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Ranglisten haben etwas Eingängiges: Mit ihrer Hilfe lassen sich vermeintliche Unterschiede fest- und darstellen. So versuchen öfters auch die Medien Parlamentarierinnen und Parlamentarier einzuordnen und zu vergleichen. 2017 präsentierte die Sonntagszeitung ein Parlamentarierrating, mit welchem der Einfluss aller Parlamentsmitglieder gemessen werden sollte, und die NZZ wartete mit ihrem jährlichen Links-Rechts-Rating auf.
Der Einfluss wurde in der Sonntagszeitung anhand der Kommissionszugehörigkeit, der in den Räten vorgebrachten Voten, der Anzahl erfolgreicher politischer Vorstösse, der Ämter im Rat und in der Partei, der Medienpräsenz und dem ausserparlamentarischen Beziehungsnetz gemessen. Zwar wies die Zeitung nicht aus, wie sie diese Elemente miteinander verknüpfte und gewichtete, die Rangliste diente ihr aber als Grundlage für immerhin drei ganze Zeitungsseiten. Laut den Berechnungen war SP-Parteipräsident Christian Levrat (FR) in den Jahren 2015–2017 der einflussreichste Parlamentarier, gefolgt von Pirmin Bischof (svp, SO) und Gerhard Pfister (cvp, ZG). Die «Flop 15» – so die Sonntagszeitung – wurden angeführt von Géraldine Marchand-Balet (cvp, VS), Hermann Hess (fdp, TG) und David Zuberbühler (svp, AR). Die Rangierungen verleiteten die Zeitung zu weiteren Analysen: So sei der Einfluss der SVP und der FDP, gemessen am Anteil Fraktionsangehöriger unter den Top 50, verglichen mit dem Rating 2014 gestiegen und der Einfluss des Kantons Zürich gesunken. Mit einem Vergleich der Rangliste hinsichtlich Medienpräsenz und dem Gesamtrang konnte die Zeitung zudem «die grössten Blender» ausmachen. Zwar häufig in den Medien, aber sonst nur wenig einflussreich waren laut dieser Berechnung etwa Tim Guldimann (sp, ZH), Andreas Glarner (svp, AG) oder Benoît Genecand (fdp, GE). Einzelne Regionalzeitungen diskutierten in der Folge «ihre» kantonalen Vertreterinnen und Vertreter. Solche Ratings seien nicht entscheidend, aber es fühle sich immer gut an, wenn man vorne sei, beurteilte Christian Levrat die Auswertung.

Wichtigste Erkenntnis der von der NZZ präsentierten Links-Rechts-Positionierung, die seit 1999 jährlich auf der Basis von in den Räten durchgeführten Abstimmungen von der Forschungsstelle Sotomo durchgeführt wird – auch in der NZZ wurde die Methode zur Messung von Links und Rechts lediglich sehr kryptisch mit den Begriffen «D-Nominate» und «Alpha-Nominate» angedeutet und dem Hinweis versehen, dass diese Methode für den amerikanischen Kongress entwickelt worden seien und die ideologische Position der Abgeordneten messe –, war die zunehmende Fraktionsdisziplin. Der Druck, auf Fraktionslinie zu stimmen, habe dazu geführt, dass es kaum noch Überlappungen in der ideologischen Positionierung zwischen den einzelnen Parteien gebe. Vor allem die CVP – sie variiert auf der Gesamtskala von -10 (links) bis +10 (rechts) zwischen 0.2 (Gerhard Pfister) und -1.7 (Barbara Schmid-Federer, ZH) – sei wesentlich geschlossener als früher, als sie noch Fraktionsmitglieder gehabt habe, die sich am rechten Rand bei der Position von (linken) FDP- und SVP-Mitgliedern befunden und am linken Rand die «rechten Ausläufer der SP» berührt hätten. Die FDP-Mitglieder, die Positionen zwischen 0.3 (Christa Markwalder, BE) und 2.4 (Bruno Pezzatti, ZG) einnahmen, sowie die SVP-Mitglieder (Jean-Pierre Grin, VD: 6.1 bis Erich Hess, BE: 10.0) lagen ziemlich weit auseinander. Der Median des gesamten Nationalrats verlief genau zwischen der CVP und der FDP. Auf der Ratslinken gab es mehr ideologische Gemeinsamkeiten: Zwar war die SP insgesamt etwas linker als die Grünen – die Werte variierten bei den Sozialdemokratinnen und Sozialdemokraten zwischen -8.2 (Chantal Galladé, ZH) und -9.9 (Silvia Schenker, BS) und bei den Grünen zwischen -9.4 (Lisa Mazzone, GE) und -7.8 (Bastien Girod, ZH) –, aber die Durchmischung war wesentlich stärker als im Block der Bürgerlichen. Die grösste Geschlossenheit wies die GLP auf, bei der sich Kathrin Bertschy (BE) und Tiana Angelina Moser (ZH) mit einem Wert von -3.0 ideologisch nur marginal von Martin Bäumle (ZH, -2.7) entfernt positionierten. Die BDP wies mehr Varianz auf: Sowohl Rosmarie Quadranti (ZH, -1.6) als auch Hans Grunder (BE, -0.2) fanden sich ideologisch leicht links der Mitte. Interessant war, dass sich die Kleinstparteien am Rand ihrer Fraktionen ansiedelten. Sowohl die Lega und das MCG bei der SVP-Fraktion, als auch die EVP bei der CVP-Fraktion wiesen im Rating ideologische Differenzen zu ihrer Fraktion auf.
Im Ständerat waren zwar die verschiedenen Parteien ebenfalls voneinander getrennt, es kam aber zwischen CVP und FDP zu Überlappungen und die Gesamtvarianz der Positionen in der kleinen Kammer war geringer. Sie reichte von Liliane Maury Pasquier (sp, GE; -8.3) bis Peter Föhn (svp, SZ; 9.8), wobei sich Letzterer am rechten Rand ziemlich alleine auf weiter Flur befand, gefolgt von Werner Hösli (svp, GL; 7.6). Bei der FDP gesellten sich Fabio Abate (TI, -0.2) und vor allem Raphaël Comte (NE; -1.6) zum Lager der CVP, das von -2.4 (Anne Seydoux-Christe, JU) bis 0 (Isidor Baumann, UR) reichte. Am rechten Rand der FDP politisierte Philipp Müller (AG, 3.4) und lag damit nahe bei Thomas Minder (SH, 4.8), der als Parteiloser der SVP-Fraktion angehört. Von der SP sassen mit Pascale Bruderer (AG, -5.2) , Claude Janiak (BL, -5.5), Hans Stöckli (BE, -5.6) und Daniel Jositsch (ZH, -5.6) vier im Vergleich zum Nationalrat ziemlich gemässigte Genossinnen und Genossen in der kleinen Kammer.

Nationalratsrating

In der Wintersession stand die Sammelvorlage für die sechs parlamentarischen Initiativen zu verschiedenen Änderungen des Parlamentsrechts im Nationalrat auf dem Sessionsprogramm. Die verschiedenen Vorstösse und eine Reihe von weiteren Anliegen der beiden SPK verlangten Änderungen im Parlamentsgesetz, in der Parlamentsverwaltungsverordnung und im Geschäftsreglement des Nationalrats. Hauptsächlich ging es um drei bedeutende Aspekte, nämlich die Erweiterung der Offenlegungspflichten der Ratsmitglieder (Block 1), die Ermöglichung einer Veröffentlichung von Kommissionsunterlagen (Block 2) und die Regelung der Zugänglichkeit von Kommissionsprotokollen für alle Ratsmitglieder und deren persönliche Mitarbeiter (Block 3).

Eintreten war umstritten. Barbara Steinemann (svp, ZH) gab zu Protokoll, dass die SVP keinen generellen Handlungsbedarf sehe. Zudem sei das Problem einer Sammelvorlage, dass man auch zu schlechten Punkten ja oder aber zu guten Punkten nein sagen müsse. Es würden zahlreiche, nicht miteinander vereinbare Punkte vermischt, mit denen aber weder die Effizienz gesteigert noch Kosten eingespart würden, weshalb gar nicht auf die Vorlage eingetreten werden solle. Auch die BDP-Fraktion hatte Nichteintreten beschlossen. Bernhard Guhl (bdp, AG) führte aus, dass es sich hier um eine Wohlstandvorlage handle. Kein einziger der verschiedenen Aspekte sei wirklich nötig für den Ratsbetrieb. Auch die BDP hätte es, wie die SVP, begrüsst, wenn die einzeln Folge gegebenen Vorstösse auch einzeln beraten worden wären. Keine der restlichen Fraktionen war zwar vollumfänglich zufrieden mit der Sammelvorlage – Balthasar Glättli (gp, ZH) sprach von einem Birchermüesli –, man wolle aber die einzelnen Punkte in der Detaildiskussion klären. Mit Nichteintreten sei hingegen nichts gewonnen – so der Tenor. Die grosse Kammer beschloss dann relativ knapp mit 94 zu 80 Stimmen bei 3 Enthaltungen, auf die Vorlagen einzutreten.

