Suche zurücksetzen
Themenübergreifendes Suchen:

Inhalte

  • Institutionen und Volksrechte
  • Regierungsreformen

Akteure

Prozesse

95 Resultate
Als PDF speichern Weitere Informationen zur Suche finden Sie hier

Der kurz vor den Bundesratsgesamterneuerungswahlen 2019 von CVP-Parteipräsident Gerhard Pfister (ZG) angekündigte Konkordanzgipfel fand am 12. März 2020 statt. Wie erwartet war das Thema Regierungszusammensetzung nach den Bundesratswahlen, bei denen der Angriff der Grünen abgewehrt und der Status Quo bestätigt worden war, von der politischen Agenda verschwunden. Diese «Grabesstille» sei verständlich, da sich jetzt mit den Regeln der Regierungswahlen 2023 zu beschäftigen «dem Einkauf von Christbäumen im Frühling» gleichkomme, argwöhnte Wolf Linder in der NZZ. Der Konkordanzgipfel sei aber sinnvoll, so der emeritierte Politikwissenschafter weiter, da man Regeln besser vor dem Spiel ändere, wenn man noch nicht wisse, wer Gewinner oder Verlierer sein werde.
Der Einladung der CVP folgten die Spitzen aller Fraktionen im Parlament. Die NZZ wusste zu berichten, dass sich die Parteipräsidien, die Fraktionschefs sowie die Parteigeneralsekretäre in einem Sitzungszimmer im Bundeshaus treffen wollten. Wo genau, sei allerdings geheim, da niemand den Medien Red und Antwort stehen wollte. Das «klandestine Treffen» sei nichts weiter als eine erste Auslegeordnung, gaben denn auch die Parteipräsidentinnen und -präsidenten der NZZ zu Protokoll. Gerhard Pfister hoffte allerdings, dass bis im Sommer 2021 eine Einigung für mögliche Regeln zur Zusammensetzung des Bundesrats gefunden werden könnte. Danach würden die Parteien wohl in den Wahlkampfmodus schalten. Immerhin schien man sich beim ersten Treffen auf weitere Gespräche geeinigt zu haben.

Reformideen im Nachgang der Bundesratswahlen 2019

Eine Folge der eidgenössischen Wahlen 2019, die einen massiven Wahlgewinn der Grünen und eine Niederlage der Polparteien mit sich gebracht hatten, waren die virulenten Diskussionen um die Zusammensetzung und die Bestellung des Bundesrats. Auf der einen Seite wurde eine neue Zauberformel gefordert. Das Parlament müsse bei der Bestellung der Regierung rascher auf Veränderungen reagieren können. Auf der anderen Seite wurden Reformen gefordert, die eine Erhöhung der Zahl der Regierungsmitglieder, Koalitionsverhandlungen oder einen eigentlichen Systemwechsel weg von der Konkordanzidee vorsahen.

Die Zauberformel, die 1959 mit der Idee eingeführt worden war, dass die drei grössten Parteien je zwei und die viertgrösste Partei einen Sitz erhalten soll, wurde durch die aktuellen Wahlresultate gleich mehrfach in Frage gestellt. Jahrzehntelang passte die Formel gut zu den Kräfteverhältnissen, weil die FDP, die CVP und die SP bei den Nationalratswahlen jeweils mehr als 20 Prozent Wähleranteile hinter sich wussten und die SVP auf jeweils etwas mehr als zehn Prozent zählen konnte. Eine erste Verschiebung der Kräfteverhältnisse führte 2003 zu einem Sitzwechsel von der CVP zur SVP. Nach einer durch die Nichtbestätigung von Christoph Blocher 2007 beginnenden Übergangsphase, während der CVP, SVP und BDP je einen Sitz hatten, kehrte man mit der Wahl von Guy Parmelin im Jahr 2015 wieder zu dieser 2-2-2-1-Verteilung zurück – neu mit der CVP als Juniorpartner. War diese Verteilung freilich schon 2015 hinterfragbar, geriet sie 2019 vollends in die Kritik, weil mit der SVP nur noch eine Partei über 20 Prozent Wähleranteil verfügte (25.6%), aber vier Parteien neu über 10 Prozent lagen: Die SP mit 16.8 Prozent, die FDP mit 15.1 Prozent, die Grünen mit 13.2 Prozent und die CVP mit 11.4 Prozent. Diese Verteilung liess Raum für zahlreiche Rechenspiele, die in den Medien für viel Gesprächsstoff sorgten und die Diskussionen im Vorfeld der Bundesratswahlen anheizten.

Eine neue Zauberformel wurde natürlich insbesondere von den Gewinnerinnen und Gewinnern der eidgenössischen Wahlen 2019 gefordert. Die Frage war freilich, auf wessen Kosten die Grünen einen Bundesratssitz erhalten sollten. Wahlweise vorgeschlagen wurde, dass die CVP als neu kleinste Partei verzichten müsse. Aber auch die FDP und die SP hätten eigentlich – je nach Berechnung – keinen Anspruch auf zwei Sitze. Die GP selber forderte – unterstützt von der SP – den Sitz von FDP-Bundesrat Ignazio Cassis. Mediale Aufmerksamkeit erhielt ein Vorschlag von Christoph Blocher, der eine Proporz-Zusammensetzung vorschlug, die der SVP zwei Sitze und allen anderen Parteien inklusive der GLP (die bei den Wahlen auf 7.8% Wähleranteil gewachsen war) je einen Sitz zugestand. Freilich wurde in der Diskussion auch die Frage laut, ob für die Berechnung der Zusammensetzung lediglich die Wählerprozente, also nur die Zusammensetzung des Nationalrats, oder nicht vielmehr die Sitzverteilung in National- und Ständerat herangezogen werden müssten. Auf der Basis der totalen Anzahl Sitze aus beiden Kammern wäre die CVP (total 38 Sitze) wiederum stärker als die GP (total 33 Sitze), was für den Status Quo sprechen würde.
Eine Erweiterung der Diskussion wurde durch die Überlegung geschaffen, nicht Parteien, sondern Blöcke zu betrachten. Die NZZ schlug vor, den Polen – bestehend aus SVP auf der einen und SP zusammen mit den Grünen auf der anderen Seite – je zwei Sitze und den Parteien in der Mitte (FDP, CVP und allenfalls GLP) drei Sitze zuzusprechen. Wenn die Grünen einen Sitz erhielten und die SP ihre beiden Sitze behalten würde, dann wäre das linke Lager, das kumuliert auf rund 30 Prozent Wählerstärke komme, stark übervertreten, so die Argumentation der NZZ.

