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Handelsabkommen seien wichtig für die Wirtschaft, deren konkreter Inhalt könne aber auch Auswirkungen auf Konsumentinnen und Konsumenten haben, die erst nach der Unterzeichnung dieser Verträge bekannt würden. Die Harmonisierung von Produktionsstandards, die mit Abkommen teilweise eingeführt würden, seien insbesondere in der Agrar- und Ernährungswirtschaft direkt spürbar, begründete Jacques Nicolet (svp, VD) seine parlamentarische Initiative, mit der er eine Stärkung der demokratischen Rolle des Parlamentes bei Handelsabkommen forderte. Das Parlament könne Abkommen lediglich annehmen oder ablehnen, sollte aber die Kompetenz haben, Ziele zu definieren oder rote Linien für die Verhandlung von Abkommen zu setzen.
Die APK-NR empfahl mit 13 zu 5 Stimmen bei 6 Enthaltungen, der Initiative keine Folge zu geben, und begründete dies in einem schriftlichen Bericht. Das Parlament habe heute schon genug Handhabe, um die Handelspolitik mitbeeinflussen zu können. Der Bundesrat müsse jeweils die APK beider Räte konsultieren, zudem sei ein Referendum jederzeit möglich. Der Konsumentenschutz sei darüber hinaus von den Handelsabkommen nicht tangiert, da ausländische Importeure an Schweizer Recht gebunden seien. Zudem wäre das Verhandlungsresultat wohl nicht mehr vorteilhaft, wenn das Parlament öffentlich Verhandlungsmandate debattiere, die vor der anderen Vertragspartei eigentlich geheim gehalten werden sollten. Die Kommissionsmehrheit könne sich freilich gut vorstellen, einst in einem zu erstellenden Aussenhandelsgesetz die Grundzüge der Schweizer Aussenhandelspolitik festzulegen. Eine Kommissionsminderheit gab zu bedenken, dass Handelsabkommen bisher als «apolitisch» betrachtet worden seien. Dies werde zusehends auch in der Öffentlichkeit kritisiert, etwa auch unter dem Aspekt von Zielinkongruenzen zwischen Wirtschafts-, Sozial- und Umweltpolitik.
In der Wintersession 2020 kam die parlamentarische Initiative aufgrund der ablehnenden Haltung der Kommission in den Rat. Nachdem Jacques Nicolet für seinen Vorstoss geworben hatte, kam es bereits zur Abstimmung: Äusserst knapp mit 86 zu 83 Stimmen bei 17 Enthaltungen wurde dem Anliegen Folge gegeben. Die Ausgangslage der Abstimmung war ziemlich kompliziert: Wer den Antrag der Kommissionsminderheit auf Folgegeben befürwortete und somit gegen den Antrag der Kommissionsmehrheit war, musste Nein stimmen; was die geschlossene Fraktion der Grünen (4 Enthaltungen), 50 Mitglieder der SVP-Fraktion (von 51), 10 Mitglieder der SP-Fraktion (von total 36 bei 12 Enthaltungen) sowie 3 Mitglieder der Mitte-Fraktion (von 30) taten. Die Fraktionen der FDP und der GLP stimmten geschlossen gegen Folge geben. Diese etwas seltsam anmutende Koalition war denn wohl auch einiger Verwirrung über die Bedeutung eines Ja bzw. eines Nein geschuldet. Balthasar Glättli (gp, ZH) stellte deshalb einen Ordnungsantrag für eine Wiederholung der Abstimmung; er selber habe sich auch vertan und man sei es sich schuldig, dass man für das stimme, was man tatsächlich wolle. Der Ordnungsantrag wurde mit 140 zu 29 Stimmen angenommen. Bei der erneuten Abstimmung resultierte mit 99 zu 80 Stimmen (7 Enthaltungen) ein deutlicheres Resultat als zuvor, da vor allem in der SP-Fraktion 18 Mitglieder vom Ja- ins Nein-Lager gewechselt und damit der parlamentarischen Initiative zum deutlicheren Erfolg verholfen hatten. Umgekehrt waren vier Mitglieder der SVP-Fraktion vom Nein- ins Ja-Lager gewechselt.

Stärkung der demokratischen Rolle des Parlamentes bei Handelsabkommen (Pa.Iv. 19.477)

Aufgrund der Covid-19-Pandemie beugte sich der Nationalrat als Zweitrat erst in der Herbstsession 2020 über die Legislaturplanung 2019–2023. Covid-19 war denn auch Gegenstand der Ausführungen der beiden Kommissionssprecherinnen, Céline Widmer (sp, ZH) und Simone De Montmollin (fdp, GE). Das Virus habe die Bundespolitik «durcheinandergeschüttelt». Die vor der Pandemie Ende Januar 2020 verfasste Legislaturplanung basiere auf «rosigen Zukunftsaussichten», die mitunter wie aus der Zeit gefallen wirkten, betonte etwa Widmer. Der Ständerat habe den Text bereits Corona-tauglicher gemacht, indem er in einer Präambel klargestellt habe, dass die Lehren aus der Pandemie in die Umsetzung der übergeordneten Leitlinien (Wohlstand, Zusammenhalt und Sicherheit; ergänzt mit Klimaschutz und Digitalisierung) einfliessen müssten – eine Aufforderung, die Simonetta Sommaruga in der Eröffnungsdebatte als selbstverständlich entgegennahm. In einer zweitägigen Sitzung habe die nationalrätliche Legislaturplanungskommission (LPK) aus über hundert Anträgen 25 Änderungen vorgenommen, die jene des Ständerats ergänzten und die Legislaturplanung «Corona-tauglich» machten, schloss Céline Widmer ihre Zusammenfassung. In der Detailberatung müsse allerdings auch über 60 Minderheitsanträge debattiert werden, worunter sich auch ein Rückweisungsantrag befand.
Dieser kam aus der Fraktion der Grünen, die den Bundesrat beauftragen wollten, die Legislaturplanung stärker «in den Kontext der Klimanotlage» zu stellen, wie Franziska Ryser (gp, SG) den Rückweisungsantrag begründete. Da allerdings keine der anderen Fraktionen den Antrag unterstützten und dieser entsprechend mit 166 zu 30 Stimmen abgelehnt wurde, konnte die Detailberatung mit über 80 Wortmeldungen und mehr als 50 Abstimmungen beginnen. Die von den Kommissionssprecherinnen angetönten Ergänzungen betrafen zuerst die übergeordneten Leitlinien: Die Leitlinie der Wohlstandsicherung wurde mit den Chancen nachhaltiger Entwicklung sowie dem Ziel ausgeglichener und stabiler Bundesfinanzen angereichert. In der Folge wurden die diversen Ziele der drei Leitlinien in drei Blöcken diskutiert.
Beim Thema Wohlstand (Block 1) soll laut der Mehrheit neu auch festgehalten werden, dass der Bundesrat dem Parlament eine Botschaft über die ausserordentlichen Covid-Ausgaben unterbreitet. Im Rahmen der Personalstrategie wurde der Bundesrat zu einer Stabilisierung der Personalausgaben angehalten. Ebenfalls im Rahmen der Leitlinie der Sicherung des Wohlstands war eine Mehrheit der grossen Kammer dafür, dass der Bundesrat noch in der laufenden Legislatur eine Botschaft für eine Individualbesteuerung vorlegt und eine nationale Strategie zur Vereinbarkeit von Beruf und Familie verabschiedet. Zudem sollen geeignete aussenwirtschaftliche Massnahmen in ein Aussenwirtschaftsgesetz gegossen und die Vertiefung der bilateralen Wirtschaftsbeziehungen mit der EU, Grossbritannien und den USA explizit im Bericht verankert werden. Das Ziel der Schweiz, in Bildung und Forschung führend zu bleiben, soll mit der Forderung nach Chancengleichheit ergänzt werden. Zudem sollen Anreizstrategien für die Schaffung von Lehrstellen ausgearbeitet, die Schweizer Beteiligung bei Erasmus+ gesichert und eine Strategie zur Initiierung von Forschungsprogrammen verabschiedet werden. Auch der flächendeckende Ausbau von 5G-Technologien wurde von der Mehrheit gemäss Vorschlag der LPK in die Legislaturplanung aufgenommen. Die insgesamt 20 Minderheitsanträge für die Leitlinie «Wohlstandförderung» von linker und rechter Ratsseite fanden hingegen keine Mehrheiten.
Dies war auch bei der zweiten Leitlinie (Förderung des nationalen Zusammenhalts und Stärkung der internationalen Zusammenarbeit; Block 2) mehrheitlich der Fall. Keiner der 17 Minderheitenanträge fand eine Mehrheit – mit einer Ausnahme: Eine Minderheit Humbel (cvp, AG) beantragte erfolgreich, dass der Bundesrat einen Bericht über die langfristigen Folgen der demografischen Entwicklung auf die Generationenbeziehungen ins Legislaturprogramm aufzunehmen hat. Der Begriff «Demografie» komme im Legislaturprogramm bisher überhaupt nicht vor, obwohl der demografische Wandel ein zentraler «Megatrend» sei, begründete Ruth Humbel den erfolgreichen Antrag der Mitte-Links-Minderheit. Auch bei der zweiten Leitlinie wurden alle Anträge der LPK gutgeheissen: Der Bund hat ein Verhandlungsmandat am EU-Kulturprogramm 2021-2027 (CreativeEurope) anzustreben; es sollen ein nationaler Aktionsplan zur Verminderung von Gewalt an Frauen und häuslicher Gewalt sowie die Botschaft zur Erleichterung der Vereinbarkeit von Familie und Beruf unter Einbezug der Kantone verabschiedet werden; eine Vorlage zur Weiterentwicklung und langfristigen Sicherung der AHV soll vernehmlassungsreif gemacht werden; ein Massnahmenplan zur Umsetzung der digitalen Transformation im Gesundheitswesen, Massnahmen zur Sicherstellung einer nachhaltigen Heilmittelversorgung sowie eine Botschaft zur Einführung der digitalen Patientenkarte sollen in der Gesundheitspolitik verabschiedet werden.
Im Block 3, der das Leitziel «Sicherheit und Klimaschutz» umfasste, kamen die Volksvertreterinnen und -vertreter der Bitte der Kommissionssprecherin vollumfänglich nach, nämlich «den Anträgen der Mehrheit zu folgen und die Anträge der Minderheiten abzulehnen»: In der Tat wurden die 16 Minderheitsanträge allesamt abgelehnt und die drei Ergänzungen der LPK-Mehrheit gutgeheissen: Die Förderung der Agrarforschung mit dem Ziel, Klimaveränderungen und der Verknappung natürlicher Ressourcen vorzubeugen, wurde entsprechend neu ebenso als Ziel in die Legislaturplanung 2019-2023 aufgenommen wie der Beitrag der Schweiz zur Erreichung der international vereinbarten Klimaziele, die Erhaltung der Biodiversität und ein zu verabschiedender Bericht für eine «Umfassende Risikoanalyse und -bewertung der Schweiz».
Die vom Ständerat bereits in der Sommersession vorgenommenen Vorschläge wurden von der grossen Kammer alle gutgeheissen.

