Suche zurücksetzen

Inhalte

  • Institutionen und Volksrechte

Akteure

Prozesse

2125 Resultate
Als PDF speichern Weitere Informationen zur Suche finden Sie hier

Im Juni gab der Bundesrat seinen Vorentwurf für eine "Regierungsreform 93" in eine kurze Vernehmlassung. Dieser als Sofortmassnahme konzipierte Vorschlag kann über eine Gesetzesrevision verwirklicht werden; die eine Verfassungsrevision voraussetzenden Vorschläge der Arbeitsgruppe Eichenberger möchte der Bundesrat erst zu einem späteren Zeitpunkt angehen. Die Reform sieht vor, dass jeder Departementsvorsteher zu seiner Entlastung einen bis drei Staatssekretäre einstellen kann, wobei er flexibel über deren Einsatz entscheiden darf. Die Wahl soll allerdings durch den Gesamtbundesrat erfolgen. Da diese Staatssekretäre mit beratender Stimme an Bundesratssitzungen teilnehmen können, dürften sie auch im Verkehr mit dem Ausland und mit dem Parlament als Regierungsvertreter anerkannt werden. In der als Konferenz durchgeführten Vernehmlassung gaben die Bundesratsparteien ihr grundsätzliches Einverständnis zu den zusätzlichen Staatssekretären, regten jedoch eine präzisere Definition ihrer Funktion an. Die drei bürgerlichen Parteien verlangten zudem wenigstens eine Bestätigung ihrer Wahl durch das Parlament, um ihr politisches Gewicht, namentlich auch im Verkehr mit dem Ausland, zu vergrössern.

Regierungsreform '93 (BRG 93.075)
Dossier: 9 statt 7 Bundesratsmitglieder?

Das Parlament hatte 1989 mit der Überweisung einer Motion der PUK-EJPD die Trennung der bis jetzt in der Funktion des Bundesanwalts vereinigten Aufgaben des öffentlichen Anklägers und des Leiters der Ermittlungen der gerichtlichen Polizei verlangt. Um dieses Ziel zu verwirklichen, schlug der Bundesrat nun eine Änderung des Gesetzes über die Bundesrechtspflege vor. Er beantragte dabei, die gerichtliche und die präventive (politische) Polizei vollständig der Bundespolizei zuzuordnen und die Bundesanwaltschaft zu einer kleinen, vom Parlament gewählten und vom Bundesrat unabhängigen Anklagebehörde des Bundes umzugestalten. Im Dezember wählte der Bundesrat Carla del Ponte als Nachfolgerin für den auf Ende Jahr zurücktretenden Willy Padrutt zur neuen Bundesanwältin. Die Tessinerin hatte sich als kantonale Staatsanwältin einen ausgezeichneten Ruf als mutige Kämpferin gegen das internationale organisierte Verbrechen geschaffen.

Bundesanwalts Carla del Ponte

Nach der 1990 erfolgten Ablehnung der Revision der Bundesrechtspflege durch das Volk und der 1992 in Kraft getretenen kleinen Reform, welche auf die umstrittenen Punkte verzichtete, unternahm der Bundesrat einen neuen Anlauf. Das EJPD setzte eine Expertenkommission für die Vorbereitung einer umfassenden Revision ein. Diese soll unter anderem auch die Opportunität der Bildung von speziellen Kammern (z.B. für Steuerfragen) und der Einführung einer Verfassungsgerichtsbarkeit überprüfen.

Bericht der Expertenkommission für die Vorbereitung einer umfassenden Revision

Der Nationalrat lehnte auf Antrag einer Mehrheit seiner Staatspolitischen Kommission auch die beiden parlamentarischen Initiativen Rychen und Seiler [92.411] (beide svp, BE) für eine Erhöhung der Unterschriftenzahl bei Referenden resp. Volksinitiativen ab. Hauptargument für die Initianten, die auch von den Mehrheiten der Fraktionen der FDP, der CVP und der SVP unterstützt wurden, war die Tatsache, dass seit der Einführung dieser Instrumente der geforderte Anteil der Unterzeichnenden am Total der Stimmberechtigten von 4,6% auf 1,1% (Referendum) resp. von 7,7 % auf 2,2% (Initiative) abgesunken ist.

Erhöhung der Unterschriftenzahl bei Referenden resp. Volksinitiativen

In einer Abstimmung unter Namensaufruf lehnte es der Nationalrat ab, der in eine Petition umgewandelten nicht zustandegekommenen Volksinitiative für eine geschlechtsparitätische Besetzung des Nationalrats ("Nationalrat 2000") Folge zu geben. Im Zusammenhang mit der Ersatzwahl in den Bundesrat reichte Nationalrätin Bär (gp, BE) auch eine parlamentarische Initiative [93.406] ein, welche für beide Geschlechter eine "angemessene Vertretung im Bundesrat" fordert.

