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Jahresrückblick 2021: Institutionen und Volksrechte

Der Bundesrat stand auch 2021 vor allem aufgrund seiner Entscheide im Rahmen der Covid-19-Pandemie im Fokus – wobei er je nach Verlauf der Fallzahlen dafür kritisiert wurde, mit zu viel Macht ausgestattet zu sein und zu viele Massnahmen zu ergreifen, oder aber dafür, in Anbetracht der Lage zu wenig zu tun. Die über 60 Prozent Ja-Stimmen bei beiden Covid-Referenden (im Juni und im November) können freilich auch als ziemlich breite Unterstützung der bundesrätlichen Massnahmen-Politik interpretiert werden. Covid-19 bzw. vielmehr das Argument, dass gerade die Pandemie zeige, wie stark die Arbeitsbelastung der sieben Mitglieder der Landesregierung zunehme, stand Pate für die Forderung nach einer Erhöhung der Zahl der Bundesratsmitglieder auf neun – eine Forderung, die seit 1848 schon zwölf Mal gescheitert war. Zwar stiess die Idee in der Wintersession im Nationalrat auf offene Ohren, das Anliegen wird aber im nächsten Jahr im Ständerat wohl auf mehr Widerstand stossen – die SPK-SR hatte sich bereits im Juni dagegen ausgesprochen. Als Institution war die Regierung ansonsten im Vergleich zu früheren Jahren seltener Gegenstand der medialen Berichterstattung. Das dürfte auch damit zu tun haben, dass im Berichtsjahr für einmal vergleichsweise selten über mögliche Rücktritte von Magistratinnen und Magistraten spekuliert wurde. Seit nunmehr drei Jahren ist die Zusammensetzung der Exekutive unverändert.

Auch für die Mitarbeitenden der Bundesverwaltung wird Covid-19 Folgen haben. Aufgrund der Erfahrungen, die beim Lockdown gemacht worden waren, forderten mehrere Vorstösse, dass der Bund mittels dezentralisierter und digitalisierter Arbeitsplätze im Sinne von Homeoffice nachhaltiges Arbeiten ermöglichen soll. Beide Räte hiessen eine entsprechende Motion gut und rannten damit beim Bundesrat offene Türen ein. Nicht einig waren sich die Räte hingegen bei der Frage, ob für die obersten Kader der sieben grossen Bundesunternehmen ein Lohndeckel gesetzlich festgeschrieben werden soll. Der Ständerat lehnte die Forderung, die auf eine parlamentarische Initiative aus dem Jahr 2016 zurückgeht, ab, der Nationalrat wollte auch in der Wintersession weiter an ihr festhalten.

Auch im Parlament war Covid-19 nach wie vor Thema Nummer 1. Nicht nur war das Virus Gegenstand zahlreicher inhaltlicher Debatten, sondern es zwang auch im Bundeshaus zu unterschiedlichen Verhaltensmassnahmen: Zwar konnten im Gegensatz zu 2020 alle Sessionen im Bundeshaus stattfinden, allerdings mussten auch im Parlament je nach Pandemiesituation die Masken- oder Zertifikatspflicht eingehalten werden. Zudem sollten Plexiglasscheiben an den Plätzen in den Ratssälen zusätzlichen Schutz vor dem Virus gewähren. Auch unter Pandemie-bedingt erschwerten Arbeitsbedingungen wurden Beschlüsse gefasst, die den Parlamentsbetrieb wohl nachhaltig verändern werden: So einigten sich beide Kammern auf ein neues Differenzbereinigungsverfahren bei Motionen. Nicht zuletzt sollen im Ständerat künftig sämtliche Abstimmungsresultate veröffentlicht werden. Nach 20-jähriger Opposition und nicht weniger als acht gescheiterten Vorstössen wird also auch die «Dunkelkammer Ständerat», wie Thomas Minder (parteilos, SH) sie nach der 2014 eingeführten elektronischen Abstimmung bei Gesamt- und Schlussabstimmungen bezeichnet hatte, vollständig ausgeleuchtet. Ob dies nun zu einem «Transparenzexzess» und einer Änderung der Diskussionskultur in der «Chambre de réflexion» führen wird, wie dies die ablehnende Minderheit befürchtete, wird sich weisen.

Das Verhältnis zwischen Legislative und Judikative war im vergangenen Jahr aus zwei gewichtigen Gründen Gegenstand von Diskussionen. Auf der einen Seite führten die im November an der Urne mit 31.9 Prozent Ja-Stimmenanteil recht deutlich abgelehnte Justizinitiative sowie der im Parlament verworfene Gegenvorschlag zur Frage, ob die Wahl von Bundesrichterinnen und Bundesrichtern durch das Parlament die Unabhängigkeit der dritten Gewalt beeinträchtige. Auf der anderen Seite zeigten die Schwierigkeiten mit der Besetzung der Bundesanwaltschaft – gleich dreimal musste die Stelle ausgeschrieben werden, bis in der Herbstsession ein neuer Bundesanwalt gewählt werden konnte – und die vorgängigen Diskussionen um die Erhöhung der Alterslimite in der höchsten Strafbehörde, wie schwierig es für das Parlament ist, bei der Besetzung von Gerichtsstellen ideologische Gesichtspunkte der Sachpolitik unterzuordnen – so die Kommentare in einigen Medien.

Auch das Funktionieren der direkten Demokratie war 2021 Gegenstand politischer Diskussionen. Das Parlament hiess einen Gegenvorschlag zur Transparenzinitiative gut, der teilweise weiter geht, als von den Initiantinnen und Initianten verlangt. Das Initiativkomitee zog in der Folge sein Begehren zurück. Mit der Änderung des Bundesgesetzes über die politischen Rechte müssen Parteien ab dem Herbst 2022 ihre Budgets und insbesondere Spenden über CHF 15'000 offenlegen und auch Komitees von Wahl- und Abstimmungskampagnen, die mehr als CHF 50'000 aufwenden, haben ihre Finanzeinkünfte auszuweisen.
Vom Tisch ist hingegen die Möglichkeit, Staatsverträge dem obligatorischen Referendum zu unterstellen. Der Ständerat hatte sich zwar für diesen Ausbau der direkten Demokratie eingesetzt, der Nationalrat wollte aber definitiv nichts davon wissen. Noch hängig ist hingegen ein Entscheid, mit dem allenfalls ein Ausbau partizipativer Elemente im politischen System der Schweiz umgesetzt würde. Noch 2020 hatte sich der Nationalrat dafür ausgesprochen, einer parlamentarischen Initiative, mit der die Einführung des Stimmrechtsalters 16 gefordert wird, Folge zu geben. Auch die SPK-SR konnte sich für den Vorstoss erwärmen. Allerdings machte die SPK-NR im November mit Verweis auf einige kantonale Abstimmungen, bei der die Senkung des Stimm- und Wahlrechtsalters auf grosse Skepsis gestossen war, einen medial stark beachteten Rückzieher – dieses Anliegen wird wohl zukünftig noch zu reden geben. Viel zu reden und zu schreiben gab im Berichtsjahr zudem ein Jubiläum, das auch als Zeugnis dafür gelesen werden kann, dass die direkte Demokratie strukturelle Minderheiten ausserhalb des Entscheidsystems tendenziell benachteiligt: 1971 – also vor 50 Jahren – war das Frauenstimm- und -wahlrecht eingeführt worden – allerdings erst im zweiten Versuch und sehr lange nach den meisten anderen demokratischen Staaten.

Im Gegensatz zum Vorjahr, als eine Volksabstimmung hatte verschoben und verschiedene Fristen hatten verlängert werden müssen, hatte die Pandemie 2021 keine unmittelbaren Auswirkungen auf das Funktionieren der direkten Demokratie. Ganz ohne Covid-19 ging es aber auch 2021 nicht: Die Schweizer Stimmbevölkerung war dabei die einzige weltweit, die – wie eingangs erwähnt – zweimal an die Urne gerufen wurde, um über denjenigen Teil der Massnahmen zu befinden, der von Bundesrat und Parlament in ein separates Gesetz gegossen worden war. Zwar wurde die Kampagne insbesondere zur zweiten Revision des Covid-19-Gesetzes teilweise sehr emotional geführt, im Anschluss an den Urnengang legten sich die Emotionen aber zumindest gegen aussen wieder etwas. Die nicht nur beim zweiten Covid-Referendum, sondern auch bei der Kampagne zum CO2-Gesetz, der Trinkwasser- und der Pestizidinitiative aussergewöhnlich hart geführten Auseinandersetzungen dürften mit ein Grund sein, weshalb die direkte Demokratie mehr Medienaufmerksamkeit generierte als in den beiden Jahren zuvor.

Jahresrückblick 2021: Institutionen und Volksrechte
Dossier: Jahresrückblick 2021

Im April 2021 eröffnete der Bundesrat das Vernehmlassungsverfahren für die Revisionen der Verordnungen über die politischen Rechte, die für eine Neuausrichtung des Versuchsbetriebs von E-Voting nötig waren. Die Ende Jahr vorliegenden Stellungnahmen fielen mehrheitlich positiv aus. Der Bundesrat kündigte an, die revidierten Verordnungen auf der Grundlage der Vernehmlassung bis Mitte 2022 bereinigen zu wollen.

Die Medien hatten die vorgeschlagenen Neuerungen freilich schon im April, also noch vor der Vernehmlassung, mit einigem Wohlwollen kommentiert. Insbesondere der Umstand, dass die neuen Systeme hohen Sicherheitsanforderungen gerecht werden müssen und dank ihrer Open-Source-Struktur mittels sogenanntem «Bug Bounty» ständig überprüft werden, wurde gelobt: Wird von Hackerinnen oder Hackern ein Fehler entdeckt und gemeldet, gibt es dafür eine Belohnung. Auch die Begleitung der Umsetzung durch Wissenschafterinnen und Wissenschafter wurde von den Medien ausdrücklich gelobt.