Legislaturplanung 2019-2023 (BRG 19.078)
Dossier: Legislaturplanungsberichte

Mittels parlamentarischer Initiative beabsichtigte Michael Töngi (gp, LU), Bundesangestellte zu verpflichten, per Bahn zu reisen, wenn die Reisezeit weniger als acht Stunden dauert. Die momentan geltende Empfehlung, bei fünf- bis sechsstündigen Reisezeiten die Bahn zu nutzen, genüge nicht. Vor allem aus ökologischen Gründen sei eine Bahnreise einer Flugreise vorzuziehen.
Mit 15 zu 10 Stimmen beantragte die SPK-NR im August 2020, dem Vorstoss keine Folge zu geben. Die Mehrheit der Kommission sah keinen Handlungsbedarf, da die Verwaltungsangestellten für das Thema sowieso bereits sensibilisiert seien und der Bundesrat erst kürzlich einen Aktionsplan «Flugreisen» in Kraft gesetzt habe, der zu einer Bahnreise verpflichtet, wenn die Reisezeit weniger als sechs Stunden beträgt. Man müsse zuerst abwarten, wie diese neue Regelung wirke. Zudem sei aus ökologischer Perspektive nicht die Wahl des Verkehrsmittels per se, sondern der ökologische Fussabdruck der gesamten Reise zentral. Andri Silberschmidt (fdp, ZH) fügte den Kommissionsargumenten zudem den Umstand hinzu, dass der Bund bereits heute sämtliche CO2-Emmissionen kompensiere. Deshalb würde die Forderung von Michael Töngi «auch klimapolitisch keinen grossen Mehrwert schaffen».
In seinem Plädoyer für sein Anliegen, das in der Herbstsession 2020 in der grossen Kammer beraten wurde, rechnete Töngi vor, dass die Bundesangestellten im Jahr 2019 insgesamt rund 1'600 mal um die Erde geflogen seien. Zwar habe der Bund einiges unternommen, aber seit 2006 hätten die Flugreisen um 24 Prozent zugenommen – vor allem nach Brüssel, Rom und London werde meistens das Flugzeug gewählt. Die aktuelle Regelung sehe zudem vor, dass nach wie vor das Flugzeug gewählt werden dürfe, wenn man damit auf eine Übernachtung vor Ort verzichten könne, was verhindere, dass für nahe Städte eher die Bahn gewählt würde. Eine letztlich doch recht knappe Mehrheit von 99 zu 85 Stimmen (1 Enthaltung) sah dies ähnlich und versenkte die parlamentarische Initiative. Unterstützt wurde die Idee von den geschlossenen Fraktionen der SP, der GLP und der GP und von drei Bürgerlichen (Lukas Reimann (svp, SG), Anna Giacometti (fdp, GR) und Christoph Eymann (ldp, BS)).
Freilich dürfte die Frage nach der Wahl des Verkehrsmittels damit noch nicht gänzlich vom Tisch sein. Einer weiteren parlamentarischen Initiative Töngi (Pa.Iv. 19.407), mit der die Parlamentsmitglieder zur Vermeidung von Flugreisen verpflichtet werden sollen, war nämlich im Februar 2020 von beiden Büros Folge gegeben worden. Ausstehend war zudem eine Motion (Mo. 20.3026) von Katharina Prelicz-Huber (gp, ZH), die auch eine Reduktion der Flugreiseemissionen von Bundesratsmitgliedern fordert.

Bundesangestellte. Flugreisen vermeiden, Reisen per Bahn (Pa. Iv. 19.408)

