitarbeiterin Katharina Schoop und die ehemalige Mitarbeiterin im Bundesamt für Justiz, Renate Schwob. Die Richter hatten abzuklären, ob es sich bei den unbestrittenermassen an den Gatten von Elisabeth Kopp weitergegebenen Informationen um Amtsgeheimnisse gehandelt hatte, und, wenn ja, ob den Angeklagten eine vorsätzliche oder zumindest eventualvorsätzliche Verletzung des Amtsgeheimnisses – nur diese ist strafbar – nachgewiesen werden kann.

Das Gericht kam zum Schluss, dass es sich bei den Informationen um Amtsgeheimnisse gehandelt habe, da der zugrundeliegende Bericht für die Bundesanwaltschaft bestimmt gewesen sei. Da jedoch nicht zweifelsfrei nachgewiesen werden konnte, dass Elisabeth Kopp um die amtliche Herkunft dieser Informationen wusste, wurde sie vom Vorwurf der vorsätzlichen Amtsgeheimnisverletzung freigesprochen. Nach Ansicht des Gerichts hatte sie es freilich zumindest an der erforderlichen Sorgfalt fehlen lassen, weshalb ihr vier Zehntel der Gerichtskosten auferlegt wurden. Das Verhalten der persönlichen Mitarbeiterin der alt Bundesrätin wurde ebenfalls als nicht strafbar taxiert. Zwar sei bei ihr der Tatbestand der vorsätzlichen Amtsgeheimnisverletzung gegeben, da sie um die Herkunft der Informationen gewusst habe. Ihr wurde aber ein Rechtsirrtum zugestanden, da sie geglaubt habe, zur Weitergabe an ihre Vorgesetzte und deren Mann berechtigt zu sein. Die dritte Angeklagte schliesslich wurde vollumfänglich freigesprochen, da sie nicht habe damit rechnen können, dass die Departementsvorsteherin und ihre persönliche Mitarbeiterin die weitergegebenen Informationen nach aussen tragen würden.

PUK zur Untersuchung der Affäre Kopp (PUK-I; BRG 89.006)
Dossier: Affäre Kopp
Dossier: Der Fichenskandal und seine Folgen

Der Bericht enthält aber auch eine detaillierte Chronik der Ereignisse vor dem Eingeständnis des Telefongesprächs von alt-Bundesrätin Kopp mit ihrem Mann. Kein gutes Licht auf die Alt-Bundesrätin warfen die im PUK-Bericht gemachten Feststellungen über ihr Verhalten. So sei sie auf den Rat ihrer eingeweihten Chefbeamten, das ominöse Telefongespräch bekanntzugeben, bevor es von den Medien aufgedeckt werde, nicht eingetreten. Kurz bevor sie durch die Berichte in der Presse dann doch zu einem Geständnis gezwungen worden sei, habe sie versucht, die Schuld auf ihre persönliche Mitarbeiterin abzuwälzen. Für die in einigen Medien geäusserten schwerwiegenderen Verdächtigungen gegen Elisabeth Kopp im Zusammenhang mit ihrer Amtsführung als Justizministerin fand allerdings auch die PUK keine Anhaltspunkte. Alt-Bundesrätin Kopp war freilich mit der Darstellung nicht einverstanden. Über ihren Anwalt verlangte sie erfolglos, dass der PUK-Bericht zurückzuziehen und das Kapitel über die Umstände ihres Rücktritts zu streichen seien. Kurz darauf wandte sie sich dann allerdings in einem Schreiben an die eidgenössischen Räte. Darin gestand sie erstmals eigene Fehler zu und entschuldigte sich für ihr Verhalten zwischen dem Telefonanruf an ihren Mann und ihrem Rücktritt.