Auch die Post, die nach dem Rückzug des Kantons Genf als einzige Anbieterin eines E-Voting-Systems fungierte, bezog laut eigenen Angaben internationale Expertinnen und Experten bei der Entwicklung ihres neuen Systems mit ein. In Neuenburg hatte sie hierfür ein «E-Voting-Kompetenzzentrum» aufgebaut. Anfang September 2021 legte die Post einen Teil ihres Systems offen und versprach eine Belohnung von CHF 250'000 für die Aufdeckung eines gravierenden Systemmangels in diesem Teilsystem. Auch der Bund hatte im Juli angekündigt, das System der Post von unabhängiger Seite überprüfen zu lassen. Die Überprüfung, die von verschiedenen in- und ausländischen IT-Expertinnen und Experten vorgenommen werden und dem Bund Entscheidungsgrundlagen liefern sollten, werde mehrere Monate in Anspruch nehmen, gab der Bundesrat in einer Medienmitteilung bekannt. Dass externe Gutachterinnen und Gutachter für die Überprüfung durch den Bund beigezogen werden, war in der revidierten Verordnung über die politischen Rechte neu geregelt worden.

Grundsätzlich kritisch blieben die Gegnerinnen und Gegner von E-Voting. Franz Grüter (svp, LU), der sich früh als Skeptiker gezeigt und auch die 2020 gescheiterte Volksinitiative für ein «E-Voting-Moratorium» mitlanciert hatte, gab der WoZ zu Protokoll, dass er das Vorhaben weiterhin «scharf beobachte» und in allen Sicherheitsfragen absolute Transparenz verlange. Auch wenn die Initiative an der Unterschriftenhürde gescheitert sei, bestehe immer noch die Möglichkeit eines Referendums. Die Stimmbevölkerung müsse bei der letztlichen Einführung von E-Voting das letzte Wort haben, so Grüter.

Ende Jahr zeigte eine in Le Temps publizierte Umfrage von Deloitte Consulting, dass die Skepsis in der Bevölkerung kleiner scheint, als von den Gegnerinnen und Gegnern angenommen: 84 Prozent der Befragten begrüssten eine Einführung von E-Voting und eine Mehrheit der Antwortenden wünschte sich ein System, das nicht von Privaten, sondern vom Bund betrieben wird.

«Vote électronique» – Kritik und gesellschaftliche Debatte von 2015 bis 2022
Dossier: Vote électronique

Nachdem die Kritik an der direkten Demokratie 2020 wohl auch pandemiebedingt etwas weniger virulent gewesen war, zeigt ein Überblick über die Medienlandschaft zum Thema im Jahr 2021 zwei gegensätzliche Standpunkte. Wurde auf der einen Seite ein Zuviel an direktdemokratischer Mitsprache beklagt, gab es auf der anderen Seite Forderungen für einen Ausbau der partizipatorischen Instrumente.

Mehr Mitsprache forderte die Weltwoche: Der Preis für die Bekämpfung der Folgen der Covid-19-Krise sei zu hoch, kritisierte die Zeitung die «undiszipliniert gewachsen[en]» Staatsausgaben. Der Stimmbevölkerung sei es jedoch verwehrt, mitzuentscheiden, ob und welche Massnahmen überhaupt finanziert werden sollen. Der Bund habe «im Alleingang» mehrere Milliarden von Franken ausgegeben, ohne dafür direktdemokratische Legitimation einholen zu müssen. Man müsse sich deshalb überlegen, ob ein Finanzreferendum auf Bundesstufe eingeführt werden sollte. Dies war freilich eine nicht ganz neue Forderung, die zudem erst 2018 von den Räten einmal mehr verworfen worden war.

Auch die «Freunde der Verfassung», die innert kurzer Zeit zwei Referenden gegen das Covid-Gesetz bzw. dessen zweite Revision zustande gebracht hatten, diskutierten einen Ausbau der Volksrechte. Dem «Volk» sollten «mehr institutionelle Kompetenzen» gegeben werden, begründete der Sprecher der Organisation, Michael Bubendorf in der NZZ die Forderung nach der Einführung einer Gesetzesinitiative auf nationaler Ebene. Unter Umgehung des Parlaments könnten die Stimmberechtigten damit ihre Anliegen direkt in einem Gesetz verwirklichen. Auch dieses Projekt hatte in den vergangenen Jahren bereits einige Anläufe genommen – so war 1961 gar eine Volksinitiative abgelehnt worden, die die Einführung einer nationalen Gesetzesinitiative gefordert hatte. Die «Freunde der Verfassung» dachten zwar laut über die Lancierung eines neuerlichen Volksbegehrens nach, verzichteten allerdings schliesslich darauf.

Einiges zu schreiben gab die «Stopp-F-35-Initiative», mit der linke und armeekritische Kreise die Beschaffung der neuen Kampfflugzeuge verhindern wollten. Die Demokratie werde hier zum «Störfaktor», befand die Weltwoche, weil «Linke und grüne Parlamentarier [...] fortwährend [versuchten], Volksentscheide auszuhebeln». Die Initiative missachte den im September 2020 geäusserten Volkswillen für den Kauf neuer Kampfflugzeuge. Dies dürfe als «Zwängerei» betrachtet werden, urteilte auch die NZZ, doch könne dieser Kritik gelassen begegnet werden, da es nach wie vor schwierig sei, Volksinitiativen zum Erfolg zu bringen. Man müsse zwar durchaus über eine Erhöhung der Unterschriftenzahlen diskutieren, um den «inflationären» Gebrauch der Volksrechte einzudämmen, die Stimmberechtigten würden aber wohl, «wenn es ihnen mit den vielen Abstimmungen zu bunt wird, von sich aus auf die Bremse stehen und die Vorlagen reihenweise bachab schicken», so die NZZ.

Die Verfassung werde aber zum «Sammelsurium» warnte erneut die NZZ. Initiativen seien «Kristallisationsinstrumente des Polit-Marketings» geworden. Ein Initiativtext stelle Forderungen, die bewusst diffus seien. Initiativkomitees wollten häufig einfach «ein Zeichen setzen», wobei an der Abstimmungsurne dann nicht klar sei, welche Konsequenzen ein Ja oder ein Nein hätten. Zudem herrsche die Meinung vor, das Parlament werde es dann schon richten. Als Beispiele angeführt wurden von der Zeitung etwa die Konzernverantwortungsinitiative, die 99-Prozent-Initiative oder die Stopp-F35-Initiative. Aber auch die Masseneinwanderungsinitiative hätten gezeigt, wie schwierig sich das Parlament mit einer Umsetzung tue.

2021 Kritik an der direkten Demokratie

Gegen 8 der 68 vom Parlament im Jahr 2021 gefassten Bundesbeschlüsse oder Bundesgesetze, die dem fakultativen Referendum unterstellt waren, wurde dieses direktdemokratische Veto ergriffen. Diese rund zwölf Prozent Anteil bekämpfter Parlamentsentscheide stellen einen leicht höheren Wert dar als noch vor der Pandemie (2018: 10%; 2019: 11%) und heben sich recht stark vom Vorjahr ab, als lediglich 5 von 72 Parlamentsbeschlüsse bekämpft worden waren (5.6%).

Ebenfalls im Gegensatz zu 2020, als ein Anlauf gescheitert war, schafften es die Komitees in allen acht Fällen, die nötigen Unterschriften zusammenzubringen. Aufgrund der Schwierigkeiten beim Sammeln von Unterschriften im Zuge der Massnahmen gegen die Covid-19-Pandemie hatte der Bundesrat das Obligatorium für die Beglaubigung der Unterschriften durch die Gemeinden aufgehoben, was den Referendumskomitees das Sammeln der Unterschriften während der ganzen 100-tägigen Frist erlaubte – normalerweise müssen die Unterschriften innerhalb dieser 100-Tage-Frist von den Gemeinden auch beglaubigt werden. Der Erlass dieses Obligatoriums dürfte mit ein Grund für die teilweise sehr hohen Unterschriftenzahlen sein, mit denen die Referenden gegen die 2021 gefassten Beschlüsse eingereicht wurden: So wurden 187'239 Unterschriften für das Referendum gegen die 2. Revision des Covid-19-Gesetzes (eingereicht am 27.4.22), 124'337 Unterschriften für das Referendum gegen die AHV21 (eingereicht am 27.4.22) und 109'948 Unterschriften für das Referendum gegen das Bundesgesetz über ein Massnahmenpaket zugunsten der Medien (eingereicht am 17.11.21) gesammelt. Aber auch für die Referenden gegen die Abschaffung der Stempelabgaben (71'316; eingereicht am 17.11.21) und gegen das Transplantationsgesetz (70'230; eingereicht am 14.3.22) kamen mehr als 70'000 Unterschriften zusammen. Freilich liess die Bundeskanzlei davon jeweils nur einen für das Zustandekommen notwendigen Teil nachträglich bei den Gemeinden beglaubigen, wie dies im Erlass der Unterschriftenbeglaubigung vorgesehen war; offiziell ausgewiesen wurden deshalb in allen Fällen lediglich zwischen 55'000 und 75'000 Signaturen. Ebenfalls zustande kamen das Referendum gegen das Filmgesetz («Lex Netflix») (69'797 am 14.3.22 eingereichte Unterschriften), das Referendum gegen die Übernahme der EU-Verordnung über die Europäische Grenz- und Küstenwache (Frontex) (58'360 am 14.3.22 eingereichte Unterschriften) und das Referendum gegen das Bundesgesetz über die Verrechnungssteuer (66'478 am 27.4.22 eingereichte Unterschriften). Zum Vergleich: Im Schnitt wurden zwischen 2000 und 2020 pro fakultativem Referendum 75'379 gültige Unterschriften eingereicht.