Die Beratungen der politischen Agenda des Bundesrats sind immer wieder ein umstrittener Diskussionspunkt in den Räten. Dies zeigte sich auch bei der Beratung der Legislaturplanung 2019–2023 während der Sommersession im Ständerat. Die neuerliche Diskussion, ob die Legislaturplanung vom Parlament lediglich zur Kenntnis genommen oder detailliert beraten und als einfacher, nicht bindender Bundesbeschluss verabschiedet werden soll wie dies seit 2004 vorgesehen ist, wurde zusätzlich durch die Corona-Krise angeheizt. Die ausserordentliche Situation zeige – so etwa Damian Müller (fdp, LU) –, dass es richtig sei, wenn die Legislaturplanung zu einem nicht bindenden Beschluss führe, weil der Bundesrat nur so auf unvorhergesehene Ereignisse reagieren könne. Das bedeute aber eben auch, dass es keine langen Beratungen und keine Legislaturplanungskommission brauche, weil dies letztlich viel zu viel unnötige Zeit und Kosten in Anspruch nehme. Man habe bessere Instrumente, um ganz spezifisch einzelne Massnahmen mitzusteuern, die man dann aber im konkreten Moment anwenden solle. Eine einfache Kenntnisnahme der Legislaturplanungsbotschaft reiche vollends. Dies habe er auch in einer parlamentarischen Initiative so angeregt, für dessen Unterstützung der Luzerner Freisinnige denn in seinem Votum auch schon vorsorglich warb. Heidi Z'graggen (cvp, UR) erwiderte, dass der Weg des Bundesrats, auf den das Land gesteuert werden solle, ein genaues Hinschauen verdiene und nicht einfach durchgewinkt werden sollte. Auch Carlo Sommaruga (sp, GE) führte die Pandemie an, wies aber darauf hin, dass es wegen unvorhergesehener Ereignisse wichtig sei, die Legislaturplanung auch als Legislative anpassen zu können. Thomas Minder (parteilos, SH) wiederum reihte sich zu den Kritikern des aktuellen Vorgehens ein und wies darauf hin, dass zahlreiche Massnahmen im Bericht nach der Corona-Krise Makulatur geworden seien. Er warf dem Bundesrat und der Legislaturplanungskommission deswegen «Unflexibilität» vor. Man müsse neu planen und eine angepasste Vision präsentieren. «Die Sitzung heute Nachmittag ist für mich ein verlorener Tag», schloss der Schaffhauser Ständerat. Auch Olivier Français (fdp, VD) monierte, man habe für die Beratung des Papiers viel zu viel Zeit einberaumt. In der Folge äusserte sich Bundespräsidentin Simonetta Sommaruga zu Wort und gab zu bedenken, dass ein ans Parlament überwiesener Bundesbeschluss nicht einfach so zurückgenommen werden könne. Man habe aber durchaus Flexibilität bewiesen, indem eben der Bericht auch zusammen mit der Legislaturplanungskommission noch einmal überarbeitet worden sei, was sich ja auch in verschiedenen, nachträglich zu debattierenden Änderungsanträgen niedergeschlagen habe. Das Parlament müsse die Möglichkeit haben, die Planung der Regierung zu überprüfen, so die Magistratin.
Nach diesem Vorgeplänkel – eine Eintretensdebatte gab es nicht, weil Eintreten für die Legislaturplanung obligatorisch ist – wurden in der kleinen Kammer also besagte Änderungen diskutiert. Covid-19 spielte dabei freilich nur noch eine marginale Rolle, indem Artikel 1 mit einem Passus ergänzt wurde, dass sich die Politik des Bundes nach den drei Leitlinien zu richten und dabei auch die Lehren aus der Covid-19-Pandemie zu ziehen habe. Zusätzlich wurde als Massnahme eine Vernehmlassung zu einer Revision des Epidemiengesetzes angenommen. Der erste Änderungsantrag betraf zudem die dritte Leitlinie, die nicht nur den Schutz des Klimas, sondern zusätzlich auch den Schutz der natürlichen Lebensgrundlagen anstreben soll. Der Rat folgte mit 28 zu 13 Stimmen diesem Vorschlag und lehnte damit einen Minderheitsantrag Sommaruga ab, der auch die Nachhaltigkeitsziele der Agenda 2030 in der dritten Leitlinie verankern wollte. Die von Carlo Sommaruga angeführten Minderheitsvorschläge für einen verstärkten Einbezug von Nachhaltigkeitszielen blitzten auch in der Folge samt und sonders ab. Eine Mehrheit fand aber eine von der Legislaturplanungskommission vorgeschlagene sprachliche Änderung einer Massnahme zur Erreichung des 2. Ziels von Leitlinie 1 (effiziente und digitale Erbringung staatlicher Leistungen). Statt die Bundesaufgaben «kontinuierlich» zu überprüfen, sollen sie «regelmässig» überprüft werden. Neu eingeführt wurden zudem verschiedene zusätzliche Massnahmen in verschiedenen Zielen: die Stärkung des Wirtschaftsstandorts, eine Strategie zur Umsetzung einer digitalen Gouvernanz, die Gewährleistung der bilateralen Wirtschaftsbeziehungen mit der EU und dem UK, die Erarbeitung einer Strategie für Barrierefreiheit, die Gewährleistung einer optimalen IKT-Infrastruktur in allen Regionen der Schweiz, einen Bericht über die Rahmenbedingungen für eine Landesausstellung, die Erneuerung der Mittel zum Schutz der Bevölkerung «gegen Bedrohungen aus der dritten Dimension» (gemeint ist die Luftabwehr), einen Aktionsplan «Biodiversität» sowie eine Strategie zur Anpassung an den Klimawandel in der Schweiz. Lange diskutiert wurde im Rat über Bildungsthemen. Auf taube Ohren stiess dabei die Minderheit Chiesa (svp, TI) für eine Strategie zur Initiierung globaler Bildungsprogramme. Heidi Z'graggen forderte vergeblich die Streichung einer von der Kommission eingeführten Botschaft zur politischen Bildung der jungen Generation und gab zu bedenken, dass die Bildung Sache der Kantone bleiben müsse. Angenommen wurde hingegen eine Minderheit Juillard (cvp, JU), die als Massnahme einen Aktionsplan für die Förderung der Mehrsprachigkeit und den Unterricht in Heimatlicher Sprache unter Einbezug der Kantone forderte. Keine Chance hatten die Anträge von rechts, mit welchen die Massnahmen für die geregelten Beziehungen der Schweiz zur EU gestrichen oder wenigstens abgeschwächt hätten werden sollen. Eine Gesamtabstimmung war für diese Art Geschäft nicht vorgesehen. Die derart ergänzte Legislaturplanung ging nun an den Nationalrat.

Legislaturplanung 2019-2023 (BRG 19.078)
Dossier: Legislaturplanungsberichte

Unter Soft Law werden unverbindliche Übereinkünfte oder Absichtserklärungen verstanden, die rechtlich zwar nicht bindend sind, aber dennoch Wirkung entfalten können. Soft Law binde die Schweiz «politisch und faktisch», weil ein Nichteinhalten gegen den Grundsatz von Treu und Glauben verstossen könne und die Schweiz auf schwarze Listen bringe, begründete Marco Romano (cvp, TI) seine Motion, die verlangte, dass der Bundesrat Soft Law nur in Absprache mit dem Parlament erarbeiten soll. Romano führte als Beispiel den UNO-Migrationspakt an, den ein Schweizer Vertreter aktiv vorangetrieben und bei dem der Bundesrat früh seine Zustimmung erklärt habe – ohne vorgängig das Parlament zu konsultieren. Weil es mit einer solchen Ankündigung für das Parlament schwierig sei, den Pakt abzulehnen, ohne einen Reputationsschaden für die Schweiz in Kauf nehmen zu müssen, sei es vor vollendete Tatsachen gestellt worden. Zwar gebe es einen Passus in der Regierungs- und Verwaltungsorganisationsverordnung (RVOV), der in solchen Fällen eigentlich eine vorgängige Konsultation des Parlaments vorsehe, dieser reiche aber augenscheinlich nicht aus, weshalb eine Konsultationspflicht im Parlamentsgesetz vorgesehen werden müsse – so Romano.
Der Bundesrat – in der Nationalratsdebatte vertreten durch Aussenminister Cassis – beantragte die Ablehnung der Motion, da er im Zuge des Berichts zum Postulat 18.4104 weitere Abklärungen vornehmen wolle. Die grosse Kammer nahm in der Frühjahrssession 2020 allerdings die Motion knapp an und wies sie an den Ständerat weiter. Die 96 Stimmen der geschlossenen SVP- und Mitte-Fraktionen, unterstützt von einer Mehrheit der Fraktion der Grünen reichten hierfür, da ihnen lediglich 91 Nein-Stimmen entgegenstanden (5 Enthaltungen).

