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Am Montag der dritten Herbstsessionswoche 2020 besetzten Klimaaktivistinnen und -aktivisten den Bundesplatz, obwohl dort Veranstaltungen während der Session verboten sind. Dies führte bei den Parlamentarierinnen und Parlamentariern zu einigem Ärger. So beschwerten sich gemäss verschiedener Medien insbesondere bürgerliche Parlamentsmitglieder, von den Klimaaktivistinnen und -aktivisten «angepöbelt» worden zu sein. Dabei stellten die Medien vor allem verschiedene verbale Entgleisungen ins Zentrum der Berichterstattung. So soll Roland Büchel (svp, SG) derart genervt gewesen sein, dass er die Klimaaktivistinnen und Klimaaktivisten vor laufender Kamera als «Arschlöcher» bezeichnete. Andreas Glarner (svp, AG) nannte die Demonstrierenden während eines Interviews «Kommunisten und Chaoten» und Sibel Arslan (basta, BS), die das Anliegen der Streikenden vertreten wollte, «Frau Arschlan» – was er später als Versprecher entschuldigte. Umgekehrt regten sich linke Parlamentsmitglieder über die falschen Prioritäten der Medien auf, so etwa Jacqueline Badran (sp, ZH), die in einem Radiointerview die Medien angriff, welche «den huere fucking Glarner, who cares, [...] statt die Forderungen der Jugendlichen» gefilmt hätten.

Die Debatten drehten sich in der Folge allerdings nicht nur um «Anstand» und verbale Entgleisungen, sondern auch darum, ob der Bundesplatz überhaupt besetzt werden darf – insbesondere während der Session. Während sich bürgerliche Parlamentarierinnen und Parlamentarier beschwerten, zeigten links-grüne Mitglieder der Bundesversammlung Verständnis für die Aktion. Die aktuelle Regelung im Kundgebungsreglement der Stadt Bern besagt, dass die Versammlungsfreiheit auf dem Bundesplatz während der Sessionen vor allem für grosse Manifestationen aufgehoben wird. Verantwortlich für die Einhaltung dieser Massnahme ist die Stadt Bern, weshalb sich die Kritik der Bürgerlichen in der Folge vor allem gegen den Berner Stadtpräsidenten Alec von Graffenried (gfl) richtete. Einige Medien – darunter etwa die NZZ – warfen der Stadt gar vor, «mit zweierlei Mass» zu messen und das Demonstrationsverbot «selektiv» umzusetzen.

Die Aktion auf dem Bundesplatz führte schliesslich auch zu einiger parlamentarischer Betriebsamkeit. Ein noch am gleichen Montag eingereichter Ordnungsantrag (20.9004/21364) von Thomas Aeschi (svp, ZG), der die Räumung des Platzes beantragte, wurde mit 109 zu 83 Stimmen (1 Enthaltung) im Nationalrat angenommen. Dagegen stimmten die geschlossenen Fraktionen von SP, GP und GLP sowie zwei Angehörige der Mitte-Fraktion. Der am nächsten Tag von Esther Friedli (svp, SG) eingereichte Ordnungsantrag (20.9004/21402), mit dem zusätzlich eine Anzeige gegen die Stadt Bern und die «Klimaextremisten und Linksradikalen» gefordert wurde, lehnte eine 90 zu 79-Stimmen-Mehrheit (bei 16 Enthaltungen) dann freilich ab. Hingegen richtete sich die VD mit einem von Nationalratspräsidentin Isabelle Moret (fdp, VD) und Ständeratspräsident Hans Stöckli (sp, BE) unterzeichneten Schreiben an die Regierungen von Stadt und Kanton Bern und forderte diese auf, für die Einhaltung der Rechtsbestimmungen zu sorgen. Und schliesslich reichte Christian Imark (svp, SO) eine Motion ein, mit der er forderte, die Stadt Bern des Bundesplatzes zu enteignen. Dadurch könne der Bundesrat «künftig selber für Recht und Ordnung auf dem Bundesplatz» sorgen, weil «die linke Berner Stadtregierung [...] die Chaoten immer öfter gewähren» lasse.
Wohl auch weil die Polizei am Mittwoch nach zwei Ultimaten der Stadtregierung den Platz räumte, legte sich die Aufregung kurz darauf wieder. Der Bundesrat beantragte ein paar Wochen später die Ablehnung der Motion, weil eine Enteignung nicht verhältnismässig sei und die Zusammenarbeit mit der Stadt Bern bezüglich Nutzung des Bundesplatzes so funktioniere, dass die Interessen des Parlaments berücksichtigt würden. Die Motion Imark selber wurde dann zwei Jahre nach ihrer Einreichung wegen Nichtbehandlung abgeschrieben.

Wem gehört der Bundesplatz? (Mo. 20.4028)

Der Bundesrat sei sich seiner Vorbildfunktion bewusst und versuche, seine Reisen frühzeitig zu planen, um auf Flüge verzichten zu können, versicherte Simonetta Sommaruga dem Nationalrat während der Frühjahrssession 2022. Es brauche hier aber keine gesetzlichen Vorgaben. Solche waren von Katharina Prelicz-Huber (gp, ZH) mittels Motion gefordert worden. Auch der Bundesrat müsse Emissionen von Flugreisen reduzieren, wie dies vom Verwaltungspersonal gefordert werde, verlangte sie konkret. Es reiche nicht, dass die Regierung «nach Möglichkeit» den Zug statt das Flugzeug nehme, wie sie in ihrer Stellungnahme zur Ablehnung der Motion argumentiere. Vielmehr müsse dies geregelter Normalfall sein, so die Motionärin im Nationalrat. Ihre Forderung wurde freilich nur von 53 Nationalratsmitgliedern aus der geschlossen stimmenden Fraktion der Grünen und der SP-Fraktion unterstützt. Aus Letzterer lehnten fünf Mitglieder die Motion ab – zusammen mit 123 Nationalrätinnen und Nationalräten aus den anderen Fraktionen. Mit 128 zu 53 Stimmen (9 Enthaltungen) fand die Motion somit keine Mehrheit.

Die Emissionen von Flugreisen auch für Mitglieder des Bundesrates reduzieren (Mo. 20.3026)

Bei der Abstimmung vom 13. Juni 2021 über das Covid-Referendum war es zur Besonderheit gekommen, dass das Gesetz, über welches abgestimmt worden war, erstens wegen Dringlicherklärung bereits in Kraft war und zweitens bereits revidierte, ebenfalls dringlich beschlossene Bestimmungen enthielt, die zwar nicht Gegenstand der Abstimmung waren, aber ohne den ursprünglichen Erlass gegebenenfalls nicht hätten existieren können. Würde also ein solcher Erlass in einer Volksabstimmung abgelehnt, müssten auch nachträgliche dringliche Änderungen, sofern sie sich auf konkrete Bestimmungen des Grunderlasses beziehen, ausser Kraft treten. Diese Änderungen könnten auch nicht nachträglich wieder eingesetzt werden, weil der Grundsatz des Erneuerungsverbots für dringliche Erlasse besteht. Es herrsche deshalb Klärungsbedarf bezüglich Referenden zu dringlich erklärten Bundesgesetzen, folgerte die SPK-NR nach der Volksabstimmung und forderte den Bundesrat auf, diesen in einem Bericht darzulegen. Insbesondere die Frage, welche Bestimmungen nach Ablehnung einer Referendumsvorlage noch gelten würden und welche nicht, sei zu klären, um Rechtsunsicherheit zu vermeiden. Nachdem der Bundesrat die Annahme des Postulats beantragt hatte, überwies es der Nationalrat in der Frühjahrssession 2022 diskussionslos.

Klärungsbedarf bezüglich Referenden zu dringlich erklärten Bundesgesetzen (Po. 22.3010)

In ihrem Jahresbericht 2021 informierten die GPK und die GPDel über ihre Aufsichtstätigkeiten, die sie gegenüber Bundesrat, Bundesverwaltung und Gerichte wahrzunehmen haben. Neben den in verschiedenen Berichten im Laufe des Jahres 2021 bereits veröffentlichten Untersuchungen (Expertenbeizug in der Bundesverwaltung, Schutz der Biodiversität, Geschäftsverteilung bei den eidgenössischen Gerichten, Verhältnis zwischen Bundesanwaltschaft und Aufsichtsbehörde, Kulturlandschutz, DNA-Analysen, Erfüllung angenommener Motionen und Postulate, Untersuchungen zur Bewältigung der Covid-19-Pandemie), wurde im Bericht insbesondere auf Tätigkeiten eingegangen, über die anderweitig noch nicht öffentlich berichtet worden war. Hier hob die Kommission etwa die Arbeiten zu den Belästigungsvorwürfen bei der SRG hervor. Dabei ging es insbesondere um die Rolle des UVEK, das zumindest eine begrenzte Aufsicht über die als privaten Verein konzipierte SRG innehat. Die GPK regte an, bei der nächsten Konzessionserneuerung eine Bestimmung zur Vorbildfunktion der SRG bei der Personalführung einzuführen. Eine Baustelle stelle das elektronische Patientendossier dar. Die Schwierigkeiten mit der Einführung seien in der Vergangenheit unterschätzt worden und die GPK sei besorgt über den Stand des Projekts, welches ein zentrales Instrument im Gesundheitsbereich werden müsse, so der Bericht. Weiter beschäftigte sich die GPK mit einer Untersuchung zum Umgang mit Klimafinanzrisiken, die auf eine Aufsichtseingabe von Greenpeace zurückging. Unter Klimafinanzrisiken werden auf der einen Seite Finanzrisiken für Finanzinstitute verstanden, die Folgen des Klimawandels sein können – so etwa die Definition der FINMA. Greenpeace versteht unter Klimafinanzrisiken auf der anderen Seite negative Auswirkungen von Geschäftstätigkeiten auf den Klimawandel. Mittlerweile komme das Thema Nachhaltigkeit auch in Finanzinstituten an und es gebe einige parlamentarische Vorstösse dazu, so der Bericht zur Greenpeaceeingabe. Ein Dossier, das abgeschlossen werden konnte, war jenes zum Sponsoring im EDA. Die im Rahmen der Expo 2020 in Dubai bekanntgewordene finanzielle Unterstützung durch Philipp Morris habe zu einer Anpassung der Transparenzregelungen hinsichtlich Sponsoring geführt. Darüber hinaus habe die Frage der Rolle der Armee die GPK bei der Untersuchung der Geschehnisse um die Patrouille des Glaciers interessiert. Die Untersuchung kam zum Schluss, dass das VBS seine Kontrollfunktion stärker wahrnehmen und künftig bei von der Armee unterstützten, aber von Privaten organisierten Veranstaltungen stärker auf Transparenz pochen müsse. Darüber hinaus behalte sie ein Auge auf die internen Probleme am Bundesstrafgericht, so die GPK weiter. Im Berichtjahr sei es darum gegangen, die Umsetzung der Empfehlungen für eine Verbesserung des Arbeitsklimas zu analysieren. Ein ganzes Kapitel des Jahresberichts umfasste ferner die Arbeiten zur Covid-19-Inspektion, etwa zu den Informationsquellen des EDI und des BAG, zum Management medizinischer Güter, zum Erwerbsersatz für Selbständigerwerbende, zum Image der Schweiz im Ausland, zur Einschränkung der politischen Rechte und zu Massnahmen im Asylbereich, in der Wohn- und Mietpolitik sowie bei den Maturitätsprüfungen.
Die Geschäftsprüfungsdelegation GPDel interessierte sich im Jahr 2021 in ihrer Funktion der Beaufsichtigung des Nachrichtendienstes dafür, wie dieser das Auskunftsrecht anwende. Im Zentrum stand zudem weiterhin die «Crypto-Affäre», wo eine Nachkontrolle geplant ist.