2021 standen sieben fakultative Referenden zur Abstimmung. Im langjährigen Schnitt (2000-2021: 2.9 pro Jahr) war auch dies eine überdurchschnittlich hohe Zahl; noch nie in den letzten 20 Jahren waren so viele fakultative Referenden in einem Jahr zur Abstimmung gelangt. In zwei dieser sieben Fälle war das Referendum erfolgreich: An der Urne abgelehnt wurden die E-ID (Bundesgesetz über elektronische Identifizierungsdienste; abgestimmt am 7.3.21) und das CO2-Gesetz (abgestimmt am 13.6.21). Angenommen wurden hingegen das Covid-19-Gesetz (abgestimmt am 13.6.21) sowie dessen zweite Revision (abgestimmt am 28.11.21), aber auch das Wirtschaftsabkommen mit Indonesien (abgestimmt am 7.3.21), das Bundesgesetz über polizeiliche Massnahmen zur Terrorismus-Bekämpfung (abgestimmt am 13.6.21) sowie die Ehe für alle (abgestimmt am 29.9.21). Im Vergleich zu den Vorjahren war der Anteil von rund 29 Prozent erfolgreichen Referenden ebenfalls leicht überdurchschnittlich. Zwischen 2000 und 2021 liegt die durchschnittliche Erfolgsrate fakultativer Referenden pro Jahr bei 21 Prozent. Ins Auge fällt 2021 zudem die überdurchschnittliche hohe Beteiligung bei den Abstimmungen über die sieben Referenden. Mobilisierten fakultative Referenden zwischen 2000 und 2020 pro Jahr 46.4 Prozent Stimmberechtigte an die Urne, lag der Jahresschnitt 2021 bei 57.1 Prozent.

Übersicht Referenden 2021
Dossier: Ergriffene Referenden von Jahr zu Jahr (seit 2012)

Mitte Dezember 2021 entschied der Bundesrat, die Erleichterungen beim Sammeln von Unterschriften für Volksinitiativen und Referenden zu verlängern. Ab dem 18. Dezember 2021 sollte es also weiterhin möglich sein, Unterschriften einzureichen, die von den Gemeinden nicht bescheinigt worden waren. Das Einholen dieser Bescheinigungen, mit denen nicht zulässige Signaturen vermieden werden sollen, ist normalerweise Aufgabe der Komitees. Der Erlass dieser Pflicht verschafft den Komitees etwas mehr Zeit, im Rahmen der bestehenden und – obwohl von verschiedener Seite eine Verlängerung der Fristen gefordert worden war – unveränderten Sammelfristen die notwendigen Unterschriften zu sammeln. Die Bescheinigungen müssen nach Ablauf der Sammelfrist von der Bundeskanzlei bei den Gemeinden eingeholt werden. Der Bundesrat präzisierte in seiner Medienmitteilung, dass die Erleichterungen für Referenden gegen Erlasse gelten würden, die zwischen März 2021 und März 2022 im Bundesblatt veröffentlicht worden seien, sowie für Volksbegehren, die zwischen dem 13. Mai 2021 und dem 30. Juni 2022 eingereicht würden. Die Verordnung mit der Verlängerung wurde entsprechend auf den 31. August 2022 befristet.

Fristenstillstand und Erleichterung bei Unterschriftensammlungen
Dossier: Covid-19 und Volksrechte

Wird gegen ein Gesetz ein Referendum ergriffen und schafft dieses die Hürden von Unterschriftenzahl und Sammelfrist, so wird auf den Stimmzetteln zur Abstimmung über das entsprechende Gesetz jeweils dessen offizieller Titel übernommen. Dies hat zur Folge, dass nicht immer auf Anhieb erkennbar ist, worüber genau abgestimmt wird. So lautete etwa die Frage zur Abstimmung über die Einführung eines Vaterschaftsurlaubs vom September 2020 «Wollen Sie die Änderung des Bundesgesetzes über den Erwerbsersatz für Dienstleistende und für Mutterschaft (Erwerbsersatzgesetz, EOG) annehmen?». Der Inhalt der Abstimmungsfrage müsse aber auf dem Stimmzettel ersichtlich sein, damit die Stimmberechtigten nicht unnötig Zeit aufwenden müssten, um Inhalt und Titel miteinander zu verknüpfen, forderte Gabriela Suter (sp, AG) im Dezember 2020 in ihrer parlamentarischen Initiative. Die Abstimmungsfrage müsse klar und objektiv formuliert werden und dürfe weder irreführend noch suggestiv sein.
Titel von Abstimmungsgegenständen seien für die Bürgerinnen und Bürgern in der Tat ab und zu unklar, hielt die SPK-NR in ihrem Bericht zur parlamentarischen Initiative fest. Die Praxis der Titelgebung von Gesetzen müsse verbessert werden, weshalb die Kommission einer parlamentarischen Initiative (Pa.Iv. 20.462) von Jürg Grossen (glp, BE) Folge geben wolle. Die parlamentarische Initiative von Gabriela Suter biete hingegen keinen Mehrwert, da nicht klar sei, wer denn einen objektiven, nicht irreführenden Titel formulieren solle. Dies könne nicht am Schluss eines Gesetzgebungsprozesses geschehen, vielmehr sei es an den am Entscheidungsprozess Beteiligten, mehr Sorgfalt auf die Titelsetzung zu verwenden.
Eine Kommissionsminderheit, die in der Nationalratsdebatte in der Wintersession 2021 von Céline Widmer (sp, ZH) vertreten wurde, wollte die beiden parlamentarischen Initiativen verknüpfen und deshalb auch dem Vorstoss der Aargauer Sozialdemokratin Folge geben. Gegen diesen Minderheitsvorschlag richtete sich hingegen eine Mehrheit von 131 zu 53 Stimmen (bei 3 Enthaltungen), die die parlamentarische Initiative Suter damit versenkte. Diese wurde lediglich von den geschlossen stimmenden Fraktionen der SP und der GLP und einer Minderheit der GP-Fraktion unterstützt.

Abstimmungsfrage auf dem Stimmzettel (Pa.Iv. 20.487)
Dossier: Stimmzettel als Informationsträger?

Konzernverantwortungsinitiative, Begrenzungsinitiative, Initiative für «eine vernünftige Hanfpolitik» oder gar Milchkuhinitiative: Titel von Volksbegehren dürfen zwar nicht irreführend sein – in diesem Fall müsste die Bundeskanzlei vor der Lancierung einer Initiative eingreifen –, sie seien aber häufig einseitig und «einer sachlichen und faktenbasierten demokratischen Diskussion nicht förderlich», argumentierte Damien Cottier (fdp, NE) in der Wintersession 2021, um für seine parlamentarische Initiative zu werben, mit der er neutrale Titel für Volksinitiativen forderte. Cottier erhielt Unterstützung von Kurt Fluri (fdp, SO), der sich ebenfalls dagegen aussprach, dass Titel von Volksinitiativen reine «Marketingelemente» sein dürfen. Sowohl Cottier als auch Fluri zitierten ein staatsrechtliches Gutachten von Andreas Auer, das eine möglichst neutrale Titelgebung für Volksinitiativen empfahl und auf das Beispiel von Kalifornien verwies, wo alle Begehren lediglich mit einer Nummer verzeichnet werden. Die Ratsdebatte war nötig geworden, weil die SPK-NR dem Vorstoss mit 19 zu 5 Stimmen keine Folge hatte geben wollen. Für die Kommission ergriff Gerhard Pfister (mitte, ZG) das Wort: Neutralität sei in der Politik kaum zu erreichen, auch die damit beauftragte Bundeskanzlei würde sich wohl politisch exponieren, müsste sie einen neutralen Titel finden. Initiativkomitees müsse es vorbehalten sein, normativ mit der Titelsetzung bereits Kommunikation zu betreiben. Im Abstimmungskampf würden ja nicht selten auch die Gegnerinnen und Gegner eines Begehrens dieses dann anders benennen, um damit auf Schwächen der Initiative hinzuweisen – in der Debatte wurde auf den Begriff «Kündigungsinitiative» hingewiesen, der für die Begrenzungsinitiative verwendet wurde. Die Stimmbevölkerung sei genügend kompetent, um zu verstehen, was hinter dem Namen eines Volksbegehrens stehe. Es sei zudem gar zu befürchten, dass die Medien reisserische Titel verwenden würden, wenn die Initiativen lediglich mit Nummern bezeichnet würden. Die Mehrheit des Nationalrats folgte ihrer Kommission und gab der Initiative mit 157 zu 28 Stimmen keine Folge. Lediglich die geschlossen stimmende FDP.Liberalen-Fraktion sprach sich für Folgegeben aus.