PUK zur Untersuchung der Affäre Kopp (PUK-I; BRG 89.006)
Dossier: Affäre Kopp
Dossier: Der Fichenskandal und seine Folgen

Der Fall Kopp zeigte aber auch eine über das persönliche Schicksal hinausweisende potentielle Schwachstelle des schweizerischen politischen Systems auf: die enge Verbindung von Politik und Wirtschaft. Diese kann zwar in den Bereichen der Entscheidvorbereitung und des Vollzugs durchaus sinnvoll sein, sie enthält aber stets auch die Gefahr von unzulässigen Rücksichtnahmen und Verfilzungen. Dass die Affäre eine Angehörige des wirtschaftsnahen Zürcher Freisinns betraf, war nach der Meinung verschiedener Kommentatoren denn auch kein Zufall. Gerade dem Freisinn verbundene Zeitungen aus anderen Kantonen meldeten schon recht früh ihre Vorbehalte gegen Elisabeth Kopp an und forderten nach der Aufdeckung des Telefongesprächs nicht nur deren Rücktritt, sondern auch eine Durchleuchtung des Zürcher Freisinns durch die nationale Partei.

Debatte nach dem Rücktritt von Elisabeth Kopp
Dossier: Affäre Kopp

Da Elisabeth Kopp im Dezember 1988, unmittelbar vor dem Bekanntwerden ihres verhängnisvollen Telefongesprächs, zur Vizepräsidentin des Bundesrats gewählt worden war, musste die Bundesversammlung nach ihrem Rücktritt auch dieses Amt neu besetzen. Die Reihe war an Arnold Koller, der mit 190 Stimmen gewählt wurde. In der Dezembersession wurde Koller mit 194 Stimmen zum Präsidenten und Flavio Cotti mit 177 zum Vizepräsidenten für 1990 erkoren. Bei der Departementsverteilung blieben grössere Rochaden aus: Bundesrat Koller wurde neuer Vorsteher des EJPD, als dessen Leiter er bereits seit Kopps Rücktritt gewirkt hatte. Der neugewählte Villiger übernahm von Koller das EMD.

Ersatzwahlen für Elisabeth Kopp
Dossier: Affäre Kopp

Der am 24. November veröffentlichte Bericht der parlamentarischen Untersuchungskommission (PUK) konnte keine grundsätzlich neuen Erkenntnisse im Zusammenhang mit dem Rücktritt von Elisabeth Kopp bringen. Politisch brisanter waren seine Enthüllungen über die Aktivitäten der Bundesanwaltschaft und dabei insbesondere der politischen Polizei.

PUK zur Untersuchung der Affäre Kopp (PUK-I; BRG 89.006)
Dossier: Affäre Kopp
Dossier: Der Fichenskandal und seine Folgen

Neunzehn Nationalrätinnen aus verschiedenen Parteien nutzten die Fragestunde vom 12. Juni zu einer konzertierten Aktion gegen die Untervertretung der Frauen in den Expertenkommissionen des Bundes. Bundespräsident Delamuraz sicherte zu, dass die Landesregierung in Zukunft der Steigerung des zur Zeit 4 Prozent betragenden Frauenanteils in den rund 370 ausserparlamentarischen Kommissionen vermehrt Beachtung schenken werde. Mit der Überweisung eines Postulats Hubacher (sp, BS) verlangte der Nationalrat daraufhin die Ausarbeitung von Szenarien, welche Massnahmen beschreiben, mit denen der Frauenanteil auf 25 Prozent bis zum Jahr 1991 und auf 50 Prozent bis zum Jahr 1995 erhöht werden kann.

Frauenanteil in den Expertenkommissionen (Po. 89.458)
Dossier: Bestrebungen für Frauenquoten in politischen Ämtern, Kommissionen und der Verwaltung
Dossier: Frauenanteil in Verwaltung und Justiz

