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In der Sommersession beugte sich der Nationalrat über die Frage der Zuständigkeit bei Kündigung von Staatsverträgen. In einer Medienmitteilung Ende Mai hatte die SPK-NR bekannt gegeben, dass sie die von der kleinen Kammer gutgeheissene Vorlage ihrer Schwesterkommission einstimmig unterstütze, den Vorschlag des Bundesrates hingegen ebenfalls ablehne. Zwar habe die Frage, wer für die Kündigung von Verträgen zuständig sei – der Bundesrat oder das Parlament – bisher kaum gestellt werden müssen. Dies müsse aber insbesondere im Hinblick auf Volksinitiativen, deren Annahme eine Kündigung von Verträgen nach sich ziehen könne, geklärt werden. Die Beurteilung der Frage, ob neues Verfassungsrecht in Widerspruch zu einem bestehenden völkerrechtlichen Vertrag stehe, könne nicht der Exekutive alleine überlassen werden. Wie beim Abschluss solcher Verträge müsse dies dem Gesetzgeber, also dem Parlament und im Falle eines Referendums der Stimmbevölkerung, überlassen werden. Dies entspreche der Idee des materiellen Parallelismus, führte Barbara Steinemann (svp, ZH) für die Kommission in der Ratsdebatte aus. Es sei wichtig, dass die Regeln vor einem Spiel und nicht während des Spiels festgelegt würden, weshalb dieser Parallelismus im Gesetz festgehalten werden müsse.
Eine Minderheit Glättli (gp, ZH) beantragte, die Änderung nicht nur auf Gesetzesstufe zu regeln, sondern auch in der Verfassung zu verankern – eine Forderung, wie sie auch vom Bundesrat gestellt worden war, was von der neuen Justizministerin Karin Keller-Sutter unterstrichen wurde. Eine deutliche Mehrheit von 161 zu 10 Stimmen folgte hier allerdings dem Ständerat und sprach sich ebenfalls gegen Eintreten auf den bundesrätlichen Vorschlag aus. Die von der kleinen Kammer noch leicht angepasste Kommissionsvorlage fand dann in der Gesamtabstimmung eine Mehrheit von 179 Stimmen, denen lediglich eine Enthaltung gegenüberstand.
In den Schlussabstimmungen hiessen sowohl der Ständerat (44 Stimmen, keine Enthaltung) als auch der Nationalrat (195 Stimmen, 1 Enthaltung) das neue Gesetz einstimmig gut.

Kündigung von Staatsverträgen

Der Ständerat beugte sich als Erstrat über die parlamentarische Initiative zur Kündigung von Staatsverträgen. Nebst dem Entwurf für ein Bundesgesetz galt es auch einen weiteren Entwurf zu einem Bundesbeschluss zu diskutieren, da auch der Bundesrat dem Parlament einen themenspezifischen Vorschlag unterbreitete. Inhaltlich verlangten beide Entwürfe praktisch das gleiche, nämlich einen Parallelismus der Zuständigkeiten (actus contrarius): Wer für den Abschluss eines Vertrags zuständig ist, soll auch für dessen Änderung und dessen Kündigung zuständig sein. Die Kommission schlug dabei einen materiellen Parallelismus vor, mit dem die Zuständigkeit je nach Bedeutung eines Aktes geregelt wird. Andrea Caroni (fdp, AR) führte als Sprecher der SPK-SR in der Ratsdebatte als Beispiel aus, dass Verträge bei ihrem Abschluss sehr wichtig sein können, mit der Zeit aber an Bedeutung verlieren können. In diesem Fall müsste der Vertragsabschluss von der Bevölkerung beschlossen werden, eine allfällige Kündigung könnte aber der Bundesrat vornehmen.
Im Prinzip war die Regierung mit diesem Vorschlag einverstanden. Anders als die SPK-SR wollte sie die Änderung aber nicht in ein Gesetz giessen, sondern beantragte eine Verfassungsänderung. Dies begründete der Bundesrat damit, dass bezüglich der Kündigung von Verträgen, für die er alleine zuständig sei, ein verfassungsrechtliches Gewohnheitsrecht entstanden sei. Die geplante Kompetenzverschiebung von der Regierung zum Parlament, bzw. durch Ausbau der Volksrechte hin zur Stimmbevölkerung, müsse folglich mittels obligatorischem Referendum beschlossen werden. Caroni bestritt in seinen Ausführungen sowohl das Gewohnheitsrecht als auch die Kompetenz des Bundesrats zur Kündigung von Verträgen und beantragte Eintreten auf die Kommissionsvorlage sowie Nichteintreten auf die Vorlage der Regierung.
Justizministerin Simonetta Sommaruga versuchte den Vorschlag des Bundesrates zu retten, indem sie sich für Transparenz einsetzte. Es sei in der Tat wichtig, zu regeln, wer für die Kündigung von Verträgen zuständig sei. Es sei zwar auch in der Lehre nicht klar, ob die Zuständigkeit beim Parlament oder bei der Regierung liegen müsse, und augenscheinlich habe man hier unterschiedliche Auffassungen. Die geplante Regelung müsse aber explizit und transparent sein, was nur der Fall sei, wenn sie in der Verfassung festgehalten werde.
Die Kantonsvertreterinnen und -vertreter waren freilich anderer Meinung und beschlossen mit 4 zu 34 Stimmen (2 Enthaltungen), nicht auf den bundesrätlichen Entwurf einzutreten. Die Vorlage der SPK-SR wurde hingegen behandelt und nach einigen Präzisierungen, bei denen man den Anträgen der Justizministerin folgte, mit 34 zu 4 Stimmen in der Gesamtabstimmung gutgeheissen. Damit ging das Geschäft an den Nationalrat.