In einer Abstimmung unter Namensaufruf lehnte es der Nationalrat ab, der in eine Petition umgewandelten nicht zustandegekommenen Volksinitiative für eine geschlechtsparitätische Besetzung des Nationalrats ("Nationalrat 2000") Folge zu geben

Der Ständerat nahm als Erstrat vom Leitbild für die Arbeit der neu geschaffenen Delegationen der Geschäftsprüfungskommissionen in zustimmendem Sinne Kenntnis.

Der Ständerat nahm als Erstrat vom Leitbild für die Arbeit der neu geschaffenen Delegationen der Geschäftsprüfungskommissionen in zustimmendem Sinne Kenntnis [46]

Nach dem Nationalrat stimmte auch der Ständerat einer Motion Schmid (gp, TG) zu, die eine Erhöhung der Vorsorgeentschädigung für Parlamentarier verlangt. Damit soll ein Manko bei der beruflichen Vorsorge ausgeglichen werden, das den Mandatsinhabern aus dem teilweisen Verzicht auf ihre ordentliche Erwerbsarbeit entsteht.

Ehröhung der Pensionskassenbeiträge der Parlamentarier
Dossier: Vorstösse zu Reformen des Parlamentsgeseztes 1992-2000

Im Kanton Bern hiess das Volk in einer Variantenabstimmung zur neuen Kantonsverfassung die Einführung des Konstruktiven Referendums gut. In Zukunft werden damit Referendumskomitees nicht bloss eine Volksabstimmung über einen Parlamentsbeschluss verlangen, sondern diesem auch einen konkreten Gegenvorschlag gegenüberstellen können.

Einführung des Konstruktiven Referendums im Kanton Bern 1993

Für eine offenere Informationspolitik der Bundesverwaltung setzte sich Nationalrat Hess (cvp, ZG) ein. Mit einer Motion verlangte er die Ersetzung des heute geltenden Vertraulichkeitsprinzips durch den Grundsatz Öffentlichkeit mit Geheimnisvorbehalt, wie ihn Schweden, Frankreich, die Niederlande, die USA, Kanada, Australien und — mit der neuen Verfassung — auch der Kanton Bern kennen. Nachdem Arnold Koller angekündigt hatte, dass der Bundesrat noch in dieser Legislatur über ein Modell für eine verbesserte Transparenz über Verwaltungsvorgänge entscheiden werde, wandelte der Rat den Vorstoss in eine Postulat um.

Motion für die Einführung des Öffentlichkeitsprinzips mit Geheimhaltungsvorbehalt (91.3303)
Dossier: Öffentlichkeitsprinzip in der Bundesverwaltung

In seiner Antwort auf ein Postulat Caccia (cvp, TI) versicherte der Bundesrat, dass er die Weiterführung der politischen Statistik durch das Bundesamt für Statistik für notwendig erachte.

In seiner Antwort auf ein Postulat Caccia (cvp, TI) versicherte der Bundesrat, dass er die Weiterführung der politischen Statistik durch das Bundesamt für Statistik für notwendig erachte [51]

Der Nationalrat hatte im Vorjahr in erster Lesung die Einrichtung eines elektronischen Abstimmungssystems abgelehnt. Die Kommission legte zuhanden der zweiten Lesung einige Abänderungsanträge vor. So schlug sie ein technisches Verfahren vor, das sicherstellen soll, dass nicht auch für abwesende Banknachbaren und -nachbarinnen gestimmt werden kann. Sie beantragte zudem eine Erweiterung der Anwendung: Das neue System soll in der Regel für alle Abstimmungen verwendet werden. Da das bisherige Aufstehen entfällt, soll das Votum der einzelnen Abgeordneten auf einer Anzeigetafel sichtbar sein. Dabei werden sämtliche Abstimmungsergebnisse gespeichert; Namenslisten mit dem individuellen Verhalten sollen dann veröffentlicht werden, wenn dies 30 Ratsmitglieder verlangen, sowie bei Gesamt- und Schlussabstimmungen und bei Beschlüssen über die Dringlichkeitsklausel.