Soft Law in Absprache mit dem Parlament (Mo. 18.4113)
Dossier: Soft Law - Mitwirkung des Parlaments

«Aus Lima und Tokio an Kommissionssitzungen pendeln?» lautete der Titel der parlamentarischen Initiative, mit der Thomas Minder (parteilos, SH) eine Wohnsitzpflicht für Parlamentsmitglieder in der Schweiz forderte. Dies aus finanziellen, demokratiepolitischen, praktischen und ökologischen Gründen: Die Spesen für ein Pendeln von ausserhalb der Schweiz – das Büro-NR gehe von CHF 320'000 pro Parlamentsmitglied mit Wohnsitz ausserhalb Europas für eine Legislatur aus – seien viel zu hoch; Parlamentarierinnen und Parlamentarier müssten der eigenen Gesetzgebung unterworfen sein, was sie mit Wohnsitz im Ausland aber nicht wären; Tim Guldimann (sp, ZH) habe gezeigt, dass es nicht möglich sei, in einem Milieu zu leben und in einem anderen Politik zu machen – der in Berlin lebende Guldimann war 2015 in den Nationalrat gewählt worden, nach zwei Jahren aber mit dieser Begründung wieder zurückgetreten; und schliesslich würde von ausserhalb wohl vor allem mit dem Flugzeug gependelt, was aus klimapolitischen Gründen unverhältnismässig sei.
Nachdem die SPK-SR Ende Januar 2020 mit 10 zu 2 Stimmen bei 1 Enthaltung beschlossen hatte, der Initiative keine Folge zu geben, zog Minder Ende Februar sein Anliegen, der Kommissionsargumentation folgend, zurück. Es wäre nicht nur ein falsches Signal an die Auslandschweizerinnen und Auslandschweizer, sondern auch nicht verhältnismässig, aufgrund nur eines bisherigen Falles die Gesetzgebung zu ändern, hatte die Kommission begründet.

Parlamentsmitglieder sollen in der Schweiz wohnen (Pa.Iv. 19.490)

Parlamentsangehörige sollen per Bahn statt mit dem Flugzeug reisen, um einen Beitrag zum Klimaschutz zu leisten, forderte Michael Töngi (gp, LU) mit einer parlamentarischen Initiative. Es soll gesetzlich geregelt werden, dass vom Bund finanzierte Reisen für Parlamentsangehörige mit der Bahn absolviert werden müssen, wenn sie weniger als acht Stunden Reisezeit in Anspruch nehmen. Eine Bahnreise sei weniger klimaschädlich als eine Flugreise und deshalb ökologischer. Wer es eiliger habe, müsse für die Reisekosten selber aufkommen, schlug der Initiant in der Begründung seines Vorstosses zudem vor.
Wie der Vorschlag genau umgesetzt werden soll, wird allerdings Frage des Büro-NR sein, das, nachdem es selber bereits im November 2019 Folge gegeben hatte, nun durch die im Februar 2020 geäusserte Zustimmung des Büro-SR einen Entwurf für eine Gesetzesänderung ausarbeiten wird.

Parlamentsangehörige sollen per Bahn statt mit dem Flugzeug reisen (Pa.Iv. 19.407)

Ende Januar 2020 legte der Bundesrat seine Botschaft zur Legislaturplanung 2019–2023 vor. Sie umfasste eine Bilanz der vergangenen Legislatur (2015–2019), eine aktuelle Lagebeurteilung und beschrieb insbesondere die drei politischen Leitlinien, denen 18 Ziele zugeordnet waren, die mit insgesamt 53 geplanten Massnahmen die Agenda der Regierungspolitik bestimmen sollen.
Die Bilanz über die 50. Legislaturperiode sei gemischt, so der Bericht. 80 Prozent der prioritären Geschäfte seien verabschiedet worden – darunter die Botschaft zum Stabilisierungsprogramm 2017–2020, die BFI-Botschaft 2017–2020 oder die Botschaft zur Standortförderung 2020–2023. Nicht wie geplant realisiert worden seien hingegen ein FATCA-Abkommen mit den USA oder ein institutionelles Abkommen mit der EU, das bereits seit 2011 als Ziel formuliert worden sei. Zu wenig schnell vorangekommen seien auch Vorhaben zur Reform der AHV oder zur Senkung der Gesundheitskosten. Es könne aber nicht von einer «verlorenen Legislatur» gesprochen werden, da die grossen Leitlinien – Sicherung des Wohlstandes, Förderung des nationalen Zusammenhalts sowie Sicherheit und internationale Zusammenarbeit – erreicht worden seien, wie weiter im Bericht festgehalten wurde.
Bei der Lagebeurteilung wurde im Bericht hervorgehoben, dass die kulturelle und geografische Nähe sowie die starke wirtschaftliche Verflechtung mit der EU einen steten politischen Austausch auf höchster Ebene bedinge. Der Schweizer Forschungsplatz sei stark und habe ein sehr innovationsfreundliches Umfeld. Die Schweiz spiele nach wie vor eine wichtige Rolle als Gaststaat für internationale Organisationen. Auch stellten Terrorismus und internationale Kriminalität nach wie vor eine grosse Herausforderung dar. Weil sie eine grosse Importabhängigkeit hinsichtlich Energieversorgung aufweise, müsse sich die Schweiz um eine Einbettung in den europäischen Strommarkt bemühen. Dabei sei auch die Reduktion der Treibhausgasemissionen zu berücksichtigen, zu der sich die Schweiz verpflichtet habe. Hervorgehoben wurden die Aussenwirtschaftsbeziehungen, die insbesondere mit China und den USA sehr dynamisch seien. Insbesondere die Ausfuhr chemisch-pharmazeutischer Produkte nehme stark zu, wohingegen der Finanzplatz an Bedeutung verliere. Gemessen am Bruttonationaleinkommen gehöre die Schweiz zu den zehn grössten Beitraggebern an die öffentliche Entwicklungshilfe. Hervorgehoben wurden zudem die sinkende und im internationalen Vergleich tiefe Bruttoverschuldung und die positive Wirtschaftsentwicklung, aber auch die stetig ansteigenden Ausgaben für soziale Sicherheit und Gesundheit. Die Schweiz habe mittlerweile einen ökologischen Fussabdruck von 2.8 und die Konsumausgaben seien seit 2000 fast doppelt so stark gestiegen wie die Bevölkerung gewachsen sei. Auch die Mobilität steigere sich laufend, was sich etwa auch in der Zunahme der Verkehrsstaus bemerkbar mache, deren volkswirtschaftliche Kosten von 2010 bis 2017 um 38.5 Prozent zugenommen hätten. Die Bevölkerung sei mit der Lebensqualität allerdings zufrieden, insbesondere auch mit der eigenen Gesundheit. Die abnehmende Biodiversität und das belastete Grundwasser blieben hingegen weiterhin Herausforderungen. Seit 1980 habe sich der Anteil der ausländischen Bevölkerung mehr als verdoppelt, die Zahl der Asylgesuche habe 2018 aber den tiefsten Wert seit 2007 erreicht. Die Erwerbslosenquote bewege sich stabil bei 4.7 Prozent und die Erwerbsquote von Frauen habe zugenommen. Nach wie vor bestehe aber eine Lohndifferenz zwischen Männern und Frauen, so der Bericht.
Auf der Basis dieser Lagebeurteilung schlug der Bundesrat die gleichen Leitlinien wie in der vergangenen Legislatur vor: Wohlstand («[d]ie Schweiz sichert ihren Wohlstand nachhaltig und nutzt die Chancen der Digitalisierung»), Zusammenhalt («[d]ie Schweiz fördert den nationalen Zusammenhalt und leistet einen Beitrag zur Stärkung der internationalen Zusammenarbeit») und Sicherheit («[d]ie Schweiz sorgt für Sicherheit, engagiert sich für den Schutz des Klimas und agiert als verlässliche Partnerin in der Welt»). Mit jeweils sechs Zielen sollen diese Leitlinien eingehalten werden: (1) Ein ausgeglichener Bundeshaushalt und eine stabile Finanzordnung, (2) eine effiziente und möglichst digitale staatliche Leistungserbringung, (3) stabile und innovationsfördernde wirtschaftliche Rahmenbedingungen durch die Förderung des inländischen Arbeitskräftepotenzials, (4) die Sicherung des Zugangs zu internationalen Märkten und zum EU-Binnenmarkt, (5) die Behauptung der Spitzenposition in Bildung, Forschung und Innovation und die Nutzung der Chancen der Digitalisierung sowie (6) zuverlässige und solid finanzierte Verkehrs- und IKT-Infrastrukturen sollen mithelfen, den Wohlstand nachhaltig zu sichern. (7) Die Stärkung des Zusammenhalts der Regionen und die Förderung der Verständigung unter den Sprachgruppen, (8) die Förderung des gesellschaftlichen Zusammenhalts und der Gleichberechtigung zwischen den Geschlechtern, (9) die Reform und nachhaltige Finanzierung der Sozialwerke, (10) die qualitativ hochstehende und finanziell tragbare Gesundheitsversorgung und ein gesundheitsförderndes Umfeld, (11) das Engagement für multilaterale und internationale Zusammenarbeit und die Schaffung optimaler Rahmenbedingungen für internationale Organisationen sowie (12) geregelte Beziehungen mit der EU sind die Ziele, mit denen die Förderung des nationalen Zusammenhalts und eine Stärkung der internationalen Zusammenarbeit angestrebt werden sollen. Schliesslich sollen die (13) Steuerung der Migration, (14) die Vorbeugung und wirksame Bekämpfung von Gewalt, Kriminalität und Terrorismus, (15) die Kenntnis über Bedrohungen der eigenen Sicherheit, (16) die schonende und nachhaltige Nutzung von Ressourcen, die Sicherung einer nachhaltigen und lückenlosen Energieversorgung und die Förderung einer nachhaltigen Land- und Ernährungswirtschaft, (17) der Einsatz für eine national und international wirksame Umweltpolitik, den Klimaschutz und die Biodiversität sowie (18) die Massnahmen gegen Cyberrisiken zum Schutz von Bürgerinnen und Bürgern und der kritischen Infrastruktur mithelfen, dass die Schweiz für Sicherheit sorgt und als verlässliche internationale Partnerin agieren kann.
Im Bericht wurde zudem auch der Legislaturfinanzplan 2021–2023 vorgelegt, der in allen drei Jahren mit strukturellen Überschüssen rechnet. Allerdings sei die Unsicherheit über die Haushaltsentwicklung sehr hoch. Neu lag dem Bericht auch eine mittelfristige Personalplanung bei, weil die eidgenössischen Räte oft moniert hätten, darüber nicht im Klaren zu sein. Hier ging der Bericht von einem jährlichen Ausgabenwachstum von 1.4 Prozent aus.