Kündigung von Staatsverträgen

Mitte Mai 2018 nahm die SPK-SR mit 11 zu 0 Stimmen bei einer Enthaltung einen Gesetzesentwurf an, der die Kündigung von Staatsverträgen regelt. Zwar seien wichtige Verträge bis heute nie gekündigt worden, es gelte aber – insbesondere vor dem Hintergrund von Volksinitiativen, die in jüngerer Vergangenheit in ihrer Umsetzung die Kündigung völkerrechtlicher Verträge forderten – die Regeln «vor dem Spiel» und nicht erst «während des Spiels» zu klären. Die Kommission stellte sich gegen die Haltung des Bundesrates, dass dieser alleine zuständig sei für die Kündigung von internationalen Abkommen. Vielmehr sei die Kündigung gleich zu regeln wie der Abschluss von völkerrechtlichen Verträgen: Die Bundesversammlung sei es, die Abschlüsse für wichtige, rechtsetzende Verträge genehmige, also müsse es auch das Parlament sein, das solche Verträge auflösen könne. Mitberücksichtigt werden müsste dabei auch das Referendumsrecht: Auch hier müsse das Prinzip des «actus contrarius», also ein Parallelismus der Zuständigkeiten, angewendet werden. Kündigungen von wichtigen Verträgen seien dem Referendum zu unterstellen.
Auf die Vernehmlassung des Gesetzesentwurfs gingen 36 Stellungnahmen ein. Zwei Drittel (die 15 Kantone BE, SZ, NW, ZG, SO, BS, BL, SH, AR, AI, SG, GR, AG, TI, NE; die fünf Parteien BDP, CVP, FDP, GLP, SP sowie der Städteverband, der Gewerbeverband, der Centre Patronal und die Gesellschaft für Aussenpolitik) sahen nicht nur Handlungsbedarf in der Frage zur Klärung der Zuständigkeit für die Kündigung völkerrechtlicher Verträge, sondern beurteilten den Vorentwurf der SPK-SR auch positiv. Die Kantone Thurgau und Glarus sowie die SVP sprachen sich gegen den Vorschlag aus. Die restlichen Kantone (OW, ZH, LU, FR, VD, VS und GE) und Verbände (Gemeindeverband, economiesuisse) nahmen entweder keine Stellung oder enthielten sich, weil sie mitunter die Notwendigkeit einer Gesetzesänderung nicht sahen (z.B. economiesuisse). Die Gegner der Vorlage befürchteten eine Verkomplizierung des Verfahrens und eine Relativierung der Kompetenzen der Regierung. Die SVP lehnte die Vorschläge ab, weil sie faktisch darauf hinausliefen, die direktdemokratische Mitbestimmung einzuschränken; zwar nicht beim Abschluss aber bei Neuaushandlung oder Kündigung von Staatsverträgen.