Als Problem für eine flexiblere Gestaltung der Regierungszusammensetzung wurde zudem die variable Amtszeit der Bundesrätinnen und Bundesräte ausgemacht. Würde die Amtszeit eines Regierungsmitglieds auf acht Jahre fixiert – inklusive der Verpflichtung, nicht freiwillig vor Ablauf dieser Zeit zurückzutreten – ergäben sich bei jeder Gesamterneuerungswahl Vakanzen, die eine Neuausrichtung der parteipolitischen Zusammensetzung des Bundesrats vereinfachen würden, schlug CVP-Parteipräsident Gerhard Pfister (cvp, ZG) als weitere – schon etwas ältere – Idee vor.

Ein weiteres, medial diskutiertes Problem der starren 2-2-2-1-Zauberformel war die Repräsentativität des Bundesrats. Wurden 1959 durch die vier Regierungsparteien noch 85 Prozent der Wählerschaft (gemessen anhand der Wählerprozente bei den Nationalratswahlen) repräsentiert, sank dieser Wert aufgrund der zunehmenden Volatilität, aber auch aufgrund der Ausdifferenzierung des Parteiensystems 2019 erstmals unter 70 Prozent (68.9%). Die «formule magique» verliere ihre Magie, urteilte die Zeitung Le Temps auf Basis dieser Zahlen. In der Regierung müsse sich der Wille der Wählenden unmittelbar niederschlagen; wer fordere, dass die Grünen ihren Wahlerfolg in vier Jahren noch einmal bestätigen müssten, um einen Anspruch auf Einbindung in die Regierung zu haben, sei deshalb «ein schlechter Demokrat», urteilte der Tages-Anzeiger. Letztlich seien es «nicht die Wahlprozente, sondern die Mandatsträger im National- und im Ständerat», welche über die Regierungszusammensetzung entschieden. Dies sei «die eigentliche Machtarithmetik der Bundesratswahlen», kommentierte der emeritierte Historiker Urs Altermatt in der NZZ.

Als Alternative zu einer neuen Zauberformel und als Möglichkeit einer besseren Repräsentation wurde eine weitere alte Idee hervorgekramt: die Erhöhung der Zahl der Regierungsmitglieder auf neun. Zwar waren in der Vergangenheit zahlreiche Vorstösse für eine Umsetzung dieser Idee gescheitert – etwa im Rahmen der Staatsleitungs- und Regierungsreform zu Beginn des Jahrtausends, aber auch bei Debatten zu einzelnen Reformvorschlägen –, die elf Prozent Wähleranteil, die rein arithmetisch bei neun Sitzen für einen Bundesratssitz reichen würden, würden aber ermöglichen, dass die Grünen einen Sitz erhielten, ohne dass die CVP einen Sitz abgeben müsste, so ein Argument in der Aargauer Zeitung. Insbesondere Christian Levrat (sp, FR) machte sich in den Medien für die Erhöhung der Anzahl Regierungsmitglieder stark. Damit könne nicht nur dem Anspruch der Grünen genüge getan werden, so der SP-Parteipräsident, sondern es sei auch nicht mehr zeitgemäss, lediglich sieben Minister zu haben. Dies sei weltweit fast einmalig wenig.

Weitere Vorschläge stellten die Idee der Konkordanz grundsätzlich in Frage. Nicht die wichtigsten Kräfte sollten in der Regierung vertreten sein, stattdessen müsse man ein Oppositionssystem einführen, in welchem wahlweise eine Mitte-Rechts- oder eine Mitte-Links-Regierung einer linken oder rechten Opposition gegenüberstehe, so ein Vorschlag im Tages-Anzeiger. Auch die Idee, dass Parteien mit programmatischen Koalitionsvorschlägen für die Regierung kandidieren könnten, würde das bestehende Konkordanzsystem verändern. Man müsse aber in der Tat mehr über politische Inhalte als bloss über Formeln sprechen, forderte die Aargauer Zeitung.

Man komme wohl in Zukunft nicht darum herum, die Regierungszusammensetzung nach jeden Gesamterneuerungswahlen neu zu diskutieren, folgerte der Tages-Anzeiger. Freilich steht die Konkordanz und die Zusammensetzung der Regierung schon seit einigen Jahren und stets bei Bundesratswahlen zur Diskussion, nur um dann für die nächsten vier Jahre wieder aus dem Fokus der Medien zu verschwinden. Um ebendies nach den Bundesratswahlen 2019, die hinsichtlich Regierungszusammensetzung trotz aller Reformdiskussionen den Status Quo zementierten, zu verhindern, schlug Gerhard Pfister einen «Konkordanzgipfel» vor, wie ihn die Medien betitelten: «Wir müssen die Zauberformel im Bundesrat, die Konkordanz in der Landesregierung, neu erfinden», gab Pfister im Sonntags-Blick zu Protokoll. Es gehöre zum Schweizer System, dass man gemeinsam nach Lösungen suche, begrüsste GLP-Parteipräsident Jürg Grossen (glp, BE) die Initiative der CVP. Alle Parteien waren sich einig, dass die Regeln den zunehmend volatiler werdenden Wahlresultaten angepasst werden müssen. Wie diese Anpassung auszusehen hat, blieb hingegen naturgemäss umstritten.

Reformideen im Nachgang der Bundesratswahlen 2019

Weil die SPK-NR an ihrer parlamentarischen Initiative zur Einführung einer Karenzfrist für ehemalige Regierungsmitglieder festgehalten und auch ihren Rat hinter sich gebracht hatte, musste der Vorstoss, nachdem sich die SPK-SR ein zweites Mal gegen den Vorschlag ausgesprochen hatte, nun auch in der kleinen Kammer behandelt werden. Im Rat erklärte Kommissionssprecher Philipp Müller (fdp, AG) die für die Ablehnung durch die ständerätliche Kommission ausschlaggebenden Argumente. Man habe sich schon einmal deutlich gegen einen ähnlichen Vorstoss ausgesprochen, weil es nicht möglich sei, eine Zeitspanne zu definieren, innerhalb derer ehemalige Magistratinnen und Magistraten keine Mandate annehmen dürften, die in Beziehung mit ihrem Bundesratsamt stünden. Eine generell-abstrakte Regelung für alle möglichen Einzelfälle sei nicht möglich und es sei vernünftiger, an das Verantwortungsbewusstsein ehemaliger Regierungsmitglieder zu appellieren. Müller stellte zudem die rhetorische Frage, weshalb Wirtschaft und Gesellschaft nicht von der Expertise ehemaliger Bundesrätinnen und Bundesräte profitieren sollten. Der Ständerat versenkte die parlamentarische Initiative in der Folge diskussionslos, indem er ihr keine Folge gab.