Auch die Parlamentarische Verwaltungskontrolle (PVK) berichtete in ihrem Jahresbericht 2021 über ihre abgeschlossenen und laufenden Tätigkeiten. Bereits publiziert worden war der Bericht über die Evaluation zur Geschäftsverteilung bei den Bundesgerichten. Die laufenden Evaluationen über die Aufsichtstätigkeiten des Bundes im Bereich Grundwasserschutz durch die Kantone, über die Zweckmässigkeit des Controllings von Kompensationsgeschäften, wenn der Bund im Ausland Rüstungsgüter beschafft (sogenannte Offset-Geschäfte) und über die Beteiligung des Parlaments im Bereich von Soft Law sollten in nächster Zeit veröffentlicht werden.

Die Arbeit wird den Aufsichtsbehörden auch im Jahr 2022 nicht ausgehen. Im ebenfalls veröffentlichten Jahresprogramm 2022 wurden über 150 Projekte aufgelistet, die weiterverfolgt werden sollen. Zudem entschied sich die GPK für zwei neue Inspektionen: die Behördenkommunikation vor Abstimmungen und die Messung der Wirkung in der Entwicklungszusammenarbeit.

Jahresbericht 2021 der GPK und der GPDel
Dossier: Jahresberichte der GPK und der GPDel

Jahresrückblick 2021: Institutionen und Volksrechte

Der Bundesrat stand auch 2021 vor allem aufgrund seiner Entscheide im Rahmen der Covid-19-Pandemie im Fokus – wobei er je nach Verlauf der Fallzahlen dafür kritisiert wurde, mit zu viel Macht ausgestattet zu sein und zu viele Massnahmen zu ergreifen, oder aber dafür, in Anbetracht der Lage zu wenig zu tun. Die über 60 Prozent Ja-Stimmen bei beiden Covid-Referenden (im Juni und im November) können freilich auch als ziemlich breite Unterstützung der bundesrätlichen Massnahmen-Politik interpretiert werden. Covid-19 bzw. vielmehr das Argument, dass gerade die Pandemie zeige, wie stark die Arbeitsbelastung der sieben Mitglieder der Landesregierung zunehme, stand Pate für die Forderung nach einer Erhöhung der Zahl der Bundesratsmitglieder auf neun – eine Forderung, die seit 1848 schon zwölf Mal gescheitert war. Zwar stiess die Idee in der Wintersession im Nationalrat auf offene Ohren, das Anliegen wird aber im nächsten Jahr im Ständerat wohl auf mehr Widerstand stossen – die SPK-SR hatte sich bereits im Juni dagegen ausgesprochen. Als Institution war die Regierung ansonsten im Vergleich zu früheren Jahren seltener Gegenstand der medialen Berichterstattung. Das dürfte auch damit zu tun haben, dass im Berichtsjahr für einmal vergleichsweise selten über mögliche Rücktritte von Magistratinnen und Magistraten spekuliert wurde. Seit nunmehr drei Jahren ist die Zusammensetzung der Exekutive unverändert.

Auch für die Mitarbeitenden der Bundesverwaltung wird Covid-19 Folgen haben. Aufgrund der Erfahrungen, die beim Lockdown gemacht worden waren, forderten mehrere Vorstösse, dass der Bund mittels dezentralisierter und digitalisierter Arbeitsplätze im Sinne von Homeoffice nachhaltiges Arbeiten ermöglichen soll. Beide Räte hiessen eine entsprechende Motion gut und rannten damit beim Bundesrat offene Türen ein. Nicht einig waren sich die Räte hingegen bei der Frage, ob für die obersten Kader der sieben grossen Bundesunternehmen ein Lohndeckel gesetzlich festgeschrieben werden soll. Der Ständerat lehnte die Forderung, die auf eine parlamentarische Initiative aus dem Jahr 2016 zurückgeht, ab, der Nationalrat wollte auch in der Wintersession weiter an ihr festhalten.

Auch im Parlament war Covid-19 nach wie vor Thema Nummer 1. Nicht nur war das Virus Gegenstand zahlreicher inhaltlicher Debatten, sondern es zwang auch im Bundeshaus zu unterschiedlichen Verhaltensmassnahmen: Zwar konnten im Gegensatz zu 2020 alle Sessionen im Bundeshaus stattfinden, allerdings mussten auch im Parlament je nach Pandemiesituation die Masken- oder Zertifikatspflicht eingehalten werden. Zudem sollten Plexiglasscheiben an den Plätzen in den Ratssälen zusätzlichen Schutz vor dem Virus gewähren. Auch unter Pandemie-bedingt erschwerten Arbeitsbedingungen wurden Beschlüsse gefasst, die den Parlamentsbetrieb wohl nachhaltig verändern werden: So einigten sich beide Kammern auf ein neues Differenzbereinigungsverfahren bei Motionen. Nicht zuletzt sollen im Ständerat künftig sämtliche Abstimmungsresultate veröffentlicht werden. Nach 20-jähriger Opposition und nicht weniger als acht gescheiterten Vorstössen wird also auch die «Dunkelkammer Ständerat», wie Thomas Minder (parteilos, SH) sie nach der 2014 eingeführten elektronischen Abstimmung bei Gesamt- und Schlussabstimmungen bezeichnet hatte, vollständig ausgeleuchtet. Ob dies nun zu einem «Transparenzexzess» und einer Änderung der Diskussionskultur in der «Chambre de réflexion» führen wird, wie dies die ablehnende Minderheit befürchtete, wird sich weisen.

Das Verhältnis zwischen Legislative und Judikative war im vergangenen Jahr aus zwei gewichtigen Gründen Gegenstand von Diskussionen. Auf der einen Seite führten die im November an der Urne mit 31.9 Prozent Ja-Stimmenanteil recht deutlich abgelehnte Justizinitiative sowie der im Parlament verworfene Gegenvorschlag zur Frage, ob die Wahl von Bundesrichterinnen und Bundesrichtern durch das Parlament die Unabhängigkeit der dritten Gewalt beeinträchtige. Auf der anderen Seite zeigten die Schwierigkeiten mit der Besetzung der Bundesanwaltschaft – gleich dreimal musste die Stelle ausgeschrieben werden, bis in der Herbstsession ein neuer Bundesanwalt gewählt werden konnte – und die vorgängigen Diskussionen um die Erhöhung der Alterslimite in der höchsten Strafbehörde, wie schwierig es für das Parlament ist, bei der Besetzung von Gerichtsstellen ideologische Gesichtspunkte der Sachpolitik unterzuordnen – so die Kommentare in einigen Medien.

Auch das Funktionieren der direkten Demokratie war 2021 Gegenstand politischer Diskussionen. Das Parlament hiess einen Gegenvorschlag zur Transparenzinitiative gut, der teilweise weiter geht, als von den Initiantinnen und Initianten verlangt. Das Initiativkomitee zog in der Folge sein Begehren zurück. Mit der Änderung des Bundesgesetzes über die politischen Rechte müssen Parteien ab dem Herbst 2022 ihre Budgets und insbesondere Spenden über CHF 15'000 offenlegen und auch Komitees von Wahl- und Abstimmungskampagnen, die mehr als CHF 50'000 aufwenden, haben ihre Finanzeinkünfte auszuweisen.
Vom Tisch ist hingegen die Möglichkeit, Staatsverträge dem obligatorischen Referendum zu unterstellen. Der Ständerat hatte sich zwar für diesen Ausbau der direkten Demokratie eingesetzt, der Nationalrat wollte aber definitiv nichts davon wissen. Noch hängig ist hingegen ein Entscheid, mit dem allenfalls ein Ausbau partizipativer Elemente im politischen System der Schweiz umgesetzt würde. Noch 2020 hatte sich der Nationalrat dafür ausgesprochen, einer parlamentarischen Initiative, mit der die Einführung des Stimmrechtsalters 16 gefordert wird, Folge zu geben. Auch die SPK-SR konnte sich für den Vorstoss erwärmen. Allerdings machte die SPK-NR im November mit Verweis auf einige kantonale Abstimmungen, bei der die Senkung des Stimm- und Wahlrechtsalters auf grosse Skepsis gestossen war, einen medial stark beachteten Rückzieher – dieses Anliegen wird wohl zukünftig noch zu reden geben. Viel zu reden und zu schreiben gab im Berichtsjahr zudem ein Jubiläum, das auch als Zeugnis dafür gelesen werden kann, dass die direkte Demokratie strukturelle Minderheiten ausserhalb des Entscheidsystems tendenziell benachteiligt: 1971 – also vor 50 Jahren – war das Frauenstimm- und -wahlrecht eingeführt worden – allerdings erst im zweiten Versuch und sehr lange nach den meisten anderen demokratischen Staaten.

Im Gegensatz zum Vorjahr, als eine Volksabstimmung hatte verschoben und verschiedene Fristen hatten verlängert werden müssen, hatte die Pandemie 2021 keine unmittelbaren Auswirkungen auf das Funktionieren der direkten Demokratie. Ganz ohne Covid-19 ging es aber auch 2021 nicht: Die Schweizer Stimmbevölkerung war dabei die einzige weltweit, die – wie eingangs erwähnt – zweimal an die Urne gerufen wurde, um über denjenigen Teil der Massnahmen zu befinden, der von Bundesrat und Parlament in ein separates Gesetz gegossen worden war. Zwar wurde die Kampagne insbesondere zur zweiten Revision des Covid-19-Gesetzes teilweise sehr emotional geführt, im Anschluss an den Urnengang legten sich die Emotionen aber zumindest gegen aussen wieder etwas. Die nicht nur beim zweiten Covid-Referendum, sondern auch bei der Kampagne zum CO2-Gesetz, der Trinkwasser- und der Pestizidinitiative aussergewöhnlich hart geführten Auseinandersetzungen dürften mit ein Grund sein, weshalb die direkte Demokratie mehr Medienaufmerksamkeit generierte als in den beiden Jahren zuvor.