Legislaturplanung 2019-2023 (BRG 19.078)
Dossier: Legislaturplanungsberichte

Auch 2019 trafen sich die Spitzen der vier Regierungsparteien, um im Rahmen der von-Wattenwyl-Gespräche mit dem Bundespräsidenten und einer Delegation des Bundesrats über wichtige anstehende Geschäfte zu diskutieren. Die Regierung nutzt diese vier mal pro Jahr im von-Wattenwyl-Haus in Bern stattfindenden Gespräche, um über zentrale Anliegen zu informieren und mit den Parteien über mögliche Lösungsansätze zu verhandeln.

Mitte Februar, kurz vor der Frühjahrssession, diskutierten Guy Parmelin, Ignazio Cassis, der aktuelle Bundespräsident Ueli Maurer sowie Bundeskanzler Walter Thurnherr mit den Parteien über die Europapolitik und die wirtschaftliche Entwicklung. Aussenminister Ignazio Cassis informierte über den Stand des institutionellen Rahmenabkommens mit der EU und über das Vorgehen beim UNO-Migrationspakt. Diskutiert wurde weiter über die Auswirkungen des Brexit auf die Schweiz. Neo-Wirtschaftsminister Guy Parmelin orientierte über die Konjunkturlage und über die geplanten Gespräche über ein Freihandelsabkommen mit den USA. Im Weiteren kritisierten die Parteien, dass der Bundesrat mit seiner Weigerung, eine unabhängige Behörde einzusetzen, die Regulierungsfolgenabschätzungen bei neuen Gesetzen vornehmen soll, verschiedene Motionen nicht vollständig umsetze.

Um über die Beschaffung der neuen Kampfflugzeuge zu diskutieren, nahm die neue Vorsteherin des VBS, Viola Amherd, erstmals als Bundesrätin an den von-Wattenwyl-Gesprächen teil. Sie führte aus, dass der Kauf der Flugzeuge, nicht aber des ebenfalls zu beschaffenden Systems für eine bodengestützte Luftverteidigung als referendumsfähiger Planungsbeschluss vorgelegt werden soll. Neben Amherd, dem Bundespräsidenten und dem Bundeskanzler war auch Simonetta Sommaruga bei den Gesprächen zugegen. Die Neo-Energieministerin informierte über die Entwicklungen in der Klimapolitik, da das Parlament in der anstehenden Sommersession auch über das CO2-Gesetz debattieren wird. Finanzminister Ueli Maurer berichtete zudem über den Stand der Bundesfinanzen. Man habe ein finanzpolitisches Ausnahmejahrzehnt hinter sich. Die Parteien wünschten schliesslich auch eine Information zur aktuellen Europapolitik.

Das Europadossier war dann auch wieder Gegenstand der Klausur im Vorfeld der Herbstsession Ende August, bei der der Bundesrat in corpore teilnahm. Ignazio Cassis informierte über die innenpolitische Diskussion, die zu den noch offenen Punkten im Rahmenabkommen angestossen worden sei. Guy Parmelin sprach zu den Freihandelsverhandlungen mit den Mercosur-Staaten. Diskutiert wurde zudem über die Probleme mit sogenanntem «Soft Law». Schliesslich legten die einzelnen Departementsvorsteherinnen und -vorsteher ihre strategischen Ziele im Rahmen der Legislaturplanung 2019–2023 dar. Die Parteien betonten dabei die Bedeutung der Digitalisierung.

Mitte November – also nach den eidgenössischen Wahlen und vor der ersten Session der 51. Legislatur – diskutierten die Beteiligten Politikspitzen über die prognostizierte konjunkturelle Abschwächung. Im Rahmen der Diskussionen rund um die Europapolitik kam erneut der Brexit und die so genannte «Mind the gap»-Strategie zur Sprache: Die Schweiz hat sich früh mit Hilfe von bilateralen Abkommen mit Grossbritannien auf mögliche Szenarien vorbereitet. Debattiert wurde zudem auch der Fall «Pilatus» bzw. der Entscheid des EDA, dass die Unterstützung der Regime von Saudi-Arabien und den Vereinigten Arabischen Emiraten durch die Pilatus Werke einzustellen sei.