Karenzfrist für ehemalige Regierungsmitglieder (Pa. Iv. 18.463)
Dossier: Karenzfrist für Bundesratsmitglieder

Auch der neuerliche Versuch einer Aufstockung des Bundesrates nahm letztlich ein abruptes Ende. Nach einer längeren Debatte entschied sich der Nationalrat für Nichteintreten und versenkte damit das Anliegen, mit welchem vor allem auch eine bessere Vertretung der Sprachregionen angestrebt werden sollte. Eben diese sprachliche Repräsentation war Gegenstand der meisten Voten, die für ein Eintreten plädierten. Marco Romano (cvp, TI) wies etwa darauf hin, dass nach dem Rücktritt von Flavio Cotti, am 30. April 1999, die italienische Amtssprache seit fast einer Generation nicht mehr in der Regierung vertreten sei. Diesem gewichtigen Argument standen freilich zahlreiche Gegenpositionen gegenüber: Die effizientere Funktion der Kollegialbehörde mit sieben statt neun Mitgliedern; die Angst vor einem Staatsausbau, der mit hohen Mehrkosten verbunden wäre; die ablehnende Haltung der meisten Parteien und Kantone, welche in der Vernehmlassung zum Entwurf immer deutlicher werde und insbesondere die ablehnende Haltung der aktuellen Regierungsmitglieder selber wogen letztlich schwerer. Auch der von den Grünen eingebrachte Aspekt, dass mit einer grösseren Zahl der Exekutivmitglieder zugleich die Vertretung von Frauen adäquater würde, verfing nicht. Eine relativ knappe Mehrheit von 97 zu 88 Stimmen (keine Enthaltung) folgte diesbezüglich wohl auch dem Einwurf von Bundesrätin Sommaruga, dass adäquate Repräsentation letztlich vom Willen der Wahlgremien abhängig sei und nicht institutionell abgesichert werden müsse. Gegen Eintreten waren die fast geschlossene SVP-Fraktion – einzig die beiden Tessiner Lega-Mitglieder Roberta Pantani und Lorenzo Quadri sprachen sich für Eintreten aus –, ein Grossteil der FDP-Fraktion (22 von 27 Stimmen) und die Hälfte der CVP-Fraktion. Die Stimmen der geschlossenen Fraktionen der GP, der SP, der GLP und der BDP reichten also nicht, um das Geschäft überhaupt zu beraten. Die Forderung nach einer Aufstockung des Bundesrates wird damit wohl wieder eine Weile von der Bildfläche verschwinden – nicht aber die Diskussionen um die adäquate Vertretung von Minderheiten in der Exekutive.

Erhöhung der Anzahl Bundesräte (Pa.Iv. 13.443)
Dossier: 9 statt 7 Bundesratsmitglieder?

Anfang Februar legte die SPK-NR einen Entwurf mit zwei Verfassungsänderungen vor. Erstens sollte der Bundesrat von sieben auf neun Mitglieder aufgestockt werden. Zweitens soll genauer ausgeführt werden, wie die verschiedenen Landesgegenden und Sprachregionen kohärenter in der Regierung vertreten sein sollen (Artikel 175 Absatz 4 BV). Die personelle Aufstockung der Regierungsbehörde solle insbesondere zu einer besseren Vertretung der Sprachregionen führen. Darüber hinaus könne damit auch die seit dem 19. Jahrhundert bunter gewordene, parteipolitische Vielfalt adäquater repräsentiert werden. Schliesslich würde eine Aufstockung auch eine Entlastung bedeuten, weil die gewachsenen Regierungsaufgaben und die durch internationale Verflechtung komplexer gewordenen Anforderungen an die Regierungsmitglieder auf mehr Schultern verteilt werden könnten. Artikel 175, Absatz 4 soll sprachlich vereinheitlicht werden. Während die deutsche Fassung von Rücksichtnahme auf die Sprachregionen bei der Besetzung des Bundesrates spricht, sind die französisch- und italienischsprachigen Fassungen stärker als Muss-Form formuliert. Auch wenn dieser Artikel vorwiegend deklaratorischen Charakter und eher symbolische Wirkung habe, müsse er in allen Sprachen das Gleiche bedeuten. Er soll an die lateinischen Fassungen angepasst werden.
Der Bundesrat nahm Ende April Stellung zum Entwurf. Er hob die Bedeutung der sprachlichen Repräsentation hervor und begrüsste die geplante Anpassung der sprachlichen Fassung von Artikel 175, Absatz 4, verwahrte sich aber gegen eine personelle Aufstockung. Eine adäquate Vertretung der Sprachregionen liege in der Verantwortung der Vereinigten Bundesversammlung und müsse nicht durch eine strukturelle Reform gesichert werden. Die sprachliche Diversität sei zudem, über die Jahre betrachtet, durchaus gegeben. Des Weiteren würden mehr Mitglieder das Kollegialprinzip erschweren und einen administrativen Mehraufwand nach sich ziehen. Ein Blick auf die Geschichte zeige, dass eine Erhöhung der Anzahl Bundesräte bis dato nicht mehrheitsfähig sei: 1900 und 1942 scheiterten Volksinitiativen mit diesem Vorschlag und die Idee hatte auch im Rahmen der 2001 lancierten Staatsleitungsreform Schiffbruch erlitten. Erst 2013 waren zwei entsprechende Standesinitiativen aus dem Kanton Tessin im Parlament gescheitert.

Erhöhung der Anzahl Bundesräte (Pa.Iv. 13.443)
Dossier: 9 statt 7 Bundesratsmitglieder?

