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Am Montag der dritten Herbstsessionswoche 2020 besetzten Klimaaktivistinnen und -aktivisten den Bundesplatz, obwohl dort Veranstaltungen während der Session verboten sind. Dies führte bei den Parlamentarierinnen und Parlamentariern zu einigem Ärger. So beschwerten sich gemäss verschiedener Medien insbesondere bürgerliche Parlamentsmitglieder, von den Klimaaktivistinnen und -aktivisten «angepöbelt» worden zu sein. Dabei stellten die Medien vor allem verschiedene verbale Entgleisungen ins Zentrum der Berichterstattung. So soll Roland Büchel (svp, SG) derart genervt gewesen sein, dass er die Klimaaktivistinnen und Klimaaktivisten vor laufender Kamera als «Arschlöcher» bezeichnete. Andreas Glarner (svp, AG) nannte die Demonstrierenden während eines Interviews «Kommunisten und Chaoten» und Sibel Arslan (basta, BS), die das Anliegen der Streikenden vertreten wollte, «Frau Arschlan» – was er später als Versprecher entschuldigte. Umgekehrt regten sich linke Parlamentsmitglieder über die falschen Prioritäten der Medien auf, so etwa Jacqueline Badran (sp, ZH), die in einem Radiointerview die Medien angriff, welche «den huere fucking Glarner, who cares, [...] statt die Forderungen der Jugendlichen» gefilmt hätten.

Die Debatten drehten sich in der Folge allerdings nicht nur um «Anstand» und verbale Entgleisungen, sondern auch darum, ob der Bundesplatz überhaupt besetzt werden darf – insbesondere während der Session. Während sich bürgerliche Parlamentarierinnen und Parlamentarier beschwerten, zeigten links-grüne Mitglieder der Bundesversammlung Verständnis für die Aktion. Die aktuelle Regelung im Kundgebungsreglement der Stadt Bern besagt, dass die Versammlungsfreiheit auf dem Bundesplatz während der Sessionen vor allem für grosse Manifestationen aufgehoben wird. Verantwortlich für die Einhaltung dieser Massnahme ist die Stadt Bern, weshalb sich die Kritik der Bürgerlichen in der Folge vor allem gegen den Berner Stadtpräsidenten Alec von Graffenried (gfl) richtete. Einige Medien – darunter etwa die NZZ – warfen der Stadt gar vor, «mit zweierlei Mass» zu messen und das Demonstrationsverbot «selektiv» umzusetzen.

Die Aktion auf dem Bundesplatz führte schliesslich auch zu einiger parlamentarischer Betriebsamkeit. Ein noch am gleichen Montag eingereichter Ordnungsantrag (20.9004/21364) von Thomas Aeschi (svp, ZG), der die Räumung des Platzes beantragte, wurde mit 109 zu 83 Stimmen (1 Enthaltung) im Nationalrat angenommen. Dagegen stimmten die geschlossenen Fraktionen von SP, GP und GLP sowie zwei Angehörige der Mitte-Fraktion. Der am nächsten Tag von Esther Friedli (svp, SG) eingereichte Ordnungsantrag (20.9004/21402), mit dem zusätzlich eine Anzeige gegen die Stadt Bern und die «Klimaextremisten und Linksradikalen» gefordert wurde, lehnte eine 90 zu 79-Stimmen-Mehrheit (bei 16 Enthaltungen) dann freilich ab. Hingegen richtete sich die VD mit einem von Nationalratspräsidentin Isabelle Moret (fdp, VD) und Ständeratspräsident Hans Stöckli (sp, BE) unterzeichneten Schreiben an die Regierungen von Stadt und Kanton Bern und forderte diese auf, für die Einhaltung der Rechtsbestimmungen zu sorgen. Und schliesslich reichte Christian Imark (svp, SO) eine Motion ein, mit der er forderte, die Stadt Bern des Bundesplatzes zu enteignen. Dadurch könne der Bundesrat «künftig selber für Recht und Ordnung auf dem Bundesplatz» sorgen, weil «die linke Berner Stadtregierung [...] die Chaoten immer öfter gewähren» lasse.
Wohl auch weil die Polizei am Mittwoch nach zwei Ultimaten der Stadtregierung den Platz räumte, legte sich die Aufregung kurz darauf wieder. Der Bundesrat beantragte ein paar Wochen später die Ablehnung der Motion, weil eine Enteignung nicht verhältnismässig sei und die Zusammenarbeit mit der Stadt Bern bezüglich Nutzung des Bundesplatzes so funktioniere, dass die Interessen des Parlaments berücksichtigt würden. Die Motion Imark selber wurde dann zwei Jahre nach ihrer Einreichung wegen Nichtbehandlung abgeschrieben.

Wem gehört der Bundesplatz? (Mo. 20.4028)

Die Räte hatten derweil über Vorstösse zu befinden, die in ähnliche Richtungen zielten. Die parlamentarische Initiative Moret (fdp, VD) hätte die Gültigkeitsprüfung einer Initiative einer richterlichen Instanz im Sinne eines Verfassungsgerichts unterstellen wollen (Pa.Iv. 09.521). Mit dem Argument, dass diese Prüfung erst nach der Sammlung der Unterschriften zur Anwendung käme, wurde der Vorstoss in der Sondersession im April vom Nationalrat verworfen. In der gleichen Debatte wurde in der grossen Kammer ein Postulat der SPK-NR (Po. 10.3885) überwiesen, das den Bundesrat beauftragte, mögliche Verfahren für eine Gültigkeitsprüfung vor der Unterschriftensammlung aufzuzeigen. Trotz des Hinweises von Bundesrätin Sommaruga, dass der Bundesrat diesem Anliegen bereits im Zusatzbericht nachgekommen sei, wurde der Vorstoss angenommen. Im Herbst lehnte der Ständerat die parlamentarische Initiative Vischer (gp, ZH) ab, die ein Volksbegehren auch dann für ungültig erklären lassen wollte, wenn es gegen den Grundrechtsschutz und Verfahrensgarantien des Völkerrechts verstösst (z.B. Menschenrechtskonvention). Der im Vorjahr vom Nationalrat noch überwiesene Vorstoss wurde in der kleinen Kammer als zu weit gehend beurteilt (Pa.Iv. 07.477). Dafür überwies der Ständerat in der gleichen Sitzung eine Motion seiner SPK-SR, mit welcher der Bundesrat beauftragt wird, auf der Basis des Zusatzberichtes eine Vorlage zu erarbeiten, in der die rechtlichen Grundlagen für die nichtbindende materielle Vorprüfung des Initiativtextes vor der Sammlung der Unterschriften erarbeitet werden (Mo. 11.3468). Die gleichlautende Motion der staatspolitischen Kommission des Nationalrates (SPK-NR) wurde dann in der Wintersession auch von der Volksvertretung überwiesen. Allerdings nahm die nationalrätliche Kommission auch den zweiten Punkt des Zusatzberichtes des Bundesrats auf und verlangte Vorschläge für eine Erweiterung des Katalogs der Gründe für die Ungültigkeit einer Volksinitiative (Mo. 11.3468).

Vorstösse zur materiellen Vorprüfung von Volksinitiativen
Dossier: Ungültigkeitsgründe von Volksinitiativen