Beide Parlamentskammern stimmten in einer Sondersession im Februar 1989 der Immunitätsaufhebung von Elisabeth Kopp ohne Gegenstimme zu. Am 15. März wählte die Vereinigte Bundesversammlung den Freiburger Staatsanwalt Joseph-Daniel Piller zum ausserordentlichen Bundesanwalt. Dieser beantragte – nach Abschluss der vom eidgenössischen Untersuchungsrichter Koeferli durchgeführten Ermittlungen – beim Bundesstrafgericht Anklageerhebung wegen Amtsgeheimnisverletzung gegen Elisabeth Kopp, ihre persönliche Mitarbeiterin und eine Beamtin des EJPD. Mangels schlüssiger Anhaltspunkte verzichtete Piller hingegen darauf, eine Strafverfolgung wegen Begünstigung zu beantragen. Die Anklagekammer des Bundesgerichts, welche überprüfen musste, ob die Anklageschrift den gesetzlichen Erfordernissen entsprach und ob die Anklage grundsätzlich gerechtfertigt sei, entschied sich anfangs November 1989 für eine Zulassung der Klage.

PUK zur Untersuchung der Affäre Kopp (PUK-I; BRG 89.006)
Dossier: Affäre Kopp
Dossier: Der Fichenskandal und seine Folgen

Bei einem absoluten Mehr von 118 Stimmen wählte die Vereinigte Bundesversammlung am 1. Februar 1989 im ersten Wahlgang mit 124 Stimmen Kaspar Villiger zum neuen Bundesrat; 35 Stimmen entfielen auf Franz Steinegger (fdp, UR), 33 auf Monika Weber (ldu, ZH) und 19 auf Liliane Uchtenhagen (sp, ZH). Mit dieser Wahl wurden gleich zwei Traditionen gebrochen: Zum ersten Mal seit der Gründung des Bundesstaates ist der Kanton Zürich nicht mehr in der Landesregierung vertreten und zum ersten Mal seit 1875 stammt ein freisinniger Bundesrat aus einem ehemaligen Sonderbundskanton.

Ersatzwahlen für Elisabeth Kopp
Dossier: Affäre Kopp

Der Landesring, der auch in der Vergangenheit immer wieder seinen Anspruch auf einen Regierungssitz angemeldet hatte, erachtete die Gelegenheit zum Aufbrechen der Zauberformel als besonders günstig. Parteipräsident Jaeger (ldu, SG) bezeichnete die Affäre Kopp als neuen Beleg für die Krise der Konkordanzpolitik der vier Bundesratsparteien und sprach sich dafür aus, dass der frei werdende Sitz unbedingt wieder mit einer Frau besetzt werden müsse. Die Delegierten des LdU nominierten die Zürcher Ständerätin Monika Weber, welche auch die Unterstützung der Fraktion der Grünen und der drei Nationalräte der EVP fand.

Ersatzwahlen für Elisabeth Kopp
Dossier: Affäre Kopp

Die Ersatzwahl für alt-Bundesrätin Kopp wurde in der Februar-Sondersession 1989 durchgeführt. Im Vorfeld hatten die Vertreter der CVP, der SP und der SVP betont, dass für sie kein Anlass zum Rütteln an der Zauberformel gegeben sei und sie den Anspruch des Freisinns nicht bestreiten würden. Die Verteidigung des traditionellen, wenn auch nicht rechtlich abgesicherten Zürcher Sitzes erwies sich hingegen als schwieriger. Einerseits wurde auch parteiintern die jeweils nur kurze Amtszeit der drei letzten freisinnigen Zürcher Bundesräte Honegger (5 Jahre), Friedrich (2) und Kopp (4) kritisiert. Andererseits tat sich die Kantonalpartei mit der Kandidatenauswahl schwer: Nachdem Fraktionschef Bremi und die Nationalrätinnen Nabholz und Spoerry auf eine Nomination verzichtet hatten, schlug sie den 59-jährigen Ständerat Jagmetti vor. Mit teilweise jüngeren Kandidaten rückten die Innerschweizer Freisinnigen auf: Die Luzerner präsentierten den 47-jährigen Unternehmer und Ständerat Villiger, die Urner den 45-jährigen Rechtsanwalt und Nationalrat Steinegger und die Zuger den 59-jährigen Regierungs- und Nationalrat Stucky. Die für die Nomination zuständige freisinnige Fraktion schlug der Vereinigten Bundesversammlung Kaspar Villiger zur Wahl vor.