Von-Wattenwyl-Gespräche seit 2013

In der Sommersession beugte sich der Nationalrat über die Frage der Zuständigkeit bei Kündigung von Staatsverträgen. In einer Medienmitteilung Ende Mai hatte die SPK-NR bekannt gegeben, dass sie die von der kleinen Kammer gutgeheissene Vorlage ihrer Schwesterkommission einstimmig unterstütze, den Vorschlag des Bundesrates hingegen ebenfalls ablehne. Zwar habe die Frage, wer für die Kündigung von Verträgen zuständig sei – der Bundesrat oder das Parlament – bisher kaum gestellt werden müssen. Dies müsse aber insbesondere im Hinblick auf Volksinitiativen, deren Annahme eine Kündigung von Verträgen nach sich ziehen könne, geklärt werden. Die Beurteilung der Frage, ob neues Verfassungsrecht in Widerspruch zu einem bestehenden völkerrechtlichen Vertrag stehe, könne nicht der Exekutive alleine überlassen werden. Wie beim Abschluss solcher Verträge müsse dies dem Gesetzgeber, also dem Parlament und im Falle eines Referendums der Stimmbevölkerung, überlassen werden. Dies entspreche der Idee des materiellen Parallelismus, führte Barbara Steinemann (svp, ZH) für die Kommission in der Ratsdebatte aus. Es sei wichtig, dass die Regeln vor einem Spiel und nicht während des Spiels festgelegt würden, weshalb dieser Parallelismus im Gesetz festgehalten werden müsse.
Eine Minderheit Glättli (gp, ZH) beantragte, die Änderung nicht nur auf Gesetzesstufe zu regeln, sondern auch in der Verfassung zu verankern – eine Forderung, wie sie auch vom Bundesrat gestellt worden war, was von der neuen Justizministerin Karin Keller-Sutter unterstrichen wurde. Eine deutliche Mehrheit von 161 zu 10 Stimmen folgte hier allerdings dem Ständerat und sprach sich ebenfalls gegen Eintreten auf den bundesrätlichen Vorschlag aus. Die von der kleinen Kammer noch leicht angepasste Kommissionsvorlage fand dann in der Gesamtabstimmung eine Mehrheit von 179 Stimmen, denen lediglich eine Enthaltung gegenüberstand.
In den Schlussabstimmungen hiessen sowohl der Ständerat (44 Stimmen, keine Enthaltung) als auch der Nationalrat (195 Stimmen, 1 Enthaltung) das neue Gesetz einstimmig gut.

Kündigung von Staatsverträgen

Der Ständerat beugte sich als Erstrat über die parlamentarische Initiative zur Kündigung von Staatsverträgen. Nebst dem Entwurf für ein Bundesgesetz galt es auch einen weiteren Entwurf zu einem Bundesbeschluss zu diskutieren, da auch der Bundesrat dem Parlament einen themenspezifischen Vorschlag unterbreitete. Inhaltlich verlangten beide Entwürfe praktisch das gleiche, nämlich einen Parallelismus der Zuständigkeiten (actus contrarius): Wer für den Abschluss eines Vertrags zuständig ist, soll auch für dessen Änderung und dessen Kündigung zuständig sein. Die Kommission schlug dabei einen materiellen Parallelismus vor, mit dem die Zuständigkeit je nach Bedeutung eines Aktes geregelt wird. Andrea Caroni (fdp, AR) führte als Sprecher der SPK-SR in der Ratsdebatte als Beispiel aus, dass Verträge bei ihrem Abschluss sehr wichtig sein können, mit der Zeit aber an Bedeutung verlieren können. In diesem Fall müsste der Vertragsabschluss von der Bevölkerung beschlossen werden, eine allfällige Kündigung könnte aber der Bundesrat vornehmen.
Im Prinzip war die Regierung mit diesem Vorschlag einverstanden. Anders als die SPK-SR wollte sie die Änderung aber nicht in ein Gesetz giessen, sondern beantragte eine Verfassungsänderung. Dies begründete der Bundesrat damit, dass bezüglich der Kündigung von Verträgen, für die er alleine zuständig sei, ein verfassungsrechtliches Gewohnheitsrecht entstanden sei. Die geplante Kompetenzverschiebung von der Regierung zum Parlament, bzw. durch Ausbau der Volksrechte hin zur Stimmbevölkerung, müsse folglich mittels obligatorischem Referendum beschlossen werden. Caroni bestritt in seinen Ausführungen sowohl das Gewohnheitsrecht als auch die Kompetenz des Bundesrats zur Kündigung von Verträgen und beantragte Eintreten auf die Kommissionsvorlage sowie Nichteintreten auf die Vorlage der Regierung.
Justizministerin Simonetta Sommaruga versuchte den Vorschlag des Bundesrates zu retten, indem sie sich für Transparenz einsetzte. Es sei in der Tat wichtig, zu regeln, wer für die Kündigung von Verträgen zuständig sei. Es sei zwar auch in der Lehre nicht klar, ob die Zuständigkeit beim Parlament oder bei der Regierung liegen müsse, und augenscheinlich habe man hier unterschiedliche Auffassungen. Die geplante Regelung müsse aber explizit und transparent sein, was nur der Fall sei, wenn sie in der Verfassung festgehalten werde.
Die Kantonsvertreterinnen und -vertreter waren freilich anderer Meinung und beschlossen mit 4 zu 34 Stimmen (2 Enthaltungen), nicht auf den bundesrätlichen Entwurf einzutreten. Die Vorlage der SPK-SR wurde hingegen behandelt und nach einigen Präzisierungen, bei denen man den Anträgen der Justizministerin folgte, mit 34 zu 4 Stimmen in der Gesamtabstimmung gutgeheissen. Damit ging das Geschäft an den Nationalrat.

Kündigung von Staatsverträgen

Mitte Mai 2018 nahm die SPK-SR mit 11 zu 0 Stimmen bei einer Enthaltung einen Gesetzesentwurf an, der die Kündigung von Staatsverträgen regelt. Zwar seien wichtige Verträge bis heute nie gekündigt worden, es gelte aber – insbesondere vor dem Hintergrund von Volksinitiativen, die in jüngerer Vergangenheit in ihrer Umsetzung die Kündigung völkerrechtlicher Verträge forderten – die Regeln «vor dem Spiel» und nicht erst «während des Spiels» zu klären. Die Kommission stellte sich gegen die Haltung des Bundesrates, dass dieser alleine zuständig sei für die Kündigung von internationalen Abkommen. Vielmehr sei die Kündigung gleich zu regeln wie der Abschluss von völkerrechtlichen Verträgen: Die Bundesversammlung sei es, die Abschlüsse für wichtige, rechtsetzende Verträge genehmige, also müsse es auch das Parlament sein, das solche Verträge auflösen könne. Mitberücksichtigt werden müsste dabei auch das Referendumsrecht: Auch hier müsse das Prinzip des «actus contrarius», also ein Parallelismus der Zuständigkeiten, angewendet werden. Kündigungen von wichtigen Verträgen seien dem Referendum zu unterstellen.
Auf die Vernehmlassung des Gesetzesentwurfs gingen 36 Stellungnahmen ein. Zwei Drittel (die 15 Kantone BE, SZ, NW, ZG, SO, BS, BL, SH, AR, AI, SG, GR, AG, TI, NE; die fünf Parteien BDP, CVP, FDP, GLP, SP sowie der Städteverband, der Gewerbeverband, der Centre Patronal und die Gesellschaft für Aussenpolitik) sahen nicht nur Handlungsbedarf in der Frage zur Klärung der Zuständigkeit für die Kündigung völkerrechtlicher Verträge, sondern beurteilten den Vorentwurf der SPK-SR auch positiv. Die Kantone Thurgau und Glarus sowie die SVP sprachen sich gegen den Vorschlag aus. Die restlichen Kantone (OW, ZH, LU, FR, VD, VS und GE) und Verbände (Gemeindeverband, economiesuisse) nahmen entweder keine Stellung oder enthielten sich, weil sie mitunter die Notwendigkeit einer Gesetzesänderung nicht sahen (z.B. economiesuisse). Die Gegner der Vorlage befürchteten eine Verkomplizierung des Verfahrens und eine Relativierung der Kompetenzen der Regierung. Die SVP lehnte die Vorschläge ab, weil sie faktisch darauf hinausliefen, die direktdemokratische Mitbestimmung einzuschränken; zwar nicht beim Abschluss aber bei Neuaushandlung oder Kündigung von Staatsverträgen.