Obwohl die grossangelegte Regierungsreform nach rund zehnjähriger Behandlungszeit 2013 endgültig gescheitert war und dabei auch Vorschläge zur Erhöhung der Anzahl Bundesräte abgelehnt wurden, hielt die Staatspolitische Kommission des Nationalrates (SPK-NR) an dieser Idee fest und lancierte eine auch von ihrer Schwesterkommission (SPK-SR) unterstützte parlamentarische Initiative. Begründet wird die Idee insbesondere mit der ungenügenden Vertretung der Sprachregionen im Regierungsgremium – eine der 2012 abgelehnten Forderungen war eine Standesinitiative des Kantons Tessin gewesen. Zudem sei die seit 1848 stark gewachsene Regierungstätigkeit auf zusätzliche Schultern zu verteilen, was nicht nur zu höherer Legitimation, sondern auch zu einer sinnvolleren Departementsbildung führen könne. Wie gering die Unterstützung für diese Idee allerdings nach wie vor ist, zeigte die von März bis Juli 2015 durchgeführte Vernehmlassung des Entwurfs der SPK-NR: 19 Kantonsregierungen lehnen die Reform ab, fünf begrüssen sie und zwei äussern sich skeptisch. Von den Parteien sprechen sich CVP, FDP, GLP und SVP gegen die Reformidee aus, während sie von SP, GP und BDP begrüsst wird. Während auf Gegnerseite darauf hingewiesen wird, dass sprachliche Repräsentation eine Frage des politischen Willens sei und eine Aufstockung hohe Kosten verursachen würde, wiesen die Befürworter darauf hin, dass der hohe Arbeitsaufwand zu einer Delegation von Verantwortung an die Verwaltung führe, was aus parlamentarischer Sicht keine gute Entwicklung darstelle. Die Behandlung des Geschäftes wie auch eine Anfang Februar 2014 eingereichte Petition (14.2005), die ebenfalls eine Erhöhung der Anzahl Bundesräte fordert, wird wohl 2016 in Angriff genommen.

Erhöhung der Anzahl Bundesräte (Pa.Iv. 13.443)
Dossier: 9 statt 7 Bundesratsmitglieder?

Nicht nur Wirtschaftskader geraten ob ihrer Entlohnung in die Medien, sondern in schöner Regelmässigkeit auch immer wieder die Bundesrätinnen und Bundesräte. Laut der Bundesinformationsseite ch.ch verdiente ein Mitglied der Landesregierung im Jahr 2015 rund CHF 445'000 zuzüglich etwa CHF 30'000 Spesenentschädigung. Das Präsidialamt wird mit zusätzlichen CHF 12'000 pro Jahr entschädigt. Zu diskutieren gaben allerdings nicht die im Vergleich zur Privatwirtschaft eher geringen Saläre der aktiven Bundesrätinnen und Bundesräte als vielmehr die Ruhegehälter der ehemaligen Magistratinnen und Magistrate. Diese erhalten in der Regel die Hälfte des Lohnes, den sie während ihrer Amtszeit bezogen hatten. Voraussetzung ist allerdings, dass die Amtszeit mindestens vier Jahre betragen hat. War dies nicht der Fall oder ist ein ehemaliges Regierungsmitglied weiterhin arbeitstätig, wird das Ruhegehalt gekürzt - insbesondere dürfen das Einkommen aus Erwerbstätigkeit und die Pension zusammen den Lohn während der Amtszeit nicht übersteigen. Auch die Witwen ehemaliger Bundesräte erhalten eine Entschädigung, die in etwa ein Viertel des Lohnes des Verstorbenen ausmacht. Diese seit 1919 geltende Regel war nach der Nicht-Bestätigung von Ruth Metzler in Anbetracht des jungen Alters der CVP-Magistratin virulent diskutiert worden. Auch Parlamentarier stiessen sich damals am Umstand, dass die junge Ex-Magistratin während langer Zeit ein Ruhegehalt beziehen würde. Metzler gab damals ihren Verzicht auf die Rente bekannt. Mediale und parlamentarische Auseinandersetzungen zum Thema Ruhegehalt löste auch die Bekanntgabe von alt-Bundesrat Moritz Leuenberger aus, dass dieser bei der Implenia ein Verwaltungsratsmandat übernommen hatte. 2015 störte sich der Blick am Umstand, dass Alt-Bundesrat Kaspar Villiger trotz eines mehrere Millionen umfassenden Vermögens das volle Ruhestandsgehalt erhielt. Die Weltwoche berichtete über den Versuch der Bundeskanzlerin Corina Casanova, Licht ins Dunkel der Ruhegehälter zu bringen. Wer genau wie viel Ruhegehalt bezieht, ist nämlich ein gut gehütetes Geheimnis und es werden lediglich die Gesamtsumme und die Anzahl Renten öffentlich gemacht – laut Weltwoche bezogen 2014 fünfzehn ehemalige Bundes­räte, drei ehemalige Bundeskanzler sowie vier Witwen insgesamt CHF 4,4 Mio. Ruhegehalt. Unklar bleibt somit zum Beispiel, ob Ruth Metzler, Joseph Deiss oder Christoph Blocher nach wie vor auf ihre Rente verzichten, wie sie dies in der Presse verlauten liessen. Laut Weltwoche prallte die Bundeskanzlerin mit ihrem Begehren, das sie mit immer zahlreicher werdenden Anfragen seitens der Medien begründete, an einer Mauer des Schweigens ab: Die angefragten ehemaligen Mandatsträgerinnen und Mandatsträger möchten Anonymität in Sachen Ruhegelder bewahren – so das Fazit des Wochenblattes.

Ruhegehälter der ehemaligen Magistratinnen und Magistraten
Dossier: Ruhestandsgehälter von Magistratspersonen

Mit Anfang 2015 trat ein Teil der 2012 vom Parlament beschlossenen Staatsleitungsreform in Kraft: Das Bundespräsidialamt wird fortan durch einen Präsidialdienst unterstützt. Mit der Änderung des Regierungs- und Verwaltungsorganisationsgesetzes (RVOG) steht der Bundespräsidentin oder dem Bundespräsidenten neu ein Stab zur Seite, der die bis anhin von der Bundeskanzlei und dem EDA erbrachten Aufgaben in Form von aussenpolitischer Beratung gebündelt wahrnimmt. Mit der Zeit sollen bei der neu geschaffenen Stelle Fachwissen angesammelt und Kontaktnetze aufgebaut werden. Damit soll die Beratung des wechselnden Bundespräsidialamtes beständiger und effizienter werden.

