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Die Auseinandersetzungen über den EWR belebten nicht nur die Diskussion über das Regierungssystem, sondern gaben auch neuen Ideen bei der Ausgestaltung der Volksrechte Auftrieb. Angesichts der Tatsache, dass die Schweiz im Rahmen des EWR zukünftig hätte EG-Recht fristgerecht übernehmen müssen, schlugen die SP und später auch die Staatspolitische Kommission des Nationalrats (SPK-NR) die Einführung des konstruktiven Referendums vor. Dieses neue Volksrecht würde es den Gegnern eines Behördenentscheides erlauben, diesen weiterhin mit einem Referendum zu bekämpfen, gleichzeitig aber einen eigenen, allerdings ebenfalls mit dem EG-Recht verträglichen Gegenvorschlag einzubringen. Nach Ansicht der Kommission hätte damit die Schweiz den EWR-Verpflichtungen in bezug auf rasche Gesetzesanpassungen genügen können, ohne die Volksrechte abbauen zu müssen. Da der Nationalrat der Meinung war, dass die EWR-Vorlage nicht auch noch mit der Schaffung von neuen Volksrechten belastet werden sollte, zog die Kommission ihren Vorschlag zwecks weiterer interner Beratung zurück. Die Idee des konstruktiven Referendums ist nicht allein auf Bundesebene im Gespräch. Anlässlich der Totalrevision der bernischen Verfassung beantragte die Verfassungskommission die Einführung dieses neuen, hier Volksvorschlag genannten Instruments. Der Grosse Rat lehnte dies zwar knapp ab, beschloss aber, den endgültigen Entscheid darüber dem Volk als Variantenabstimmung im Rahmen des Entscheids über die neue Verfassung zu überlassen.

Einführung des Konstruktiven Referendums im Kanton Bern 1993

Die im Vorjahr in Schwung gekommene Diskussion über die Zulässigkeit von Rückwirkungsklauseln in Volksinitiativen wurde im Berichtsjahr aus aktuellem Anlass weitergeführt. Zuerst hatte das Parlament zur Volksinitiative «40 Waffenplätze sind genug» Stellung zu nehmen. Dieses Begehren wurde primär zur Verhinderung des 1989 von der Bundesversammlung beschlossenen Waffenplatzes Neuchlen (SG) eingereicht und ist deshalb mit einer Rückwirkungsklausel ausgestattet. Noch während dieser Auseinandersetzung reichten Armeegegner eine Volksinitiative ein, welche den Parlamentsbeschluss für den Kauf von F/A-18-Kampfflugzeugen ebenfalls mit einer rückwirkenden Bestimmung zu Fall bringen'will. Einige bürgerliche Parlamentarier – unter ihnen der Berner Ständerat Zimmerli (svp) – sprachen sich ,für eine Ungültigkeitserklärung der Waffenplatzinitiative aus, da mit ihr im nachhinein ein gemäss Verfassung dem Parlament zustehender Entscheid korrigiert werden soll und damit die Volksinitiative den Charakter eines nicht vorgesehenen Referendums erhalte.

Gültigkeit der Waffenplatzinititative
Dossier: Waffenplatz Neuchlen-Anschwilen (SG)

Ein Vorschlag, wie vermieden werden könnte, dass vom Parlament beschlossene grosse Rüstungsgeschäfte und Bauprojekte mit rückwirkenden Volksinitiativen bekämpft werden, kam vom Staatsrechtler Kölz und wurde auf politischer Ebene von Nationalrat Rechsteiner (sp, SG) in Form einer parlamentarischen Initiative aufgenommen. Diese verlangt, dass die Bundesversammlung auch Verwaltungsakte von ausserordentlicher Tragweite in der Form eines allgemeinverbindlichen – und damit dem fakultativen Referendum unterstellten – Bundesbeschlusses fassen kann. Gemäss Kölz hatte die anlässlich der Verfassungstotalrevision von 1874 eingeführte Rechtsform des allgemeinverbindlichen Bundesbeschlusses ursprünglich die Bedeutung eines Verwaltungsreferendums für wichtige Entscheide. Sie war dann aber 1962 im Rahmen einer Revision des Geschäftsverkehrsgesetzes restriktiver gefasst worden, indem ihre Anwendung auf zeitlich befristete gesetzgeberische Entscheide beschränkt wurde.