Kündigung von Staatsverträgen

Wer soll verantwortlich sein für die Änderung und die Kündigung von Staatsverträgen? Mit dem Ziel, diese Frage zu klären, reichte die SPK-SR Ende August 2016 eine Kommissionsinitiative ein. Die nicht eindeutige Rechtslage zur Zuständigkeit müsse geklärt werden. Die Kommission stellte sich dabei gegen die Ansicht des Bundesrates, der sich für alleinig verantwortlich betrachtete. Sie schlug hingegen vor, die gleichen Grundlagen wie für die Genehmigung von Verträgen anzuwenden. Je nach Tragweite eines internationalen Abkommens ist lediglich die Regierung oder das Parlament oder gar die Stimmbevölkerung für den Abschluss eines Vertrags zuständig. Dies solle bei der Kündigung genau gleich gehandhabt werden. Die SPK-SR brachte die Beispiele einer Kündigung der EMRK oder des Freizügigkeitsabkommens mit der EU an. Es sei nicht vorstellbar, dass der Bundesrat in solchen Fällen alleine entscheiden könne. Rund drei Monate später schloss sich die SPK-NR einstimmig der Forderung ihrer Schwesterkommission an.

Kündigung von Staatsverträgen

Die Motion von Lorenzo Quadri (lega, TI), ein obligatorisches Finanzreferendum für alle Beiträge einzuführen, die ans Ausland bezahlt werden, fand nicht einmal in der gesamten SVP-Fraktion Unterstützung. Simonetta Sommaruga verwies in der Debatte noch einmal auf den bereits im Antrag der Regierung für die Ablehnung der Motion erörterten Punkt der Unverhältnismässigkeit. Die riesige Zahl an Abstimmungen, die bei einem solchen sektoriellen Finanzreferendum für Kreditbeschlüsse nötig wäre, dürfe den Stimmbürgerinnen und Stimmbürgern nicht zugemutet werden. Volksentscheide seien dazu da, strategische Entscheide zu treffen. Mit einem neuen Instrument, wie es von Quadri vorgeschlagen werde, würde die Stimmbevölkerung aber operativ in Details eingreifen. Um einzelne Finanzposten solle sich aber besser das Parlament kümmern. Quadri hatte vergeblich geltend gemacht, dass es nicht möglich sei, gegen alle unnötigen Auslandszahlungen einzeln Unterschriften zu sammeln. Bei der Abstimmung hielten dem Tessiner lediglich 33 SVP-Fraktionsmitglieder die Stange. Von den 148 Nein stammten deren 28 auch von der Volkspartei.

Motion Quadri zu Einführung eines obligatorischen Finanzreferendums abgelehnt (Mo. 14.3397)
Dossier: Einführung eines Finanzreferendums auf nationaler Ebene

Im Geschäftsbericht des Bundesrates gibt die Landesregierung Auskunft über in einem spezifischen Jahr erreichte Ziele. Der Bericht für 2015 lag Mitte Februar 2016 vor und wurde von der Exekutive Anfang März verabschiedet. Neben den realisierten Massnahmen, die den sieben Hauptzielen für die Legislatur 2011-2015 zugeordnet waren, legte der Bundesrat mit dem Jahresbericht auch eine Bilanz über eben diese 49. Legislatur vor. In den Räten werden von den Sprecherinnen und Sprechern der zuständigen Kommissionen die erreichten Ziele in den einzelnen Departementen präsentiert. Vor allem im Nationalrat wird dann jeweils die Gelegenheit ergriffen, den anwesenden Departementsvorsteherinnen und -vorstehern Fragen zu stellen. Ein Diskussionsthema war die Masseneinwanderungsinitiative, die laut Bundesrat Johann Schneider-Ammann zu einer eigentlichen Blockade in den europapolitischen Dossiers geführt habe. Insgesamt habe man aber in der Legislatur 2011 bis 2015 dem Parlament rund 80 bis 90 Prozent der geplanten Massnahmen vorlegen können. Der Bundespräsident nannte beispielsweise die Unternehmenssteuerreform III, die Botschaft zum Nationalstrassen- und Agglomerationsfonds, erfolgreiche Verhandlungen mit der WTO und Abschlüsse in der Klimapolitik. National- und Ständerat nahmen den Bericht in der Sommersession 2016 zur Kenntnis.

Geschäftsbericht des Bundesrates 2015
Dossier: Geschäftsberichte des Bundesrats

Mitte Juni 2015 legte der Bundesrat seinen Bericht zum Postulat der FDP-Fraktion vor, das eine Klärung des Verhältnisses zwischen Völkerrecht und Landesrecht gefordert hatte. Die Regierung anerkannte im Fazit ihres Berichtes, dass insbesondere im Verhältnis zwischen Volksinitiative und Völkerrecht eine zunehmende Problematik bestehe. Eine Hierarchisierung oder eine Vorrangregel von Landesrecht sei allerdings kaum ohne negative Auswirkungen auf die Glaubwürdigkeit der Schweiz als verlässliche Vertragspartnerin möglich. Der Bundesrat schlug indes vor, dass jeweils vor der Verabschiedung eines Erlasses oder vor Abschluss eines Vertrages die Konsequenzen für Völker- bzw. Landesrecht eruiert werden sollten, um bereits bei der Verabschiedung Klarheit zu schaffen, ob Unvereinbarkeiten bestünden und wie diese allenfalls beseitigt werden müssten.
Zur Frage nach einem möglichen obligatorischen Referendum bei Staatsverträgen mit verfassungsmässigem Charakter ging der bundesrätliche Bericht auf das bestehende «Referendum sui generis» ein. Es gebe ja bereits ein obligatorisches Staatsvertragsreferendum, das bei Verträgen Anwendung findet, mit denen die Schweiz Mitglied von supranationalen Organisationen werden soll. Dem fakultativen Staatsvertragsreferendum unterstehen Verträge, die unbefristet und unkündbar sind. Darüber hinaus bestehe aber auch ein ungeschriebenes Verfassungsrecht: Dieses «Referendum sui generis» könne dann zur Anwendung gelangen, wenn ein Vertrag eine so grosse Bedeutung habe, dass ihm Verfassungsrang zukomme. Dies habe man sich beispielsweise beim Schengen- und Dublin-Assoziierungsabkommen überlegt, damals aber verworfen. Falls je nach einem allfälligen Austritt ein Wiederbeitritt in die Europäische Menschenrechtskonvention nötig wäre, dann würde dieser beispielsweise einem obligatorischen Referendum unterstellt werden.

Verhältnis zwischen Völkerrecht und Landesrecht (Po. 13.3805)
Dossier: Ungültigkeitsgründe von Volksinitiativen
Dossier: Obligatorisches Referendum für völkerrechtliche Verträge mit Verfassungscharakter

Eine Folge der Abstimmung über die Gripen-Beschaffung waren Diskussionen um die Einführung eines Finanzreferendums auf nationaler Ebene. Zu dieser Debatte beitragen soll auch eine Motion von Lorenzo Quadri (lega, TI), mit der er ein partielles und obligatorisches Finanzreferendum für alle für das Ausland bestimmten Beiträge fordert. Konkret schwebt dem Abgeordneten der Lega vor, dass der Stimmbevölkerung jeweils bei den November-Abstimmungen eine Liste mit allen geplanten Auslandbeiträgen vorgelegt wird, über die jeweils einzeln entschieden werden kann. Die allgemeinen Kosten für diese Abstimmung sollten dann den angenommenen Beiträgen abgezogen werden.
In seiner Antwort von Mitte August 2014 verwies der Bundesrat auf ähnliche Begehren, die aber allesamt abgelehnt worden seien. Zudem würde das vorgeschlagene Veto die Glaubwürdigkeit und Handlungsfähigkeit der Schweiz einschränken. Falls es sich um einen Sparvorschlag handle, würden mit der Schulden- und der Ausgabenbremse bereits wirksame Instrumente greifen. Schliesslich beurteilte die Regierung die Motion als nicht umsetzbar: Mit einem obligatorischen Referendum zu jedem Finanzbeschluss würden Entscheidungsprozesse mindestens erschwert, wenn nicht gar ganz blockiert. Darüber hinaus würde man der Stimmbürgerschaft eine kaum zu bewältigende Last aufbürden, weil sehr viele Beschlüsse vorgelegt werden müssten. Nur schon bei den Beiträgen an internationale Organisationen würde eine solche Liste bereits über 70 Kredite umfassen.