Im Block 1 wurde um die Offenlegungspflichten gestritten. Der Kommissionsvorschlag sah vor, dass jedes Ratsmitglied bei Amtsantritt und auf Jahresbeginn Angaben zur beruflichen Tätigkeit und – falls relevant – Angaben zum Arbeitgeber machen muss. Nicht weniger als sechs Minderheitsanträge lagen vor, die ein Festhalten an der bisherigen Regelung (lediglich Angabe beruflicher Tätigkeit; Minderheit Pfister), eine Nennung der ehrenamtlichen Tätigkeiten (Minderheit Jauslin) und der Einkünfte daraus (Minderheit Wermuth), die Eintragung in ein öffentliches Register (Minderheit Wermuth) oder die Offenlegung während Rats- (Minderheit Barrile) und Kommissionsdebatten (Minderheit Glättli) forderten. Zu einem teilweise recht gehässigen Austausch gab zudem ein Antrag von Angelo Barrile (sp, ZH) Anlass, der verlangt hätte, dass von Krankenkassen angestellte oder bezahlte Ratsmitglieder nicht in Kommissionen sitzen dürfen, die für die Gesetzgebung im Bereich der Krankenversicherung zuständig sind. Letztlich hatte mit Ausnahme des Antrags Pfister keiner der verschiedenen Anträge eine Chance. Somit blieb bezüglich der Offenlegungspflichten alles beim Alten.

Ein eigentliches Sammelsurium unterschiedlicher Änderungen umfasste Block 2. Umstritten war hier insbesondere der Vorschlag der SPK, Kommissionsunterlagen veröffentlichen zu dürfen, die keine schützenswerten Interessen beinhalten. Auch hier obsiegte letztlich aber der Status Quo, wie er erneut von einer Minderheit Pfister gefordert wurde. Gerhard Pfister (cvp, ZG) warnte davor, damit einer Untergrabung des Kommissionsgeheimnisses Vorschub zu leisten.
Die Kommissionsprotokolle, die mit einem Antrag Rickli hätten veröffentlicht werden können, bleiben auch in Zukunft geheim. Natalie Rickli (svp, ZH) hatte in ihrem Antrag geltend gemacht, dass durch Indiskretion immer wieder Informationen aus den Kommissionssitzungen an die Öffentlichkeit gelangten. Es sei stossend, dass es sich dabei jeweils nur um „einen Teil der Wahrheit” handle, wohingegen Protokolle den ganzen Verlauf einer Sitzung aufzeigen könnten.
Unbestritten waren im Block 2 die Zuständigkeitserklärung der Redaktionskommission für die Berichtigung von Erlassen, die nicht der Schlussabstimmung unterstehen, das Verbot eines Rückkommensantrags, der nicht in unmittelbarem Anschluss an die Abstimmung gestellt wird und einige Präzisierungen zu Dringlichkeitsklausel, Abstimmungsverfahren, Fristen bei Volksinitiativen und Anforderungen an die Botschaften zu Erlassentwürfen. Darüber hinaus soll gesetzlich festgehalten werden, dass Schlussabstimmungen in beiden Räten gleichzeitig stattfinden müssen.
Kein Gehör fand die SPK mit ihrem Vorschlag, auf eine Schlussabstimmung bei Volksinitiativen zu verzichten. Rechtlich bindend und als Stimmempfehlung sei – entgegen der Usanz des Bundesrates beim Verfassen der Abstimmungsempfehlungen – die Abstimmung über die Abstimmungsempfehlung zu betrachten; eine Schlussabstimmung sei bei obligatorischem Eintreten und ohne Gesamtabstimmung eigentlich nicht angebracht. Ein von der Ratsmehrheit unterstützter Antrag Schilliger, der einen Antrag des Bundesrates aufnahm, erachtete diese Änderung als unnötig.
Zu reden gab auch der Vorschlag einer Kommissionsminderheit Rutz, die durchsetzen wollte, dass Sitzungsgelder neu halbtägig ausbezahlt werden sollen. Die vor allem aus Angehörigen der SVP-Fraktion bestehende Minderheit monierte, dass jemand ein Taggeld von CHF 440 erhalte, wenn sie oder er lediglich für eine Stunde eine parlamentarische Initiative in einer Kommission erläutern müsse, was unverhältnismässig sei. Die Mehrheit des Nationalrates folgte allerdings der Argumentation der Kommissionsmehrheit, dass diese Idee mit hohem bürokratischen Aufwand verbunden sei. Das Anliegen zur Neuregelung der Übernachtungsentschädigung wurde zwar in der Debatte um die Taggelder ebenfalls angesprochen, diese parlamentarische Initiative wurde aber nicht in die Sammelvorlage aufgenommen.
Erfolgreich war die SPK mit ihrem Anliegen zu den Auslandreisen: Neu müssen Ratsmitglieder Reisen ins Ausland in einem öffentlichen Register aufführen. Nicht offen gelegt werden müssen dabei Reisen, die auf Einladung von Interessengruppen durchgeführt werden – ein Antrag einer links-grünen Kommissionsminderheit hatte hier keine Chance.
Zur Diskussion standen schliesslich zwei Änderungen der Sitzungszeiten. Sowohl die Streichung des Freitags der letzten Sessionswoche, wie sie von einer Kommissionsminderheit gefordert worden wäre, als auch der Beginn der Sitzungszeiten um 8.15 Uhr statt um 8.00 Uhr fanden bei der Mehrheit des Nationalrats kein Gehör. Die grosse Kammer folgte dem Argument der Kommissionsmehrheit, dass der Freitag in Anbetracht der dichten Sessionsprogramme nötig sei. Um die Effizienz zu steigern, soll der letzte Sitzungstag allerdings nicht wie bisher bereits um 11.00 fertig sein, was von der Minderheit insbesondere als ineffizient moniert worden war, sondern bis 13.00 dauern. Das Argument der besseren Zugverbindungen sowie der Umstand, dass auch der Ständerat um 8.15 die Sitzungen beginne, verfingen hingegen nicht. Die Mehrheit des Rates sträubte sich gegen die entsprechende viertelstündige Verschiebung der Sitzung nach hinten.

Block 3, mit dem der Zugang von Kommissionsprotokollen für Parlamentsmitglieder hätte geregelt werden sollen, wurde in Anbetracht der ablehnenden Haltung des Parlaments gegenüber einer grösseren Transparenz der Kommissionsarbeit zur Überarbeitung an die SPK-NR zurückgewiesen, die Blöcke 1 und 2 wurden zur Beratung an den Ständerat übergeben.

Änderungen des Parlamentsrechts (Sammelvorlage; Pa. Iv. 16.457)
Dossier: Parlamentarische Initiativen für verschiedene Änderungen des Parlamentsrechts

Sondersessionen, die Anfang der 1990er Jahre eingeführt wurden, dienen insbesondere dem Nationalrat dazu, nicht erledigte Geschäfte abzuarbeiten. «Frühlingsputz» nannte dies die Basler Zeitung. Der dreitägige «Säuberungs-Event», so die BaZ weiter, sei aber ein «kafkaeskes Ungetüm», das – rechne man die Taggelder, Essens- und Übernachtungsentschädigungen zusammen – nicht nur rund CHF 150'000 pro Tag koste, sondern zwar Papierberge abbaue, aber gleichzeitig auch immer wieder neue schaffe, weil auch während Sondersessionen Vorstösse eingereicht werden dürften.
In den Medien gelobt wurde hingegen der Entscheid der Büros beider Räte, in Absprache mit den Kommissionssekretariaten für 2018 keine Sondersession einzuberufen. Die Geschäftslast mache dies nicht nötig, informierte der Informationschef des Bundesparlaments, Mark Stucki. Damit spare das Parlament wohl rund eine halbe Million Franken, lobte die Aargauer Zeitung.

Kosten von Sondersessionen (Pa. Iv. 19.437)