Staatsleitungsreform

Den beiden im Vorjahr vom Nationalrat abgelehnten Standesinitiativen des Kantons Tessin, die eine Erhöhung der Zahl der Bundesratsmitglieder von sieben auf neun gefordert hatten, gaben auch die Kantonsvertreter in der Frühjahrssession keine Folge. Zwar hatte die Staatspolitische Kommission (SPK-SR) das eine Begehren (Kt.Iv. 12.307), welches zusätzlich zur Erhöhung eine Verfassungsbestimmung einführen wollte, mit der verboten werden sollte, dass mehr als zwei Mitglieder der Bundesregierung aus der gleichen Sprachgegend komme, abgelehnt, die reine Erhöhung – alleiniger Gegenstand der zweiten Tessiner Kantonsinitiative (Kt.Iv. 10.321) – empfahl die SPK-SR allerdings zur Annahme. Mit der Ablehnung der Staatsleitungsreform sei das Thema zwar negativ beantwortet worden, die Kommission sehe es aber nach wie vor als wichtig an. Mit zwei zusätzlichen Bundesräten würde die integrierende Funktion des Bundesrates in den verschiedenen Sprachregionen verbessert und die Arbeitslasten könnten adäquater verteilt werden. Die Gegner – sogar Bundesrätin Sommaruga (sp) schaltete sich in die Diskussion ein, obwohl der Bundesrat in der Regel bei einer Vorprüfung einer Standesinitiative nicht Stellung nimmt – befürchteten eine Belastung des Kollegialprinzips, das mit neun Personen nicht mehr funktionieren könne. Das Gegenargument verfing im Ständerat letztlich knapp und beiden Initiativen wurde mit 21 zu 20 Stimmen bei 2 Enthaltungen keine Folge gegeben. Die Motionen Jacqueline Fehr (sp, ZH) (11.4103), Christine Bulliard-Marbach (cvp, FR) (11.4110) und Dominique de Buman (cvp, FR) (11.4107), die alle das gleiche Anliegen vertraten, wurden, weil mehr als zwei Jahre hängig, Ende Berichtjahr abgeschrieben. Die Diskussionen wurden damit allerdings nicht beendet: Die SPK-NR beschloss nämlich Ende August, eine Kommissionsinitiative (Pa.Iv. 13.443) auszuarbeiten, die eine Erhöhung des Bundesrates auf neun Mitglieder und die angemessene Vertretung der Landesgegenden und Sprachgemeinschaften in der Exekutive erneut aufs Tapet bringen soll.

Zwei Tessiner Standesinitiativen auf Erhöhung der Anzahl Bundesratsmitglieder werden abgelehnt (Kt.Iv. 10.321; Kt.Iv. 12.302)
Dossier: 9 statt 7 Bundesratsmitglieder?

Von der Debatte zur Staatsleitungs- und Regierungsreform blieb einzig eine Revision des Regierungs- und Verwaltungsorganisationsgesetzes übrig, welche die Regierungsführung stärken soll, indem die Bundeskanzlei das Sekretariat der Bundesratsausschüsse übernimmt. Zudem soll die Bundeskanzlei auch Unterstützung hinsichtlich Krisenmanagements leisten und dafür eine langfristige und kontinuierliche Lage- und Umfeldanalyse vornehmen, welche die Regierung früh und umfassend über kommende Entwicklungen und Herausforderungen informieren soll. Der von den Räten 2012 beschlossene Präsidialdienst wird ab 11. Januar 2015 zur Verfügung stehen. Das gab der Bundesrat im Rahmen seiner Sitzung Mitte Mai bekannt.

Jahrelanges Gezerre um Bundesratsvorlage bringt am Ende wenig Zählbares (BRG. 01.080)
Dossier: Bundesratsvorlage für eine Staatsleitungs- und Regierungsreform 2001
Dossier: 9 statt 7 Bundesratsmitglieder?

Die unendliche Geschichte um die Staatsleitungs- und Regierungsreform fand im Berichtjahr schliesslich doch ein Ende. Zur Erinnerung: Die Räte hatten 2004 eine Vorlage des Bundesrates zurückgewiesen. Nach einer erfolgreich umgesetzten Verwaltungsreform hatte dann die Exekutive 2009 erneut Reformbedarf angemeldet und die Arbeiten zur Staatsleitungs- und Regierungsreform wieder aufgenommen. Die Optimierung der Regierungstätigkeit wurde zudem auch vom GPK-Bericht zur UBS-Krise angemahnt. Die Zusatzbotschaft war allerdings im Vorjahr von beiden Räten erneut zerzaust worden. Auf die zuletzt übrig gebliebene Idee einer zweijährigen Amtszeit des Bundespräsidenten war der Nationalrat 2012 nicht eingetreten. Diesem Entscheid folgte der Ständerat in seiner Frühjahrssession 2013 und versenkte die Vorlage damit endgültig.

Jahrelanges Gezerre um Bundesratsvorlage bringt am Ende wenig Zählbares (BRG. 01.080)
Dossier: Bundesratsvorlage für eine Staatsleitungs- und Regierungsreform 2001
Dossier: 9 statt 7 Bundesratsmitglieder?

Nachdem sich 2012 die Staatspolitischen Kommissionen (SPK) der beiden Kammern uneinig gewesen waren über eine parlamentarische Initiative Minder (parteilos, SH), welche auf eine Reform des Wahlverfahrens bei der Bestellung der Bundesräte abzielte, kam das Geschäft im Berichtjahr in den Ständerat. Minder forderte eine gleichzeitige und gesamthafte Wahl der Regierungsmitglieder, um taktischen Spielchen vorzubeugen. Die ständerätliche Kommission hatte den Vorstoss mit Stichentscheid des Präsidenten gutgeheissen, in der SPK-NR war die bisherige nacheinander erfolgende Einzelwahl aber vorgezogen worden mit der Begründung, Parteitaktik könne durch neue Regelungen nicht verhindert werden. Mit demselben Argument wurde der Initiative dann auch in der kleinen Kammer mit 30:8 Stimmen keine Folge gegeben.