Neutrale Titel für Volksinitiativen (Pa.Iv. 20.470)

Mit einer parlamentarischen Initiative forderte die GLP-Fraktion die Einführung der doppeltproportionalen Divisormethode mit Standardrundung – den sogenannten «doppelten Pukelsheim» – für die Zuteilung der Nationalratssitze bei den eidgenössischen Wahlen. Das heutige Verfahren («Hagenbach-Bischoff») sei aus verschiedenen Gründen vor allem in Kantonen mit wenigen Sitzen unfair: Nicht jede Stimme habe gleiches Gewicht und es gebe eine Verzerrung des Willens der Wählerinnen und Wähler, weil grosse Parteien bevorteilt würden. Die Listenverbindungen, mit denen dieser Bevorteilung begegnet werden solle, seien zudem intransparent. Diese Probleme würden mit dem doppelten Pukelsheim behoben, was sich auch in etlichen Kantonen gezeigt habe, die dieses Verfahren auf kantonaler Ebene bereits eingeführt hätten. Mit dem doppelten Pukelsheim basiert die Mandatszuteilung auf dem im gesamten Wahlgebiet erzielten Stimmenanteil. In einem zweiten Schritt werden dann die von einer Partei erhaltenen Sitze auf die Wahlkreise verteilt. Die Wahlreformen in den Kantonen seien auch deshalb durchgeführt worden, weil das Bundesgericht 2002 das dem nationalen Verfahren sehr ähnliche System der Stadt Zürich als verfassungswidrig eingestuft habe. Es sei Zeit für faire Nationalratswahlen, betitelte die GLP deshalb ihren Vorstoss.
Eine knappe 13 zu 12-Stimmenmehrheit der SPK-NR sah dies freilich anders. Der doppelte Pukelsheim habe seine Berechtigung in den Kantonen, werde den Eigenheiten der Schweiz aber nicht gerecht, begründete die Kommission ihren abschlägigen Entscheid. Kantone seien nicht einfach Wahlkreise, sondern historisch gewachsene Einheiten, die man nicht einfach gesamtschweizerisch zusammenfassen könne. Kantonal verankerte Parteien wie etwa die Lega dei Ticinesi oder der MCG in Genf würden es überdies wohl mit dem Doppeltproporzverfahren kaum schaffen, einen Sitz zu erobern. Zudem habe auch der doppelte Pukelsheim seine Besonderheiten. So könnte es durchaus sein, dass in einem Kanton mit lediglich einem Nationalratssitz nicht die stärkste, sondern aufgrund des nationalen Verteilverfahrens die zweitstärkste Partei den Sitz erobere, was schwierig zu vermitteln wäre und sicherlich nicht dem Willen der Wählerinnen und Wähler in diesem Kanton entspräche. Die starke links-grüne Minderheit versuchte im Rat erfolglos, eine Änderung des Verfahrens beliebt zu machen. Balthasar Glättli (gp, ZH) gab zu Protokoll, dass das Problem der Vertretung der Kantone mit nur einem Sitz durch das sogenannte «Winner-take-one»-Prinzip einfach gelöst werden könnte. Mit diesem würden nicht adäquate Sitzzuteilungen in Einerwahlkreisen verunmöglicht, ohne die Logik der Gesamtverteilung zu verfälschen. Es sei wichtig, dass auch für die eidgenössischen Wahlen das Prinzip «one person, one vote» gelte, was mit Hagenbach-Bischoff eben nicht möglich sei. Das Stimmenverhältnis in der SPK-NR spiegelte sich in der Folge im Nationalrat wider: Die SP-, die GLP- und die GP-Fraktion stimmten geschlossen für Folgegeben. Die total 84 Stimmen reichten aber gegen die 105 ablehnenden Stimmen nicht aus.

Zeit für faire Nationalratswahlen (Pa. Iv. 20.453)
Listenverbindungen und Zuteilungsverfahen – Reformvorschläge für eidgenössische Wahlen

Ende April 2021 lagen die Vorschläge für eine Teilrevision der Verordnung über die politischen Rechte (VPR) sowie für eine Totalrevision der Verordnung der Bundeskanzlei über die elektronische Stimmabgabe (VEIeS) vor und der Bundesrat eröffnete die Vernehmlassung dazu, um bald eine Neuausrichtung des Versuchsbetriebs von E-Voting starten zu können. Die Vorlagen sehen vor, dass die Kantone nach wie vor selber entscheiden können, ob und mit welchem System sie E-Voting-Versuche durchführen möchten. Der Bund bleibt verantwortlich für den rechtlichen Rahmen und die Bewilligungen der Systeme und Versuche. Pro Kanton dürfen maximal 30 Prozent und schweizweit höchstens 10 Prozent der Stimmberechtigten die digitale Stimmabgabe nutzen, von der zudem vor allem Auslandschweizerinnen und Auslandschweizer sowie Stimmberechtigte mit Behinderung profitieren sollen. Die revidierten Verordnungen regeln überdies, auf welche Weise die E-Voting-Systeme laufend überprüft werden sollen. Dabei werden unabhängige Expertinnen und Experten, aber auch Hackerinnen und Hacker im Rahmen von «Bug-Bounty-Programmen» die Systeme laufend auf Mängel überprüfen.

Die Antworten der Vernehmlassung mussten bis Mitte August 2021 eingereicht werden und Anfang Dezember 2021 lag der entsprechende Ergebnisbericht mit insgesamt 67 Stellungnahmen vor. Die grosse Mehrheit von 48 Stellungnehmenden unterstützte die Vorlagen mit kleinen Anpassungsvorschlägen; darunter 21 Kantone, die FDP, die Mitte, zahlreiche Behindertenorganisationen, der Gemeindeverband und die Auslandschweizerorganisation. Grundlegende Vorbehalte äusserten elf Vernehmlassungsteilnehmende; darunter die Kantone Freiburg, Neuenburg und Wallis, unter den Parteien die SP und die EDU und bei den Organisationen unter anderem die Economiesuisse. Die Vorbehalte betrafen den Umstand, dass momentan lediglich das System der Post bestehe, was den Kantonen kaum Handlungsspielraum gewähre. Der Bund müsse hier mehr Verantwortung übernehmen, forderten etwa die Kantone Freiburg und Wallis, die zusammen mit Neuenburg auch eine finanzielle Unterstützung durch den Bund für die Umsetzung der Versuche forderten. Auch die SP verlangte eine staatliche Lösung und prioritäre Zugänge für Auslandschweizerinnen und Auslandschweizer. Gänzlich und ausschliesslich auf Letztere wollte die EDU E-Voting beschränken. Economiesuisse forderte vor einem Neustart eine umfassende öffentliche Diskussion über Chancen und Risiken von E-Voting, um zuerst der herrschenden Skepsis in der Bevölkerung zu begegnen und entsprechend Vertrauen zu schaffen. Auf mehrheitliche Ablehnung stiessen die Vorschläge bei acht Vernehmlasserinnen und Vernehmlassern: beim Kanton Schwyz, den Grünen, der SVP und der Piratenpartei und unter den Organisationen unter anderem beim Verein «E-Voting Moratorium», der 2019 eine Initiative für ein solches Moratorium lanciert hatte, die allerdings 2020 an der Unterschriftenhürde gescheitert war. Der Kanton Schwyz befürchtete, dass Manipulationen nie ausgeschlossen werden könnten und vor allem kleine Kantone finanziell an ihre Grenzen kommen würden. Die drei Parteien und der Verein «E-Voting-Moratorium» betonten die Bedeutung des Vertrauens der Stimmberechtigten bei Wahlen und Abstimmungen, das aufgrund von nie wirklich behebbaren Sicherheitsproblemen unnötig aufs Spiel gesetzt würde. Sie forderten zudem tiefere maximale Teilnehmendenzahlen für die Zulassung von E-Voting. Die Grünen und die Piratenpartei kritisieren überdies, dass andere Digitalisierungsprojekte (z.B. E-Collecting oder elektronische Vernehmlassungen) aufgrund der starken Konzentration auf E-Voting unnötig gebremst würden. Ausdrücklich auf eine Stellungnahme verzichtet hatten unter anderem der Kanton Jura und der Arbeitgeberverband.

Mitte Dezember 2021 nahm der Bundesrat von den Ergebnissen der Vernehmlassung Kenntnis. Die Vorlagen sollen finalisiert werden, wobei die Regierung eine finanzielle Beteiligung des Bundes als sinnvoll erachtete. Als wichtig bezeichnete der Bundesrat in seiner Medienmitteilung auch die Idee der Entwicklung eines Systems aus öffentlicher Hand und die Vermeidung einer einseitigen Priorisierung von E-Voting bei Digitalisierungsprojekten. Er wolle diese Punkte längerfristig weiterverfolgen.

Neuausrichtung des Versuchsbetriebs von E-Voting
Dossier: Vote électronique

Er könne sich kurz halten, da es keine neuen Argumente gebe und auch in der neuerlichen Debatte keine aufgetaucht seien, gab Gerhard Pfister (mitte, ZG) in der Wintersession 2021 bei der Diskussion um die Einführung eines obligatorisches Referendums für völkerrechtliche Verträge mit Verfassungscharakter für die Kommission zu Protokoll: Die Mehrheit der SPK-NR beantrage Festhalten am ursprünglichen Nichteintretensentscheid, weil sie keinen Handlungsbedarf sehe und die Vorlage zu wenig ausgereift sei. Eine erstarkte Minderheit – ursprünglich hatte die Kommission die Vorlage mit 17 zu 8 Stimmen abgelehnt, im zweiten Durchgang standen sich 13 zu 11 Stimmen bei 1 Enthaltung gegenüber – wolle vor allem auch den Kantonen mit Berücksichtigung des Ständemehrs mehr Gewicht geben.
Die erneute Debatte war nötig geworden, weil der Ständerat auf die Vorlage eintreten wollte, obwohl die grosse Kammer zuvor schon nichts von der Idee hatte wissen wollen. Die Sprecherinnen und Sprecher der Fraktionen hatten vor dem Votum Pfisters ihre Positionen noch einmal ausgeführt. Marco Romano (mitte, TI) sprach sich im Namen der Mitte für eine Stärkung der Volksrechte, für die Zustimmung zum Beschluss des Ständerats und also für Eintreten aus. Die SP-Fraktion – vertreten durch Samira Marti (sp, BL) – war für Festhalten. Marti warf dem Ständerat vor, mit der Forderung nach dem obligatorischen Referendum die Macht der Kantone über Gebühr stärken zu wollen. Damit würden nicht nur «die Stimme der Stimmbürgerinnen und Stimmbürger» und damit das «Demokratieprinzip» an und für sich geschwächt, zudem bedeute die notwendige Zustimmung der Kantone insbesondere bei Verträgen, in denen es um Grundrechte gehe, «höhere Hürden für einen effektiven Menschenrechtsschutz». Mit der Einführung des Ständemehrs würde überdies die im Moment auch im Rahmen der Covid-19-Pandemie viel diskutierte Spaltung der Gesellschaft noch weiter vorangetrieben. Gregor Rutz (svp, ZH) warb im Namen der SVP-Fraktion für Eintreten: Es gebe immer mehr Staatsverträge, die «direkt oder indirekt auf unsere Kompetenzordnung zugreifen», weshalb es notwendig sei, solche Abkommen Volk und Ständen zu unterbreiten. Nachdem Nationalratsvizepräsident Martin Candinas (mitte, GR) die Positionen der drei restlichen Fraktionen bekannt gegeben hatte – die FDP-Fraktion unterstütze die Minderheit, die GLP- und die GP-Fraktionen die Mehrheit – erklärte Kommissionssprecher Pfister den Grund für die Erstarkung der Kommissionsminderheit: Verschiedene Kommissionsmitglieder hatten entschieden, dem Ständerat entgegenzukommen. Dies wollte aber eine deutliche Mehrheit der grossen Kammer nicht: Zum zweiten Mal lehnten die SP-, GLP- und die GP-Fraktionen die Vorlage geschlossen ab. Die Mitte-Fraktion war gespalten und auch die FDP-Liberale Fraktion stimmte trotz anderslautender Fraktionsempfehlung grossmehrheitlich gegen Eintreten. Damit standen 114 Stimmen 69 Stimmen, die vor allem aus der SVP- und der Mitte-Fraktion stammten, gegenüber und versenkten die Vorlage endgültig.