Zwar wurde das Postulat von Cédric Wermuth (sp, AG) letztlich mit 125 zu 58 Stimmen recht deutlich abgelehnt, es erlaubte jedoch eine interessante Auseinandersetzung zur Debattenkultur im Nationalrat. In der Tat forderte der SP-Nationalrat das Büro-NR auf, in einem Bericht aufzuzeigen, wie „echte” Debatten in der grossen Kammer ermöglicht werden könnten. Er sei sich bewusst, dass es sich beim Schweizer Parlament um ein Arbeitsparlament handle – im Gegensatz etwa zum britischen Parlament, in welchem als Redeparlament politische Fragen im Plenum diskutiert werden, werden diese in einem Arbeitsparlament in Kommissionen debattiert und die Reden im Plenum erfüllen eher eine Informationsfunktion – nichts desto trotz müsse die Debattenkultur neu gepflegt werden. Wermuth monierte nicht nur, dass Nicht-Kommissionsmitglieder kaum ihre Meinung kundtun könnten und somit eine starke Abhängigkeit von den Spezialistinnen und Spezialisten in den Kommissionen entstehe, sondern dass die Kommissionssprecherinnen und -sprecher häufig lediglich schriftlich verfasste Statements vorläsen. Die von den Besucherinnen und Besuchern des Nationalratssaals immer wieder monierte Unruhe beruhe nicht zuletzt auch auf dieser schwachen Redekultur. Im Gegensatz dazu würden Debatten der Kategorie 1 zu einem eigentlichen Schaulaufen verkommen – Wermuth verwies auf die 70 Wortmeldungen bei der Debatte um die No-Billag-Initiative –, bei dem zwar zahlreiche Argumente vorgeführt würden, aber kaum diskutiert würde. Die Debatten sind in Kategorien eingeteilt. Kategorie 1 – die so genannte freie Debatte, der jeweils auch die Botschaften des Bundesrates zu Volksinitiativen zugeordnet werden – erlaubt eine freie Wortmeldung aller Parlamentsmitglieder. In den restlichen vier Kategorien (2: Organisierte Debatte, 3a: Fraktionsdebatte, 3b: verkürzte Fraktionsdebatte, 4: Kurzdebatte; 5: schriftliches Verfahren) sind neben den Kommissionssprecherinnen und -sprechern nur die Vertreterinnen und Vertreter des Bundesrats, die Antragsstellerinnen und Antragssteller von Minder- und Mehrheitsvorschlägen, je nachdem die Urheberinnen und Urheber von Vorstössen und die Fraktionssprecherinnen und -sprecher redeberechtigt. Zusätzliche Wortmeldungen müssen schriftlich eingereicht werden. Zudem wird mit den Kategorien auch die Redezeit geregelt. Wermuth schlug in seinem Postulat unter anderem vor, die Möglichkeiten für die so genannte Zwischenfrage auszubauen: Nach dem Votum einer Rednerin oder eines Redners dürfen alle Ratsmitglieder zu bestimmten Punkten eine präzise und kurze Frage stellen – ohne jedoch selber inhaltliche Ausführungen anzubringen. Eine weitere Möglichkeit für eine lebendigere Diskussionskultur wäre laut Wermuth die Einschränkung der Berichterstattung, die jeweils von zwei Kommissionsmitgliedern mit unterschiedlicher Muttersprache vorgetragen wird. Zudem müsse die Ungleichbehandlung der kleineren Fraktionen und der Kommissionsmitglieder von weniger bedeutenden Kommissionen überdacht werden.
Das Büro-NR hiess zwar die Idee einer lebendigeren Debatte grundsätzlich gut, wies aber darauf hin, dass schriftliche Voten und Notizen aufgrund der teilweise komplizierten Geschäfte kaum vermeidbar und zudem abhängig von den Fähigkeiten einer Votantin oder eines Votanten seien. Die Kommissionssprecherinnen und Kommissionssprecher seien zudem verpflichtet, gut und umfassend zu informieren. Man wolle hier deshalb keine Vorschriften machen. Beim Ausbau der Zwischenfrage und der Einschränkung der Berichterstattung befürchtet das Büro eine einseitige Konzentration auf die deutsche Muttersprache, was die Gefahr der Diskriminierung der anderen Sprachen mit sich brächte. Das Postulat sei auch deshalb abzulehnen, weil man vielmehr an die Eigenverantwortung der Parlamentarierinnen und Parlamentarier appellieren wolle.
In der Debatte wünschte sich Wermuth weniger Technokratie und mehr inhaltliche Auseinandersetzung und Peter Keller (svp, NW) bezeichnete – nota bene mittels Zwischenfrage – die Zwischenfrage als „unwürdige[n] Kastrationsvorgang der parlamentarischen Möglichkeiten und Debattenkultur”. Der Sprecher des Büros, Adrian Amstutz (svp, BE), wies darauf hin, dass auch er gerne „vom Leder ziehen” würde, als Sprecher des Büros aber eben richtigerweise nicht dürfe, sondern die Aufgabe habe, sachlich und faktentreu zu informieren. Der französischsprachige Sprecher des Büros, Dominque de Buman (cvp, FR), verwies seinerseits auf die Geschichte des Parlaments und zitierte Benjamin Constant, der die schlechte Debattenkultur in Parlamenten bereits zu Beginn des 19. Jahrhunderts moniert habe. Das Parlamentsreglement von 1850 habe gar ein Verbot des Vorlesens schriftlich verfasster Reden vorgesehen. Mittlerweile sei man aber im 21. Jahrhundert und die Komplexität der Geschäfte würde andere Rede- und Stilmittel bedingen. Ausser bei der CVP- und der GLP-Fraktion vermochte das Anliegen Wermuths in allen Fraktionen einige Sympathien zu wecken.

Debattenkultur im Nationalrat

Die deutliche nationalrätliche Unterstützung der parlamentarischen Initiative Geissbühler (svp, BE), die auch im Ständerat sämtliche Abstimmungen veröffentlicht haben will, scheint der letzte Tropfen gewesen zu sein, um den Stein definitiv zu höhlen. In der Tat zeigte sich die SPK-SR überzeugt, dass nun der Moment für volle Transparenz auch im Ständerat gekommen sei. Allerdings lehnte die Kommission die parlamentarische Initiative Geissbühler ab, weil es sich hier um eine Angelegenheit des Ständerats handle und man deshalb selber tätig werden wolle. Mit der erneuten Ablehnung wurde die Ausarbeitung eines Vorschlags zur Änderung des ständerätlichen Geschäftsreglements versprochen. In der Herbstsession lehnte die kleine Kammer die parlamentarische Initiative ab.

Abstimmungen im Ständerat veröffentlichen (Pa. Iv. 15.436)
Dossier: Öffentliche Abstimmungen im Ständerat

In der Herbstsession 2017 wehrte sich die kleine Kammer ein weiteres Mal gegen die Einführung von Namenslisten bei allen Abstimmungen. Die SPK-SR hatte sich dem Druck des Nationalrats gebeugt und eine Vorlage ausgearbeitet, mit der mehr Transparenz für die Wählerinnen und Wähler geschaffen werden sollte – wie sich die Kommissionssprecherin Pascale Bruderer (sp, AG) ausdrückte. Seit 2014 würden auch in der kleinen Kammer alle Abstimmungen erfasst, aber nicht alle veröffentlicht, nämlich lediglich die Gesamt- und die Schlussabstimmungen, sowie Abstimmungen mit qualifiziertem Mehr und solche, bei denen mindestens zehn Ratsmitglieder dies verlangten. Die Veröffentlichung aller Abstimmungen sei keine Kostenfrage. Da das Abstimmungsverhalten via Livestream sowieso eruierbar sei, sei nicht nachvollziehbar, weshalb die Resultate nicht gänzlich veröffentlicht würden. Zudem, so die Aargauerin weiter, habe die bisherige Erfahrung gezeigt, dass sich die Debattenkultur in der kleinen Kammer nicht verändert habe – eine Befürchtung, die immer wieder gegen die Einführung einer elektronischen Abstimmungsanlage in der „chambre de reflexion“ vorgebracht worden war. Das Büro-SR, vertreten durch Karin Keller-Sutter (fdp, SG), lehnte die parlamentarische Initiative allerdings einstimmig ab. Die bisherige Regelung habe sich bewährt, Transparenz sei bereits gegeben und man wolle mit einer vollständigen Veröffentlichung eben eine „Vermessung der Ratsmitglieder durch Politbeobachter und -beobachterinnen“ verhindern. Diese Masse seien zu oberflächlich und könnten das differenzierte Abstimmungsverhalten nicht nachzeichnen. Nach lediglich drei Jahren könne man auch noch nicht sagen, ob sich an der Debattenkultur etwas geändert habe oder nicht. Thomas Minder (parteilos, SH) machte geltend, dass die Vermessung bereits heute stattfinde und zwar entweder mittels der wenig aussagekräftigen Schluss- und Gesamtabstimmungen oder aber mittels des gesamten Datensatzes über alle Abstimmungen, der zu Forschungszwecken abgegeben werde. Diese Vermessung sei aber richtig und wichtig, damit die Wählerinnen und Wähler nachschauen könnten, wie ihre Ständevertreterinnen und -vertreter abstimmen. In der weiteren Debatte hielten sich die Vertreter der ständerätlichen Kultur und die Modernisierer in etwa die Waage. Zur Abstimmung stand schliesslich die Frage, ob auf die Vorlage der SPK-SR eingetreten werden soll. Mit 27 zu 17 Stimmen und einer Enthaltung entschied sich der Rat dagegen, womit das Thema wieder eine Weile vom Tisch sein dürfte. In den Medien wurde der Entscheid mit Unverständnis aufgenommen. Der Ständerat bleibe eine Dunkelkammer. Im Tagesanzeiger wurde das Stimmverhalten der Rätinnen und Räte demonstrativ aufgrund des Livestreams abgebildet. Es zeigten sich dabei keine deutlichen Parteilinien. Aus allen Fraktionen gab es sowohl Befürworterinnen und Befürworter als auch Gegnerinnen und Gegner der Neuerung.

Namenslisten bei allen Abstimmungen im Ständerat (Pa. Iv. 17.432)
Dossier: Öffentliche Abstimmungen im Ständerat

In der Herbstession 2017 versenkte der Ständerat die parlamentarische Initiative Leutenegger Oberholzer (sp, BL) zur steuerlichen Belastung von Parlamentsentschädigungen endgültig. Die knappe Mehrheit der SPK-SR von 6 zu 4 Stimmen (2 Enthaltungen) widerspiegelte sich in der ständerätlichen Debatte. Kommissionssprecher Philipp Müller (fdp, AG) machte geltend, dass Spesenentschädigungen auch in der Privatwirtschaft nicht versteuert werden müssten; von einer Besserstellung der Parlamentarierinnen und Parlamentarier gegenüber Bürgerinnen und Bürgern könne entsprechend keine Rede sein. Anderer Meinung war Raphaël Comte (fdp, NE), der als Vertreter der Kommissionsminderheit die Studie der Universität Genf zum Einkommen der Mandatsträgerinnen und Mandatsträger im Schweizer Parlament anführte. Parlamentsmitglieder erhalten CHF 33'000, die für Materialspesen und die Anstellung von Assistentinnen und Assistenten verwendet werden können – oder nicht. In letzterem Fall handle es sich aber – so der Neuenburger FDP-Ständerat – eben nicht um Spesen, sondern um ein zusätzliches und eigentlich zu versteuerndes Einkommen. In der Debatte wurde aber auch vor einem bürokratischen Aufwand gewarnt, falls alle Ausgaben nach Spesen und Einkommen getrennt werden müssten. Es sei einfacher, die CHF 33'000 als Gesamtpaket und als Sachausgaben, ergo Pauschalspesen, zu betrachten. Die knappen Verhältnisse in der Kommission und die ausgeglichene Debatte spiegelte sich dann freilich nicht in der Abstimmung wieder. Mit 35 zu 9 Stimmen (ohne Enthaltung) sprach sich der Rat gegen Folgegeben aus.