Kündigung von Staatsverträgen

Wer soll verantwortlich sein für die Änderung und die Kündigung von Staatsverträgen? Mit dem Ziel, diese Frage zu klären, reichte die SPK-SR Ende August 2016 eine Kommissionsinitiative ein. Die nicht eindeutige Rechtslage zur Zuständigkeit müsse geklärt werden. Die Kommission stellte sich dabei gegen die Ansicht des Bundesrates, der sich für alleinig verantwortlich betrachtete. Sie schlug hingegen vor, die gleichen Grundlagen wie für die Genehmigung von Verträgen anzuwenden. Je nach Tragweite eines internationalen Abkommens ist lediglich die Regierung oder das Parlament oder gar die Stimmbevölkerung für den Abschluss eines Vertrags zuständig. Dies solle bei der Kündigung genau gleich gehandhabt werden. Die SPK-SR brachte die Beispiele einer Kündigung der EMRK oder des Freizügigkeitsabkommens mit der EU an. Es sei nicht vorstellbar, dass der Bundesrat in solchen Fällen alleine entscheiden könne. Rund drei Monate später schloss sich die SPK-NR einstimmig der Forderung ihrer Schwesterkommission an.

Kündigung von Staatsverträgen

Die Diskussion um die Umsetzung von Volksinitiativen, bzw. um das Verhältnis zwischen Völkerrecht und Landesrecht, hatte 2013 zu einiger Aktivität in den Reihen der SVP geführt. Mit seiner parlamentarischen Initiative forderte Luzi Stamm (svp, AG) eine Regelung des Verhältnisses zwischen Bundesgesetzen und Staatsverträgen. Stamms Vorschlag sah vor, dass in einem Konflikt das neuere Recht dem älteren vorgeht. Sollte also ein neues Bundesgesetz oder ein neuer Verfassungsgrundsatz geschaffen werden, so müsste ein älterer, völkerrechtlicher Vertrag neu ausgehandelt oder aber gekündigt werden. Damit einher ging die Forderung, dass keine rechtlich oder faktisch unkündbaren Staatsverträge mehr abgeschlossen werden dürften. Sollte ein neuer referendumspflichtiger Staatsvertrag im Konflikt mit bestehendem Gesetz geraten, so müsste das Gesetz angepasst werden. Mit dem Vorschlag wäre die so genannte Schubert-Praxis verändert worden, die vorsieht, dass ein völkerrechtlicher Vertrag einem Bundesgesetz vorgeht, wenn der Gesetzgeber sich nicht ausdrücklich über den Vertrag hinwegsetzt. Die SPK-NR lehnte die parlamentarische Initiative mit 16 zu 7 Stimmen ab und erachtete es als sinnvoller, die bisherige Praxis beizubehalten, mit der Konflikte zwischen Rechtsnormen bereits beim Erlass zu vermeiden versucht werden und bei der Umsetzung von Initiativen auf Konformität mit dem Völkerrecht geachtet wird. Der Nationalrat folgte dem Antrag seiner SPK und gab der Initiative mit 129 zu 54 Stimmen keine Folge, wobei die Ja-Stimmen allesamt aus der geschlossenen SVP-Fraktion stammten.