Reform des Wahlverfahrens bei der Bestellung der Bundesräte

Neben der Erhöhung der Zahl der Regierungsmitglieder wurden im Rahmen der schier endlosen Debatte um eine Staatsleitungsreform – das Geschäft war Ende 2001 eingereicht, 2004 an den Bundesrat zurückgewiesen und 2010 mit einem Zusatzbericht ergänzt worden – zwei weitere Vorschläge diskutiert: die Verlängerung des Bundesratspräsidiums um ein Jahr und eine Erhöhung der Anzahl der Staatssekretäre bzw. eine Erweiterung deren Funktion. Der Bundesrat erhoffte sich von einer Verlängerung des Präsidiums, für die er sich in der Zusatzbotschaft von 2010 stark gemacht hatte, eine bessere und kontinuierlichere Repräsentation im Ausland und die effizientere Nutzung von Erfahrungen. Der Nationalrat beschloss allerdings, nicht auf diesen Punkt einzutreten, womit die Idee eines zweijährigen Präsidiums vorläufig vom Tisch war. Beide Räte willigten hingegen in eine Revision des Regierungs- und Verwaltungsorganisationsgesetzes ein, die die Rolle der Bundeskanzlei aufwertet, einen permanenten Präsidialstab einrichtet und die Schaffung zusätzlicher Staatssekretäre erlaubt. Allerdings forderten die Räte, dass die Regierung die Staatssekretäre primär im Verkehr mit dem Ausland aber nicht – wie vom Bundesrat vorgeschlagen – für Verhandlungen mit dem Parlament einsetzen soll.

Jahrelanges Gezerre um Bundesratsvorlage bringt am Ende wenig Zählbares (BRG. 01.080)
Dossier: Bundesratsvorlage für eine Staatsleitungs- und Regierungsreform 2001
Dossier: 9 statt 7 Bundesratsmitglieder?

Die regelmässig vor allem von Minderheiten vorgebrachte Forderung einer Erhöhung der Zahl der Bundesratsmitglieder von sieben auf neun war auch im Berichtsjahr Gegenstand parlamentarischer Beratung. Im Nationalrat stiessen zwei Standesinitiativen des Kantons Tessin (10.321 und 12.307) allerdings auf taube Ohren. Die Mehrheit der zuständigen staatspolitischen Kommission hob die Vorteile der geringeren Zahl in einem Kollegium hervor und wies darauf hin, dass mehr Sitze nicht unbedingt wie von den Initianten erhofft eine adäquatere Repräsentation aller Landesteile bedeuten würde, sondern dass eher grössere Kantone davon profitieren könnten. Gegen den zweiten Tessiner Vorstoss, der zusätzlich eine adäquate Vertretung der Landesteile gefordert hatte, wendete die Kommission ein, dass der Bundesrat kein Repräsentativorgan sein dürfe. Das Kollegium müsse das gesamte Landesinteresse und nicht einzelne Regionen vertreten. Die grosse Kammer folgte ihrer Kommission allerdings nur knapp mit 92 zu 85 Stimmen gegen die erste und mit 97 zu 77 Stimmen gegen die zweite Standesinitiative. Auf Sympathien stiess die Idee bei Teilen der CVP- und der FDP-Fraktion. Die SP und die GP stimmten geschlossen für das Anliegen, die GLP geschlossen und die SVP mit grosser Mehrheit dagegen. Die Minderheit wies vergeblich auf die wichtige symbolische Bedeutung der Vertretung der verschiedenen Landesteile in der Regierung hin. Die Diskussion dürfte – obwohl beide Kammern im Rahmen der Staatsleitungsreform eine Vergrösserung der Regierung abgeschrieben haben (siehe unten) – noch nicht abgeschlossen sein, da gleich drei im Nationalrat eingereichte im Berichtjahr aber noch nicht behandelte Motionen (11.4103, 11.4107, 11.4110) hängig sind. Im Ständerat wurde derweil ein Postulat Comte (fdp, NE) (11.4215) knapp mit 19 zu 18 Stimmen abgelehnt. Es hätte vom Bundesrat einen Bericht mit Massnahmen für eine bessere Vertretung der Landesteile – insbesondere der italienischsprachigen Regionen – im Bundesrat gefordert.

Zwei Tessiner Standesinitiativen auf Erhöhung der Anzahl Bundesratsmitglieder werden abgelehnt (Kt.Iv. 10.321; Kt.Iv. 12.302)
Dossier: 9 statt 7 Bundesratsmitglieder?

Gleich zwei parlamentarische Initiativen Minder (parteilos, SH) zielten auf eine Reform des Wahlverfahrens bei der Bestellung der Bundesräte ab. Im ersten Vorstoss forderte der Schaffhauser Ständerat, dass Bundesräte gesamthaft und nicht einzeln gewählt werden. Gewählt würde in mehreren Runden so lange, bis die nötige Anzahl Personen (sieben bei Gesamterneuerungswahlen) das absolute Mehr erreicht haben. Damit würde taktischen und parteipolitischen Ränkespielen ein Riegel vorgeschoben. Die zweite Initiative wollte die Gesamterneuerungswahl der Exekutive zeitlich nach hinten verschieben. Konkret: der Bundesrat sollte erst ein Jahr nach den Gesamterneuerungswahlen des Nationalrates bestellt werden. Damit sollte neu gewählten Ratsmitgliedern die Möglichkeit gegeben werden, die Bundesräte und allfällige Ersatzkandidatinnen und -kandidaten besser kennen zu lernen. Darüber hinaus würde damit vermieden, dass zu spät vereidigte, gewählte National- und Ständeräte den Wahltag verpassen würden. Schliesslich würde damit auch die zunehmend vorgebrachte Forderung der Übersetzung von Wähleranteilen in Regierungssitze abgeschwächt. Nachdem die Staatspolitische Kommission des Ständerats (SPK-S) die zweite Vorlage mit der Begründung abgelehnt hatte, dass das Parlament bei grossen Wahlverschiebungen rasch handeln können müsse, da es sonst zu Friktionen zwischen Legislative und Exekutive kommen könne, zog Minder diesen Vorstoss zurück. Mehr Erfolg hatte hingegen seine erste Idee, für die von der SPK-S mit Stichentscheid des Präsidenten Folge geben beantragt wurde. Die Wahlreihenfolge sei in der Tat ein sachfremdes Kriterium. Mit einer Listenwahl werde die Wahlfreiheit der Mitglieder der Bundesversammlung hingegen erweitert, da ein Kandidierender auch nicht gewählt werden könne, ohne dass dabei Auswirkungen auf nachfolgende Kandidierende bedacht werden müssten. Die SPK-N verweigerte im Berichtjahr allerdings ihre Zustimmung. Die Behandlung in den Räten stand Ende 2012 noch aus.