Spesenentschädigungen

Stellt ein Parlamentsmitglied eine eigene parlamentarische Initiative vor der zuständigen Kommission vor, erhält es dafür ein Taggeld und Essensspesen als Entschädigung. Dies sei nicht nachvollziehbar, begründete Andrea Geissbühler (svp, BE) ihren Vorstoss, der eine Anpassung dieser Entschädigung verlangt. Das Vorstellen einer parlamentarischen Initiative dauere in der Regel nicht viel länger als eine Dreiviertelstunde und ein Taggeld sei dafür eine viel zu hohe Entlohnung. Nicht einverstanden mit dieser Begründung zeigte sich die SPK-NR. Mit 15 zu 8 Stimmen entschied sie sich, die parlamentarische Initiative Geissbühler zur Ablehnung zu empfehlen, da sie eine Entwertung der parlamentarischen Arbeit zur Folge hätte. Mit der Entschädigung werde ja nicht nur die Präsentation vor der Kommission, sondern auch deren Vorbereitung entlohnt.

Entschädigung für das Vorstellen von parlamentarischen Initiativen (Pa.Iv. 17.436)
Dossier: Entschädigung von Parlamentsmitgliedern

Beide Staatspolitischen Kommissionen (SPK-SR und SPK-NR) gaben einer parlamentarischen Initiative Caroni Folge, die verlangt, dass der Bundesrat in seinen Botschaften die Achtung des Subsidiaritätsprinzips prüft. Diesem Prinzip, das besagt, dass auf nationaler Ebene nur Aufgaben übernommen werden, die von den Kantonen nicht erledigt werden können oder die eine zentralisierte Regelung erfordern, werde zu wenig Beachtung geschenkt, so Andrea Caroni (fdp, AR). Wenn die Regierung verpflichtet würde, in ihren Botschaften auszuführen, ob und wie dieses wichtige Element des Föderalismus beeinträchtigt wird, hätte das Parlament bessere Entscheidgrundlagen.
In ihrer Medienmitteilung wies die SPK-SR darauf hin, dass mit der Umsetzung dieser Idee auch ein Beitrag zur Deregulierung geleistet würde. Sie schlug zudem vor, die parlamentarische Initiative in die Sammelvorlage zu den Änderungen des Parlamentsrechts aufzunehmen.

Subsidiaritätsprinzip (Pa.Iv. 16.446)
Dossier: Parlamentarische Initiativen für verschiedene Änderungen des Parlamentsrechts

Nach Kenntnisnahme der Studie zur Arbeitsbelastung und Entschädigung von Bundesparlamentarierinnen und Bundesparlamentariern entschied die SPK-SR mit sechs zu vier Stimmen bei zwei Enthaltungen, die parlamentarische Initiative Leutenegger Oberholzer (sp, BL) zur steuerlichen Belastung von Parlamentsentschädigungen zur Ablehnung zu empfehlen. Die Studie zeige, dass die Parlamentsmitglieder ausreichend, aber nicht übermässig bezahlt würden. Eine Spesenpauschale sei deshalb gerechtfertigt und deren Besteuerung – wie vom Vorstoss gefordert – nicht nötig. Auch in der Privatwirtschaft gäbe es solche Pauschalen. Eine Besteuerung würde nicht nur einen hohen bürokratischen Aufwand bedeuten, sondern auch Parlamentarierinnen und Parlamentarier, die selbständig erwerbstätig seien, gegenüber angestellten Mitgliedern bevorzugen.

Spesenentschädigungen

Im Gegensatz zu ihrer Schwesterkommission sprach sich die SPK-SR gegen die Idee eines Kredits für persönliche Mitarbeitende aus und empfahl die parlamentarische Initiative Aebischer (sp, BE) mit acht zu vier Stimmen bei einer Enthaltung zur Ablehnung. Mit dem dafür vorgesehenen Pauschalbetrag für Personal- und Sachausgaben könne jedes Ratsmitglied selber entscheiden, ob es eine persönliche Mitarbeiterin oder einen persönlichen Mitarbeiter anstellen wolle. Ein von der Initiative geforderter entsprechender Kredit würde hingegen hohe Mehrkosten verursachen.
Die Pauschalentschädigung war aufgrund einer Studie zu den Entschädigungen der Parlamentarierinnen und Parlamentariern allerdings in der Presse auf Kritik gestossen.

Persönliche Mitarbeitende (Pa.Iv. 15.445)
Dossier: Vereinbarkeit der Parlamentsarbeit mit Familie und Beruf

Nachdem der Nationalrat durch Folge geben einer parlamentarischen Initiative Geissbühler (svp, BE) anscheinend genügend Druck aufgebaut hatte, erklärte auch die SPK-SR, dass die Zeit reif sei, dass auch im Ständerat Namenslisten bei allen Abstimmungen veröffentlicht werden. Bisher wurden lediglich bei Gesamt- und Schlussabstimmungen, bei Abstimmungen mit qualifiziertem Mehr und auf Verlangen von zehn Ratsmitgliedern Namenslisten von Abstimmungen veröffentlicht. Die Geheimhaltung sei aber sowieso nicht gegeben, weil auch alle anderen Abstimmungen gefilmt würden und so das Abstimmungsverhalten relativ einfach eruiert werden könne. Zudem hätten sich die bei der Einführung der elektronischen Abstimmungsanlage im Ständerat geäusserten Befürchtungen nicht bewahrheitet: die spezifische Diskussions- und Entscheidungskultur in der chambre de réflexion sei dadurch nicht beeinträchtigt worden.
Weil es sich um ein Anliegen der kleinen Kammer handle, liess es sich die SPK-SR nicht nehmen einen eigenen Vorschlag auszuarbeiten. Diesen legte sie Ende Juni 2017 vor. Weil sich aber das Büro-SR in einem Mitbericht gegen die Änderung ausgesprochen hatte, soll die Vorlage von der kleinen Kammer beraten werden.

Namenslisten bei allen Abstimmungen im Ständerat (Pa. Iv. 17.432)
Dossier: Öffentliche Abstimmungen im Ständerat

Die von Hans Grunder (bdp, BE) selber als „Zwillingsinitiativen" bezeichneten parlamentarischen Initiativen wurden in der Sommersession im Nationalrat gemeinsam behandelt. Mit einer Amtszeitbeschränkung (Pa.Iv. 15.492) und einer Verlängerung der Amtsperiode (Pa.Iv. 15.491) wollte der Berner BDP-Abgeordnete zur Rettung des Milizsystems beitragen. Wenn Parlamentarierinnen und Parlamentarier wüssten, dass sie nur für eine bestimmte Zeit im Amt seien, würden sie den Bezug zu ihrem Beruf, den sie nach dem Mandat wieder ausführen müssten, nicht verlieren. Die Verlängerung des Mandats würde zudem dem permanenten Wahlkampf Einhalt gebieten.
In der Ratsdebatte wurde dem Anliegen durchaus Sympathie entgegengebracht. In der Tat sei eine Entwicklung hin zu einem Berufsparlament zu beobachten und es sei immer schwieriger, Amt, Beruf und Wahlkampf unter einen Hut zu bringen. Mit den Forderungen könne aber das Milizsystem nicht gestärkt werden. Sie würden vielmehr die Rechte von Wählerinnen und Wählern beschneiden: Mit Amtszeitbeschränkung würde die Auswahl verkleinert und die Amtszeitverlängerung würde dazu führen, dass gesellschaftliche Meinungsumschwünge nicht mehr so rasch via Wahlen im Parlament abgebildet werden könnten. Die Schwächung des Milizsystems und der permanente Wahlkampf sei vielmehr hausgemacht – so etwa Kommissionssprecher Jauslin (fdp, AG). Die Arbeitsbelastung steige vor allem auch deshalb, weil immer mehr Vorstösse eingereicht würden. Zudem könne man die wachsende Medienarbeit auch selber beeinflussen, wenn man nicht zu jedem Thema vor die Kamera trete.
Mit 59 zu 128 Stimmen (keine Enthaltung) wurde der Idee zur Verlängerung der Amtsperiode etwas mehr Sympathie zuteil als der Forderung für eine Amtszeitbeschränkung, der mit 31 zu 144 Stimmen (bei 12 Enthaltungen) ebenfalls keine Folge gegeben wurde. Die Unterstützung kam beide Male von der SP und der BDP. Eine Verlängerung der Amtsperiode begrüssten zusätzlich auch die Grünen.

Rettung des Milizparlaments (Pa. Iv. 15.491)
Dossier: Milizparlament in der Krise?