Regelung des Verhältnisses zwischen Bundesgesetzen und Staatsverträgen

Der Nationalrat lehnte eine parlamentarische Initiative der SVP-Fraktion für eine Ausweitung des Staatsvertragsreferendums mit 121 zu 59 Stimmen ab. Diese hatte verlangt, dass die bisher dem fakultativen Referendum unterstehenden völkerrechtlichen Verträge dem obligatorischen Referendum unterstellt werden. Diese strengere Regelung, welche die Opponenten nicht nur vom Unterschriftensammeln befreit, sondern in der Volksabstimmung sowohl das Volks- als auch das Ständemehr für eine Annahme verlangt, gilt gemäss Bundesverfassung nur für Beitritte zu supranationalen Gemeinschaften (z.B. UNO, EU) und zu Organisationen zur Wahrung der kollektiven Sicherheit (z.B. NATO). Die SPK hatte gegen eine Ausweitung des obligatorischen Referendums ins Feld geführt, dass es sich bei den angesprochenen völkerrechtlichen Verträgen um solche handelt, die wichtige rechtssetzende Bestimmungen enthalten oder deren Vollzug wichtige Gesetzesänderungen von der Schweiz verlangt. Für derartige Fälle sei analog zur Gesetzgebung im nationalen Rahmen nur das fakultative und nicht das obligatorische Referendum das angebrachte Volksrecht. Die AUNS gab bekannt, dass sie eine Volksinitiative für eine Ausweitung des obligatorischen Staatsvertragsreferendums lancieren werde, ohne allerdings einen Zeitpunkt zu nennen.

Pa.Iv. der SVP für eine Ausweitung des Staatsvertragsreferendums (05.426)
Dossier: Obligatorisches Referendum für Staatsverträge?

Die Luftfahrtpolitik gab dem Parlament einen zusätzlichen Anlass, die geltende Kompetenzverteilung zwischen Regierung und Parlament unter die Lupe zu nehmen. Auslöser war der Staatsvertrag zwischen Deutschland und der Schweiz über die Beschränkung der Nordanflüge auf den Flughafen Zürich-Kloten. Der Bundesrat hatte diesen 2002 vorläufig in Kraft gesetzt, er war dann aber 2003 vom Parlament nicht genehmigt worden. Die vorläufige Inkraftsetzung eines noch nicht genehmigten Vertrags durch den Bundesrat entsprach zwar der bisherigen Interpretation der Verfassung, welche der Regierung zur Wahrung wichtiger Landesinteressen dieses Recht zuspricht. Sie wurde aber vom Parlament als unbefriedigend empfunden, da sie dieses in eine Zwangslage bringe, den Vertrag entweder gegen seinen Willen zu genehmigen, oder aber das bereits angewendete Recht wieder aufzuheben und damit die Rechtssicherheit und das aussenpolitische Ansehen der Schweiz zu beeinträchtigen. Der Ständerat hatte 2003 einer parlamentarischen Initiative Spoerry (fdp, ZH) (02.456) Folge gegeben, welche eine Neuregelung bei der vorläufigen Inkraftsetzung verlangt. In Ausführung dieser Initiative legte seine Staatspolitische Kommission Ende 2003 ihre Vorschläge vor. Sie beantragte, dass in Fällen einer dringlichen Inkraftsetzung der Bundesrat die zuständigen parlamentarischen Kommissionen konsultieren muss. Zudem soll ein vom Bundesrat vorläufig in Kraft gesetzter Vertrag aufgehoben werden, wenn er nicht innert höchstens sechs Monaten dem Parlament zur Genehmigung vorgelegt wird. Eine von Abgeordneten der FDP und der SVP gebildete Minderheit wollte noch weiter gehen und dem Bundesrat die vorläufige Inkraftsetzung untersagen, wenn sich die aussenpolitischen Kommissionen der beiden Räte gegen den Vertrag aussprechen. Der Bundesrat lehnte beide Vorschläge ab: denjenigen der Kommissionsminderheit, weil er die Handlungsfähigkeit der Regierung zu sehr beschneiden würde; denjenigen der Mehrheit, weil er nicht nötig sei, da bereits mit dem geltenden Parlamentsgesetz die zuständigen parlamentarischen Kommissionen eine Konsultation verlangen dürfen. Der Ständerat folgte seiner Kommissionsmehrheit und der Nationalrat stimmte ebenfalls zu. Ein Nichteintretensantrag von SVP-Seite, mit der Absicht, dann einen Vorstoss für ein Verbot einer vorzeitigen Inkraftsetzung einzureichen, scheiterte in der grossen Kammer deutlich.

Vorläufige Inkraftsetzung eines noch nicht genehmigten Vertrags durch den Bundesrat (Pa.Iv. 03.459)