Motion Quadri zu Einführung eines obligatorischen Finanzreferendums abgelehnt (Mo. 14.3397)
Dossier: Einführung eines Finanzreferendums auf nationaler Ebene

Die aufgrund der Probleme bei der Unterschriftensammlung für die Referenden gegen die Doppelbesteuerungsabkommen mit Deutschland, Österreich und Grossbritannien eingereichte und noch 2012 von der grossen Kammer gutgeheissene Motion der Staatspolitischen Kommission des Nationalrats wurde im Berichtjahr im Ständerat behandelt. Inhalt der Motion war die Forderung nach getrennten Fristen für das Sammeln und die Beglaubigung der Unterschriften. Besagte Referenden waren knapp nicht zustande gekommen, wofür die Referendaren – allen voran die Auns – das schleppende Beglaubigungsverfahren in den Gemeinden verantwortlich gemacht hatten. In der Zwischenzeit hatte das Bundesgericht die Beschwerde der Auns allerdings abgewiesen. Die nachgereichten bescheinigten Unterschriften waren nicht fristgerecht eingereicht und deshalb als ungültig betrachtet worden. Das Gericht bekräftigte damit Artikel 141 BV, wonach bescheinigte Unterschriften bis spätestens am letzten Tag der 100-tägigen Frist bei der Bundeskanzlei eintreffen müssen. Bundeskanzlerin Casanova wies die Ständeräte darauf hin, dass die Probleme häufig bei der mangelnden Organisation der Referendumskomitees selber liegen, welche die Unterschriften den Gemeinden zu spät oder gesammelt statt gestaffelt zur Beglaubigung überreichen. Auch weil der Bundesrat in seiner Antwort auf die Motion darauf hinwies, dass er eine Teilrevision der politischen Rechte zu diesem Anliegen vorbereite, lehnte die kleine Kammer die Motion mit 32 zu 1 Stimme bei 4 Enthaltungen ab. Eine Motion Stamm (svp, AG) (12.4260), die in eine ähnliche Stossrichtung zielte, wurde in der Folge auch im Nationalrat mit 127 zu 66 Stimmen abgelehnt. Die SVP wurde in diesem Begehren einzig von der geschlossenen grünen Fraktion unterstützt. In der Vernehmlassung, in welche die besagte Revision der politischen Rechte im März geschickt wurde, stiess die Idee einer gestaffelten Frist auf eher negative Reaktionen.

Getrennten Fristen für das Sammeln und die Beglaubigung der Unterschriften für Intitiativen und Referenden (Motion)

Für einigen Wirbel sorgten die Referenden gegen die Steuerabkommen mit Deutschland, Grossbritannien und Österreich, die von der Auns, dem Bund der Steuerzahler, der Juso und der jungen SVP ergriffen wurden. Aufgrund von Termindruck musste das Abstimmungsbüchlein mit den Referenden bereits gedruckt werden, obwohl noch nicht klar war, ob die Referenden überhaupt zustande kommen würden. Erst Ende Oktober verfügte die Bundeskanzlei das Nichtzustandekommen der drei Referenden aufgrund fehlender Unterschriften. Vom 56-seitigen Bundesbüchlein waren also nur noch 18 Seiten (für die Änderung des Tierseuchengesetzes) gültig. Die Mehrkosten für den Druck betrugen rund CHF 1 Mio. Für lange Diskussionen sorgte aber auch die Kritik der Referendumskomitees an einzelne Gemeinden, welche für die Beglaubigung der Unterschriften zu viel Zeit gebraucht hätten. Das Bundesgesetz über politische Rechte (Art. 62) sieht vor, dass die Unterschriften „unverzüglich“ beglaubigt und dem Komitee zurückgegeben werden müssen. Vor allem die Auns bemängelte insbesondere Gemeinden aus dem Kanton Genf, die beglaubigte Unterschriften mittels B-Post zurückgeschickt hätten, welche dann nicht fristgerecht eingereicht werden konnten. Sie kündigte eine Liste säumiger Gemeinden und gar eine Beschwerde ans Bundesgericht an. Auch der Gewerbeverband beklagte das Verhalten der Gemeinden im Rahmen seiner Unterschriftensammlung gegen das Raumplanungsgesetz. In der Folge wurden verschiedene Lösungen diskutiert. Den Gemeinden solle etwa eine Frist vorgeschrieben werden oder die Beglaubigung sei ausserhalb der Referendumsfrist von 90 Tagen anzusetzen. Eine ähnliche Diskussion wurde bereits Anfang der 1990er Jahre geführt, als das Referendum gegen die NEAT nur sehr knapp zustande gekommen war. Die Staatspolitische Kommission reichte in der Folge eine Kommissionsmotion ein, die getrennte Fristen für das Sammeln und Beglaubigen der Unterschriften verlangt. Noch in der Wintersession nahm die grosse Kammer das Begehren an. Im Ständerat stand das Geschäft 2012 noch aus. Ebenfalls noch nicht behandelt war eine Motion Stamm (svp, AG) (12.4260), die die Verantwortung für die Beglaubigung nach der Frist für die Unterschriftensammlung an die Bundeskanzlei übertragen will.

Getrennten Fristen für das Sammeln und die Beglaubigung der Unterschriften für Intitiativen und Referenden (Motion)

Im Berichtjahr eröffnete der Bundesrat die Vernehmlassung zu einer Änderung des Regierungs- und Verwaltungsorganisationsgesetzes, die eine Klärung der Kompetenzen zwischen Legislative und Exekutive hinsichtlich der Ratifizierung völkerrechtlicher Verträge bringen soll. Bisher ist folgende Kompetenzaufteilung vorgesehen: Die Bundesversammlung genehmigt grundsätzlich alle völkerrechtlichen Verträge. Davon ausgenommen sind allerdings Verträge mit beschränkter Tragweite, die die Regierung selbständig abschliessen kann. Ebenfalls darf die Exekutive völkerrechtliche Verträge abschliessen, wenn sie durch ein Bundesgesetz oder durch einen von der Bundesversammlung genehmigtem Vertrag dazu ermächtigt wurde. Der Bundesrat schlug neu eine nicht abschliessende Liste vor, die alle Verträge festhält, die nicht von beschränkter Tragweite sind. Darüber hinaus empfahl die Regierung, die Möglichkeit für eine vorläufige Anwendung von Verträgen zu verringern. Neu soll eine Zweidrittelmehrheit der zuständigen Kommission beider Räte eine vorläufige Anwendung verhindern können. (Siehe dazu auch die Debatte um die Initiative „Staatsverträge vors Volk“.)

Ratifizierung völkerrechtlicher Verträge
Dossier: Kompetenzen des Bundesrates zum Abschluss völkerrechtlicher Verträge

Zum zweiten Mal seit Einführung dieser Möglichkeit im Januar 2010 wurde eine Initiative bedingt zurückgezogen: Ein bedingter Rückzug einer Initiative wird dann wirksam, wenn ein indirekter Gegenvorschlag in Kraft tritt. Die Initiative „für menschenfreundliche Fahrzeuge (Offroader-Initiative)“ wurde unter der Bedingung zurückgezogen, dass die im März vom Parlament beschlossene Änderung des Bundesgesetzes über die Reduktion der CO2-Emissionen in Kraft tritt. Die Initiative sieht vor, dass neue Autos ab 2015 lediglich 130 Gramm CO2 pro Kilometer ausstossen dürfen. Die Initianten bemängelten, dass die Regelung erst im Mai 2012 und nicht wie versprochen im Januar 2012 in Kraft gesetzt wird, sahen aber von einer Reaktivierung ihrer Initiative letztlich trotzdem ab.

Bedingte Rückzüge von Volksinitiativen