Jahresrückblick 2021: Institutionen und Volksrechte
Dossier: Jahresrückblick 2021

Gegen 8 der 68 vom Parlament im Jahr 2021 gefassten Bundesbeschlüsse oder Bundesgesetze, die dem fakultativen Referendum unterstellt waren, wurde dieses direktdemokratische Veto ergriffen. Diese rund zwölf Prozent Anteil bekämpfter Parlamentsentscheide stellen einen leicht höheren Wert dar als noch vor der Pandemie (2018: 10%; 2019: 11%) und heben sich recht stark vom Vorjahr ab, als lediglich 5 von 72 Parlamentsbeschlüsse bekämpft worden waren (5.6%).

Ebenfalls im Gegensatz zu 2020, als ein Anlauf gescheitert war, schafften es die Komitees in allen acht Fällen, die nötigen Unterschriften zusammenzubringen. Aufgrund der Schwierigkeiten beim Sammeln von Unterschriften im Zuge der Massnahmen gegen die Covid-19-Pandemie hatte der Bundesrat das Obligatorium für die Beglaubigung der Unterschriften durch die Gemeinden aufgehoben, was den Referendumskomitees das Sammeln der Unterschriften während der ganzen 100-tägigen Frist erlaubte – normalerweise müssen die Unterschriften innerhalb dieser 100-Tage-Frist von den Gemeinden auch beglaubigt werden. Der Erlass dieses Obligatoriums dürfte mit ein Grund für die teilweise sehr hohen Unterschriftenzahlen sein, mit denen die Referenden gegen die 2021 gefassten Beschlüsse eingereicht wurden: So wurden 187'239 Unterschriften für das Referendum gegen die 2. Revision des Covid-19-Gesetzes (eingereicht am 27.4.22), 124'337 Unterschriften für das Referendum gegen die AHV21 (eingereicht am 27.4.22) und 109'948 Unterschriften für das Referendum gegen das Bundesgesetz über ein Massnahmenpaket zugunsten der Medien (eingereicht am 17.11.21) gesammelt. Aber auch für die Referenden gegen die Abschaffung der Stempelabgaben (71'316; eingereicht am 17.11.21) und gegen das Transplantationsgesetz (70'230; eingereicht am 14.3.22) kamen mehr als 70'000 Unterschriften zusammen. Freilich liess die Bundeskanzlei davon jeweils nur einen für das Zustandekommen notwendigen Teil nachträglich bei den Gemeinden beglaubigen, wie dies im Erlass der Unterschriftenbeglaubigung vorgesehen war; offiziell ausgewiesen wurden deshalb in allen Fällen lediglich zwischen 55'000 und 75'000 Signaturen. Ebenfalls zustande kamen das Referendum gegen das Filmgesetz («Lex Netflix») (69'797 am 14.3.22 eingereichte Unterschriften), das Referendum gegen die Übernahme der EU-Verordnung über die Europäische Grenz- und Küstenwache (Frontex) (58'360 am 14.3.22 eingereichte Unterschriften) und das Referendum gegen das Bundesgesetz über die Verrechnungssteuer (66'478 am 27.4.22 eingereichte Unterschriften). Zum Vergleich: Im Schnitt wurden zwischen 2000 und 2020 pro fakultativem Referendum 75'379 gültige Unterschriften eingereicht.

2021 standen sieben fakultative Referenden zur Abstimmung. Im langjährigen Schnitt (2000-2021: 2.9 pro Jahr) war auch dies eine überdurchschnittlich hohe Zahl; noch nie in den letzten 20 Jahren waren so viele fakultative Referenden in einem Jahr zur Abstimmung gelangt. In zwei dieser sieben Fälle war das Referendum erfolgreich: An der Urne abgelehnt wurden die E-ID (Bundesgesetz über elektronische Identifizierungsdienste; abgestimmt am 7.3.21) und das CO2-Gesetz (abgestimmt am 13.6.21). Angenommen wurden hingegen das Covid-19-Gesetz (abgestimmt am 13.6.21) sowie dessen zweite Revision (abgestimmt am 28.11.21), aber auch das Wirtschaftsabkommen mit Indonesien (abgestimmt am 7.3.21), das Bundesgesetz über polizeiliche Massnahmen zur Terrorismus-Bekämpfung (abgestimmt am 13.6.21) sowie die Ehe für alle (abgestimmt am 29.9.21). Im Vergleich zu den Vorjahren war der Anteil von rund 29 Prozent erfolgreichen Referenden ebenfalls leicht überdurchschnittlich. Zwischen 2000 und 2021 liegt die durchschnittliche Erfolgsrate fakultativer Referenden pro Jahr bei 21 Prozent. Ins Auge fällt 2021 zudem die überdurchschnittliche hohe Beteiligung bei den Abstimmungen über die sieben Referenden. Mobilisierten fakultative Referenden zwischen 2000 und 2020 pro Jahr 46.4 Prozent Stimmberechtigte an die Urne, lag der Jahresschnitt 2021 bei 57.1 Prozent.

Übersicht Referenden 2021
Dossier: Ergriffene Referenden von Jahr zu Jahr (seit 2012)

In der Wintersession 2021 sprach sich auch der Ständerat für die Revision des Parlamentsressourcengesetzes aus, die dem Entwurf des Büro-NR entsprach und auf eine parlamentarische Initiative von Michael Töngi (gp, LU) zurückging. Fortan müssen Parlamentsmitglieder per Bahn statt mit dem Flugzeug reisen, wenn die Reisezeit weniger als sechs Stunden dauert. Brigitte Häberli-Koller (mitte, TG) führte für das Büro-SR aus, dass damit ein Beitrag zum Klimaschutz geleistet werden könne – auch wenn das Parlament bereits seit 2009 die jährlichen Flugreise-Emissionen von Parlamentarierinnen und Parlamentarier via Myclimate kompensiere. Dem Bund entstünden durch die Änderungen keine Kosten und der zusätzliche administrative Aufwand sei gering. Die Verordnung sehe zudem Ausnahmeregeln vor, wenn etwa die Bahnreisezeit zwar weniger als sechs Stunden betrage, aber Übernachtungen nötig seien oder wenn gesundheitliche Gründe eine Flugreise nahelegten. Mit 29 zu 9 Stimmen hiessen die Kantonsvertreterinnen und -vertreter die neue Regelung gut. Die Nein-Stimmen stammten vorwiegend von SVP-Ständeräten.
In den Schlussabstimmungen wurde die Verordnung mit 32 zu 5 Stimmen (6 Enthaltungen) im Ständerat und mit 131 zu 52 Stimmen (10 Enthaltungen) im Nationalrat angenommen. Auch hier stammten die ablehnenden Stimmen hauptsächlich von Mitgliedern der SVP-Fraktion.

Parlamentsangehörige sollen per Bahn statt mit dem Flugzeug reisen (Pa.Iv. 19.407)

Er könne sich kurz halten, da es keine neuen Argumente gebe und auch in der neuerlichen Debatte keine aufgetaucht seien, gab Gerhard Pfister (mitte, ZG) in der Wintersession 2021 bei der Diskussion um die Einführung eines obligatorisches Referendums für völkerrechtliche Verträge mit Verfassungscharakter für die Kommission zu Protokoll: Die Mehrheit der SPK-NR beantrage Festhalten am ursprünglichen Nichteintretensentscheid, weil sie keinen Handlungsbedarf sehe und die Vorlage zu wenig ausgereift sei. Eine erstarkte Minderheit – ursprünglich hatte die Kommission die Vorlage mit 17 zu 8 Stimmen abgelehnt, im zweiten Durchgang standen sich 13 zu 11 Stimmen bei 1 Enthaltung gegenüber – wolle vor allem auch den Kantonen mit Berücksichtigung des Ständemehrs mehr Gewicht geben.
Die erneute Debatte war nötig geworden, weil der Ständerat auf die Vorlage eintreten wollte, obwohl die grosse Kammer zuvor schon nichts von der Idee hatte wissen wollen. Die Sprecherinnen und Sprecher der Fraktionen hatten vor dem Votum Pfisters ihre Positionen noch einmal ausgeführt. Marco Romano (mitte, TI) sprach sich im Namen der Mitte für eine Stärkung der Volksrechte, für die Zustimmung zum Beschluss des Ständerats und also für Eintreten aus. Die SP-Fraktion – vertreten durch Samira Marti (sp, BL) – war für Festhalten. Marti warf dem Ständerat vor, mit der Forderung nach dem obligatorischen Referendum die Macht der Kantone über Gebühr stärken zu wollen. Damit würden nicht nur «die Stimme der Stimmbürgerinnen und Stimmbürger» und damit das «Demokratieprinzip» an und für sich geschwächt, zudem bedeute die notwendige Zustimmung der Kantone insbesondere bei Verträgen, in denen es um Grundrechte gehe, «höhere Hürden für einen effektiven Menschenrechtsschutz». Mit der Einführung des Ständemehrs würde überdies die im Moment auch im Rahmen der Covid-19-Pandemie viel diskutierte Spaltung der Gesellschaft noch weiter vorangetrieben. Gregor Rutz (svp, ZH) warb im Namen der SVP-Fraktion für Eintreten: Es gebe immer mehr Staatsverträge, die «direkt oder indirekt auf unsere Kompetenzordnung zugreifen», weshalb es notwendig sei, solche Abkommen Volk und Ständen zu unterbreiten. Nachdem Nationalratsvizepräsident Martin Candinas (mitte, GR) die Positionen der drei restlichen Fraktionen bekannt gegeben hatte – die FDP-Fraktion unterstütze die Minderheit, die GLP- und die GP-Fraktionen die Mehrheit – erklärte Kommissionssprecher Pfister den Grund für die Erstarkung der Kommissionsminderheit: Verschiedene Kommissionsmitglieder hatten entschieden, dem Ständerat entgegenzukommen. Dies wollte aber eine deutliche Mehrheit der grossen Kammer nicht: Zum zweiten Mal lehnten die SP-, GLP- und die GP-Fraktionen die Vorlage geschlossen ab. Die Mitte-Fraktion war gespalten und auch die FDP-Liberale Fraktion stimmte trotz anderslautender Fraktionsempfehlung grossmehrheitlich gegen Eintreten. Damit standen 114 Stimmen 69 Stimmen, die vor allem aus der SVP- und der Mitte-Fraktion stammten, gegenüber und versenkten die Vorlage endgültig.