Pa. Iv. Rechsteiner Referendum bei Verwaltungsakten
Dossier: Parlamentarische Vorstösse zur Änderung der Politischen Rechte 1990-2000

Auch wenn das Parlament diese aktuellen sicherheitspolitischen Streitfragen nicht zum Anlass für eine Praxisänderung nehmen wollte, wird das Thema im Gespräch bleiben. Die Staatspolitische Kommission des Nationalrats beschloss mit knappem Mehr, die im Vorjahr überwiesene parlamentarische Initiative Zwingli (fdp, SG) weiter zu behandeln und abzuklären, welche neuen Bestimmungen geschaffen werden müssten, um Rückwirkungsklauseln in Volksinitiativen in Zukunft zu verbieten.

Pa. Iv Zwingli, Verbot von Rückwirkeklausel in Initiativen

Im Berichtsjahr wurden drei neue Volksinitiativen eingereicht (Ausbau von AHV/IV der SP und des SGB; Abschaffung der politischen Polizei; für eine naturnahe Landwirtschaft). Eine Initiative wurde in der Volksabstimmung abgelehnt (Förderung des öffentlichen Verkehrs) und zwei wurden zugunsten von parlamentarischen Gegenvorschlägen zurückgezogen (Fortpflanzungs- und Gentechnologie; Zinsüberwachung). Damit blieb die Anzahl der Ende 1991 hängigen Volksinitiativen unverändert bei 15.

Übersicht der Volksinitiativen pro Jahr

Die Zahl der neu lancierten Volksinitiativen hat sich gegenüber dem Vorjahr von 11 auf 8 verringert, bei einer (Geschlechterquoten für den Nationalrat) wurde allerdings die Unterschriftensammlung noch vor Jahresende abgebrochen. Dasselbe Schicksal erlitten auch die beiden im Vorjahr von der PdA lancierten Initiativen für die Verbesserung der Stellung der Frauen in der Sozialversicherung resp. in den Behörden sowie die "Euro-Initiative". Ferner ist im Berichtsjahr für 5 Volksbegehren, darunter die Initiative der Auto-Partei für die Abschaffung der direkten Bundessteuer, die Sammelfrist ungenutzt abgelaufen.

Übersicht der Volksinitiativen pro Jahr

Der am 5. Juli begangene hundertste Jahrestag der Einführung der Volksinitiative auf Bundesebene bot Anlass zu Würdigungen dieses politischen Instruments. Seit 1891 waren 187 Volksinitiativen eingereicht worden; von den 104, die zur Volksabstimmung gelangten, wurden 10 von Volk und Ständen gutgeheissen. Die Auswirkung auf die Rechtssetzung war allerdings wesentlich bedeutender, sei es, dass in Gegenvorschlägen des Parlaments wichtige Anliegen aufgenommen wurden, sei es, dass die in Initiativen propagierten Ideen Eingang in die politische Diskussion und auch in die Gesetzgebungsarbeit fanden.

hundertste Jahrestag der Einführung der Volksinitiative auf Bundesebene

Das um siebzehn Jahre ältere Referendumsrecht erlebte im Berichtsjahr eine neue Blüte. Nach der Herbstsession wurde gegen nicht weniger als neun Vorlagen das Referendum ergriffen (NEAT; IWF-Beitritt (2 Vorlagen); bäuerliches Bodenrecht; Stempelabgaben; Parlamentsreform (3 Vorlagen); ETH-Gesetz). Nur gerade das letzterwähnte kam nicht zustande, alle anderen vermochten die nötigen 50 000 Unterschriften innerhalb von drei Monaten beizubringen, wenn auch im Fall der NEAT nur mit äusserster Mühe. Da zuvor bereits zwei Referenden eingereicht worden waren (Gewässerschutzgesetz und Sexualstrafrecht), betrug die Gesamtzahl der mit dem Referendum bekämpften Vorlagen insgesamt zehn. Damit wurden im Berichtsjahr 18% aller dem fakultativen Referendum unterstellten Parlamentsbeschlüsse vor das Volk gezogen. Diese Quote war deutlich höher als in der Periode 1981-90 (5,4%) und sie übertraf auch den Spitzenwert des Jahrzehnts 1881-90 (10,6%), welches durch die vehemente Opposition der Katholisch-Konservativen gegen die freisinnige Einparteienregierung gekennzeichnet war. Es bestätigte sich die Erfahrung der letzten Jahre, dass das Referendumsrecht nicht mehr vorwiegend das Instrument konservativer, politisch rechter Kreise ist: dasjenige gegen die Stempelsteuergesetzrevision stammte von einer Bundesratspartei (SP), bei drei weiteren wurden die Unterschriften von politisch an sich gegensätzlichen Kreisen gesammelt (NEAT und IWF- resp. Weltbank-Beitritt).