Obligatorisches Referendum für völkerrechtliche Verträge mit Verfassungscharakter (BRG. 20.016)
Dossier: Obligatorisches Referendum für völkerrechtliche Verträge mit Verfassungscharakter

Unterlistenverbindungen sind Zusammenschlüsse von Listen innerhalb einer Listenverbindung. Damit können Parteien innerhalb einer verbundenen Liste allenfalls mehr Stimmen erhalten, um dann die der Liste zugerechneten Mandate dank mehr Stimmen aufgrund der Unterlisten zu erobern. Bei den eidgenössischen Wahlen 2019 waren nicht weniger als 108 Unterlistenverbindungen eingegangen. Gemäss Bundesgesetz über die politischen Rechte dürfen Unterlistenverbindungen aber nur innerhalb der gleichen Gruppierung geschmiedet werden – etwa in Form von getrennten Geschlechterlisten, Regionen- oder Generationenlisten. Umstritten ist jedoch, wie der Begriff «Gruppierung» zu interpretieren ist. Rechtsgutachten kommen zum Schluss, dass zwischen verschiedenen Parteien zwar Listen-, aber keine Unterlistenverbindungen eingegangen werden dürfen. Die SPK-NR wollte deshalb mittels parlamentarischer Initiative eine Präzisierung von Unterlistenverbindungen im Bundesgesetz über die politischen Rechte vornehmen.
Allerdings verweigerte ihre Schwesterkommission im August 2021 mit 6 zu 4 Stimmen (bei 1 Enthaltung) Folgegeben, so dass der Vorstoss der grossen Kammer vorgelegt werden musste. Laut der SPK-NR brauche es diese Präzisierung, weil es seit der Einführung der Unterlistenverbindungen in den 1990er Jahren «entgegen dem Willen des Gesetzgebers immer wieder zu parteiübergreifenden Unterlistenverbindungen gekommen» sei. Als Beispiel fügte Kommissionssprecherin Céline Widmer (sp, ZH) in der Ratsdebatte die Unterlistenverbindung mit dem Namen «Mitte» an, die sich im Kanton Basel-Stadt aus GLP, junger GLP, BDP und EVP zusammengesetzt habe. Grund dafür sei die unpräzise Formulierung im Gesetz, die eine Unterlistenverbindung von verschiedenen Flügeln einer «Gruppierung» erlaube. Das Wort «Gruppierung» müsse durch «Partei» ersetzt werden, forderte die Kommissionsmehrheit. Eine Kommissionsminderheit sprach sich allerdings gegen Folgegeben aus. Ihr Sprecher, Gerhard Pfister (mitte, ZG) brachte in der Debatte zwei Argumente vor. Erstens sei es nicht wahrscheinlich, dass der Ständerat zustimmen werde, man könne das Verfahren also abkürzen. Zweitens sei auch der Begriff «Partei» nicht klarer als der Begriff «Gruppierung», der ja durchaus beabsichtigten Spielraum lasse. Er befürchte zudem, dass mit einer Einschränkung von Unterlistenverbindungen auch die Diskussion eines Verbots von Listenverbindungen generell Auftrieb erhalten werde. Mit 111 zu 74 Stimmen folgten die Nationalrätinnen und Nationalräte aber der Kommissionsmehrheit. Weil (Unter-)Listenverbindungen eher kleineren Parteien nützen, gab es eine recht spezielle Abstimmungskoalition aus SP-, SVP- und FDP-Liberale-Fraktion, die der Präzisierung zustimmten, während die Fraktionen von Mitte, GLP und GP den Vorstoss ablehnten.

Präzisierung der Unterlistenverbindungen (Pa.Iv. 21.402)
Listenverbindungen und Zuteilungsverfahen – Reformvorschläge für eidgenössische Wahlen

Sind Titel von Gesetzen, über die in einer Volksabstimmung befunden wird, verständlich? Diese Frage stellte sich Jürg Grossen (glp, BE) und wies in der Begründung für seine parlamentarische Initiative, mit der er verlangte, dass Titel von Gesetzen mit dem Inhalt übereinstimmen müssen, auf das Beispiel der «Steuerlichen Belastung der Kinderdrittbetreuungskosten» hin, über die am 27. September 2020 abgestimmt worden war. Das Parlament habe ja damals zusätzlich auch die allgemeinen Kinderabzüge erhöht, was im ursprünglichen Titel des Gesetzes aber nicht ersichtlich gewesen sei. Es brauche hier mehr Transparenz und die Möglichkeit, den Titel einer Vorlage – z.B. vor der Schlussabstimmung durch die Redaktionskommission – anzupassen.
Die SPK-NR sprach im Oktober 2021 mit 11 zu 9 Stimmen bei 2 Enthaltungen ihre Unterstützung für die Idee aus. Sie habe die zuständigen Organe (Kommissionen und Bundesrat) bereits ermahnt, mehr Sorgfalt bei der Titelgebung von Gesetzen walten zu lassen, und es brauche hier vielleicht in der Tat eine gesetzliche Grundlage. Noch nicht klar war für die Kommission allerdings, wer letztlich für die Formulierung der Titel zuständig sein soll. Einig waren sich die Mitglieder der SPK-NR lediglich, dass diese Aufgabe nicht der Verwaltung übertragen werden soll. Dieser in einer parlamentarischen Initiative von Gabriela Suter (sp, AG, Pa.Iv. 20.487) formulierten Idee gab die Kommission daher keine Folge.
Die SPK-SR argumentierte hingegen Anfang 2022, dass es für dieses Anliegen keine Gesetzesänderung brauche. Es gebe genügend Möglichkeiten – «und zwar bis zum Ende des Gesetzgebungsverfahrens» –, um den Titel einer Vorlage anzupassen. Mit 6 zu 2 Stimmen sprach sich die SPK-SR entsprechend gegen Folgegeben aus.

Titel von Gesetzen müssen mit dem Inhalt übereinstimmen (Pa.Iv. 20.462)
Dossier: Stimmzettel als Informationsträger?

Politischer Anstand könne nicht per Gesetz vorgeschrieben werden, begründete die SPK-NR ihre Empfehlung, der parlamentarischen Initiative von Benjamin Roduit (mitte, VS) keine Folge zu geben. Roduit stiess sich am Umstand, dass bei Nationalratswahlen gewählte Kandidierende ihre Wahl ablehnten, um ihren Platz Ersatzpersonen zu überlassen. Dies sei «eine bewusste Verweigerung des Volkswillens», weshalb der Walliser Volksvertreter in seinem Vorstoss forderte, dass sich Gewählte für eine Mindestamtszeit verpflichten müssten. Diese Art von Stimmenfang sei zwar in der Tat stossend, befand die SPK-NR, es gebe aber nur sehr wenige entsprechende Fälle. Statt den Gesetzgeber zu bemühen, sollten eher die Parteien an ihre Verantwortung erinnert werden. Obwohl eine 6-köpfige Kommissionsminderheit das Anliegen unterstützt hätte, zog Roduit seine parlamentarische Initiative zurück.

Verweigerung der Demokratie verhindern (Pa.Iv. 19.510)

Weil die Referendumsfrist zum Gegenvorschlag zur Transparenzinitiative abgelaufen sei und damit ab den eidgenössischen Wahlen 2023 erstmals Transparenz hinsichtlich Finanzierung von Wahl- und Abstimmungskampagnen geschaffen werden müsse, brauche es ihr Postulat nicht mehr, gab Mattea Meyer (sp, ZH) in der Herbstsession 2021 als Begründung für den Rückzug ihres Anliegens zu Protokoll. In ihrem Postulat hätte sie eine Studie zur Wahlkampf- und Abstimmungsfinanzierung bei den eidgenössischen Wahlen 2011, 2015 und 2019 sowie bei drei umstrittenen Abstimmungsvorlagen gefordert. Der Bundesrat hatte das Postulat zur Ablehnung empfohlen, weil die Studie auf einer freiwilligen Selbstdeklaration der Kampagnenführenden beruht hätte und die Ergebnisse deshalb wohl kaum überprüfbar gewesen wären.