Obligatorisches Referendum für völkerrechtliche Verträge mit Verfassungscharakter (BRG. 20.016)
Dossier: Obligatorisches Referendum für völkerrechtliche Verträge mit Verfassungscharakter

Weil der Nationalrat als Zweitrat in seiner Sondersession im Mai 2021 nicht auf den Entwurf des Bundesrats für ein obligatorisches Referendum für völkerrechtliche Verträge mit Verfassungscharakter eingetreten war, gelangte das Geschäft wieder in die kleine Kammer. Dort machte sich Andrea Caroni (fdp, AR) als Kommissionssprecher für die Mehrheitsposition der SPK-SR stark, die mit 9 zu 2 Stimmen bei 1 Enthaltung Festhalten am bereits gefassten Eintretensentscheid beantragte. Die Vorlage stärke die Volksrechte, schaffe mehr Transparenz und erhöhe die Rechtsstaatlichkeit – so Caroni. Das bestehende obligatorische Staatsvertragsreferendum weise Lücken auf und müsse ergänzt werden. Es dürfe nicht dem Gutdünken des Parlaments überlassen werden, welche Verträge obligatorisch von Volk und Ständen gutgeheissen werden sollen, wie dies jetzt eigentlich der Fall sei. In der Schwesterkommission sei vor allem diskutiert worden, mit welcher Regel entschieden werden solle, wann ein Vertrag Verfassungscharakter habe und dem obligatorischen Referendum unterstellt werden müsse. Es gebe hier unterschiedliche Stossrichtungen, die, falls Eintreten bestätigt würde, auch im Nationalrat noch einmal diskutiert werden könnten: Mit dem ersten vom Bundesrat vorgeschlagenen Ansatz würde beurteilt, ob der Inhalt eines internationalen Vertrags auch innerstaatlich in die Verfassung geschrieben werden würde. Die Bejahung dieser Frage würde ein obligatorisches Referendum nach sich ziehen. Ein neu diskutierter Ansatz würde auf die politische Bedeutung und die Tragweite eines Vertrags abstellen. Nur «Verträge von politisch grosser Tragweite» würden Volk und Ständen zur Beurteilung vorgelegt. Da die neu diskutierten, auf diesen Ansätzen beruhenden Lösungen «verheissungsvoll» seien und aus Sicht der Kommission nach wie vor Handlungsbedarf bestehe, plädierte sie auf Festhalten am Eintretensentscheid.
Für die Kommissionsminderheit ergriff Daniel Jositsch (sp, ZH) das Wort. Er erinnerte daran, dass Verträge, mit denen die Verfassung tangiert würden, nur «alle paar Jahrzehnte einmal» vorliegen würden. Er sehe nicht ein, weshalb das bisherige Vorgehen, mit dem das Parlament ein obligatorisches Staatsvertragsreferendum sui generis beschliesse, geändert werden müsse. Auch sei die Gefahr einer Politisierung von Staatsverträgen geringer, wenn weiterhin das Parlament entscheide, Staatsverträge dem Volk «sua sponte» vorzulegen, als wenn jemand darüber befinden müsse, wann von politisch grosser Tragweite gesprochen werden könne.
Zwar machte Paul Rechsteiner (sp, SG) in der Folge auf die recht deutliche Opposition im Nationalrat aufmerksam, die Nicht-Eintreten auch im Ständerat opportun mache, sowohl Daniel Fässler (mitte, AI) als auch Bundesrätin Karin Keller-Sutter warben aber dafür, der SPK-NR und dem Nationalrat noch einmal eine Chance für weitere Reflexionen zu diesem wichtigen Thema zu verschaffen. Dies schien die Mehrheit der kleinen Kammer ebenso zu sehen. Mit 29 zu 10 Stimmen (2 Enthaltungen) wurde Festhalten beschlossen und das Geschäft noch einmal zurück in die Volkskammer geschickt.

Obligatorisches Referendum für völkerrechtliche Verträge mit Verfassungscharakter (BRG. 20.016)
Dossier: Obligatorisches Referendum für völkerrechtliche Verträge mit Verfassungscharakter

In der Herbstession diskutierte der Nationalrat die vom Büro-NR ausgearbeitete Teilrevision des Parlamentsressourcengesetzes. Die Arbeiten gingen auf eine parlamentarische Initiative von Michael Töngi (gp, LU) zurück, die fordert, dass Parlamentsangehörige per Bahn statt mit dem Flugzeug reisen. In der Zwischenzeit hatte der Bundesrat, angeregt von einer weiteren, allerdings in den Räten abgelehnten parlamentarischen Initiative Töngi (Pa.Iv. 19.408), in einer Verordnung festgelegt, dass Bundesangestellte nur noch mit dem Flugzeug reisen dürfen, wenn die Reisezeit mit dem Zug sechs Stunden überschreitet oder eine zusätzliche Übernachtung nötig ist. Für die Revision schlug das Büro-NR eine analoge Regelung vor – wie Aline Trede (gp, BE) als Sprecherin des Büros ausführte –, obwohl ursprünglich eine Reiseobergrenze von acht Stunden gefordert worden war. Auf die entsprechenden Nachfragen von Thomas Aeschi (svp, ZG) und Hans-Peter Portmann (fdp, ZH) antwortete Aline Trede, dass Brüssel in dieser Vorlage der Knackpunkt gewesen sei, weil die Reise zum EU-Sitz etwas mehr als 6 Stunden mit dem Zug beanspruche. Es gehe aber bei der Vorlage primär darum, sich bewusst zu werden, dass nicht für alle Reisen das Flugzeug nötig sei. In der Folge doppelte Thomas Aeschi nach und rechnete vor, dass nicht nur die Reise nach Brüssel, sondern auch nach Rom, Berlin und Wien mehr als sechs Stunden dauere. Auch der Passus mit der Übernachtung zeige, dass man es mit dem Gesetz nicht wirklich ernst meine und diese Schlupflöcher letztlich Verhaltensänderungen bei den Parlamentsmitgliedern verhindern würden, weshalb nicht auf die Vorlage eingetreten werden solle. Dieser Antrag wurde in der Folge mit 114 zu 57 aus der SVP-, der FDP und der Mitte-Fraktion stammenden Stimmen abgelehnt. Etwas mehr Unterstützung, nämlich 70 Stimmen wiederum aus den gleichen Fraktionen, erhielt der Minderheitsantrag Aeschi, der eine grundsätzliche Wahlfreiheit zwischen Bahn- und Flugreisen lediglich dann vorgesehen hätte, wenn Flüge billiger sind als die entsprechende Reise mit dem Zug. Diskussionslos standen diesem Antrag allerdings 105 Stimmen gegenüber. Die darauffolgende Gesamtabstimmung passierte der Entwurf mit 114 zu 64 Stimmen (5 Enthaltungen).

Parlamentsangehörige sollen per Bahn statt mit dem Flugzeug reisen (Pa.Iv. 19.407)

Gemäss des Kundgebungsreglements der Stadt Bern gilt während Sessionen des eidgenössischen Parlaments auf dem Bundesplatz ein Demonstrationsverbot. Weil dieses Verbot nicht haltbar sei – insbesondere während Sessionen sollten die Bürgerinnen und Bürger die Möglichkeit haben, ihre Volksvertreterinnen und -vertreter auf ihre Sorgen aufmerksam zu machen – müsse sich der Bund bei der Gemeinde Bern für eine Aufhebung dieses Passus im Kundgebungsreglement einsetzen. Dies forderte Aline Trede (gp, BE) in ihrer Motion, mit der sie Aktionen und Demonstrationen auf dem Bundesplatz auch während Sessionen ermöglichen wollte, wie sie ihren Vorstoss betitelte. In der Nationalratsdebatte in der Sommersession 2021 erklärte die Bernerin, dass es ein Bewilligungsverfahren geben solle und Aktionen, die den Sessionsbetrieb zu stark störten oder gar die Sicherheit bedrohten, weiterhin nicht zugelassen werden dürften. Für das Büro-NR, das die Motion ablehnte, ergriff Roland Rino Büchel (svp, SG) das Wort. Das Kundgebungsverbot bestehe seit 1925 und gebe immer wieder Anlass zu Diskussionen. Man habe aber mit der Stadt Bern seit 2016 ein «Memorandum of Understanding», das Kleinstkundgebungen ohne Lärmemissionen erlaube. Die Zusammenarbeit mit der Stadt funktioniere gut. Die unbewilligte Klimademonstration während der letzten Woche der Herbstsession 2020 habe aber eben gezeigt, dass Störungen nicht nur wegen Lärm, sondern auch wegen der Blockierung der Zugänge zum Parlamentsgebäude auftreten können. Bereits früher habe der Nationalrat ähnliche Vorstösse abgelehnt und das Büro bringe nach wie vor dieselben Gegenargumente vor: Das Parlament müsse seine Arbeit «sicher, ordnungsgemäss und störungsfrei» ausführen können und die Stadt Bern sei verpflichtet, dies zu garantieren. Dies sah auch die Ratsmehrheit so und versenkte den Vorstoss mit 117 zu 67 Stimmen. Lediglich die SP- und die GP-Fraktion stimmten geschlossen für eine Öffnung des Demonstrationsverbots.

Aktionen und Demonstrationen auf dem Bundesplatz (Mo. 20.4244)

In der Sommersession nahm auch der Ständerat die Motion der FK-NR für nachhaltiges Arbeiten beim Bund stillschweigend an. Das sogenannte «dezentralisierte Arbeiten» solle gefördert werden, zudem solle der Bundesrat diese Förderungsmassnahmen in einem Umsetzungsplan mit messbaren Zielgrössen darlegen. Dabei sollen auch die Erfahrungen von Homeoffice während der Corona-Pandemie sowie Überlegungen zu positiven wirtschaftlichen und ökologischen Folgen einfliessen. In ihrem Bericht, mit dem sie ihre einstimmige Unterstützung zur Motion begründete, hob die FK-SR auch den Umstand hervor, dass Co-Working und Homeoffice die Attraktivität des Bundes als Arbeitgeber stärken könnten.
Nachdem Peter Hegglin (mitte, ZG) im Rat die Kommissionsposition dargelegt hatte, ergriff Ueli Maurer das Wort und bekräftigte die Unterstützung des Bundesrats für dieses Anliegen. Allerdings habe sich in der Zwischenzeit die «erste Euphorie für das Homeoffice ein bisschen verflüchtigt», es gebe durchaus auch Nachteile. Wichtig sei eine Gesamtbetrachtung und das Gespräch mit den Mitarbeitenden.