Ersatzwahlen für Elisabeth Kopp
Dossier: Affäre Kopp

Die Untersuchung von Staatsanwalt Hungerbühler deckte auf, dass Elisabeth Kopp immer noch nicht die ganze Wahrheit gesagt hatte. Gemäss den Abklärungen habe sie, nachdem sie von ihrer persönlichen Beraterin über den Inhalt von Akten aus der Bundesanwaltschaft orientiert worden sei, ihren Mann informiert und ihm geraten, sich über Details bei dieser Mitarbeiterin zu erkundigen. Da der dringende Verdacht auf Amtsgeheimnisverletzung bestehe, beantragte Hungerbühler dem Parlament die Aufhebung der Immunität der Bundesrätin und die Eröffnung eines Strafverfahrens. Frau Kopp trat nach der Veröffentlichung dieses Berichtes am 12. Januar 1989 unverzüglich von ihrem Amt zurück.

PUK zur Untersuchung der Affäre Kopp (PUK-I; BRG 89.006)
Dossier: Affäre Kopp
Dossier: Der Fichenskandal und seine Folgen

Die Affäre um Elisabeth Kopp war mit dieser Rücktrittserklärung allerdings nicht erledigt. Dies galt umso mehr, als in der Presse Verdächtigungen aufgetaucht waren, die dem EJPD und dabei insbesondere der Bundesanwaltschaft Ermittlungspannen beim Kampf gegen den Drogenhandel vorwarfen. Die Fraktionen von SP und LdU/EVP verlangten die Einsetzung einer besonderen Parlamentarischen Untersuchungskommission (PUK). Nationalrat Ziegler (sp, GE) forderte, unterstützt von der GPS, die Einsetzung eines ausserordentlichen Bundesanwalts zur umfassenden Durchleuchtung des EJPD. Der Bundesrat seinerseits beauftragte Hans Hungerbühler, erster Staatsanwalt des Kantons Baselstadt, mit der Abklärung der genauen Umstände, die zum Telefongespräch von Elisabeth Kopp mit ihrem Mann geführt hatten. Der für diese Ermittlungen im Prinzip zuständige Bundesanwalt Gerber trat wegen Befangenheit in den Ausstand.

PUK zur Untersuchung der Affäre Kopp (PUK-I; BRG 89.006)
Dossier: Affäre Kopp
Dossier: Der Fichenskandal und seine Folgen

Beim Rücktritt von Elisabeth Kopp lässt sich schliesslich auch eine geschlechtspolitische Komponente ausmachen. Im Grunde genommen war die erste Bundesrätin weniger an eigenen Fehlern gescheitert, als an den ins Gerede geratenen beruflichen Aktivitäten ihres Ehemannes. Während für die Regierungsmitglieder die Unvereinbarkeit mit anderen Erwerbstätigkeiten in der Verfassung verankert ist, bestehen für deren Ehegatinnen resp. -gatten keine diesbezüglichen Vorschriften. Solange es sich bei diesen ausschliesslich um Frauen gehandelt hatte, entstanden daraus infolge der herkömmlichen geschlechtsspezifischen Rollenverteilung offenbar keine Probleme. Unmittelbar nachdem E. Kopp ihr Telefongespräch zugegeben hatte, regte Nationalrat Reichling (svp, ZH) mit einer parlamentarischen Initiative (Pa.Iv. 88.242) die gesetzliche Regelung der erlaubten Erwerbstätigkeiten von Bundesratsgatten und –gattinnen an.

Debatte nach dem Rücktritt von Elisabeth Kopp
Dossier: Affäre Kopp

Der Wechsel in der Einschätzung von Bundesrätin Kopp durch die Mehrheit der Politiker deckte sich immerhin mit der Volksmeinung. Im Oktober wies eine Umfrage sie als beliebtestes Regierungsmitglied aus. Während sich anfangs November noch 70 Prozent gegen einen Rücktritt von E. Kopp aussprachen, kehrten sich die Verhältnisse nach der Aufdeckung des ominösen Telefongesprächs ins Gegenteil: 72 Prozent der Befragten forderten nun ihre Demission.