Studie zur Wahlkampf- und Abstimmungsfinanzierung (Po. 19.4186)

Weil der Nationalrat als Zweitrat in seiner Sondersession im Mai 2021 nicht auf den Entwurf des Bundesrats für ein obligatorisches Referendum für völkerrechtliche Verträge mit Verfassungscharakter eingetreten war, gelangte das Geschäft wieder in die kleine Kammer. Dort machte sich Andrea Caroni (fdp, AR) als Kommissionssprecher für die Mehrheitsposition der SPK-SR stark, die mit 9 zu 2 Stimmen bei 1 Enthaltung Festhalten am bereits gefassten Eintretensentscheid beantragte. Die Vorlage stärke die Volksrechte, schaffe mehr Transparenz und erhöhe die Rechtsstaatlichkeit – so Caroni. Das bestehende obligatorische Staatsvertragsreferendum weise Lücken auf und müsse ergänzt werden. Es dürfe nicht dem Gutdünken des Parlaments überlassen werden, welche Verträge obligatorisch von Volk und Ständen gutgeheissen werden sollen, wie dies jetzt eigentlich der Fall sei. In der Schwesterkommission sei vor allem diskutiert worden, mit welcher Regel entschieden werden solle, wann ein Vertrag Verfassungscharakter habe und dem obligatorischen Referendum unterstellt werden müsse. Es gebe hier unterschiedliche Stossrichtungen, die, falls Eintreten bestätigt würde, auch im Nationalrat noch einmal diskutiert werden könnten: Mit dem ersten vom Bundesrat vorgeschlagenen Ansatz würde beurteilt, ob der Inhalt eines internationalen Vertrags auch innerstaatlich in die Verfassung geschrieben werden würde. Die Bejahung dieser Frage würde ein obligatorisches Referendum nach sich ziehen. Ein neu diskutierter Ansatz würde auf die politische Bedeutung und die Tragweite eines Vertrags abstellen. Nur «Verträge von politisch grosser Tragweite» würden Volk und Ständen zur Beurteilung vorgelegt. Da die neu diskutierten, auf diesen Ansätzen beruhenden Lösungen «verheissungsvoll» seien und aus Sicht der Kommission nach wie vor Handlungsbedarf bestehe, plädierte sie auf Festhalten am Eintretensentscheid.
Für die Kommissionsminderheit ergriff Daniel Jositsch (sp, ZH) das Wort. Er erinnerte daran, dass Verträge, mit denen die Verfassung tangiert würden, nur «alle paar Jahrzehnte einmal» vorliegen würden. Er sehe nicht ein, weshalb das bisherige Vorgehen, mit dem das Parlament ein obligatorisches Staatsvertragsreferendum sui generis beschliesse, geändert werden müsse. Auch sei die Gefahr einer Politisierung von Staatsverträgen geringer, wenn weiterhin das Parlament entscheide, Staatsverträge dem Volk «sua sponte» vorzulegen, als wenn jemand darüber befinden müsse, wann von politisch grosser Tragweite gesprochen werden könne.
Zwar machte Paul Rechsteiner (sp, SG) in der Folge auf die recht deutliche Opposition im Nationalrat aufmerksam, die Nicht-Eintreten auch im Ständerat opportun mache, sowohl Daniel Fässler (mitte, AI) als auch Bundesrätin Karin Keller-Sutter warben aber dafür, der SPK-NR und dem Nationalrat noch einmal eine Chance für weitere Reflexionen zu diesem wichtigen Thema zu verschaffen. Dies schien die Mehrheit der kleinen Kammer ebenso zu sehen. Mit 29 zu 10 Stimmen (2 Enthaltungen) wurde Festhalten beschlossen und das Geschäft noch einmal zurück in die Volkskammer geschickt.

Obligatorisches Referendum für völkerrechtliche Verträge mit Verfassungscharakter (BRG. 20.016)
Dossier: Obligatorisches Referendum für völkerrechtliche Verträge mit Verfassungscharakter

In der Herbstsession wurde die verschobene Debatte zur Motion von Baptiste Hurni (sp, NE), mit der dieser Betrug bei Unterschriftensammlungen bekämpfen möchte, nachgeholt. Der Motionär bedankte sich zuerst für die Verschiebung und zitierte Beispiele von aktuellen Unterschriftensammlungen, bei denen Unterschriften nachweislich auf betrügerische Weise gesammelt worden seien. Laut Zeugenaussagen hätten für das Referendum gegen den Vaterschaftsurlaub Unterschriften sammelnde Personen behauptet, sie seien für einen Urlaub für Väter, währen Sammelnde für das Referendum gegen die erweiterte Rassismusstrafnorm angegeben hätten, gegen Homophobie zu sein. Zahlreiche Unterzeichnende hätten somit wegen dieser Irreführung ihre Unterschrift genau für die gegenteilige Haltung in die Unterschriftenbögen gesetzt. Im Strafgesetzbuch sei «betrügerisches Einholen von Unterschriften durch Lügen oder Täuschung» nicht als strafbare Handlung vermerkt und die entsprechenden Unterschriften seien auch nicht ungültig. Beides solle auf der Basis seiner Motion geändert werden, so Hurni.
Der Bundesrat hatte die Motion zur Ablehnung empfohlen, weil er das Strafrecht nicht als geeignet erachtete, um die Demokratie zu schützen. Zudem würden direktdemokratische Prozesse verlängert, wenn nach einer Unterschriftensammlung zuerst ein Strafverfahren abgewartet werden müsste. Schliesslich könne eine «aus Unachtsamkeit oder Gutgläubigkeit» abgegebene Unterschrift bei der Volksabstimmung wieder korrigiert werden. Der Rat folgte dieser von Bundeskanzler Walter Thurnherr in der Ratsdebatte vorgebrachten Argumentation und versenkte den Vorstoss mit 109 zu 61 Stimmen (1 Enthaltung). Die Unterstützung für das Anliegen stammte aus dem rot-grünen Lager.

Betrug bei Unterschriftensammlungen bekämpfen (Mo. 19.4431)

Es würden leider nur wenige Massnahmen zur Förderung der politischen Beteiligung junger Menschen ergriffen, obwohl es «den jungen Wahlberechtigten an politischem Bewusstsein» fehle, begründete Samuel Bendahan (sp, VD) sein Postulat. In diesem forderte er den Bundesrat auf, zu prüfen, ob die Mittel, die wegen der Verschiebung der Einführung von E-Voting nicht gebraucht würden, in solche Massnahmen gesteckt werden könnten.
Der Bundesrat erwähnte in seiner Stellungnahme, dass ihm Partizipation und politische Bildung, wie sie bereits in früheren Vorstössen (etwa Po. 16.3962 und Po. 16.4095) thematisiert worden waren, ein wichtiges Anliegen seien, wofür er sich auch weiterhin einsetzen werde. In der Tat stünden die Versuche mit E-Voting zurzeit still. Jedoch sei eine anderweitige Verwendung der Gelder nicht möglich, da einerseits die Kantone den Hauptteil der Kosten trügen – der Bund sei lediglich für die Bewilligungen zuständig. Andererseits würden diese Mittel im Rahmen der Neuausrichtung von E-Voting benötigt, weshalb das Postulat zur Ablehnung empfohlen werden müsse. In der Folge zog Bendahan seinen Vorstoss zurück.

Förderung der politischen Beteiligung junger Menschen (Po. 19.4581)

Wie schon bei den eidgenössischen Wahlen 2019 und 2015 kommt es auch bei den Nationalratswahlen 2023 zu einer Verschiebung der Anzahl Nationalratssitze pro Kanton. Wie schon 2015 wird es der Kanton Zürich sein, der aufgrund der kantonalen Bevölkerungszahl einen Sitz mehr erhalten wird (neu 36 Sitze). Dies wird auf Kosten des Kantons Basel-Stadt geschehen, der neu nur noch über vier Sitze verfügt. Die 200 Nationalratssitze werden seit 2015 alle vier Jahre für jede neue Legislatur aufgrund der ständigen kantonalen Wohnbevölkerung neu berechnet und auf die Kantone verteilt.

Verschiebung der Anzahl Nationalratssitze pro Kanton
Dossier: Anzahl Nationalratssitze pro Kanton