Nachhaltiges Arbeiten beim Bund (Mo. 20.4338)
Dossier: Flexible Arbeitsformen in der Bundesverwaltung – Diskussionen seit der Covid-19-Krise

Die Einführung eines konstruktiven Referendums sei bereits zuvor zweimal Thema gewesen, versuchte Cédric Wermuth (sp, AG) in der Sommersession 2021 im Nationalrat Werbung für seine parlamentarische Initiative zu machen. 1992 hatte die SP die Idee im Rahmen der EWR-Diskussionen ins Spiel gebracht und 1995 hatten die Sozialdemokraten im Rahmen der Debatte um die 10. AHV-Revision gar eine Initiative für ein «Referendum mit Gegenvorschlag» lanciert, die 2000 an der Urne abgelehnt worden war. Auch aktuell hätte dieses Instrument das Potenzial, Blockaden zu lösen, führte der Aargauer Sozialdemokrat aus. So sei etwa bei der Abstimmung über die E-ID allen klar gewesen, dass es eine elektronische Identität brauche. Hätte neben dem mit einem Referendum bekämpften Vorschlag ein konstruktives Referendum vorgelegen, mit dem etwa eine vom Staat organisierte E-ID gefordert worden wäre, so hätte ein Zeitverlust bei der notwendigen Einführung vermieden werden können. Das konstruktive Referendum sei darüber hinaus «der logische kleine Bruder des Gegenvorschlags des parlamentarischen Rechts und damit die Vollendung der direkten Demokratie» – so Wermuth. Beat Walti (fdp, ZH) wendete ein, dass dieses Instrument im Kanton Zürich zu grosser Verwirrung geführt habe – bei einer Abstimmung über die Spitalfinanzierung seien vier konstruktive Referenden zur Abstimmung gestanden, die «dreissig oder mehr Antwortvarianten» zugelassen hätten. Es sei deshalb wieder abgeschafft worden. Wermuth wiederum konterte mit einem Zitat aus dem Kanton Bern, der das Instrument in Form eines Volksvorschlags kennt: Der Vizepräsident der damaligen Berner Verfassungskommission habe bei der Einführung des Volksvorschlags gesagt, «wer den Schweizerinnen und Schweizern nicht zumute, die Komplexität des konstruktiven Referendums zu verstehen, unterschätze, dass diese Menschen jeden Tag beim Jassen schwierigere strategische Entscheidungen als beim konstruktiven Referendum fällen würden». Michaël Buffat (svp, VD) und Samira Marti (sp, BL) setzten sich in der Folge im Namen der SPK-NR, die sich mit einer 14 zu 10-Stimmen-Mehrheit für Folgegeben ausgesprochen hatte, ebenfalls für das Anliegen ein. Meinungen könnten von den Stimmenden differenzierter eingebracht werden und die Interpretation eines Abstimmungsresultates sei dank Varianten einfacher, argumentierten sie. Zudem könnten Referendumskomitees mit diesem «Gewinn für das direkt-demokratische Instrumentarium» stärker in die Entscheidunsgsfindung einbezogen werden, fasste Samira Marti die Kommissionsmeinung zusammen. Trotz aller befürwortender Voten setzte sich allerdings die starke bürgerliche Kommissionsminderheit durch, die sich nicht zu Wort gemeldet hatte: Mit 109 zu 82 Stimmen entschied sich die Mehrheit der grossen Kammer, der Initiative keine Folge zu geben. Die geschlossen stimmenden Fraktionen von SVP, FDP und Mitte standen den ebenfalls geschlossenen Fraktionen von SP, GLP und GP gegenüber.

Einführung eines konstruktiven Referendums (Pa. Iv. 18.446)

Mit der Beratung der Vorlage des Bundesrats zur Idee eines obligatorischen Referendums für völkerrechtliche Verträge mit verfassungsmässigem Charakter schrieben die Räte die dem Entwurf zugrundeliegende Motion von Andrea Caroni (fdp, AR) ab.

Obligatorisches Referendum für völkerrechtliche Verträge (Mo. 15.3557)
Dossier: Obligatorisches Referendum für völkerrechtliche Verträge mit Verfassungscharakter

Der Nationalrat beugte sich in seiner Sondersession im Mai 2021 über den Vorschlag des Bundesrats für ein obligatorisches Referendum für völkerrechtliche Verträge mit Verfassungscharakter. Im Gegensatz zum Ständerat wollte eine 18 zu 7-Mehrheit der SPK-NR nicht auf die Vorlage eintreten. Kommissionssprecherin Greta Gysin (gp, TI) und Kommissionssprecher Gerhard Pfister (mitte, ZG) machten geltend, dass es keine befriedigende Definition geben könne, mit der festgelegt wird, wann ein Staatsvertrag dem obligatorischen Referendum unterstellt werden soll und wann nicht. Pfister pflichtete jedoch Andrea Caroni (fdp, AR), auf dessen Motion (Mo. 15.3557) der Vorschlag zurückging, bei, dass es nicht befriedigend sei, wenn einzig das Parlament bestimme, ob und wann ein Staatsvertrag dem obligatorischen Referendum unterstellt werden solle. In der Tat stehe ja das obligatorische Staatsvertragsreferendum seit 1977 in der Verfassung, sei aber erst einmal – beim Beitritt der Schweiz zur UNO 1986 – zur Anwendung gekommen. Selbst die EWR-Abstimmung von 1992 hätte die Bedingungen nicht erfüllt und sei vom Parlament selbst «sui generis» zum obligatorischen Referendum bestimmt worden. Mit der Volksinitiative «Staatsverträge vors Volk!» und dem Gegenvorschlag, auf den das Parlament freilich nicht eingetreten sei, sei vergeblich versucht worden, Präzisierungen festzulegen, mit denen bestimmt werden könne, wann ein Staatsvertrag genug wichtig für ein obligatorisches Referendum sei – so Pfister in seinen Ausführungen. Die Mehrheit der Kommission sei zum Schluss gekommen, dass diese Präzisierung auch mit der vorliegenden Vorlage nicht gelungen sei – weder in der bundesrätlichen Botschaft, noch in den ständerätlichen Präzisierungen. Deshalb beantrage sie, nicht auf die Vorlage einzutreten.
Eine aus SVP-Mitgliedern bestehende Kommissionsminderheit stellte hingegen einen Eintretensantrag. Die Mitspracherechte für die Bevölkerung und die Kantone müssten gestärkt werden, führte Gregor Rutz (svp, ZH) für diese Minderheit aus. Heute habe eine Mehrheit der bundesrätlichen Bestimmungen ihren Ursprung in internationalen Verträgen, zu denen die Bevölkerung aber nichts zu sagen habe. Nicht einverstanden mit dieser Argumentation war Hans-Ueli Vogt (svp, ZH), der in einem schriftlichen Antrag mit einer anderen Begründung ebenfalls für Nichteintreten warb: Würden Staatsverträge mittels obligatorischem Referendum gutgeheissen, erhielten sie in der Verfassung eine zu starke Position, wodurch ein Vorrang von Verfassungsrecht durch Staatsverträge «gegenüber dem rein schweizerischen Verfassungsrecht» geschaffen würde.
Die Mehrheit der Fraktionssprecherinnen und -sprecher, die sich in der Folge zu Wort meldeten, argumentierte, dass es stets ein politischer Entscheid bleibe, ob ein Staatsvertrag dem obligatorischen Referendum unterstellt werden müsse oder nicht. Dies lasse sich mit juristischen Bestimmungen nicht klären. Zudem sei der Handlungsbedarf – wie ja auch die Geschichte zeige – eher klein. Am Schluss der Debatte verteidigte Justizministerin Karin Keller-Sutter den Handlungsbedarf und versuchte die vorgeschlagenen Neuerungen zu erklären. Mit geltendem Recht unterstünden Staatsverträge einzig dann dem obligatorischen Referendum, wenn sie den Beitritt zu Organisationen für kollektive Sicherheit oder zu supranationalen Gemeinschaften vorsehen. Neu solle hingegen über alle völkerrechtlichen Verträge obligatorisch abgestimmt werden, die «Bestimmungen von Verfassungsrang» haben. Was konkret «Verfassungsrang» bedeute, sei in der Tat eine komplexe Auslegungssache. Die für eine Konkretisierung vorgeschlagenen Elemente «Grundrechte», «Bürgerrechte», «politische Rechte», «Verhältnis von Bund und Kantonen» sowie «Zuständigkeit des Bundes» und – wie vom Ständerat vorgeschlagen – «Zuständigkeit der Kantone» seien aber genügend präzise und würden kaum zu zahlreichen Abstimmungen, aber eben zu mehr Klarheit führen. Sie habe Verständnis, dass das Parlament diesen politischen Entscheid selber fällen wolle und der Status Quo, also ein Referendum «sui generis», durchaus eine pragmatische Lösung sein könne. Allerdings sollten die «demokratischen Mitwirkungsrechte von Volk und Ständen nicht dem Ermessen des Parlamentes überlassen» werden, so die Bundesrätin abschliessend. Ihre Werbung für Eintreten auf die Vorlage verhallte allerdings fast ungehört. Wie aus den einzelnen Fraktionsvoten nicht anders zu erwarten gewesen war, stimmten lediglich 49 Mitglieder der SVP-Fraktion, unterstützt von Hans-Peter Portmann (fdp, ZH), für Eintreten. Die 140 restlichen anwesenden Nationalratsmitglieder – inklusive Hans-Ueli Vogt (svp, ZH), Thomas Hurter (svp, SH) und Lars Guggisberg (svp, BE), die ebenfalls entgegen ihrer Fraktion stimmten – folgten hingegen der Kommissionsmehrheit.

Obligatorisches Referendum für völkerrechtliche Verträge mit Verfassungscharakter (BRG. 20.016)
Dossier: Obligatorisches Referendum für völkerrechtliche Verträge mit Verfassungscharakter

Mit 14 zu 10 Stimmen beschloss die SPK-NR Mitte April 2021 erneut, für die parlamentarische Initiative von Cédric Wermuth (sp, AG) zur Einführung eines konstruktiven Referendums Folgegeben zu empfehlen. Im Gegensatz zur Schwesterkommission, die den Vorstoss im Sommer 2020 abgelehnt hatte, erachte es die SPK-NR als «Gewinn», wenn mit einem Referendum gegen ein Gesetz ein Gegenvorschlag eingebracht werden könne – Wermuth sieht hier vor, dass gleich wie bei einem Referendum acht Kantone oder 50'0000 Stimmberechtigte ein solches konstruktives Referendum verlangen könnten. Mit einer solchen Belebung der direkten Demokratie würden eine differenziertere Meinungsbildung ermöglicht und unheilige Allianzen sowie Scherbenhaufen durch Ablehnung langjähriger Reformen vermieden – so die Kommission in ihrem Bericht. Ein über lange Zeit erarbeitetes Gesetz könne in Kraft treten, wenn etwa in einem Gegenvorschlag alle nicht umstrittenen Elemente vereint würden. Mit der aktuellen Regelung könne hingegen ein kleines umstrittenes Detail eine ganze Vorlage zu Fall bringen. Wie schon beim ersten positiven Entscheid der SPK-NR gab es freilich eine starke Minderheit, die das vorgeschlagene konstruktive Referendum als zu kompliziert erachtete, etwa wenn für ein Gesetz gar mehrere konstruktive Referenden eingereicht würden. Es sei am Parlament und nicht an der Bevölkerung, breit abgestützte Gesetze zu entwerfen.