Reform des Wahlverfahrens bei der Bestellung der Bundesräte

Nach den Bundesratswahlen wurden Stimmen laut, die zwecks besserer Vertretung der Regionen neun statt sieben Bundesratssitze forderten. Insbesondere das Tessin, aber auch die Zentral- und Nordostschweiz bemängelten, dass sie seit längerem nicht mehr in der Regierung vertreten gewesen seien.

Zwei Tessiner Standesinitiativen auf Erhöhung der Anzahl Bundesratsmitglieder werden abgelehnt (Kt.Iv. 10.321; Kt.Iv. 12.302)
Dossier: 9 statt 7 Bundesratsmitglieder?

Im Berichtjahr eröffnete der Bundesrat die Vernehmlassung zu einer Änderung des Regierungs- und Verwaltungsorganisationsgesetzes, die eine Klärung der Kompetenzen zwischen Legislative und Exekutive hinsichtlich der Ratifizierung völkerrechtlicher Verträge bringen soll. Bisher ist folgende Kompetenzaufteilung vorgesehen: Die Bundesversammlung genehmigt grundsätzlich alle völkerrechtlichen Verträge. Davon ausgenommen sind allerdings Verträge mit beschränkter Tragweite, die die Regierung selbständig abschliessen kann. Ebenfalls darf die Exekutive völkerrechtliche Verträge abschliessen, wenn sie durch ein Bundesgesetz oder durch einen von der Bundesversammlung genehmigtem Vertrag dazu ermächtigt wurde. Der Bundesrat schlug neu eine nicht abschliessende Liste vor, die alle Verträge festhält, die nicht von beschränkter Tragweite sind. Darüber hinaus empfahl die Regierung, die Möglichkeit für eine vorläufige Anwendung von Verträgen zu verringern. Neu soll eine Zweidrittelmehrheit der zuständigen Kommission beider Räte eine vorläufige Anwendung verhindern können. (Siehe dazu auch die Debatte um die Initiative „Staatsverträge vors Volk“.)

Ratifizierung völkerrechtlicher Verträge
Dossier: Kompetenzen des Bundesrates zum Abschluss völkerrechtlicher Verträge

Der Bundesrat selber setzte im Berichtjahr einige Empfehlungen der Geschäftsprüfungskommissionen von National- und Ständerat um, die im Rahmen der Berichte zur UBS- und zur Libyen-Krise sowie zur politischen Steuerung der Regierung gemacht wurden. Unter anderem beschloss die Regierung, dass die Nationalbank und die FINMA im Falle drohender Finanzkrisen einen Ausschuss einzuberufen haben, der laufend Lagebeurteilungen vornehmen und den Vorstehenden des EFD informieren muss, der wiederum die gesamte Regierung informiert. Zudem soll ein Ausbau der technischen Infrastruktur die Geschäftskontrolle effizienter und effektiver machen. Darüber hinaus beschloss der Bundesrat Änderungen der Regierungs- und Verwaltungsorganisationsverordnung. Zwecks verbesserter Zuweisung von Geschäften sollen in ausserordentlichen Lagen Geschäfte eines Regierungsmitglieds vollständig oder teilweise der Bundespräsidentin oder dem Bundespräsidenten übertragen werden können. Die Sitzungsleitung und die Federführung über ein Geschäft kann zudem neu dem Vizepräsidenten oder der Vizepräsidentin übertragen werden, falls das Präsidium selber mit einem zentralen Geschäft beschäftigt ist.

Umsetzung einiger Empfehlungen der GPK durch den Bundesrat bezüglich einer Regierungsreform

Die Reform der Regierung wurde auch in einzelnen Policies versucht. So bildete die Sondersession zur Gesundheitspolitik im April den Rahmen für einen Vorstoss der sozialdemokratischen Fraktion für die Schaffung eines Staatssekretärs. Die Motion, die eine Verbesserung der Steuerung des föderal stark zersplitterten Gesundheitswesens durch einen Staatssekretär anvisierte, hatte jedoch weder beim Bundesrat noch beim Nationalrat eine Chance. Darüber hinaus war auch die Idee eines Bildungsdepartementes Gegenstand parlamentarischer Diskussion. Der Bundesrat hatte diesbezüglich im Juni des Berichtsjahres eine Reorganisation der Departemente beschlossen. Vorgesehen ist, dass ab 2013 das bis anhin dem EDI angehörende Staatssekretariat für Bildung und Forschung sowie der Bereich der ETH gemeinsam mit dem Bundesamt für Berufsbildung und Technologie im EVD angesiedelt werden. (Siehe dazu auch die Interpellation Aubert (10.3056) und hier.) Mit der Neuorganisation wurde auch das für Europafragen zuständige Integrationsbüro dem EDA und das Bundesamt für Veterinärwesen dem EDI unterstellt (bisher EVD). Zudem versprach der Bundesrat, die Kooperation zwischen den Bundesstellen zu fördern und systematisch zu evaluieren.

Staatssekretär für das Gesundheitswesen und die soziale Sicherheit (09.3534)
Dossier: Bundesratsvorlage für eine Staatsleitungs- und Regierungsreform 2001

Die Räte hatten im Berichtsjahr über Vorschläge zu debattieren, die punktuelle Reformen der Regierung vorsahen. Hängig war etwa eine parlamentarische Initiative der grünen Fraktion, die sich in die Anträge einreihte, die eine Beschränkung der Amtszeit verlangen. Zwei ähnliche Vorstösse waren bereits 2010 abgelehnt worden (09.482, 09.494). Die Grünen ihrerseits schlugen eine Beschränkung auf drei Legislaturen vor. Die staatspolitische Kommission argumentierte gleich wie schon ein Jahr zuvor: Es bestehe kein Handlungsbedarf, da Bundesräte im Schnitt lediglich rund acht Jahre im Amt seien. Darüber hinaus könne die Position eines Regierungsmitglieds auf Ende der Amtsperiode geschwächt werden. Allerdings räumte die Kommission ein, es sei stossend, dass Bundesrätinnen und Bundesräte alleine über den Termin ihres Rücktritts entscheiden könnten. Wie ein Jahr zuvor hatte auch der neuerliche Vorstoss keine Chance und der parlamentarischen Initiative wurde mit 50 zu 102 Stimmen keine Folge gegeben.