Referenda

Volksinitiativen, welche sich gegen konkrete Bauvorhaben richten, waren in den letzten Jahren oft mit einer Rückwirkungsklausel versehen gewesen. So hätte die Annahme der 1990 verworfenen Initiative "Stopp dem Beton" alle seit 1986 bewilligten oder gebauten Strassen betroffen. Auch die Initiative "40 Waffenplätze sind genug", welche sich konkret gegen den in Neuchlen-Anschwilen (SG) geplanten Waffenplatz richtet, verfügt über eine Rückwirkungsklausel, um einen während der Behandlung der Initiative getroffenen Parlamentsentscheid wieder rückgängig zu machen. Nationalrat Zwingli (fdp, SG) reichte nun eine parlamentarische Initiative ein, welche verlangt, dass in Zukunft das Parlament über die Gültigkeit von Rückwirkungsklauseln entscheiden soll. Der Nationalrat beschloss gegen den Widerstand der Linken, diesen Vorstoss zumindest in seiner allgemeinen Stossrichtung zu unterstützen und eine Kommission mit näheren Abklärungen zu beauftragen.

Pa. Iv Zwingli, Verbot von Rückwirkeklausel in Initiativen

Nach Ansicht der Kommissionsmehrheit sind diese Rückwirkungsklauseln vor allem vom Standpunkt der Rechtssicherheit her problematisch, weil mit ihnen nachträglich die verfassungsmässige Kompetenzordnung aufgehoben werden kann, indem ein faktisches Referendumsrecht für bereits zustandgekommene, nicht referendumspflichtige Parlamentsbeschlüsse eingeführt wird. Zudem sieht die Kommission in ihnen insofern einen Missbrauch der Volksrechte, als sie eingesetzt werden, um den Vollzug von Beschlüssen — zumindest bis zur Volksabstimmung über diese Initiativen — hinauszuschieben. Gegner des Vorstosses Zwingli hielten dem entgegen, dass ein Verbot von Rückwirkungsklauseln eine nicht akzeptable und bisher nicht übliche Einschränkung der Volksrechte bedeuten würde, und dass diese Klauseln ein wichtiges Druckmittel für eine rasche Behandlung von Initiativen durch Bundesrat und Parlament darstellten. Im Parlament besteht Einigkeit, dass eine Verkürzung der Behandlungsfristen für Volksinitiativen nötig ist. Die Motion des Nationalrats für eine speditivere Behandlung von Volksinitiativen wurde im Berichtsjahr auch vom Ständerat gutgeheissen.

Pa. Iv Zwingli, Verbot von Rückwirkeklausel in Initiativen

Wohl nicht zuletzt mit Blick auf die zu erwartende Auseinandersetzung über die Beschaffung eines neuen Kampfflugzeugs hatte Nationalrat Hubacher (sp, BS) im Vorjahr eine parlamentarische Initiative für die Einführung eines allgemeinen Rüstungsreferendums eingereicht. Nachdem die Stimmberechtigten bereits 1987 eine entsprechende Volksinitiative der SP mit einem Neinstimmenanteil von knapp 60 Prozent verworfen hatten, lehnte der Nationalrat auch den von der SP, den Grünen und der LdU/EVP-Fraktion unterstützen Vorstoss Hubacher mit 96 zu 54 Stimmen ab. Nach Ansicht der Fraktionen der FDP und der SVP dürfte eine derartige Erweiterung der Volksrechte nur im Rahmen der Einführung eines generellen Finanzreferendums, dem z.B. auch Beschlüsse über Rahmenkredite für Entwicklungshilfe oder Lohnerhöhungen für das Bundespersonal unterstellt wären, eingeführt werden.

Initatives parlementaires demandant le référendum financier en matière d'armement (Iv.pa. 90.225, 90.227 & 90.234)
Dossier: Einführung eines Finanzreferendums auf nationaler Ebene

Das Recht, mit Initiativen und Referenden direkten Einfluss auf die Politik nehmen zu können, wird nicht nur von Parteien, Verbänden und Einzelpersonen rege genutzt, sondern ist bei den Bürgerinnen und Bürgern auch sehr beliebt. In einer repräsentativen Befragung drückten 78% (zu Initiative) resp. 72% (zu Referendum) ihre positive Haltung zu den beiden Instrumenten aus; nur gerade 14% könnten sich mit einem Verzicht auf das Referendumsrecht abfinden.