Einführung eines konstruktiven Referendums (Pa. Iv. 18.446)

Ganz am Schluss der laut Präsident Andreas Aebi (svp, BE) vermutlich längsten Debatte in der Geschichte des Nationalrats – verhandelt worden waren das Covid-19-Gesetz und der Nachtrag zum Voranschlag 2021 – um 0 Uhr 40 nahmen die Volksvertreterinnen und -vertreter ohne Diskussion die Motion der FK-NR an, mit der nachhaltiges Arbeiten beim Bund gefordert werden sollte. Der Bundesrat hatte die Annahme der Motion beantragt, die er in die Erarbeitung von Massnahmen für flexibles Arbeiten in der Bundesverwaltung integrieren wollte. Die Motion möchte insbesondere die positiven Erfahrungen von Home-Office während des Covid-19-Lockdowns fruchtbar machen.

Nachhaltiges Arbeiten beim Bund (Mo. 20.4338)
Dossier: Flexible Arbeitsformen in der Bundesverwaltung – Diskussionen seit der Covid-19-Krise

Der Covid-19-Lockdown habe dezentrales Arbeiten im Home-Office oder in Co-Working-Räumen nicht nur nötig, sondern auch beliebt gemacht, begründete die FK-NR ihre in eine Motion gepackte Forderung für mehr nachhaltiges Arbeiten beim Bund. Die Erfahrungen sowohl für Arbeitnehmende als auch für Arbeitgebende – so hätten Umfragen gezeigt – seien positiv. Zwar sei das Arbeiten im Team wichtig für eine gesunde Unternehmenskultur, Home-Office habe aber zahlreiche Vorteile: Reduzierte Pendlerströme entlasteten die Verkehrsinfrastruktur und trügen zu einem besseren Klimaschutz und dem Erhalt von Biodiversität bei, zudem könnten strukturschwache Regionen von der Verlagerung von Arbeitsplätzen oder dem Arbeiten im Home-Office profitieren. Bei der Planung von Arbeitsplätzen in der Bundesverwaltung soll der Bundesrat zukünftig – so die Forderung der Motion – die positiven wirtschaftlichen, sozialen und ökologischen Effekte von Home-Office miteinbeziehen.
Der Bundesrat beantragte Ende Januar 2021 die Annahme der Motion. Er beabsichtige in der Bundesverwaltung flexible Arbeitsformen zu fördern, wie er dies auch in einem Zielbild zur Ausgestaltung der flexiblen Arbeitsformen in der Bundesverwaltung dargelegt habe. Die «Covid-19-Erfahrungen nutzen» – so die Bezeichnung der Motion – wollen auch eine Reihe weiterer noch hängiger Vorstösse: das Postulat von Hansjörg Knecht (svp, AG; Po. 20.4369), das die Möglichkeit einer Dezentralisierung von Arbeitsplätzen dank Digitalisierung untersucht haben will; die Motion von Martin Candinas (Mitte, GR; Mo. 20.4727), die mehr dezentrale Arbeitsplätze der Bundesverwaltung in peripheren Kantonen fordert; oder die vom Nationalrat bereits gutgeheissene Motion der FK-NR (Mo. 20.4260), mit der eine zukunftsfähige Daten-Infrastruktur in der Bundesverwaltung gefordert wird.

Nachhaltiges Arbeiten beim Bund (Mo. 20.4338)
Dossier: Flexible Arbeitsformen in der Bundesverwaltung – Diskussionen seit der Covid-19-Krise

Gegen sechs von total 72 im Jahr 2020 vom Parlament erlassenen Bundesgesetzen und Bundesbeschlüssen wurde das Referendum angestrengt (6.9%). Von diesen fünf kamen freilich nur vier zustande. Im Vergleich zu den beiden Vorjahren (2019: 10.9%; 2018: 9.8%) ist der Anteil Erlasse, gegen die erfolgreich ein Veto eingelegt wurde (5.6%), also wieder leicht gesunken. Im ersten Pandemiejahr verabschiedete das Parlament zudem 9 dringliche Bundesgesetze. Gegen eines davon, das Proximity-Tracing-System, wurden von einem Westschweizer Komitee zwar Unterschriften gesammelt, die Hürde von 50'000 Signaturen wurde allerdings nicht übersprungen. Auch das Referendum gegen das Bundesgesetz über Überbrückungsleistungen für ältere Arbeitslose, das von einem aus SVP-Parlamentarierinnen und -Parlamentariern bestehenden Komitee «Nein zur Entlassungsrente» angestrebt worden war, kam nicht zustande.

Zustande kamen hingegen die Referenden gegen das Bundesgesetz über polizeiliche Massnahmen zur Bekämpfung von Terrorismus (Komitee aus JGLP, JUSO, Junge GP, Piraten, Chaos Computer Club und unterstützt von SP und GP), gegen das Bundesgesetz über die Verminderung von Treibhausgasemissionen (Komitee aus wirtschafts- und SVP-nahen Kreisen sowie der Klimastreikbewegung aus der Westschweiz), gegen das ebenfalls dringliche Covid-19-Gesetz (Verein «Freunde der Verfassung») und gegen die Änderung des Zivilgesetzbuches für eine «Ehe für alle» (Komitees mit SVP-, EDU-, Mitte- und EVP- Politikerinnen und -Politikern). Der Bundesrat hatte ab Oktober 2020 Erleichterungen für das Sammeln von Unterschriften vorgesehen, was den vier Komitees in Anbetracht der hohen Zahl eingereichter Signaturen augenscheinlich entgegen kam – insbesondere konnten die Komitees von den Gemeinden nicht beglaubigte Unterschriften einreichen. Alle vier Referenden wurden im Frühjahr 2021 eingereicht; ihre Abstimmung stand 2020 noch aus.

Abgestimmt wurde 2020 über fünf Referenden (gegen 2018 bzw. 2019 gefasste Bundesbeschlüsse). Im Februar unterstützte die Stimmbevölkerung den Entscheid des Parlaments, Diskriminierung und Aufruf zu Hass aufgrund der sexuellen Orientierung unter Strafe zu stellen. Das von der EDU und der SVP angestrengte Referendum war also nicht erfolgreich. Da die Abstimmungen im Mai 2020 aufgrund der Covid-19-Pandemie vom Bundesrat abgesagt worden waren, hatten die Stimmberechtigten im September gleich über vier Referenden zu befinden. Zwei von ihnen waren dabei erfolgreich: Die von der SP bekämpfte steuerliche Berücksichtigung der Kinderdrittbetreuungskosten und das von Umwelt- und Tierschutzorganisationen an die Urne gebrachte Jagdgesetz fanden bei den Abstimmenden keine Mehrheit. Angenommen wurden hingegen der Vaterschaftsurlaub, gegen den ein Komitee aus SVP und junger FDP das Veto eingelegt hatte, und der Bundesbeschluss über die Beschaffung neuer Kampfflugzeuge, gegen den die GP, die SP und die GSoA das Referendum ergriffen hatten.

Übersicht Referenden 2020
Dossier: Ergriffene Referenden von Jahr zu Jahr (seit 2012)

Aufgrund der Covid-19-Pandemie beugte sich der Nationalrat als Zweitrat erst in der Herbstsession 2020 über die Legislaturplanung 2019–2023. Covid-19 war denn auch Gegenstand der Ausführungen der beiden Kommissionssprecherinnen, Céline Widmer (sp, ZH) und Simone De Montmollin (fdp, GE). Das Virus habe die Bundespolitik «durcheinandergeschüttelt». Die vor der Pandemie Ende Januar 2020 verfasste Legislaturplanung basiere auf «rosigen Zukunftsaussichten», die mitunter wie aus der Zeit gefallen wirkten, betonte etwa Widmer. Der Ständerat habe den Text bereits Corona-tauglicher gemacht, indem er in einer Präambel klargestellt habe, dass die Lehren aus der Pandemie in die Umsetzung der übergeordneten Leitlinien (Wohlstand, Zusammenhalt und Sicherheit; ergänzt mit Klimaschutz und Digitalisierung) einfliessen müssten – eine Aufforderung, die Simonetta Sommaruga in der Eröffnungsdebatte als selbstverständlich entgegennahm. In einer zweitägigen Sitzung habe die nationalrätliche Legislaturplanungskommission (LPK) aus über hundert Anträgen 25 Änderungen vorgenommen, die jene des Ständerats ergänzten und die Legislaturplanung «Corona-tauglich» machten, schloss Céline Widmer ihre Zusammenfassung. In der Detailberatung müsse allerdings auch über 60 Minderheitsanträge debattiert werden, worunter sich auch ein Rückweisungsantrag befand.
Dieser kam aus der Fraktion der Grünen, die den Bundesrat beauftragen wollten, die Legislaturplanung stärker «in den Kontext der Klimanotlage» zu stellen, wie Franziska Ryser (gp, SG) den Rückweisungsantrag begründete. Da allerdings keine der anderen Fraktionen den Antrag unterstützten und dieser entsprechend mit 166 zu 30 Stimmen abgelehnt wurde, konnte die Detailberatung mit über 80 Wortmeldungen und mehr als 50 Abstimmungen beginnen. Die von den Kommissionssprecherinnen angetönten Ergänzungen betrafen zuerst die übergeordneten Leitlinien: Die Leitlinie der Wohlstandsicherung wurde mit den Chancen nachhaltiger Entwicklung sowie dem Ziel ausgeglichener und stabiler Bundesfinanzen angereichert. In der Folge wurden die diversen Ziele der drei Leitlinien in drei Blöcken diskutiert.
Beim Thema Wohlstand (Block 1) soll laut der Mehrheit neu auch festgehalten werden, dass der Bundesrat dem Parlament eine Botschaft über die ausserordentlichen Covid-Ausgaben unterbreitet. Im Rahmen der Personalstrategie wurde der Bundesrat zu einer Stabilisierung der Personalausgaben angehalten. Ebenfalls im Rahmen der Leitlinie der Sicherung des Wohlstands war eine Mehrheit der grossen Kammer dafür, dass der Bundesrat noch in der laufenden Legislatur eine Botschaft für eine Individualbesteuerung vorlegt und eine nationale Strategie zur Vereinbarkeit von Beruf und Familie verabschiedet. Zudem sollen geeignete aussenwirtschaftliche Massnahmen in ein Aussenwirtschaftsgesetz gegossen und die Vertiefung der bilateralen Wirtschaftsbeziehungen mit der EU, Grossbritannien und den USA explizit im Bericht verankert werden. Das Ziel der Schweiz, in Bildung und Forschung führend zu bleiben, soll mit der Forderung nach Chancengleichheit ergänzt werden. Zudem sollen Anreizstrategien für die Schaffung von Lehrstellen ausgearbeitet, die Schweizer Beteiligung bei Erasmus+ gesichert und eine Strategie zur Initiierung von Forschungsprogrammen verabschiedet werden. Auch der flächendeckende Ausbau von 5G-Technologien wurde von der Mehrheit gemäss Vorschlag der LPK in die Legislaturplanung aufgenommen. Die insgesamt 20 Minderheitsanträge für die Leitlinie «Wohlstandförderung» von linker und rechter Ratsseite fanden hingegen keine Mehrheiten.
Dies war auch bei der zweiten Leitlinie (Förderung des nationalen Zusammenhalts und Stärkung der internationalen Zusammenarbeit; Block 2) mehrheitlich der Fall. Keiner der 17 Minderheitenanträge fand eine Mehrheit – mit einer Ausnahme: Eine Minderheit Humbel (cvp, AG) beantragte erfolgreich, dass der Bundesrat einen Bericht über die langfristigen Folgen der demografischen Entwicklung auf die Generationenbeziehungen ins Legislaturprogramm aufzunehmen hat. Der Begriff «Demografie» komme im Legislaturprogramm bisher überhaupt nicht vor, obwohl der demografische Wandel ein zentraler «Megatrend» sei, begründete Ruth Humbel den erfolgreichen Antrag der Mitte-Links-Minderheit. Auch bei der zweiten Leitlinie wurden alle Anträge der LPK gutgeheissen: Der Bund hat ein Verhandlungsmandat am EU-Kulturprogramm 2021-2027 (CreativeEurope) anzustreben; es sollen ein nationaler Aktionsplan zur Verminderung von Gewalt an Frauen und häuslicher Gewalt sowie die Botschaft zur Erleichterung der Vereinbarkeit von Familie und Beruf unter Einbezug der Kantone verabschiedet werden; eine Vorlage zur Weiterentwicklung und langfristigen Sicherung der AHV soll vernehmlassungsreif gemacht werden; ein Massnahmenplan zur Umsetzung der digitalen Transformation im Gesundheitswesen, Massnahmen zur Sicherstellung einer nachhaltigen Heilmittelversorgung sowie eine Botschaft zur Einführung der digitalen Patientenkarte sollen in der Gesundheitspolitik verabschiedet werden.
Im Block 3, der das Leitziel «Sicherheit und Klimaschutz» umfasste, kamen die Volksvertreterinnen und -vertreter der Bitte der Kommissionssprecherin vollumfänglich nach, nämlich «den Anträgen der Mehrheit zu folgen und die Anträge der Minderheiten abzulehnen»: In der Tat wurden die 16 Minderheitsanträge allesamt abgelehnt und die drei Ergänzungen der LPK-Mehrheit gutgeheissen: Die Förderung der Agrarforschung mit dem Ziel, Klimaveränderungen und der Verknappung natürlicher Ressourcen vorzubeugen, wurde entsprechend neu ebenso als Ziel in die Legislaturplanung 2019-2023 aufgenommen wie der Beitrag der Schweiz zur Erreichung der international vereinbarten Klimaziele, die Erhaltung der Biodiversität und ein zu verabschiedender Bericht für eine «Umfassende Risikoanalyse und -bewertung der Schweiz».
Die vom Ständerat bereits in der Sommersession vorgenommenen Vorschläge wurden von der grossen Kammer alle gutgeheissen.