Ende August verabschiedete der Bundesrat die Verordnung über die Transparenz bei der Politikfinanzierung. Das geänderte Bundesgesetz über die politischen Rechte wurde per 23. Oktober 2022 in Kraft gesetzt. Die neue Regelungen basieren auf einem indirekten Gegenvorschlag zur Transparenzinitiative, welche in der Folge zurückgezogen worden war. Die Revision der Verordnung sah nun zwei grundlegende Änderungen vor:
Erstmals für das Kalenderjahr 2023 müssen einerseits alle Parteien sowie alle Parteilosen, die im eidgenössischen Parlament vertreten sind, sämtliche Einnahmen melden. Zudem sind die Namen von Spenderinnen und Spendern von Beträgen über CHF 15'000 sowie alle Beiträge von Mandatsträgerinnen und Mandatsträgern (z.B. Parteimitglieder im Bundesrat oder in eidgenössischen Gerichten) einzeln in dieser Jahresrechnung aufzuführen. Parteilose Parlamentsmitglieder müssen ebenfalls alle Spenden ausweisen. Als Spenden gelten dabei monetäre wie auch nichtmonetäre Zuwendungen. Anonyme Zuwendungen oder Spenden aus dem Ausland dürfen nicht angenommen werden. Die Angaben sind jeweils spätestens bis Mitte des Folgejahres der EFK vorzulegen.
Andererseits wird auch mehr Transparenz bei Abstimmungs- und Wahlkampagnen geschaffen. Politische Akteure, die solche Kampagnen führen, müssen deren Finanzierung offenlegen, wenn diese mehr als CHF 50'000 beträgt. Auch in diesem Fall sind Zuwendungen von mehr als CHF 15'000 einzeln auszuweisen – auch wenn diese über die Zeit verteilt von der gleichen Urheberin oder dem gleichen Urheber stammen. 45 Tage vor einer Wahl oder einer Abstimmung müssen zudem die Kampagnenbudgets gemeldet werden. Die Schlussrechnungen müssen spätestens 60 Tage nach einem Urnengang ebenfalls bei der EFK eingereicht werden. Führen mehrere Akteure eine Kampagne gemeinsam, werden die Finanzen zusammengezählt. Erreichen diese CHF 50'000 oder mehr, gelten für die Akteure die gleichen Regeln.
Sonderregeln gelten für Ständeratswahlen. Kandidierende für die kleine Kammer müssen kein Budget vorlegen, wohl aber eine Schlussrechnung, in der Zuwendungen über CHF 15'000 ebenfalls einzeln offenzulegen sind.
Der Bundesrat machte die EFK zur verantwortlichen Prüfstelle. Sie muss die eingereichten Parteibudgets spätestens am 31. August eines Jahres im Folgejahr und die Kampagnenbudgets jeweils 15 Tage nach deren Eintreffen, also spätestens 30 Tage vor einem Urnengang, veröffentlichen. Die EFK hat dabei die Einhaltung der Fristen zu kontrollieren. Sie kann Stichproben zur Korrektheit der Angaben durchführen, wobei sie aber lediglich materielle Kontrollen vornimmt, also lediglich prüft, ob die Angaben inhaltlich korrekt und die Quellen, Zuwendungen und Beträge vermutlich vollständig sind. Bei Mängeln muss die sie eine Frist zur Nachmeldung setzen und bei Verdacht auf Verstösse Anzeige bei den Strafverfolgungsbehörden erstatten. Sanktionen – vorgesehen sind Bussen bis zu CHF 40'000 – können lediglich von einem Gericht ausgesprochen werden.
Diese endgültige Fassung der Verordnung entsprach praktisch gänzlich dem Entwurf, der in der Vernehmlassung von der Mehrheit der Teilnehmenden grundsätzlich positiv aufgenommen worden war. Einzelne Verbesserungsvorschläge wurden in Form von Präzisierungen vor allem in einer begleitenden Erörterung aufgenommen – so etwa die genauen Anforderungen an Parteien und Kampagnenführende oder eine präzise Definition von «gemeinsamen Kampagnen». Vor allem die Wirtschaftsverbände (Economiesuisse, SAV, SGV, SBV) hatten sich in der Vernehmlassung freilich sehr kritisch gezeigt und von «Scheintransparenz» gesprochen, weil es nach wie vor zu viele Schlupflöcher gebe.
Der Bundesrat entschied zudem, dass die Regeln erstmals bei den eidgenössischen Wahlen 2023 gelten sollen.

Transparenz in der Politikfinanzierung (Pa. Iv. 19.400)
Dossier: Finanzierung der Politik
Dossier: Transparenzinitiative und Gegenvorschlag - Änderung des Bundesgesetzes über die politischen Rechte

Wie gut ist das politische System der Schweiz gegen Wahl- und Abstimmungsbetrug geschützt? Diese Frage stellte sich im Rahmen einer Gerichtsverhandlung Anfang Juli 2021, bei der sich der ehemalige Stadtschreiber von Frauenfeld wegen qualifizierten Wahlbetrugs verantworten musste. Die GLP hatte noch am Tag nach den Thurgauer Grossratswahlen 2020 aufgrund der Panaschierstatistik auf seltsame Resultate in der Kantonshauptstadt hingewiesen, worauf der Stadtschreiber persönlich die veröffentlichten Resultate überprüfte und diese bestätigte. Nachdem die GLP noch einmal insistierte, machte das Wahlbüro den Stadtschreiber darauf aufmerksam, dass die Zahlen darauf hindeuten würden, dass hundert Wahlzettel vergessen, verloren gegangen oder vertauscht worden sein müssen. Noch einmal überprüfte der Beamte die Zettel. Laut Anklageschrift fiel ihm bei dieser zweiten Kontrolle auf, dass 100 Wahlzettel der GLP wohl versehentlich auf dem Stapel der SVP gelandet waren. Er soll sodann realisiert haben, dass eine Korrektur zu einer Veränderung der Anzahl Sitze zu Lasten der SVP und zu Gunsten der GLP führen würde. Vermutlich um sein Gesicht als Verantwortlicher zu wahren, sei er anschliessend zur Fälschung geschritten – so die Anklageschrift: Er meldete lediglich einen der beiden falsch gezählten Stapel, vernichtete 100 Wahlzettel der GLP, trennte SVP-Listen aus vorrätigen Wahlbüchlein heraus und legte diese in den Stapel der SVP; laut Anklageschrift fanden sich diese Zettel alle hintereinander und waren nicht vollständig gefaltet, was den Betrug schliesslich auffliegen liess. Diese Zettel wiesen zudem im Gegensatz zu anderen kaum Fingerabdrücke und Gebrauchsspuren auf. Auf mindestens zwei Zetteln fanden sich zudem Fingerabdrücke des Stadtschreibers selber. Dies flog auch deshalb auf, weil die GLP in der Folge einen Wahlrekurs eingereicht und eine Nachzählung gefordert hatte. In der Tat erhielten die Grünliberalen aufgrund der nun korrekten Auszählung auf Kosten der SVP nachträglich einen zusätzlichen Sitz zugesprochen.

Der Angeklagte beteuerte seine Unschuld. Die beiden Richterinnen und der Richter des Bezirksgerichts Frauenfeld sahen sein Verschulden allerdings als erwiesen an und verurteilten ihn zu einer bedingten Freiheitsstrafe von 12 Monaten und einer Busse von CHF 3'000. Ungeklärt blieb allerdings die Frage, ob die Stapel mit den 100 Wahlzetteln bereits zuvor in betrügerischer Absicht vertauscht worden waren. Der Angeklagte zog das Urteil auch deshalb ans Obergericht weiter. Nachdem dieses das Urteil bestätigte, gab der Angeklagte bekannt, auch das Bundesgericht noch anrufen zu wollen.

In den Medien, in denen der Fall grosse Aufmerksamkeit erhielt, gingen die Meinungen über die Sicherheit des politischen Systems auseinander. Während der Tages-Anzeiger vor «Sicherheitslücken» und «lächerlich tiefen» Standards warnte, wies die Aargauer Zeitung darauf hin, dass im Milizsystem auch Fehler passieren dürften. Umstritten war zudem, ob dieses Ereignis das Vertrauen in die Demokratie beeinträchtige. Der Tages-Anzeiger zitierte den Thurgauer Staatsanwalt Stefan Haffter, der von einem «rabenschwarzen Tag für die Demokratie» sprach. In der Aargauer Zeitung wurde freilich die Hoffnung laut, dass das Ereignis dazu führe, dass die Regeln für die lokalen Wahlbüros überdacht würden und damit das Vertrauen gestärkt werden könnte. Es sei vor allem nicht nachvollziehbar, dass der Stadtschreiber mehrmals alleine habe agieren können. Allerdings lehnte der Thurgauer Grossrat in der Folge eine Motion ab, mit der stärkere Kontrollen hätten eingeführt werden sollen.

Wahlfälschung in Frauenfeld

Kurz nach der Schlussabstimmung der Räte kündigte das Initiativkomitee an, seine Volksinitiative «Für mehr Transparenz in der Politikfinanzierung (Transparenz-Initiative)» bedingt zurückzuziehen. Ein bedingter Rückzug bedeutet, dass das Begehren dann definitiv vom Tisch ist, wenn der indirekte Gegenvorschlag offiziell in Kraft tritt. Eine Bedingung hierfür, nämlich das Verstreichen der Referendumsfrist, wurde am 7. Oktober 2021 erreicht. Der Bundesrat hatte in der Zwischenzeit angekündigt, dass die Revision des Bundesgesetzes über die politischen Rechte voraussichtlich im Herbst 2022 in Kraft treten werde.

Eidgenössische Volksinitiative «Für mehr Transparenz in der Politikfinanzierung (Transparenz-Initiative)»
Dossier: Finanzierung der Politik
Dossier: Transparenzinitiative und Gegenvorschlag - Änderung des Bundesgesetzes über die politischen Rechte

In der Sommersession 2021 räumten die Räte die noch bestehenden Differenzen beim indirekten Gegenvorschlag für mehr Transparenz bei der Politikfinanzierung aus, der die Anliegen der Transparenzinitiative aufnehmen will. Als erstes war der Ständerat an der Reihe. Daniel Fässler (mitte, AI), der für die SPK-SR Bericht erstattete, informierte die Mitglieder der kleinen Kammer vorab, dass der Trägerverein der Transparenzinitiative in einem an die Kommission gerichteten Schreiben von Ende Mai 2021 den bedingten Rückzug der Initiative in Aussicht stellte, wenn der Ständerat in zwei der vier beim Gegenvorschlag verbleibenden Differenzen auf die Linie des Nationalrats umschwenke – bei der Höhe der Offenlegungspflicht von Zuwendungen an Parteien und Initiativkomitees sowie bei der Regelung der Kontrollen. Beide Differenzen wurden in der Folge ohne Diskussion gutgeheissen: Damit müssen neu Geld- oder Sachspenden, die an Parteien oder Komitees gerichtet werden und über einem Schwellenwert von CHF 15'000 liegen, offengelegt werden. Die Initiative hätte hier einen Wert von CHF 10'000 und der Ständerat ursprünglich CHF 25'000 gefordert. Bereits geeinigt hatten sich die Räte auf die Obergrenze der offenzulegenden Wahl- und Abstimmungsbudgets von CHF 50'000. Zudem muss eine Behörde, die vom Bundesrat noch zu bestimmen sein wird, die Einhaltung der Offenlegungspflichten und die Vollständigkeit der eingereichten Dokumente kontrollieren und die Angaben veröffentlichen. Auch der Ständerat war dafür, dass diese Behörde darüber hinaus Stichprobenkontrollen durchführen muss, mit denen die Richtigkeit der Angaben verifiziert werden soll. Der Vorschlag der SPK-SR, eine sprachliche Anpassung hinsichtlich der Offenlegungspflicht der so genannten Mandatssteuern, also der Abgaben, die von Mandatsträgerinnen und Mandatsträgern an ihre Parteien erbracht werden, vorzunehmen, wurde ebenfalls stillschweigend gutgeheissen. Zu diskutieren gab allerdings die letzte Differenz, nämlich die Frage, ob die Offenlegungspflicht auch für Wahlkampfkampagnen von Ständerätinnen und Ständeräten gelten soll. Die Mehrheit der kleinen Kammer hatte sich bei der ersten Beratung auf den Standpunkt gestellt, dass Wahlen von Kantonsvertreterinnen und -vertretern kantonalem Recht unterstünden und hierfür deshalb keine nationale Regel gelten dürfe. Kommissionssprecher Daniel Fässler wies darauf hin, dass das Initiativkomitee diesen Punkt nicht als Bedingung für den Rückzug der Initiative betrachte. Der Nationalrat habe in seiner Debatte in der Frühjahrssession 2021 allerdings gefordert, dass alle Mitglieder des gesamten Parlaments gleichgestellt werden müssten. Die SPK-SR schlage eine Offenlegungspflicht nur für jene Ständeratsmitglieder vor, die auch tatsächlich gewählt würden, erklärt Fässler den Kompromissvorschlag seiner Kommission. Nur diese gehörten ja aufgrund der erfolgten Wahl einer Bundesbehörde an und würden dann auch nationalem Recht unterstellt. Eine Minderheit beantragte allerdings Festhalten am ursprünglichen Entscheid. Begründet wurde diese Position von Thomas Hefti (fdp, GL) damit, dass in einigen Kantonen bereits Transparenzregeln eingeführt worden seien und man dies also getrost den Kantonen überlassen dürfe, die zudem spezifischer auf die unterschiedlichen Wahlkampfanforderungen für den Ständerat Rücksicht nehmen könnten. Obwohl vor allem die Ratslinke in Person von Lisa Mazzone (gp, GE) oder Hans Stöckli (sp, BE) für die Mehrheit argumentierte und gleichberechtigte Transparenz auch für die kleine Kammer forderte, folgte eine Mehrheit von 25 zu 19 Stimmen dem Minderheitsantrag und beharrte somit auf dieser letzten Differenz.