Mittels Verbesserung der Vereinbarkeit von Familie und Parlament wollte Cédric Wermuth (sp, AG) das Milizsystem stärken. Vor allem für jüngere Parlamentarierinnen und Parlamentarier mit Kindern im vorschul- oder schulpflichtigen Alter sei es schwierig, Familien- und Parlamentsarbeit unter einen Hut zu bringen. Die Kinderbetreuung bleibe vor allem während den Sessionen in den meisten Fällen dem familiären Umfeld, der Partnerin oder dem Partner vorbehalten. Das sei nicht nur stossend, sondern mit ein Grund, weshalb so wenig Frauen im Parlament vertreten seien. Die ungleichen Chancen würden das Milizsystem diskreditieren und im schlimmsten Fall sogar dazu führen, dass auf politisches Engagement verzichtet wird.
Das Büro-NR, das bei Annahme des Postulats Verbesserungsmöglichkeiten hätte vorschlagen sollen, verwies in seiner ausführlichen Stellungnahme auf zahlreiche Vorstösse, mit denen bereits früher eine Anpassung des Sitzungsrhythmus oder der Sitzungszeiten verlangt worden war, die aber allesamt vom Rat selber abgelehnt worden seien. Einzig das Postulat Teuscher habe 2007 dazu geführt, dass die Sessionen – soweit möglich – den Schulferien angepasst worden seien. Weil die Familien- und Wohnsituation der Nationalrätinnen und Nationalräte sehr unterschiedlich sei, würde eine Änderung der Sessionsorganisation immer auch individuelle Nachteile schaffen. Dass eine Änderung einen hohen administrativen Aufwand und hohe Kosten bedeuten und zudem nur einem Teil der Rätinnen und Räte Vorteile bringen würde, komme erschwerend hinzu. Das Büro beantragte entsprechend die Ablehnung des Postulats, wogegen sich eine GP/SP-Minderheit wehren wollte.
Das Thema wurde von den Medien bereits im Vorfeld der Debatte dankbar aufgenommen und im Rat wurde das Postulat entsprechend ausführlich diskutiert. Cédric Wermuth versuchte, für seine Idee Werbung zu machen, indem er auf die Bedeutung von Traditionen hinwies. Diese seien wichtig, müssten aber den gesellschaftlichen Realitäten angepasst werden. Dass die Ratsmitglieder sehr unterschiedliche Ansichten über Tradition und Anpassungen haben, zeigte sich dann im deutlichen links-bürgerlichen Graben bei der Abstimmung über den Vorstoss. Die geschlossenen SP-, GP- und GLP-Fraktionen standen einem fast geschlossen Nein stimmenden bürgerlichen Block gegenüber. Abweichlerinnen und Abweichler gab es lediglich bei der CVP (3), der FDP (1) und der BDP (2). Die insgesamt 65 befürwortenden Stimmen unterlagen freilich den 123 Nein-Stimmen deutlich (1 Enthaltung) und der Vorstoss wurde entsprechen versenkt.

Vereinbarkeit von Familie und Parlament (Po. 17.3210)
Dossier: Milizparlament in der Krise?
Dossier: Frauenanteil im Parlament
Dossier: Vereinbarkeit der Parlamentsarbeit mit Familie und Beruf

Der Nationalrat hatte sich 2008 entschieden, in seinem Geschäftsreglement die Anwesenheit des Bundesrats bei der Behandlung des Geschäftsberichtes festzuschreiben. Bevor diese Regelung in Kraft trat, musste jeweils nur die Bundespräsidentin oder der Bundespräsident als Stellvertretung des gesamten Regierungskollegiums Red und Antwort stehen bei der nationalrätlichen Beratung zum Bericht der bundesrätlichen Geschäftsführung. Wie die GPK-NR in ihrem Bericht ausführte, hatte man sich mit der Einführung der neuen Regelung damals erhofft, dass die Anwesenheit der Magistratin oder des Magistraten, die oder der für den zu diskutierenden Teil des Geschäftsberichts verantwortlich ist, zu einer Verbesserung der inhaltlichen Debatten und so zu einer Steigerung des Stellenwertes des Geschäftsberichts führen würde. Dieser erwünschte Effekt habe sich aber nicht eingestellt. Zudem sei dieses Verfahren relativ aufwändig. Mit einer parlamentarischen Initiative wollte die GPK-NR deshalb diesen Passus wieder aus dem Reglement streichen. Eine Gesetzesänderung ist dabei nicht nötig, da es das Gesetz den beiden Kammern explizit frei stellt, wie der Geschäftsbericht beraten werden soll. Im Gegensatz zum Nationalrat hatte der Ständerat damals keine Änderung beschlossen, so dass in der kleinen Kammer bei der Beratung des Geschäftsberichtes stets nur die Bundespräsidentin oder der Bundespräsident anwesend war. Der Bundesrat begrüsste das Bestreben der GPK.
Anders als 2007 gab die Änderung in der grossen Kammer keinen Anlass zur Diskussion. GPK-Sprecher Alfred Heer (svp, ZH) wies darauf hin, dass bei der Vorbesprechung des Berichtes in der Kommission selber selbstverständlich die jeweiligen Departementsvorsteherinnen und -vorsteher anwesend seien. Eintreten wurde ohne Gegenantrag beschlossen und der Vorschlag wurde ohne Diskussion in der Gesamtabstimmung einstimmig mit 161 zu 0 Stimmen (ohne Enthaltung) gutgeheissen.

Anwesenheit des Bundesrats bei der Behandlung des Geschäftsberichtes

Nachdem die SPK-SR die Forderung abgelehnt hatte, musste die parlamentarische Initiative von Alfred Heer (svp, ZH), die eine Auskunftspflicht über die Reisetätigkeit von Parlamentsmitgliedern verlangte, im Nationalrat behandelt werden. Die Mehrheit der SPK-NR hatte Folge geben empfohlen. Während der Debatte führte der Initiant aus, dass der Steuerzahler ruhig wissen dürfe, wer weshalb wohin und für wie viel Geld reise. Er selber sei als Delegierter des Europarats auch häufig unterwegs. Eine Veröffentlichung der Reisetätigkeit entspreche zudem dem Öffentlichkeitsprinzip. Stein des Anstosses war gewesen, dass Medienanfragen zu den Kosten von Reisen von Parlamentarierinnen und Parlamentariern von den Parlamentsdiensten nicht beantwortet wurden. Die Kommissionssprecher wiesen darauf hin, dass es sich ja um offizielle Mandate handle, und deshalb Geheimniskrämerei fehl am Platz sei; es gehe dabei auch nicht um persönlichkeitsrelevante Daten, wie dies die SPK-SR bemängle. Die grosse Kammer gab der Initiative nach diesen Ausführungen diskussionslos Folge.
Bereits Ende März kam die SPK-SR auf ihre Überlegungen zurück und schloss sich ohne Gegenantrag dem Entscheid des Nationalrats an. Damit kann eine entsprechende Rechtsgrundlage geschaffen werden.

Reisetätigkeit von Parlamentsmitgliedern (Pa. Iv. 15.442)
Dossier: Lobbyismus im Bundeshaus
Dossier: Parlamentarische Initiativen für verschiedene Änderungen des Parlamentsrechts

Nachdem der Ständerat und auch die SPK-NR der Initiative Berberat für ein transparentes Lobbying Folge gegeben hatten, lag der Ball erneut bei der SPK-SR, die innert zwei Jahren eine entsprechende Vorlage ausarbeiten müsste. Allerdings hat eine Kommission auch die Möglichkeit, auf den Entwurf einer Regelung zu verzichten und die Initiative zur Abschreibung zu beantragen. Letzteres beschloss die staatspolitische Kommission des Ständerats, allerdings wie schon bei der ersten Empfehlung Ende 2015 nur sehr knapp mit dem Stichentscheid ihres Präsidenten Peter Föhn (svp, SZ). Zwar hatte die Kommission eine Vorlage ausgearbeitet, diese wurde aber von der knappen Mehrheit als zu komplex betrachtet. Zudem wurde befürchtet, dass mit dem Vorschlag die Verantwortung für den Zutritt zum Parlament nicht mehr bei den Ratsmitgliedern liege und Lobbying deshalb eher noch intransparenter würde. Besagter Vorschlag sieht ein öffentliches Register vor, in das sich eintragen muss, wer Zugang zum Parlamentsgebäude erhalten will. Der an diesen Eintrag geknüpfte Zutrittsausweis soll gebührenpflichtig sein und zeitlich befristet werden. Die Unterschiede zum jetzigen System, bei dem Parlamentarierinnen und Parlamentarier je zwei Zutritte vergeben können, liegen nicht nur in der zeitlichen Befristung, sondern auch in der geregelten „parlamentarischen Anerkennung“ einer Lobbyistin oder eines Lobbyisten – so der Bericht der SPK-SR. Die häufig vorkommende Vergabe des Zutritts durch die Ratsmitglieder an Verwandte sei so nicht mehr möglich.
In der recht angeregten Ratsdebatte in der Frühjahrssession 2017 machte Peter Föhn auf das Problem aufmerksam, dass nicht ganz klar sei, wer denn letztlich über den Zutritt entscheide und wo die notwendige Obergrenze festgelegt würde. Zu befürchten sei, dass hier die grossen Lobbyorganisationen einen Vorteil hätten, weil sie schneller reagieren könnten als kleine Organisationen, um sich einen Platz zu reservieren. Auf der anderen Seite wurde argumentiert, dass das Problem der mangelnden Transparenz über den Zutritt zum Bundeshaus mit der Abschreibung der Initiative nicht aus der Welt geschafft werde. Das schlagende Argument war wohl, dass man mit dem jetzt vorliegenden Vorschlag ja gar nicht einverstanden sein müsse. Man habe aber der Kommission einen Auftrag erteilt, einen Entwurf auszuarbeiten. Ob dieser gut oder schlecht sei, könne man erst entscheiden, wenn denn tatsächlich einer vorliege. Mit 29 zu 13 Stimmen (ohne Enthaltung) wurde der Antrag der Kommission zur Abschreibung der parlamentarischen Initiative entsprechend abgelehnt. Damit muss die SPK-SR definitiv einen Vorschlag ausarbeiten.