Legislaturplanung 2019-2023 (BRG 19.078)
Dossier: Legislaturplanungsberichte

Mittels parlamentarischer Initiative beabsichtigte Michael Töngi (gp, LU), Bundesangestellte zu verpflichten, per Bahn zu reisen, wenn die Reisezeit weniger als acht Stunden dauert. Die momentan geltende Empfehlung, bei fünf- bis sechsstündigen Reisezeiten die Bahn zu nutzen, genüge nicht. Vor allem aus ökologischen Gründen sei eine Bahnreise einer Flugreise vorzuziehen.
Mit 15 zu 10 Stimmen beantragte die SPK-NR im August 2020, dem Vorstoss keine Folge zu geben. Die Mehrheit der Kommission sah keinen Handlungsbedarf, da die Verwaltungsangestellten für das Thema sowieso bereits sensibilisiert seien und der Bundesrat erst kürzlich einen Aktionsplan «Flugreisen» in Kraft gesetzt habe, der zu einer Bahnreise verpflichtet, wenn die Reisezeit weniger als sechs Stunden beträgt. Man müsse zuerst abwarten, wie diese neue Regelung wirke. Zudem sei aus ökologischer Perspektive nicht die Wahl des Verkehrsmittels per se, sondern der ökologische Fussabdruck der gesamten Reise zentral. Andri Silberschmidt (fdp, ZH) fügte den Kommissionsargumenten zudem den Umstand hinzu, dass der Bund bereits heute sämtliche CO2-Emmissionen kompensiere. Deshalb würde die Forderung von Michael Töngi «auch klimapolitisch keinen grossen Mehrwert schaffen».
In seinem Plädoyer für sein Anliegen, das in der Herbstsession 2020 in der grossen Kammer beraten wurde, rechnete Töngi vor, dass die Bundesangestellten im Jahr 2019 insgesamt rund 1'600 mal um die Erde geflogen seien. Zwar habe der Bund einiges unternommen, aber seit 2006 hätten die Flugreisen um 24 Prozent zugenommen – vor allem nach Brüssel, Rom und London werde meistens das Flugzeug gewählt. Die aktuelle Regelung sehe zudem vor, dass nach wie vor das Flugzeug gewählt werden dürfe, wenn man damit auf eine Übernachtung vor Ort verzichten könne, was verhindere, dass für nahe Städte eher die Bahn gewählt würde. Eine letztlich doch recht knappe Mehrheit von 99 zu 85 Stimmen (1 Enthaltung) sah dies ähnlich und versenkte die parlamentarische Initiative. Unterstützt wurde die Idee von den geschlossenen Fraktionen der SP, der GLP und der GP und von drei Bürgerlichen (Lukas Reimann (svp, SG), Anna Giacometti (fdp, GR) und Christoph Eymann (ldp, BS)).
Freilich dürfte die Frage nach der Wahl des Verkehrsmittels damit noch nicht gänzlich vom Tisch sein. Einer weiteren parlamentarischen Initiative Töngi (Pa.Iv. 19.407), mit der die Parlamentsmitglieder zur Vermeidung von Flugreisen verpflichtet werden sollen, war nämlich im Februar 2020 von beiden Büros Folge gegeben worden. Ausstehend war zudem eine Motion (Mo. 20.3026) von Katharina Prelicz-Huber (gp, ZH), die auch eine Reduktion der Flugreiseemissionen von Bundesratsmitgliedern fordert.

Bundesangestellte. Flugreisen vermeiden, Reisen per Bahn (Pa. Iv. 19.408)

In der Herbstsession 2020 beugte sich der Ständerat als Erstrat über die Vorlage des Bundesrats, mit der durch eine Verfassungsänderung ein obligatorisches Referendum für völkerrechtliche Verträge mit Verfassungscharakter eingeführt werden soll. Eintreten war umstritten. Für die Kommission nahm Andrea Caroni (fdp, AR) Stellung, der mit einer Motion am Ursprung der Vorlage gestanden hatte. Er pries diese als optimale Ergänzung zum bereits bestehenden obligatorischen Staatsvertragsreferendum an. Dieses sei unvollständig, weil es lediglich den Beitritt zu supranationalen Organisationen regle. Es gebe aber Staatsverträge, welche die Verfassung ebenfalls beeinflussten, ohne einen Beitritt zu verlangen. Das neu geschaffene Instrument könne diese Lücke schliessen und der Bundesrat habe es geschafft, klare Kriterien für die Anwendung zu definieren. Betroffen seien Verträge, die zwingend eine Verfassungsänderung mit sich bringen, und solche, die materiell Verfassungsrang haben – also wenn Grundrechte, der Föderalismus oder die Organisation der Bundesbehörden tangiert werden. Dieses neue Referendum würde die Legitimität eines Vertrags stärken, wobei die Zahl solcher Abstimmungen gemäss Caroni gering bleiben werde.
Eine Minderheit Jositsch (sp, ZH) beantragte Nichteintreten. Der Zürcher SP-Ständerat begründete seinen Antrag damit, dass eine neue Regelung nicht notwendig sei. Es gebe gar kein Problem, das einen neuen Verfassungsartikel rechtfertigen würde. Dem widersprach Daniel Fässler (cvp, AI): Weil die internationale Vernetzung zunehme, werde auch der Konflikt zwischen Landesrecht und Völkerrecht zunehmen, betonte er. Deshalb sei es wichtig, hier frühzeitig eine gute Regelung zu finden. Eine 28 zu 14-Merhheit beschloss in der Folge Eintreten.
In der Detailberatung scheiterte ein Einzelantrag Rechsteiner (sp, SG), der bei der Präzisierung der Kriterien die «Grundrechte» nicht erwähnt haben wollte. Der St. Galler Ständerat argumentierte vergeblich, dass zahlreiche Verträge unter dieses Kriterium fallen würden, die dann nicht mehr einfach ratifiziert werden könnten, sondern von Volk und Ständen abgesegnet werden müssten. Als Beispiel nannte er die Kinderrechtskonvention oder die Behindertenkonvention. Die anwesende Bundesrätin Karin Keller-Sutter verneinte jedoch, dass diese Beispiele unter die neue Bestimmung fallen würden. Abgelehnt wurde auch ein Minderheitsantrag Chiesa (svp, TI), der gefordert hätte, dass das Referendum nicht nur die allfällige Verfassungsänderung, sondern auch den Vertrag umfassen müsse. Dadurch sollte vermieden werden, dass eine Verfassungsänderung faktisch nicht mehr abgelehnt werden könnte, weil man den Vertrag ja schon eingegangen wäre. Die Mehrheit wandte sich gegen dieses Ansinnen, weil es auch die Möglichkeit geben müsse, die Umsetzung eines Vertrags auf Gesetzesstufe zu regeln, wie die Justizministerin ausführte.
Somit nahm der Rat im Vergleich zur bundesrätlichen Vorlage lediglich eine sprachliche Präzisierung vor und schickte das Geschäft nach der Gesamtabstimmung, in der sich 27 Rätinnen und Räte für und 12 gegen den Entwurf aussprachen, an den Nationalrat.