Das Recht, mit Initiativen und Referenden direkten Einfluss auf die Politik nehmen zu können, wird nicht nur von Parteien, Verbänden und Einzelpersonen rege genutzt, sondern ist bei den Bürgerinnen und Bürgern auch sehr beliebt

Die zuständige Nationalratskommission veröffentlichte ihren ablehnenden Bericht zur Einheitsinitiative, bei der das Parlament entscheiden könnte, ob das Anliegen einer Volksinitiative auf der Verfassungsoder der Gesetzesstufe behandelt werden soll. Wie die Kommission bereits im Vorjahr bekannt gegeben hatte, beurteilt sie dieses neue Instrument in der Praxis als zu kompliziert. Im Plenum fand dieses Verdikt bei allen Fraktionen mit Ausnahme der SVP Zustimmung. Ebenso abgelehnt wie die Einheitsinitiative wurde auch ein Antrag der Kommissionsminderheit für die Ausarbeitung eines Vorschlags für die Einführung der Gesetzesinitiative. Gegen diese war bisher ins Feld geführt worden, dass mit ihr die im parlamentarischen Gesetzgebungsprozess gegebene Gleichberechtigung des Ständerates umgangen werden könnte. Vollmer (sp, BE) skizzierte nun ein neues Modell, welches mit den föderalistischen Prinzipien verträglich ist. Dieses sieht vor, dass für die Annahme von Gesetzesinitiativen, welche von einer der beiden Parlamentskammern abgelehnt werden, nicht nur das Volks- sondern auch das Ständemehr erforderlich ist.

Einheitsinitiative (Pa.Iv. 87.224)

Die 1989 durchgeführte Vernehmlassung über eine Totalrevision des Gesetzes über die politischen Rechte hatte ein breite Zustimmung zur Einführung der brieflichen Stimmabgabe ergeben. Auch das Parlament wünscht offenbar diese Neuerung: Der Nationalrat, der bereits 1988 einer entsprechenden Motion Segmüller (cvp, SG) zugestimmt hatte, überwies nun auch eine von der kleinen Kammer 1988 gutgeheissene Motion Rhinow (fdp, BL). Die angesprochene Totalrevision selbst wurde vom Bundesrat zurückgestellt, da er zuerst abwarten will, welche tiefgreifenden Anderungen des politischen Systems der Abschluss eines EWR-Vertrags erforderlich machen könnte.

Teiländerung des Bundesgesetzes über die politischen Rechte (93.066)
Dossier: Parlamentarische Vorstösse zur Änderung der Politischen Rechte 1990-2000

Im Berichtsjahr wurde auf Bundesebene zweimal das Referendum ergriffen (Strassenverkehrsgesetz und Entkriminalisierung der Militärdienstverweigerung). In der Volksabstimmung setzte sich beim Strassenverkehrsgesetz der Parlamentsbeschluss durch; über die Militärvorlage wird 1991 abgestimmt werden. Die beiden 1989 eingereichten Referenden waren erfolgreich: sowohl die Reorganisation der Bundesrechtspflege als auch der Rebbaubeschluss fanden in der Volksabstimmung keine Mehrheit.

Referenda

Der Nationalrat lehnte die 1988 eingereichte parlamentarische Initiative Meier (gp, ZH) für die Einführung des fakultativen Referendums für grosse Bauprojekte des Bundes und für wichtige Konzessionserteilungen ab. Ebenfalls keine Zustimmung fand eine allgemeiner gehaltene Motion der Kommissionsminderheit, welche den Bundesrat beauftragen wollte, eine Vorlage für einen entsprechenden Ausbau der Volksrechte auszuarbeiten.

Referendums für grosse Bauprojekte

Bei der Behandlung der parlamentarischen Initiative Dünki (evp, ZH) für eine speditivere Behandlung von Volksinitiativen setzte sich der weiter gehende Vorschlag der vorberatenden Kommission durch: Der Nationalrat forderte den Bundesrat mit einer Motion auf, nicht nur die maximal erlaubten Behandlungsfristen zu verkürzen, sondern diese als Gesamtfristen bis zur Durchführung der Volksabstimmung zu erklären. Der Basler Journalist Böhi stellte die Unterschriftensammlung für seine.im Vorjahr lancierte Volksinitiative für eine Verkürzung der Behandlungsfristen ein.

speditivere Behandlung von Volksinitiativen

In der Nationalratskommission, welche die Vorarbeiten für die Einführung der Einheitsinitiative zu leisten hatte, gewann nach Anhörung von verschiedenen Experten die Skepsis Oberhand. Die Kommission beschloss, dem Plenum den Übungsabbruch zu empfehlen, da dieses Instrument zu kompliziert und zu wenig attraktiv sei. Eine Minderheit will allerdings beantragen, die in der Kommission knapp unterlegene Idee der Gesetzesinitiative weiter zu verfolgen.

