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Als «Sargnägel bezüglich der Konkordanz» bezeichnete Benedikt Würth (mitte, SG) die zunehmenden Indiskretionen im Rahmen von Verhandlungen des Bundesrats. Vor allem während der Covid-19-Pandemie habe das «System» der Indiskretionen noch zugenommen. Er mache den Medien keinen Vorwurf, dass sie von diesem Malaise profitierten, aber es gehe nicht an, dass Anträge von Regierungsmitgliedern in der Presse erschienen, bevor das Kollegium über sie beraten habe, und dann im Nachgang der Beratungen auch noch nachgelesen werden könne, wer im Bundesrat wie gestimmt habe. Wenn die «inhaltliche Konkordanz», also das Kollegialsystem, gerettet werden solle, dann müssten Massnahmen gegen Indiskretionen diskutiert und umgesetzt werden. Indiskretionen würden zudem vor allem die in Krisen bedeutende Kommunikationsstrategie behindern. Der Bundesrat können so nicht mehr mit einer Stimme sprechen. Die Regierung dürfe nicht einfach zu einer «Konferenz von sieben Departementsvorstehern» verkommen. Hart ins Gericht ging Würth deshalb mit der Verwaltung: Die «Stäbe der Departemente [hätten] in ihrem Informationsmanagement letztlich nur die mediale Positionierung des eigenen Bundesrates im Fokus und dabei [sei] jedes Mittel recht». Es müssten deshalb strafrechtliche Konsequenzen für fehlende Integrität geschaffen werden – so die Hauptforderung des Vorstosses. Unterstützung fand der St.Galler Kantonsvertreter bei Andrea Caroni (fdp, AR), der anregte, das Anliegen auch auf die Legislative auszuweiten. Immer wieder könnten «mit schöner Regelmässigkeit» in den Medien Informationen gelesen werden, die eigentlich dem Kommissionsgeheimnis unterstünden. Der Bundesrat, in der Ratsdebatte während der Sommersession 2021 vertreten durch Bundeskanzler Walter Thurnherr, empfahl die Motion zur Ablehnung. Indiskretionen würden zwar die Zusammenarbeit erschweren und das Vertrauen der Bürgerinnen und Bürger in den Bundesrat untergraben, seien kriminell und zeugten von Charakterschwäche, es gebe aber bereits klare Regelungen, wie dagegen vorgegangen werden könne. Zudem könne nicht von einem «System» gesprochen werden, weil ganz viele Informationen den Weg nach draussen eben nicht fänden. Thurnherr nannte das Beispiel von als geheim klassierten Geschäften, bei denen Dokumente versiegelt, vom Weibel persönlich überbracht und nur gegen Unterschrift abgegeben würden. Statt vergangene Indiskretionen in einem Bericht aufzuarbeiten, schlage der Bundesrat vielmehr eine klare Haltung gegen Indiskretion und eine striktere Anwendung der geltenden Vorschriften vor. Einer Mehrheit von 29 zu 15 Stimmen genügte dieser bundesrätliche Vorschlag allerdings nicht; sie hiess den Vorstoss gut und schickte ihn weiter an den Nationalrat.

Massnahmen gegen Indiskretionen (21.3080)