Transparentes Lobbying (Pa. Iv. 15.438)
Dossier: Lobbyismus im Bundeshaus

Weil die Mehrheit der SPK-NR die parlamentarische Initiative der Grünen Fraktion, die eine Veröffentlichung von Tages-Zugangsbewilligungen verlangt, abgelehnt hatte, musste sich die grosse Kammer in der Frühjahrssession dem Thema annehmen. Zwar werde über die Personen Buch geführt, die von den Parlamentsmitgliedern eine eintägige Zugangsbewilligung erhalten – so die Ausführungen des Fraktionssprechers Balthasar Glättli (gp, ZH) – aber diese Buchführung werde eben nicht öffentlich gemacht. Dadurch könnten kluge Lobbyistinnen und Lobbyisten „unter dem Radar der Transparenzanforderungen“, wie sie aktuell diskutiert würden, durchschlüpfen. Die Sprecherin (Roberta Pantani, lega, TI) bzw. der Sprecher (Matthias Jauslin, fdp, AG) der Mehrheit der SPK-NR verwiesen in ihren Ausführungen auf die parlamentarische Initiative Berberat (sp, NE), mit der bereits mehr Transparenz bei der Lobbyarbeit angestrebt werde. Die von den Grünen geforderte Idee sei sehr schwierig umzusetzen, da für jede Besucherin und jeden Besucher abgeklärt werden müsste, ob er lediglich Gast oder tatsächlich Lobbyistin oder Lobbyist sei. Mit der von der Pa.Iv. Berberat angestrebten Akkreditierung sei das Problem besser in den Griff zu kriegen. Die Ratsmehrheit von 112 Stimmen, die 53 Gegenstimmen bei 2 Enthaltungen gegenüberstand, folgte dieser Argumentation und versenkte den Vorstoss der Grünen Fraktion.

Tages-Zugangsbewilligungen (Pa. Iv. 15.464)
Dossier: Lobbyismus im Bundeshaus

Weil ihre Schwesterkommission die parlamentarische Initiative Geissbühler (svp, BE), die verlangt, dass auch im Ständerat sämtliche Abstimmungen veröffentlicht werden, abgelehnt hatte, gelangte das Begehren zurück an die SPK-NR. Dort wurde erneut deutlich, diesmal mit 18 zu zwei Stimmen bei zwei Enthaltungen, Folge geben empfohlen. Es sei nicht einzusehen, weshalb der Ständerat hier anders behandelt werden soll als der Nationalrat. Zudem würden es die Videoaufzeichnungen sowieso erlauben, das auf der Abstimmungsleinwand erscheinende Stimmverhalten auf die einzelnen Rätinnen und Räte aufzuschlüsseln. Eine offizielle Namensliste sei glaubwürdiger und zudem hätten die Bürgerinnen und Bürger das Recht, über das Abstimmungsverhalten beider Räte informiert zu werden.
In der Ratsdebatte wiesen die Kommissionssprecher zudem darauf hin, dass der nur knapp ablehnende Entscheid der SPK-SR die Hoffnung aufkommen lasse, dass bald auch der Ständerat auf mehr Transparenz umschwenken werde. Weil kein anderer Antrag gestellt wurde, wurde der Initiative Folge gegeben.

Abstimmungen im Ständerat veröffentlichen (Pa. Iv. 15.436)
Dossier: Öffentliche Abstimmungen im Ständerat

Das Wahlverfahren für den Eidgenössischen Datenschutz- und Öffentlichkeitsbeauftragten (EDÖB) hatte bei der Wahl von Adrian Lobsiger im Jahr 2016 viel zu reden gegeben. In den Medien war dem Bundesrat, dem die Wahl des EDÖB obliegt, vorgeworfen worden, mit einem ehemaligen Bundesbeamten – Lobsiger war lange Zeit Chef des Fedpol gewesen – keine guten Voraussetzungen für die nötige Unabhängigkeit geschaffen zu haben. Auch im Parlament wurde nicht goutiert, dass sich die Regierung vor der Wahl, die von der Vereinigten Bundesversammlung lediglich noch bestätigt werden kann, nicht mit dem Parlament ausgetauscht hatte. Der Unmut manifestierte sich schliesslich in einer parlamentarischen Initiative Leutenegger Oberholzer (sp, BL). Die Baselbieter Sozialdemokratin bemängelte, dass das Parlament mit der einfachen Genehmigung der Wahl keinen Einfluss auf die Auswahl und die Beurteilung der Eignung von EDÖB-Kandidierenden habe. Zwar finde eine formelle Nachprüfung durch die GK statt, dies könne aber kein Ersatz sein für ein stimmiges Ausschreibe- und Auswahlverfahren. Das ganze Wahl- und Auswahlverfahren sei deshalb integral dem Parlament bzw. der vorgelagerten Gerichtskommission beider Räte zu übertragen.
Anfang 2017 gab die SPK-NR der Initiative mit 13 zu 6 Stimmen bei drei Enthaltungen Folge. Es sei in der Tat stossend, dass das Parlament vor ein "fait accompli" gestellt werde. Ende März folgte auch die Schwesterkommission: Mit 9 zu 3 Stimmen stimmte die SPK-SR dem Vorschlag ebenfalls zu. Das heutige Verfahren befriedige in der Tat nicht. Die SPK-NR wird in der Folge einen Entwurf ausarbeiten.

Wahlverfahren für den EDÖB

«Weniger Aktivismus im Parlament» vermutete das St. Galler Tagblatt, weil die Parlamentsmitglieder im Jahr 2016 den 2015 einsetzenden Trend hin zu etwas weniger lancierten Vorstössen zu bestätigen schienen. Auch die NZZ stellte eine «gedrosselte Gesetzesproduktion» fest. In der Tat auferlegten sich die Parlamentarierinnen und Parlamentarier mit total 1'972 parlamentarischen Vorstössen (Motionen, Postulate, Interpellationen, Anfragen und Fragen in der Fragestunde) und parlamentarischen Initiativen zum ersten Mal seit 2008 wieder weniger als 2'000 Aufträge. Pro Kopf bedeutete dies rund 8 Anliegen. Der Rückgang im Vergleich zum Vorjahr war insbesondere bei den Motionen (342; 2015: 404) und den Postulaten (174; 2015: 238) augenfällig. Rückläufig waren zudem die Fragen in der Fragestunde (607; 2015: 638) und die Anfragen (87; 2015: 98). Die Interpellationen (656; 2015: 627) und auch die parlamentarischen Initiativen (106; 2015: 101) hatten hingegen zugenommen.
Auch bei der Zahl der dem Parlament von aussen auferlegten Aufgaben war 2016 ein Rückgang zu verzeichnen. So legte der Bundesrat 72 Geschäfte (Botschaften, Berichte) vor, drei weniger als noch 2015. 2016 wurden zudem weniger Standesinitiativen (19; 2015: 28) und weniger Petitionen (23; 2015: 45) eingereicht als im Vorjahr und es standen weniger Wahlgeschäfte an (29; 2015: 30).
Freilich war vielen Akteuren der «enorme Vorstossausstoss» (Berner Zeitung) bzw. die «Vorstossflut» nach wie vor ein Dorn im Auge. So wollte sich etwa Fabio Abate (fdp, TI) mit einem Postulat dagegen wehren, weil jeder Vorstoss im Schnitt Kosten von CHF 6'100 verursache. Die rege Anwendung parlamentarischer Instrumente zeuge allerdings auch von einem aktiven und selbstbewussten Parlament. Eine Studie der Universität Bern zeigte zudem, dass jüngere Parlamentarierinnen und Parlamentarier und solche, die neu im Parlament sind, vergleichsweise mehr Vorstösse einreichen als solche, die schon länger dabei sind.

Die Vorstossflut ist mit der Arbeitslast der Parlamentarierinnen und Parlamentarier verknüpft, müssen lancierte Vorstösse und vorgelegte Geschäfte doch abgearbeitet werden. Hier war das Parlament, gemessen an der reinen Zahl bearbeiteter Geschäfte, weniger arbeitsam als im Vorjahr. 2016 wurden 2'326 Geschäfte erledigt (2015: 2'590), darunter 87 Geschäfte des Bundesrats (2015: 90), 26 Wahlgeschäfte (2015: 30), 32 Standesinitiativen (2015: 34) und 39 Petitionen (2015: 41). Auch die eigenen Vorstösse wurden 2016 mit Ausnahme der Postulate etwas weniger abgebaut als 2015: 82 parlamentarische Initiativen (2015: 92), 457 Motionen (2015: 546) und 288 Postulate (2015: 246) konnten erledigt werden und 1'315 Interpellationen, Anfragen oder Fragen bei Fragestunden wurden beantwortet (2015: 1'511).