Einheitsinitiative (Pa.Iv. 87.224)

Im Berichtsjahr wurden fünf neue Volksinitiativen eingereicht (Landwirtschaftspolitik des Bauernverbandes, Alpentransit, Tierversuche, arbeitsfreier 1. August und Waffenplätze). Sechs Volksinitiativen wurden 1990 an der Urne abschliessend behandelt: eine wurde angenommen (AKW-Moratorium), fünf abgelehnt (Ausstieg aus der Atomenergie, Stopp-dem-Beton und drei Initiativen gegen Nationalstrassen-Teilstücke). Zwei abstimmungsreife Volksinitiativen (Abschaffung von Autobahnvignette bzw. Schwerverkehrssteuer) wurden zurückgezogen ohne dass das Parlament ein Entgegenkommen gezeigt hätte. Verantwortlich war vielmehr die Unlust der Strassenverkehrsverbände, die Abstimmungskampagne für die Begehren des Basler Automobiljournalisten Böhi zu finanzieren. Zurückgezogen wurde auch die Steuerinitiative der FDP, da deren Anliegen nach Ansicht der Initianten inzwischen erfüllt worden sind. Somit verringerte sich die Zahl der Ende 1990 hängigen Volksinitiativen von 19 auf 15.
Die Zahl der neu lancierten Volksinitiativen hat gegenüber dem Vorjahr von 8 auf 11 zugenommen, bei ihren Themen lassen sich keine Schwerpunkte ausmachen. Eine davon ist bereits weniger als sechs Monaten nach ihrer Lancierung eingereicht worden (Waffenplätze), ein Teil von ihnen wird jedoch mit grosser Wahrscheinlichkeit nicht zustande kommen. Dieses Schicksal erlitten im Berichtsjahr vier der 1989 gestarteten Volksinitiativen: obwohl die Frist noch nicht abgelaufen war, wurde die Unterschriftensammlung erfolglos abgebrochen (freie Fahrt für Jugendliche, Stammhalter, Hügelstadt Sonnenberg und Behandlungsfristen für Volksinitiativen).

Übersicht der Volksinitiativen pro Jahr

Der Vorstoss von Nationalrat Günter (ldu, BE) für die Einführung des Finanzreferendums vermochte keine Mehrheit auf sich zu vereinigen. Mit einer parlamentarischen Initiative hatte er Bundesbeschlüsse, welche Verpflichtungskredite im Umfang von mehr als zwei Prozent des letztjährigen Bundesbudgets zur Folge haben, dem fakultativen Referendum unterstellen wollen. Eine von den Linken und Grünen unterstützte allgemeiner gehaltene Motion der Kommissionsminderheit vermochte sich ebenfalls nicht durchzusetzen. Die bürgerlichen Gegner dieser Neuerung argumentierten damit, dass die Kreditvorlagen auf Bundesebene komplexer seien als auf Kantons- und Gemeindeebene.– wo in der Regel das Finanzreferendum existiert –, und dass die Neuerung in diversen Bereichen (z.B. Entwicklungszusammenarbeit und Rüstung) eine langfristige Politik verunmöglichen würde.

Parlementarische Initative Günter zur Einführung des Finanzreferendums abgelehnt (Pa.Iv. 86.236)
Dossier: Einführung eines Finanzreferendums auf nationaler Ebene

Am selben Tag, an dem der Souverän dem Doppelten Ja bei Initiativen mit Gegenvorschlag zustimmte, lehnte er die von der SP mit einer Volksinitiative verlangte Einführung des fakultativen Referendums im Bereich der militärischen Ausgaben ("Rüstungsreferendum") ab. Zugunsten eines nicht nur auf Militärausgaben beschränkten Finanzreferendums hatte 1986 Nationalrat Günter (ldu, BE) eine parlamentarische Initiative eingereicht. Die vorberatende Kommission sprach sich dagegen aus; ihre Minderheit deponierte allerdings eine allgemeiner gehaltene Motion, die in dieselbe Richtung zielt. Im Zusammenhang mit der Energiepolitik kam es zu weiteren Vorstössen für eine Erweiterung des Referendumsrechts. Sowohl die nationalrätliche Energiekommission (87.342) als auch der Freisinnige Villiger (LU) (87.353) forderten in der Volkskammer mit Motionen, dass der Grundsatzentscheid über die Bewilligung für Kernkraftwerke dem fakultativen Referendum zu unterstellen sei.