Wie schmal der Grad zwischen öffentlichem Interesse und dem Schutz der Persönlichkeit ist, zeigt sich jeweils dann, wenn Medien über das Privatleben von Politikerinnen und Politikern berichten. Im Fall der Verurteilung eines Sohnes von Bundesrat Ueli Maurer wurde in den Medien allerdings nicht nur öffentliches Interesse reklamiert, sondern auch darauf hingewiesen, dass gerade bei Vertretern der SVP, die gegen die «Kuscheljustiz» und für «Strafverschärfungen» weible, besonders genau hingeschaut werden müsse. Das öffentliche Interesse wurde auch damit begründet, dass in diesem Fall die judikative Unabhängigkeit bewiesen werden müsse.
Was war geschehen? Ende 2017 machte der «Zürcher Oberländer» publik, dass einer der Söhne von Ueli Maurer vor Gericht erscheinen müsse, weil er zwei Jahre zuvor unter Alkoholeinfluss einen Autounfall verursacht habe. Die Sonntagszeitung nahm den Fall auf und vermutete, dass es noch weitere Delikte geben müsse, die dem Sohn angekreidet würden – die Anklageschrift werde allerdings nicht zugänglich gemacht, erklärte die Zeitung. Mehr noch, die Verteidigung habe beantragt, den Prozess unter Ausschluss der Öffentlichkeit durchzuführen, um die Persönlichkeit des Mandanten zu schützen. Der Entscheid vom Bezirksgericht Hinwil, die Medien, nicht aber die Öffentlichkeit zum abgekürzten Prozess zuzulassen, wurde vom Anwalt von Maurers Sohn zwar weitergezogen, vom Obergericht und schliesslich vom Bundesgericht Ende Mai 2018 aber bestätigt. Gerade wenn der Sohn eines Bundesrats vor Gericht stehe, bestehe ein gewichtiges öffentliches Interesse. Als Beschuldigter habe der Angeklagte die mit einer öffentlichen Verhandlung verbundenen psychischen Belastungen hinzunehmen. Dem Persönlichkeitsschutz solle aber Rechnung getragen werden, indem die Veröffentlichung von Vorname, Alter, Wohnort und Fotos verboten würden – so das Urteil des letztinstanzlichen Gerichts.
Mitte Oktober 2018 fand schliesslich der Prozess statt und die Medien erhielten erst dann die Anklageschrift. Neben dem Autounfall wurde der Sohn von Ueli Maurer wegen Raub und versuchter Erpressung – Maurers Sohn hatte zusammen mit einem Kollegen einen Mann ausgeraubt –, Sachbeschädigung, versuchter Gewalt und Drohung gegen Behörden und Beamte, mehrfacher Beschimpfung und Hinderung einer Amtshandlung – bei seiner Verhaftung soll sich der junge Mann widersetzt haben – zu einer bedingten Freiheitsstrafe von 16 Monaten verurteilt. Während der Befragung gab der junge Mann bekannt, stark unter dem Druck gelitten zu haben, der mit der schweizweiten Prominenz seines Vaters einhergehe. Er sei oft fertig gemacht und beleidigt worden. Weil die Anklage medial ausgeschlachtet worden sei, habe er zudem seine Arbeitsstelle verloren und die damit zusammenhängende Weiterbildung abbrechen müssen.
Die Medien kommentierten den Fall unterschiedlich. Während in der Weltwoche (7.12.17) von «Schmuddelpresse und Sippenhaft» die Rede war, beleuchtete die BaZ (23.5.18) das Schicksal der Kinder von Bundesräten. Sie müssten sich erklären, obwohl sie es nicht wollten, oder wollten sich erklären, weil sie glaubten, es tun zu müssen. In seiner Kolumne in der Weltwoche (25.10.18) lobte Peter Bodenmann (VS, sp) die Justiz, die hart geblieben sei, fragte aber rhetorisch, wie die Volkspartei wohl reagiert hätte, wenn «Maurer Junior» Kosovo-Albaner gewesen und der beraubte Mann der ehemalige SVP-Nationalrat Hans Fehr gewesen wäre.

Sohn von Ueli Maurer

Eigentlich ist im Parlamentsgesetz (Art. 47) geregelt, dass vertraulich sei, was parlamentarische Kommissionen beraten. Allerdings wird diese Regel wohl ziemlich häufig verletzt, da Verbände oder Fraktionsangehörige, aber auch Medienvertreterinnen und -vertreter häufig Informationen über Kommissionssitzungen erhalten dürften. Geben die Medien diese Informationen preis, kann dies für sie selber allerdings rechtliche Folgen haben. In der Tat war 2016 ein Journalist der Basler Zeitung von der Bundesanwaltschaft per Strafbefehl zu einer Geldbusse von CHF 300 verurteilt worden, weil er in seinem Zeitungsbeitrag detaillierte Diskussionspunkte und Abstimmungen der RK-NR im Vorfeld der Beratungen zum Geldspielgesetz aufgelistet hatte. Zwar war im damaligen Verfahren nicht klar geworden, woher die Informationen stammten, der Medienschaffende wurde aber wegen Publikation geheimer Informationen bestraft (StGB Art. 293). Dies blühte auch einem Blick-Journalisten, der Anfang Mai von einer Sitzung der RK-NR zur Aktienrechtsreform berichtete, bei welcher Hans-Ueli Vogt (svp, ZH) den Raum verlassen habe. Die Gründe für diesen «Eklat im Bundeshaus», wie der Blick titelte, wurden sehr detailliert, mit Nennung der Personen und ihren Aussagen während der Sitzung ausgeführt. Zahlreiche Medien, darunter gar ein deutsches Nachrichtenportal, nahmen den Ball auf. Es sei zum Eklat gekommen, weil Vogt nicht der gleichen Meinung gewesen sei wie seine Partei und die SP ihm vorgeworfen habe, als Kommissionssprecher – Vogt wäre dafür vorgesehen gewesen – nicht glaubwürdig zu sein. Die verbalen Angriffe gegen den Zürcher seien sehr heftig gewesen. Ende Mai reichte die RK-NR bei der Bundesanwaltschaft Strafanzeige gegen unbekannt wegen Verletzung des Kommissionsgeheimnisses ein.

Eklat in Kommission