Der Nationalrat befasste sich zwei Tage später somit nur noch mit der Frage, ob Ständeratsmitglieder gleich behandelt werden sollen wie Nationalratsmitglieder. Die SPK-NR, für die Corina Gredig (glp, ZH) das Wort ergriff, sprach sich für die Bejahung dieser Frage aus. Der Wählerschaft diesen Unterschied zu erklären sei schwierig. Dennoch wolle die Kommission dem Ständerat entgegenkommen und übernehme deshalb den im Ständerat gescheiterten Vorschlag der Mehrheit der Schwesterkommission, eine Offenlegungspflicht nur von effektiv gewählten Kantonsvertreterinnen und -vertretern zu verlangen. Eine von Andri Silberschmidt (fdp, ZH) angeführt Minderheit beantragte, dem ständerätlichen Entscheid zu folgen und auf eine Offenlegung der Wahlbudgets für Ständerätinnen und Ständeräte ganz zu verzichten, um das gesamte Projekt nicht mit einem Element zu gefährden, dass letztlich «nicht matchentscheidend» sei. Die Mehrheit war hingegen anderer Meinung. Marianne Binder-Keller (mitte, AG) zeigte sich erstaunt über die «grandiose Pirouette» des Ständerats, der ja eigentlich den Gegenvorschlag angestossen habe, um mehr Transparenz zu schaffen, sich selber jetzt aber davon ausnehmen wolle. Nachdem Bundesrätin Karin Keller-Sutter versicherte, dass der Vorschlag der Offenlegungspflicht nach erfolgter Wahl verfassungskonform sei, weil ein Ständeratsmitglied mit der Wahl dem Bundesrecht unterstellt werde, erhielt der Kommissionsvorschlag 114 Stimmen. Die 30 Stimmen, die den Ständerat gänzlich von der Offenlegungspflicht der Wahlkampfbudgets befreien wollten, stammten aus der FDP (21) und der SVP-Fraktion (9).

Damit musste eine Einigungskonferenz eingesetzt werden, die es in Anbetracht der Ausgangslage aber relativ einfach hatte und mit 21 zu 3 Stimmen beschloss, die Version des Nationalrats bzw. die im Ständerat abgelehnte Version der Mehrheit der SPK-SR als Kompromissvorschlag zu unterbreiten. Im Ständerat gab es zwar noch einige Stimmen, die sich mit diesem Kompromiss nicht anfreunden konnten – so nannte Jakob Stark (svp, TG) die Regelung einen «nicht zulässigen Kunstgriff», weil während der Wahl kantonales Recht, nach der Wahl aber eidgenössische Recht gelte – nachdem die Justizministerin aber davor warnte, dass die Initiative, die wohl bei einer Volksabstimmung «grosse Chancen» hätte, wesentlich weitgehendere Offenlegungspflichten für alle eidgenössischen Wahlen fordere, schwenkte die kleine Kammer mit 31 zu 7 Stimmen bei 2 Enthaltungen auf den Kompromissvorschlag ein. Auch der Nationalrat stimmte dem Kompromissvorschlag mit 132 zu 50 Stimmen erwartungsgemäss zu – nur die fast geschlossene SVP-Fraktion mit Ausnahme von Lukas Reimann (svp, SG) stimmte dagegen.

Am Schluss der Sommersession 2021 hiess der Nationalrat die Vorlage mit 139 zu 52 Stimmen (4 Enthaltungen) und der Ständerat mit 35 zu 7 Stimmen (2 Enthaltungen) gut. In der Folge zog das Initiativkomitee sein Begehren bedingt zurück. Nach Ablauf der Referendumsfrist kündete der Bundesrat an, das die neuen Regelung im Bundesgesetz über die politischen Rechte im Herbst 2022 in Kraft treten sollen.

Transparenz in der Politikfinanzierung (Pa. Iv. 19.400)
Dossier: Finanzierung der Politik
Dossier: Transparenzinitiative und Gegenvorschlag - Änderung des Bundesgesetzes über die politischen Rechte

Da der Bundesrat im Juni 2019 beschlossen habe, vorläufig auf eine Revision des Bundesgesetzes über die politischen Rechte zwecks Einführung der elektronischen Stimmabgabe zu verzichten, sei das Postulat von Marcel Dobler (fdp, SG), das Möglichkeiten für eine medienbruchfreie Stimmabgabe ausloten wollte, nicht aufrechtzuerhalten, begründete die Regierung ihren Antrag auf Abschreibung des Postulats im Bericht über Motionen und Postulate des Jahers 2020. Der Frage der Dematerialisierung, also des vollständig papierlosen Abstimmens, könne erst wieder nachgegangen werden, wenn ein neuer Testbetrieb gestartet werden könne. Beide Kammern folgten diesem Antrag und schrieben das Postulat in der Sommersession 2021 ab.

Medienbruchfreie Stimmabgabe (Po. 16.4078)
Dossier: Vote électronique

Die geplante Neuausrichtung des Versuchsbetriebs zu E-Voting sehe weiterhin eine Offenlegung der Quellcodes vor, wie diese unter anderem im Postulat von Marco Romano für eine Roadmap für die elektronische Stimmabgabe gefordert worden sei, erklärte der Bundesrat in seinem Bericht. Auch die stärkere Zusammenarbeit mit der Wissenschaft und die höhere Transparenz würden im neuen Anlauf berücksichtigt. Deshalb sei das Postulat als erfüllt zu betrachten und abzuschreiben. Dieser Forderung kam der Nationalrat in der Sommersession 2021 nach.

Roadmap

Wie kann der Bundesrat Fehlinformationen bei Volksabstimmungen verhindern? Antworten auf diese Frage forderte die CVP-Fraktion 2019 mittels Postulat, nachdem sich herausgestellt hatte, dass im Vorfeld der Abstimmung zur CVP-Volksinitiative «für Ehe und Familie» falsche Angaben zur Zahl der Ehepaare gemacht worden waren, die von der so genannten Heiratsstrafe betroffen sind. Die Angabe von 80'000 statt 454'000 Paaren war später gar vom Bundesgericht als gravierend beurteilt worden.
Für eine klare Meinungsäusserung brauche es korrekte Informationen bei Volksabstimmungen, argumentierte Leo Müller (mitte, LU) im Namen der nun als Mitte-Fraktion antretenden CVP in der Sommersession 2021. Der Bundesrat stehe in der Pflicht, die «objektive Meinungsbildung des Stimmvolks in Zukunft zu garantieren» und solle deshalb ein Strategiepapier ausarbeiten, wie er dies zu tun gedenke. Quantitative Angaben müssten in der Tat vollständig und korrekt sein – nicht nur für die Stimmbevölkerung, sondern auch für Bundesrat, Parlament und Verwaltung, betonte Bundeskanzler Walter Thurnherr. Dem sei sich die Regierung durchaus bewusst. Bereits 2019 habe man Massnahmen für mehr Verlässlichkeit von Daten im Vorfeld von Abstimmungen ergriffen. So versuche man etwa die Entwicklung von Daten über die Zeit – zwischen der Botschaft und den Informationen im Abstimmungsbüchlein vergehen nicht selten Jahre und die Angaben können sich über diese Zeit verändern – besser im Auge zu behalten. Mit einem sogenannten «Quick-Check» versuche man zudem, verwaltungsintern mögliche Folgekosten von neuen Regulierungen frühzeitig abzuschätzen. Ein Postulatsbericht, wie er von der Mitte-Fraktion gefordert werde, generiere also keinen Mehrwert – so der Bundeskanzler. Dies sah die grosse Kammer freilich anders: Mit 155 zu 25 Stimmen (2 Enthaltungen) verlangte eine grosse Mehrheit ein entsprechendes Strategiepapier. Nur die FDP-Fraktion lehnte den Vorstoss ab.

Korrekte Informationen bei Volksabstimmungen (Po. 19.3435)