Doch was bedeutet «erledigt»? Bei den Motionen und den Postulaten lässt die Geschäftsdatenbank «Curia Vista» diesbezüglich Antworten zu. Von den total 457 im Jahr 2016 erledigten Motionen wurden 131 angenommen und an den Bundesrat überwiesen. Dies entsprach einer Erfolgsrate von 28.7 Prozent, was höher war als 2015 (25.8%) und auch das langjährige Mittel (2000-2016: 22.9%) deutlich überstieg. Von den restlichen Motionen wurden 86 zurückgezogen (18.8%; 2015: 6.8%), 82 wegen verstrichener Frist oder Ausscheidens aus dem Rat abgeschrieben (17.9%; 2015: 41.6%) und deren 158 abgelehnt (34.6%; 2015: 25.8%), wobei 85 davon immerhin noch die Hürde des Erstrates genommen hatten (18.6%; 2015: 17.0%). Erfolgreicher als die Motionen waren die Postulate, die 2016 von den Räten behandelt wurden. Mehr als die Hälfte (53.5%) und damit mehr als 2015 (46.7%) und mehr als der langjährige Schnitt (2000-2016: 46.5%) wurden angenommen. 10.4 Prozent aller 2016 als erledigt klassifizierter Postulate wurden zurückgezogen (2015: 7.3%), 9.7 Prozent abgeschrieben (Fristablauf oder Ausscheiden aus dem Rat; 2015: 29.3%) und 26.4 Prozent abgelehnt (2015: 16.7%).

Arbeitsbelastung 2016
Dossier: Geschäftsstatistik der Bundesversammlung

Die «Kasachstan-Affäre» von 2015 hatte dafür gesorgt, dass das Thema «Lobbying» auch 2016 häufig Gegenstand von Diskussionen und Medienberichten war. Ins Visier gerieten Anfang Jahr die Vertreter der Krankenkassen. In einem Interview im Blick nannte Pierre-Yves Maillard (VD, sp), Gesundheitsdirektor im Kanton Waadt und ehemaliger Nationalrat für die SP, Ignazio Cassis (fdp, TI) als Beispiel einer Verfilzung, die vor dem Hintergrund steigender Gesundheitskosten nicht angehe: Cassis sei gleichzeitig Präsident der FDP-Fraktion, der SGK-NR und des Krankenkassenverbandes Curafutura. Der Blick kolportierte, gestützt auf das St. Galler Tagblatt, dass Cassis für sein Mandat als Krankenkassenvertreter CHF 180'000 erhalten soll. Der Tessiner Nationalrat wehrte sich tags darauf in der Boulevardzeitung und erklärte, dass sein Mandat nicht von seiner Funktion als Politiker abhänge.
Die fünf Stände- und die zwölf Nationalräte, die Le Matin als Gesundheitslobbyisten auswies, dürften nicht von Krankenkassengeldern subventioniert werden, so auch die Meinung von Roger Nordmann (sp, VD), die er in einem Interview mit LeTemps kundtat. Es müsse eine ähnliche Regelung gefunden werden wie für die Chefs der öffentlichen Betriebe (SBB, Post, Swisscom), die seit 2008 nicht mehr gleichzeitig Vorsteher dieser Unternehmen sein und ein Parlamentsmandat haben dürfen. Die Krankenkassen erbrächten mit dem obligatorischen Teil sehr wohl Service Public-Leistungen und es dränge sich deshalb ein Analogismus auf. Die BaZ präsentierte dann allerdings Mitte August eine Auswertung, die zeigte, dass die Leistungserbringer (v.a. Spitäler), aber auch die Patientenorganisationen und die Pharmaindustrie über mehr Interessenvertreterinnen und -vertreter im Parlament verfügten als die Krankenversicherer.

Zahlreiche Medien interessierten sich zudem stark dafür, an wen welche Parlamentarierinnen und Parlamentarier ihre Badges, also die beiden Zugangsberechtigungen zum Bundeshaus, abgaben. Im Parlament selber wurden Vorstösse lanciert, die dieses umstrittener werdende System regeln wollten. Das St. Galler Tagblatt rechnete aus, dass rund 100 Parlamentsmitglieder ganz auf die Vergabe der Zugangsberechtigungen verzichteten und schrieb dies den virulenter werdenden Diskussionen um Lobbying zu. Auch die NZZ, die entsprechende Zahlen präsentierte – 61 Parlamentarierinnen und Parlamentarier hätten einen und 123 Mitglieder des Parlaments beide Badges vergeben –, schrieb die zunehmende Zurückhaltung den Auswirkungen der Kasachstan-Affäre zu. Allerdings seien mehr Zutrittsberechtigungen für Gäste beantragt worden als früher.

Im März präsentierte die NZZ auch eine Auswertung des Registers der Interessenbindungen, das die von Parlamentarierinnen und Parlamentariern obligatorisch offenzulegenden Mandate erfasst. Die grösste Lobby – so die NZZ – hätten Hilfswerke und Non-Profit-Organisationen, gefolgt von Vertretungen der Kultur-, Medien- und Telekommunikationsinteressen, den Lobbyisten für Industrie- und Energiebetriebe, der Bauwirtschaft sowie dem Gesundheitssektor. Im Gegensatz zur weit verbreiteten Meinung hätte die Landwirtschaft hingegen nicht viele Vertreterinnen und Vertreter im Parlament. Nur die Arbeitnehmerorganisationen seien noch schlechter vertreten. Die Zeitung wies auch die durchschnittliche Anzahl Mandate pro Fraktion auf. Die FDP stand hier mit 10.6 Mandaten an der Spitze, gefolgt von der CVP (9.7 Mandate pro Person), der SP (7.3 Mandate), den Grünen (6.3 Mandate) und der SVP (6.1 Mandate).

Häufig in die Schlagzeilen geriet 2016 auch der Dachverband der Lobbyisten, die Schweizerische Public-Affairs-Gesellschaft (SPAG). Die 2014 von der Gesellschaft eingeführten Transparenzregeln verlangten die transparente Offenlegung von Arbeit- und Auftraggebern für alle Mandate. Verbandsintern tobte ein Streit, ob diese Regeln wieder aufgeweicht werden sollten. Die Verbandsspitze drohte allerdings einigen Mitgliedern, die den Regeln nicht nachkommen wollten, mit Ausschluss. Eine Drohung, die sie im Juli umsetzte, um den Regeln Nachdruck zu verleihen. Dies brachte ihr Lob vom Datenschützer Hanspeter Thür ein, der kritisierte, dass sich jetzt auch die Politik endlich für mehr Transparenz einsetzen müsse. Im Dezember gab die SPAG bekannt, dass ab 2017 eine verbindliche Offenlegungspflicht gelte, damit ein offizielles Berufsregister umgesetzt werden könne.

Lobbying aus gesellschaftlicher Perspektive (2016)
Dossier: Lobbyismus im Bundeshaus

Ende November erschien das NZZ-Parlamentarierrating 2016 und bildete das erste Jahr nach den Wahlen 2015 ab. Der Rechtsrutsch der Wahlen zeichnete sich im Rating deutlich ab. Der Median der Positionen aller Parlamentarierinnen und Parlamentarier, die aufgrund paarweiser Vergleiche des Abstimmungsverhaltens während der vier vergangenen Sessionen errechnet werden, rückte auf der Skala von -10 (absolut links) bis + 10 (absolut rechts) von 0.8 (2015) auf 1.7. Gleich drei SVP-Fraktionsmitglieder nahmen die rechte Extremposition (10) ein: Marcel Dettling (SZ), Erich Hess (BE) und, wie bereits 2015, Pirmin Schwander (SZ). Lisa Mazzone (gp, GE) positionierte sich mit einem Wert von -9.6 am linken Extrempol.
Vom Rechtsrutsch habe – gemessen an der Anzahl gewonnener Abstimmungen im Rat – vor allem die FDP, kaum aber die SVP profitiert, so die Studie. Bei den Parteien zeigten sich insgesamt nur leichte Verschiebungen. So hatte sich die SVP noch einmal nach rechts verschoben und nahm insgesamt den Wert 8.0 ein (2015: 7.7.). Jean-Pierre Grin (VD) besetzte mit 6.3 die moderateste Position in der Volkspartei. Damit war er dennoch ziemlich weit vom am meisten rechts stehenden FDP-Fraktionsmitglied entfernt: Bruno Pezzatti (ZG) erreichte einen Wert von 3.4. Den linken Rand der FDP, die sich im Vergleich zu 2015 nicht verändert hatte und fraktionsübergreifend konstant bei 2.2 blieb, nahm erneut Christa Markwalder mit 1.4 ein. Damit war die Bernerin leicht linker positioniert als Daniel Fässler (AI), der mit 1.9 den rechten Rand der CVP besetzte. Den Gegenpol bei den Christlichdemokraten nahm Barbara Schmid-Federer (ZH) mit -0.9 ein. Auch die CVP blieb im Vergleich zu 2015 konstant bei 0.6. Innerhalb des Spektrums der CVP-EVP-Fraktion fand sich die BDP (0.9: Hans Grunder, BE bis -0.5: Rosmarie Quadranti, ZH), die leicht nach links gerutscht war (0.2). Deutlich am linken Rand der CVP-Fraktion positionierte sich die EVP mit Maja Ingold (ZH, -2.8) und Marianne Streiff-Feller (BE, -3.1). Einen Linksrutsch verzeichnete auch die GLP, die sich bei -2.7 positionierte und sich wie schon 2015 sehr geschlossen zeigte. Nur gerade 0.5 Skalenpunkte trennten Kathrin Bertschy (BE, -2.8) von Martin Bäumle (ZH, -2.3). Etwas geschlossener als 2015 zeigte sich auch die SP, die fraktionsübergreifend bei -8.3 zu liegen kam. Chantal Galladé (ZH, -6.6) fuhr dabei den sozialliberalsten Kurs. Gleich drei Fraktionsmitglieder positionierten sich beim linken Extremwert der SP, bei -9.1: Bea Heim (SO), Susanne Leutenegger Oberholzer (BL) und Silvia Schenker (BS). Die Grünen schliesslich positionierten sich insgesamt bei -9.0 und die Fraktionsmitglieder überlappten sich stark mit der SP: Daniel Brélaz (VD, -7.9) zeigte sich dabei sogar noch etwas rechter als die gesamte SP.
Die Forschungsstelle Sotomo, welche das Rating durchführte, wertete auch 2016 den Ständerat aus. Erneut zeigte sich eine geringere Polarisierung als in der grossen Kammer. Zwar lagen auch in der kleinen Kammer die Extremwerte weit auseinander, Lilian Maury Pasquier (sp, GE, -9.5) und Peter Föhn (svp, SZ, 9.8) fanden sich aber ziemlich alleine auf weiter Flur. Alle anderen Ständeratsmitglieder befanden sich zwischen -6.2 (Christian Levrat, sp, FR) und 7.3 (Hannes Germann, svp, SH).