Beschränkung der Amtszeit von Bundesräten (10.411)

Einige Parlamentarierinnen und Parlamentarier der CVP-Fraktion machten ihrem Ärger über die ihres Erachtens nur sehr schleppend vorankommende Regierungsreform mit Vorstössen Luft. Mit seiner Motion 09.3447 wollte etwa Norbert Hochreutener (cvp, BE) gleich eine eigene Reform vorschlagen, die aus der Regierung ein effizientes und handlungsfähiges Gremium machen sollte. Die Motion wurde im Nationalrat deutlich abgelehnt. Einen Teilerfolg erzielte die Motion Häberli-Koller (cvp, TG) (09.3105), die eine Reaktivierung der Regierungsreform verlangte. Das Anliegen wurde in der grossen Kammer angenommen, im Ständerat hingegen abgelehnt. Schmid-Federer (cvp, ZH) (Fra. 11.5233) doppelte schliesslich in einer Fragestunde nach und erkundigte sich nach den Gründen für die Verspätung der Reform. Die Antwort des Bundesrates deckte sich mit dem Hauptargument gegen die beiden abgelehnten Motionen: Die Regierung hatte im Oktober 2010 eine Zusatzbotschaft zur Regierungsreform verabschiedet, auf welche die staatspolitische Kommission des Nationalrates in der Zwischenzeit – knapp mit 11 zu 9 Stimmen – eingetreten war. Der Ball lag bei der Subkommission, der das Geschäft übertragen worden war und die Vorschläge prüfen sollte, die weitergehen als jene des Bundesrates.

Regierungsreform
Dossier: Bundesratsvorlage für eine Staatsleitungs- und Regierungsreform 2001

Auf verschiedene Ereignisse, die der alten Diskussion um eine Regierungsreform neue Nahrung gegeben hatten, wurde mit zahlreichen Ideen und Vorstössen für eine Regierungsreform reagiert. Die Vorschläge – Amtszeiten, Anzahl Regierungsmitglieder, Regierungszusammensetzung, Umgestaltung der Departemente – waren allerdings allesamt nicht neu und weiterhin politisch umstritten. Verschiedene Vorstösse zielten auf eine Reform der Amtszeit ab. Eine Motion Cramer (gp, GE) (Mo. 10.3135) sah ein Verbot von Bundesratsrücktritten während der Legislatur vor. Die Motion, die noch im Frühling vom Ständerat angenommen worden war, hatte mit den unkoordinierten Rücktritten der Bundesräte Leuenberger und Merz Rückenwind erhalten. Trotzdem hatte der Vorstoss im Nationalrat keine Chance. Gleich zwei Anliegen verfolgten die Amtszeitbeschränkung für Bundesräte auf acht Jahre. Aber weder die parlamentarische Initiative Wasserfallen (fdp, BE) (Pa.Iv. 09.482) noch die parlamentarische Initiative Moret (fdp, VD) (Pa.Iv. 09.494) fanden in der grossen Kammer Gehör. Die Nationalräte folgten ihrer Kommission, welche keinen Handlungsbedarf sah, da die mittlere Amtsdauer seit dem 2. Weltkrieg bereits bei etwa acht Jahren liege. Am meisten Sukkurs erhielt die Idee einer Verlängerung der Amtszeit des Bundespräsidiums. Bundesrat Leuenberger, die Grünen, die CVP und die FDP äusserten sich grundsätzlich positiv zur Idee einer Amtszeitverlängerung für das Bundespräsidium, obschon eine Motion Hodgers (gp, GE) (Mo. 10.3108), die eine Ausdehnung der Bundespräsidentschaft auf vier Jahre vorsah, im Nationalrat in der Sommersession diskussionslos abgelehnt worden war.

Reform der Amtszeit Verbot von Bundesratsrücktritten Amtszeitbeschränkung Verlängerung der Amtszeit des Bundespräsidiums

Im Rahmen ihrer Berichte zur Finanzmarktkrise und zu den Cross-Border-Geschäften der UBS in den USA regte die GPK-NR auch zwei Motionen (10.3393 und 10.3394) an, die den Bundesrat als Kollegium betreffen. Die von der grossen Kammer angenommenen Motionen fordern den Bundesrat dazu auf, in der Regierungsreform einen Ausschuss aus drei Bundesräten für wichtige Geschäfte vorzusehen. Dies solle zu besseren Entscheidgrundlagen führen, aber weder das Kollegial- noch das Departementalprinzip behindern.

Bundesrat als Kollegium
Dossier: Bundesratsvorlage für eine Staatsleitungs- und Regierungsreform 2001

Auch die beiden parlamentarischen Initiativen – von Hiltpold (fdp, GE) sowie der grünen Fraktion (10.412) - wurden von der grossen Kammer auf Antrag der Staatspolitischen Kommission (SPK-NR) abgelehnt. Beide Vorstösse hatten eine Listenwahl des Bundesrates gefordert, um das Einzelkämpfertum mit einer teamfähigen Regierung zu ersetzen. Eine Listenwahl hätte bedingt, dass sich die Parteien mit Anspruch auf Regierungsbeteiligung, auf der Basis eines gemeinsamen Programms hätten zusammenschliessen müssen. Die SPK-NR hatte geltend gemacht, dass eine solche Änderung das gesamte politische System der Schweiz verändern würde. Die Ratsmehrheit (121:48 Stimmen) folgte diesem Argument und lehnte beide Vorlagen ab.

Listenwahl des Bundesrates

Verschiedene Ereignisse nährten die bereits seit Jahren diskutierte Idee einer Regierungsreform. In den GPK-Berichten zur UBS- und zur Libyen-Krise sowie zur politischen Steuerung des Bundesrats wurde harsche Kritik an der Regierung geübt. Bedeutende Führungsdefizite, unzureichender Informationsaustausch und mangelndes gegenseitiges Vertrauen seien mit Gründe dafür, dass die Krisensituationen überhaupt eingetreten seien. Insbesondere Bundesrat Merz hätte viel zu spät informiert und reagiert. Nicht nur der Eindruck der Führungsschwäche in Krisensituationen, sondern auch der Konkordanz- und Kollegialitätsverlust, der sich etwa im Streit um die Departementsverteilung oder in der mangelnden Rücktrittskoordination zwischen Merz und Leuenberger manifestierte, waren Öl ins Feuer der Diskussion um Reformen der Exekutive. Zusätzlichen Zunder lieferte auch die von der SVP lancierte Initiative zur Volkswahl des Bundesrates.

Regierungsreform
Dossier: Bundesratsvorlage für eine Staatsleitungs- und Regierungsreform 2001