Einführung des elektronischen Abstimmungssystems im Nationalrat
Dossier: Vorstösse zu Reformen des Parlamentsgeseztes 1992-2000

Eine wesentlich weniger weit gehende Aufwertung des Instruments der Standesinitiative beantragte die Staatspolitische Kommission des Ständerats. Dieses seit 1848 den Kantonen zustehende Vorschlagsrecht zuhanden des Parlaments hatte sich in den letzten Jahren zwar wachsender Beliebtheit erfreut, war aber vom Parlament ähnlich stiefmütterlich wie Petitionen behandelt worden. Dies hing auch damit zusammen, dass die Prozedur der parlamentarischen Behandlung nicht sehr präzis definiert war. Die Kommission schlug nun vor, die Standesinitiativen gleich zu behandeln wie parlamentarische Initiativen, mit der Ausnahme, dass die Vorprüfung, also der Entscheid, ob ihnen Folge zu leisten sei, von beiden Kammern durchgeführt werden muss. Im positiven Fall wird eine Kommission des einen Rates mit der Ausarbeitung einer Vorlage beauftragt. Nachdem auch der Bundesrat keine Einwände erhoben hatte, akzeptierten beide Ratskammern diese Neuerung oppositionslos, wobei zu Jahresende noch eine kleine Differenz bestehen blieb: der Nationalrat sprach sich für eine obligatorische, der Ständerat für eine bloss fakultative Anhörung des initiierenden Kantons aus.

Pa.Iv. 93.430: Aufwertung des Instruments der Standesinitiative

Die Staatspolitische Kommission des Nationalrats veröffentlichte ihren Bericht zur parlamentarischen Initiative Zwingli (fdp, SG) für ein Verbot von rückwirkenden Bestimmungen in Volksinitiativen. Die Kommissionsmehrheit beantragte, durch eine Revision von Art. 121 BV derartige Bestimmungen zu verbieten, da diese rechtsgültige Entscheide annullierten und damit die Rechtssicherheit gefährdeten. Eine praktisch gleich starke Minderheit sprach sich für die Beibehaltung der bisherigen liberalen Praxis aus. Ein Grund, weshalb Volksinitiativen in letzter Zeit oft mit Rückwirkungsklauseln versehen waren, bestand darin, dass sich nach Ansicht der Initianten die Behandlung ihres Begehrens ungebührlich verzögert hat. In der Kommission war der Antrag unbestritten, dass die maximale Behandlungsfrist für Volksinitiativen nicht mehr bis zum Abschluss der parlamentarischen Behandlung, sondern bis zur Volksabstimmung vier Jahre betragen soll. Der Bundesrat stellte sich in seiner Stellungnahme in bezug auf die Rückwirkung hinter den Nichteintretensantrag der Minderheit und schlug zudem vor, die Behandlungsfristen nicht auf Verfassungsstufe sondern im Rahmen der Revision des Gesetzes über die politischen Rechte zu regeln.

Pa. Iv Zwingli, Verbot von Rückwirkeklausel in Initiativen

Im Nationalrat plädierten die Fraktionen der SP, der Grünen, von LdU/EVP und der SD/Lega sowie auch Bundeskanzler Couchepin im Namen des Bundesrates für Nichteintreten, blieben aber mit 95:69 Stimmen in der Minderheit. In der Detailberatung stimmte der Rat dem Verbot der Rückwirkungsklauseln zu. In bezug auf die maximale Behandlungsfrist für Initiativen beschränkte er sich darauf, in die Verfassung nur das Prinzip aufzunehmen, die Bestimmung dieser Frist jedoch dem Ausführungsgesetz zu überlassen.

Pa. Iv Zwingli, Verbot von Rückwirkeklausel in Initiativen

Konkrete politische Gründe für die Nichtwahl Brunners liessen sich eigentlich kaum ausmachen. Sie hatte zwar seinerzeit der GSoA-Initiative für eine Abschaffung der Armee zugestimmt, das traf aber auch auf Dreifuss zu. Sowohl bürgerliche als auch linke Kommentatoren ordneten sie — wie auch Matthey und die schliesslich gewählte Dreifuss — dem gemässigt-reformistischen Flügel innerhalb der SP zu. Dass es auch nicht um die Frage ging, ob der Bundesrat ein reines Männergremium bleiben soll, zeigte die Wahl von Ruth Dreifuss. Ausschlaggebend dürfte wohl gewesen sein, dass die jugendlich und spontan wirkende Brunner dem Rollenverständnis einer Mehrzahl der Parlamentarier nicht entsprach. Darüber hinaus zeigte der Wahlvorgang aber auch auf, dass sowohl der SP als auch den drei bürgerlichen Regierungsparteien zumindest momentan ausserordentlich viel an der Beibehaltung der sogenannten Zauberformel für die Regierungszusammensetzung gelegen war.