Parlementarische Initative Günter zur Einführung des Finanzreferendums abgelehnt (Pa.Iv. 86.236)
Dossier: Einführung eines Finanzreferendums auf nationaler Ebene

Die Ausdehnung des Initiativrechts des Volkes auf den Bereich der Gesetzgebung ist 1987 am Veto der bürgerlichen Mehrheit im Nationalrat gescheitert. Die im Vorjahr eingereichten entsprechenden parlamentarischen Initiativen Jaeger (ldu, SG) und Ruf (na, BE) (86.224) wurden vor allem mit föderalistischen Argumenten bekämpft: Die Ausschaltung des Parlaments aus dem Entscheid über bestimmte Gesetzesänderungen würde die Position der Kantone, die ihren Einfluss heute über den Ständerat einbringen können, unzumutbar schwächen. Bereits 1961 war eine entsprechende Volksinitiative der SP deutlich abgelehnt worden. Es wird jedoch allgemein als Problem anerkannt, dass die bestehende Beschränkung des Initiativrechts zu einer Überlastung der Verfassung mit Gegenständen führt, welche auf Gesetzgebungsstufe abzuhandeln wären. Praktisch als Gegenvorschlag zur Gesetzesinitiative reichte denn auch die SVP-Fraktion einen Vorstoss für die Einführung der sogenannten Einheitsinitiative ein (87.224). Bei diesem Instrument würde das Parlament entscheiden, ob eine eingereichte Volksinitiative auf Gesetzes- oder Verfassungsstufe verwirklicht werden soll. Kurz nach der SVP reichte auch Nationalrat Ruf eine entsprechende parlamentarische Initiative ein (87.227).

Gesetzesinitiative und Einheitsinitiative 1987
Dossier: Vorstösse für eine Einführung der Gesetzesinitiative

Nachdem sich 1985 das EJPD in einer «Modell-Studie» für eine Totalrevision der Bundesverfassung zugunsten der Schaffung der Gesetzesinitiative auf Bundesebene ausgesprochen hatte, deponierten die Nationalräte Jaeger (ldu, SG) und Ruf (na, BE) entsprechende Vorstösse in Form von parlamentarischen Initiativen. Obwohl in der vorberatenden Kommission Befürworter geltend machten, dass damit ein Beitrag zur Entlastung der Verfassung geleistet werden könnte, obsiegten die Gegner mit einer Stimme Mehrheit.

Gesetzesinitiative und Einheitsinitiative 1987
Dossier: Vorstösse für eine Einführung der Gesetzesinitiative

Die Probleme der Information und der Beteiligung der Stimmbürger beschäftigten Behörden und Öffentlichkeit weiterhin. Die seit 1978 den eidgenössischen Abstimmungsvorlagen beigegebenen offiziellen Erläuterungen, das sogenannte «Bundesbüchlein», wurden vielfach kritisch beurteilt. Besonderen Unwillen erregte es bei den Befürwortern der Atomschutzinitiative. als deren Formulierung «Zustimmung der Stimmberechtigten» vom Bundesrat dahin interpretiert wurde, dass die vorgesehenen Abstimmungen über Atomanlagen nicht durch einfache Stimmenmehrheit. sondern nur mit dem absoluten Mehr aller Stimmberechtigten positiv entschieden werden könnten und deshalb prohibitiv wären. Der Schweizerische Gewerkschaftsbund und eine sozialdemokratische Motion verlangten darauf, dass den Urhebern einer Initiative oder eines Referendurns im «Bundesbüchlein» Raum für eine eigene Darstellung ihres Standpunktes gewährt werde. Der Bundesrat erklärte sich aber nur bereit, künftig jeweils Vertreter des gegnerischen Standpunktes zu einem Gespräch zu empfangen, um so der Vorschrift, dass die Erläuterung den Auffassungen wesentlicher Minderheiten Rechnung tragen müsse, besser genügen zu können.

"Bundesbüchlein"