Debatte nach dem Rücktritt von Elisabeth Kopp
Dossier: Affäre Kopp

Die Umstände, die zum Rücktritt von Elisabeth Kopp geführt hatten, entfachten eine Diskussion über die Rolle der Medien in der Politik. Einige Politiker und vor allem eine Flut von Leserbriefen gaben den Medien die Schuld am Geschehen: Nicht die Handlungen der Bundesrätin und ihres Ehemannes, sondern eine beispiellose Medienkampagne hätten dazu geführt. Alt-Bundesrat Friedrich kreierte in diesem Zusammenhang den Ausdruck «Kloakenjournalismus». Unter Berücksichtigung des Berichts Hungerbühler ist dazu zu sagen, dass einige Medien zwar massgeblich an der Aufklärung der Zusammenhänge beteiligt waren und die meisten nachdrücklich auf die Gefahr von Interessenkollisionen hingewiesen hatten, dass sie sich aber in den daraus zu ziehenden Folgerungen Zurückhaltung auferlegten. Erst als Frau Kopp ihr Telefongespräch zugab, kam es zur Rücktrittsforderung. Die Medien konnten ihr eigenes aktives Verhalten auch mit der Passivität der Politiker rechtfertigen. In Anbetracht der in der Presse und von den Linksparteien ausgesprochenen Verdächtigungen wäre es an der Bundesversammlung und der freisinnigen Fraktion gewesen, spätestens vor der Wahl von Kopp zur Vizepräsidentin die nötigen Abklärungen voranzutreiben.

Debatte nach dem Rücktritt von Elisabeth Kopp
Dossier: Affäre Kopp

Bloss zwei Tage später, am Freitag, dem 9. Dezember, behauptete die Lausanner Zeitung «Le Matin», über Informationen zu verfügen, wonach Hans W. Kopp vor seinem Rücktritt aus dem Shakarchi-Verwaltungsrat einen Tip aus dem EJPD erhalten habe. In einer Karikatur wies die Zeitung auf die Bundesrätin als mögliche Informantin hin. Noch am Abend desselben Tages gab Elisabeth Kopp – nach einer Sondersitzung des Bundesrates – in einer Medienerklärung zu, dass dieser Tip von ihr stammte. Sie habe ihren Mann unmittelbar vor dessen Ausscheiden aus dem Verwaltungsrat in einem kurzen Telefongespräch über die gegen die Shakarchi AG laufenden Ermittlungen informiert und ihm seinen Rücktritt nahegelegt. Mit dieser Aussage entlarvte sie die Unschuldsbeteuerungen, mit denen sie und ihr Mann sich vorher verteidigt hatten, als Lügengebäude. In der Presse vom Samstag wurde daraufhin mehr oder weniger offen der Rücktritt der Bundesrätin gefordert. Als Begründung stand im Vordergrund, dass sie als Justizministerin nicht mehr tragbar sei und dass sie als Bundesrätin nicht glaubhaft wirken könne. Nach Aussprachen mit Spitzenpolitikern ihrer Partei erklärte sie am folgenden Montag ihre Demission auf Ende Februar 1989. Dabei zeigte sie sich freilich weiterhin keiner moralischen oder juristischen Schuld bewusst: Die Warnung an ihren Mann sei nicht aufgrund von Aktenkenntnissen erfolgt, sondern hätte sich bloss auf Gerüchte gestützt, die sie von ihrer persönlichen Beraterin erfahren habe.
Während im Ausland vorzeitige Demissionen von Ministern nichts Aussergewöhnliches sind, kommt ihnen in der Schweiz Seltenheitswert zu. Zur Bedeutung des Ereignisses und zur Steigerung der Emotionen trug auch bei, dass es sich bei der Zurücktretenden um die erste und bisher einzige in den Bundesrat gewählte Frau handelte.

Rücktritt von Elisabeth Kopp
Dossier: Affäre Kopp