Obligatorisches Referendum für völkerrechtliche Verträge mit Verfassungscharakter (BRG. 20.016)
Dossier: Obligatorisches Referendum für völkerrechtliche Verträge mit Verfassungscharakter

Nachdem die SPK-NR der von einer parlamentarischen Initiative Wermuth (sp, AG) vorgeschlagenen Einführung eines konstruktiven Referendums noch positiv gegenübergestanden und der Initiative mit 15 zu 10 Stimmen Folge gegeben hatte, lehnte die SPK-SR das Begehren Ende Juni 2020 mit 10 zu 0 Stimmen bei 2 Enthaltungen deutlich ab. Cédric Wermuth schlug vor, dass 50'000 Bürgerinnen und Bürger oder 8 Kantone mit einem Referendum einen Gegenvorschlag zu einem Bundesbeschluss oder einem Gesetz vorbringen können. Es sei unbefriedigend, lediglich Ja oder Nein sagen zu dürfen, wenn man nur mit Teilen einer Vorlage einverstanden sei. Zudem könne ein Referendum ergriffen werden, ohne Verantwortung für die Folgen eines Neins übernehmen zu müssen. Ein «Volksgegenvorschlag» wie der Aargauer Genosse seine Idee nannte, würde die Komitees hingegen stärker in die Lösungsfindung einbinden.
Die SPK-SR begründete ihre Ablehnung mit der Angst vor einer Schwächung des institutionellen Gefüges. Das Parlament und nicht die Stimmbevölkerung sei in der Pflicht, einen tragfähigen Kompromiss zu schmieden. Zudem würden – da für die Ausformulierung eines konstruktiven Referendums Expertenwissen benötigt werde – nicht die Volksrechte gestärkt, sondern eher die Einflussmöglichkeiten der Verbände verbessert. Schliesslich würde das Abstimmungsprozedere für ein Referendum mit Gegenvorschlag wesentlich komplizierter.

Einführung eines konstruktiven Referendums (Pa. Iv. 18.446)

Die Beratungen der politischen Agenda des Bundesrats sind immer wieder ein umstrittener Diskussionspunkt in den Räten. Dies zeigte sich auch bei der Beratung der Legislaturplanung 2019–2023 während der Sommersession im Ständerat. Die neuerliche Diskussion, ob die Legislaturplanung vom Parlament lediglich zur Kenntnis genommen oder detailliert beraten und als einfacher, nicht bindender Bundesbeschluss verabschiedet werden soll wie dies seit 2004 vorgesehen ist, wurde zusätzlich durch die Corona-Krise angeheizt. Die ausserordentliche Situation zeige – so etwa Damian Müller (fdp, LU) –, dass es richtig sei, wenn die Legislaturplanung zu einem nicht bindenden Beschluss führe, weil der Bundesrat nur so auf unvorhergesehene Ereignisse reagieren könne. Das bedeute aber eben auch, dass es keine langen Beratungen und keine Legislaturplanungskommission brauche, weil dies letztlich viel zu viel unnötige Zeit und Kosten in Anspruch nehme. Man habe bessere Instrumente, um ganz spezifisch einzelne Massnahmen mitzusteuern, die man dann aber im konkreten Moment anwenden solle. Eine einfache Kenntnisnahme der Legislaturplanungsbotschaft reiche vollends. Dies habe er auch in einer parlamentarischen Initiative so angeregt, für dessen Unterstützung der Luzerner Freisinnige denn in seinem Votum auch schon vorsorglich warb. Heidi Z'graggen (cvp, UR) erwiderte, dass der Weg des Bundesrats, auf den das Land gesteuert werden solle, ein genaues Hinschauen verdiene und nicht einfach durchgewinkt werden sollte. Auch Carlo Sommaruga (sp, GE) führte die Pandemie an, wies aber darauf hin, dass es wegen unvorhergesehener Ereignisse wichtig sei, die Legislaturplanung auch als Legislative anpassen zu können. Thomas Minder (parteilos, SH) wiederum reihte sich zu den Kritikern des aktuellen Vorgehens ein und wies darauf hin, dass zahlreiche Massnahmen im Bericht nach der Corona-Krise Makulatur geworden seien. Er warf dem Bundesrat und der Legislaturplanungskommission deswegen «Unflexibilität» vor. Man müsse neu planen und eine angepasste Vision präsentieren. «Die Sitzung heute Nachmittag ist für mich ein verlorener Tag», schloss der Schaffhauser Ständerat. Auch Olivier Français (fdp, VD) monierte, man habe für die Beratung des Papiers viel zu viel Zeit einberaumt. In der Folge äusserte sich Bundespräsidentin Simonetta Sommaruga zu Wort und gab zu bedenken, dass ein ans Parlament überwiesener Bundesbeschluss nicht einfach so zurückgenommen werden könne. Man habe aber durchaus Flexibilität bewiesen, indem eben der Bericht auch zusammen mit der Legislaturplanungskommission noch einmal überarbeitet worden sei, was sich ja auch in verschiedenen, nachträglich zu debattierenden Änderungsanträgen niedergeschlagen habe. Das Parlament müsse die Möglichkeit haben, die Planung der Regierung zu überprüfen, so die Magistratin.
Nach diesem Vorgeplänkel – eine Eintretensdebatte gab es nicht, weil Eintreten für die Legislaturplanung obligatorisch ist – wurden in der kleinen Kammer also besagte Änderungen diskutiert. Covid-19 spielte dabei freilich nur noch eine marginale Rolle, indem Artikel 1 mit einem Passus ergänzt wurde, dass sich die Politik des Bundes nach den drei Leitlinien zu richten und dabei auch die Lehren aus der Covid-19-Pandemie zu ziehen habe. Zusätzlich wurde als Massnahme eine Vernehmlassung zu einer Revision des Epidemiengesetzes angenommen. Der erste Änderungsantrag betraf zudem die dritte Leitlinie, die nicht nur den Schutz des Klimas, sondern zusätzlich auch den Schutz der natürlichen Lebensgrundlagen anstreben soll. Der Rat folgte mit 28 zu 13 Stimmen diesem Vorschlag und lehnte damit einen Minderheitsantrag Sommaruga ab, der auch die Nachhaltigkeitsziele der Agenda 2030 in der dritten Leitlinie verankern wollte. Die von Carlo Sommaruga angeführten Minderheitsvorschläge für einen verstärkten Einbezug von Nachhaltigkeitszielen blitzten auch in der Folge samt und sonders ab. Eine Mehrheit fand aber eine von der Legislaturplanungskommission vorgeschlagene sprachliche Änderung einer Massnahme zur Erreichung des 2. Ziels von Leitlinie 1 (effiziente und digitale Erbringung staatlicher Leistungen). Statt die Bundesaufgaben «kontinuierlich» zu überprüfen, sollen sie «regelmässig» überprüft werden. Neu eingeführt wurden zudem verschiedene zusätzliche Massnahmen in verschiedenen Zielen: die Stärkung des Wirtschaftsstandorts, eine Strategie zur Umsetzung einer digitalen Gouvernanz, die Gewährleistung der bilateralen Wirtschaftsbeziehungen mit der EU und dem UK, die Erarbeitung einer Strategie für Barrierefreiheit, die Gewährleistung einer optimalen IKT-Infrastruktur in allen Regionen der Schweiz, einen Bericht über die Rahmenbedingungen für eine Landesausstellung, die Erneuerung der Mittel zum Schutz der Bevölkerung «gegen Bedrohungen aus der dritten Dimension» (gemeint ist die Luftabwehr), einen Aktionsplan «Biodiversität» sowie eine Strategie zur Anpassung an den Klimawandel in der Schweiz. Lange diskutiert wurde im Rat über Bildungsthemen. Auf taube Ohren stiess dabei die Minderheit Chiesa (svp, TI) für eine Strategie zur Initiierung globaler Bildungsprogramme. Heidi Z'graggen forderte vergeblich die Streichung einer von der Kommission eingeführten Botschaft zur politischen Bildung der jungen Generation und gab zu bedenken, dass die Bildung Sache der Kantone bleiben müsse. Angenommen wurde hingegen eine Minderheit Juillard (cvp, JU), die als Massnahme einen Aktionsplan für die Förderung der Mehrsprachigkeit und den Unterricht in Heimatlicher Sprache unter Einbezug der Kantone forderte. Keine Chance hatten die Anträge von rechts, mit welchen die Massnahmen für die geregelten Beziehungen der Schweiz zur EU gestrichen oder wenigstens abgeschwächt hätten werden sollen. Eine Gesamtabstimmung war für diese Art Geschäft nicht vorgesehen. Die derart ergänzte Legislaturplanung ging nun an den Nationalrat.

Legislaturplanung 2019-2023 (BRG 19.078)
Dossier: Legislaturplanungsberichte

Die SPK-SR beantragte dem Ständerat, die parlamentarische Initiative Minder (parteilos, SH), die den Grundsatz der Einheit der Materie auch für Bundeserlasse forderte, abzulehnen. Dies, nachdem sie das Begehren zuerst gutgeheissen, nach dem ablehnenden Entscheid ihrer Schwesterkommission aber umgeschwenkt war. Andrea Caroni (fdp, AR) erörterte in der entsprechenden Sommersessions-Debatte 2020 in der kleinen Kammer für seine Kommission diesen Stimmungswandel. In der Bundesverfassung sei explizit vorgesehen, dass der Grundsatz für Verfassungsrevisionen gelte, nicht aber für Bestimmungen des Gesetzgebers. Man habe also bei der Verfassung strenger sein wollen als beim Gesetzgebungsprozess, wo ein gewisser Spielraum bestehen müsse. Die Willensfreiheit sei zudem bei Paketen – also Gesetzesvorlagen mit Verknüpfungen von eigentlich sachfremden Teilen – nicht eingeschränkt. Die Stimmberechtigten könnten sagen, ob sie dieses Paket wollten oder nicht. «Nein» sagen könne zudem auch, wer grundsätzlich gegen Paketlösungen sei. Schliesslich sei das Kriterium der Einheit der Materie «extrem wolkig» und man würde eigentlich immer einen Zusammenhang finden. Man würde Gefahr laufen, dass das Kriterium nicht rechtlich, sondern politisch verwendet würde. Thomas Minder meldete sich anschliessend als Urheber des Vorstosses zu Wort. Es zeige sich, dass nun selbst Juristinnen und Juristen «mehr Freude am politischen Kuhhandel als an einer juristisch sauberen Gesetzgebung haben». Der Bundesrat selber lege kein Gesetz vor, das nicht der Einheit der Materie entspreche. Es sei dem Parlament vorbehalten, eine bundesrätliche Vorlage dann in unterschiedliche Erlasse aufzuteilen, aber diese Ergänzung einer Vorlage mit zahlreichen weiteren Themen sei nicht der Sinn der Sache. Es sei ein «seltsames staatspolitisches Verständnis», wenn Einheit der Materie auf Verfassungsstufe gelten solle, «wenn das Volk legiferiert», nicht aber «wenn wir auf Bundesebene legiferieren» – so Minder. Kompromisse seien auch ohne Pakete möglich, wenn diese gesplittet und Kuhhändel sozusagen sequentiell getätigt würden. Eine 28 zu 11 Stimmen-Mehrheit des Ständerats sah dies jedoch wie dessen Kommission und versenkte den Vorschlag.

Einheit der Materie (Pa. Iv. 18.436)