Nationalratsrating

Das erste Geschäft der Wintersession im Nationalrat ist jeweils die Wahl des Nationalratspräsidiums. Die scheidende Präsidentin, Christa Markwalder (fdp, BE), blickte in ihrer Rede auf „ein reichhaltiges und spannendes Jahr” zurück. Bei ihren Reisen und zahlreichen Auftritten ausserhalb des Parlaments habe sie viel Berührendes erlebt. Sie sei zudem stolz, dass das Parlament in ihrem Präsidialjahr grosse und zukunftsweisende Reformen beschlossen habe – konkret sprach die Bernerin die Unternehmenssteuerreform III, die Altersvorsorge 2020 und die Energiestrategie 2050 an.
Ihr Nachfolger wurde turnusgemäss der amtierende Vizepräsident, Jürg Stahl (svp, ZH). Der Zürcher SVP-Parlamentarier erhielt 157 von 172 gültigen Stimmen. 15 Stimmen entfielen auf Diverse, 14 der 187 ausgeteilten Wahlzettel blieben leer und einer war ungültig.
Der seit 17 Jahren im Nationalrat sitzende Zürcher wurde in der Presse als stiller Schaffer beschrieben, der anders als viele seiner Parteikollegen nicht auf die polternde Art politisiere (TA); als unauffälliger (BaZ) und unspektakulärer Politiker (NZZ) liege ihm die Arbeit im Hintergrund eher als die Politik mit dem Zweihänder.
In seiner Rede zeigte Stahl Respekt vor der anstehenden Aufgabe. Es sei ihm ein Anliegen, sich immer wieder an alle Mitbürgerinnen und Mitbürger zu erinnern. Stahl appellierte zudem bereits in seiner ersten Rede an die Disziplin im Rat: Wenn der Lärmpegel tief und Respekt und Aufmerksamkeit hoch seien, lasse es sich konstruktiver arbeiten. Schliesslich sässen im Rat insgesamt über 10'000 Jahre an Lebenserfahrung. Mit einem Song von Elvis Presley, vorgetragen von einem Jugendfreund Stahls, Kunstturnübungen am Pferdpauschen durch drei Kunstturner – Stahl ist als ehemaliger Zehnkämpfer und seit dem Tod von This Jenny als Dauersieger des Parlamentarierskirennens dem Sport stark verbunden – und der Intonation des Schweizerpsalms wurde auf das Präsidialjahr Stahls eingestimmt.
Die erste Amtshandlung des frisch gebackenen Nationalratspräsidenten war die Leitung der Wahl der restlichen Mitglieder des Präsidiums, die jeweils als Sesselrücken organisiert ist: Weil der erste Vizepräsident zum Präsidenten gewählt wird, rückt der zweite Vizepräsident zum ersten auf, usw. Neuer erster Vizepräsident wurde entsprechend Dominique de Buman (cvp, FR). Er erhielt 149 von 190 eingelangten und 168 gültigen Stimmen (19 Diverse, 20 leer, 2 ungültig). Zur zweiten Vizepräsidentin wurde Marina Carobbio Guscetti (sp, TI) bestimmt. Sie erhielt 131 von 180 eingelangten und 158 gültigen Stimmen. 15 Stimmen entfielen auf Chantal Galladé (sp, ZH), 12 auf Diverse; 20 Wahlzettel blieben leer und zwei waren ungültig. Galladé war in der fraktionsinternen Ausmarchung Carobbio Guscetti unterlegen. Gut möglich, dass Vertraute der Zürcherin ihr damit die Referenz erweisen wollten.

Wahl des Nationalratspräsidiums 2016
Dossier: Nationalrat und Ständerat. Wahl des Präsidiums und des Büros

In der ersten Sitzung der Wintersession findet im Ständerat jeweils die Wahl des Büros statt. Mit Raphaël Comte (fdp, NE) räumte der jüngste Ständeratspräsident seit 140 Jahren seinen Stuhl, um seinem ersten Vizepräsidenten, Ivo Bischofberger (cvp, AI), Platz zu machen. Das vergangene Jahr sei den Rätinnen und Räten der kleinen Kammer wahrscheinlich sehr lange vorgekommen, er selber habe den Eindruck, erst vor wenigen Sekunden auf dem Präsidentensessel Platz genommen zu haben – so der scheidende Comte. Zum Glück entspreche die Schweiz nicht dem von Brecht beklagten unglücklichen Land, das Helden brauche. Vielmehr sei der ständige Wechsel im Präsidium eben auch ein Zeichen dafür, dass die Macht in vielen Händen liege und kollektiv ausgeübt werde. Präsidenten kämen und gingen und seien letztlich nur Diener der Institutionen, die alleine zählten und Freiheit und Recht garantierten.
Die Streichmusik Neff, die – so Comte abschliessend – „donne vraiment envie d'aller à Appenzell“, umrahmte die Wahl von Bischofberger, der mit 43 von 43 gültigen Stimmen zum neuen Präsidenten gewählt wurde; einer der 45 eingelangten Wahlzettel blieb leer und einer war ungültig.
Der 194. Ständeratspräsident nahm den Ball seines Vorgängers auf und erinnerte an die beiden Bronzestatuen beim Haupteingang des Parlamentsgebäudes. Der alte Mann und der Jüngling gemahnten daran, dass alles, was im Parlament geschehe, bald Teil der Vergangenheit sei. Auch sein Präsidialjahr werde in einem Jahr Geschichte sein. Er werde es unter das Motto „Klein, aber wertvoll“ stellen. Auch kleine Kantone würden wichtige und nützliche Beiträge für den Zusammenhalt des Landes liefern. Föderalismus habe einen hohen Stellenwert, was sich nicht zuletzt in der Debattenkultur im Ständerat zeige, der Sorge zu geben sei. Vom Zeitgeist der Effekthascherei und dem einfachen Schwarz-Weiss-Schema dürfe sich die kleine Kammer nicht anstecken lassen.
In der Presse wurde Bischofberger als beharrlich und engagiert beschrieben. Konkordanz und Kompromiss würden beim Appenzell-Innerrhoder gross geschrieben. Allerdings wolle er es auch allen recht machen, was nicht immer nur positiv sei (TA). Der „naturfröhliche“ und bodenständige Bischofberger reiche nur sehr sparsam, aber immer sehr gut vorbereitete Vorstösse ein, er sei ein akribischer Schaffer (NZZ).
Im Anschluss wurden die weiteren Mitglieder des Büros gewählt. Zur ersten Vizepräsidentin wurde Karin Keller-Sutter (fdp, SG) gekürt. Sie erhielt 39 von 40 gültigen Stimmen. Eine Stimme ging auf Diverse, vier der 44 eingelangten Wahlzettel blieben leer. Die Reihe war erneut an der CVP, die mit Jean-René Fournier (cvp, VS) den zweiten Vizepräsidenten stellt. Fournier, der also nach Keller-Sutter im Jahr 2017/2018 das Präsidium 2018/2019 übernehmen wird, erhielt 41 von 43 gültigen Stimmen. Auf zwei Wahlzetteln standen andere Namen und zwei der 45 eingelangten Wahlzettel blieben weiss. Als Nächstes stand die Wahl der Stimmenzählerin an, die ebenfalls zum Büro gehört und – unter der Bedingung ihrer Wiederwahl bei den eidgenössischen Wahlen 2019 – die kleine Kammer 2019/2020 präsidieren wird: Géraldine Savary (sp, VD) erhielt 37 von 41 gültigen Stimmen, von denen vier an Diverse gingen. Bei der Genossin aus der Waadt blieben vier der 45 eingelangten Wahlzettel leer. Abgeschlossen wurde der Reigen mit der Wahl von Alex Kuprecht (svp, SZ) zum Ersatzstimmenzähler. Auch er erhielt 37 Stimmen, allerdings von 39 gültigen. Auf sechs der 45 eingelangten Wahlzettel fand sich kein Name.

Ständerat - Wahl Präsidium / Büro 2016
Dossier: Nationalrat und Ständerat. Wahl des Präsidiums und des Büros