Bundesratsersatzwahl 1993

Ständerat Cottier (cvp, FR) und Nationalrat Engler (cvp, Al) [93.3169] reichten identische Motionen ein, in denen sie namentlich auch institutionelle Änderungen beim Gesetzgebungsprozess fordern. So soll beim Kantonsreferendum die heute erforderliche Anzahl von acht beteiligten Kantonen gesenkt werden, damit beispielsweise die sechs mehrheitlich französischsprachigen Kantone eine Volksabstimmung verlangen können; zusätzlich möchten die Motionäre auch ein ähnlich ausgestaltetes Initiativrecht einführen. Vorgeschlagen wird in den Motionen auch ein Behördenreferendum, das einer qualifizierten parlamentarischen Minderheit erlauben würde, die Durchführung einer Volksabstimmung zu einem Parlamentsbeschluss zu verlangen. Schliesslich sollen bei den Parlamentsverhandlungen die Anliegen der Sprachminderheiten besser berücksichtigt werden. Deren Vertretern würde das Recht auf ein suspensives Veto eingeräumt, welches ein zusätzliches Differenzbereinigungsverfahren zur Folge hätte.

(Mo. 93.3175) Erneuerung des Föderalismus

Die Staatspolitische Kommission des Nationalrats möchte die aus dem letzten Jahrhundert stammende Verfassungsbestimmung streichen, wonach in den Nationalrat nur Personen "weltlichen Standes" (d.h. keine Pfarrer u.ä.) wählbar sind. Sie beschloss einstimmig, einer parlamentarischen Initiative Sieber (evp, ZH), der nach seiner 1991 erfolgten Wahl auf die Ausübung seines Amtes als Pfarrer hatte verzichten müssen, Folge zu geben.

Pa. Iv. Sieber zur Wählbarkeit von Pfarrern
Dossier: Vorstösse zu Reformen des Parlamentsgeseztes 1992-2000

Der Nationalrat übernahm auch die Argumentation seiner Staatsrechtlichen Kommission, wonach es sich bei der Bestimmung von Art. 75 BV, dass für den Nationalrat nur Personen "weltlichen Standes", d.h. keine Geistlichen wählbar sind, um ein sinnentleertes Relikt aus dem letzten Jahrhundert handle. Er stimmte oppositionslos dem Antrag zu, der im Vorjahr eingereichten parlamentarischen Initiative Sieber (evp, ZH) Folge zu geben und damit die Kommission zu beauftragen, eine Vorlage zur Streichung dieses Passus auszuarbeiten.

Pa. Iv. Sieber zur Wählbarkeit von Pfarrern
Dossier: Vorstösse zu Reformen des Parlamentsgeseztes 1992-2000

Auf Antrag seiner Staatspolitischen Kommission beschloss der Nationalrat, einer parlamentarischen Initiative Rebeaud (gp, GE), welche sowohl ein Verbot für den Massenversand von Unterschriftenlisten als auch für die Entlöhnung von Unterschriftensammlern gefordert hatte, keine Folge zu geben. Beide Vorschläge wurden als nicht praktikabel beurteilt.

Verbot für bezahlte Unterschriftensammler

Im März befasste sich der Nationalrat mit Massnahmen gegen die vor allem in grossen Kantonen als zu gross empfundene Anzahl von Listen bei den Nationalratswahlen. Da der Bundesrat in Aussicht gestellt hatte, noch im laufenden Jahr seine Vorschläge für eine Teilrevision des Gesetzes über die politischen Rechte vorzulegen, in welcher auch dieses Thema angeschnitten würde, entschied sich der Nationalrat dafür, einer 1991 eingereichten parlamentarischen Initiative Spoerry (fdp, ZH) keine Folge zu geben. Immerhin verabschiedete er eine Motion, welche generell entsprechende Massnahmen verlangt. Da das in der Initiative Spoerry enthaltene Verbot von Listenunterverbindungen sowohl in der vorberatenden Staatspolitischen Kommission als auch im Plenum stark umstritten war, wurde es im Motionstext lediglich unverbindlich als Möglichkeit aufgeführt. Eine weniger umstrittene Motion des Nationalrats verlangte vom Bundesrat die Staffelung der für die Einreichung eines Wahlvorschlags erforderlichen Unterschriftenzahl nach der Kantonsgrösse.

Massnahmen zur Bekämpfung der Listenflut (Pa.Iv. 91.434)
Dossier: Parlamentarische Vorstösse zur Änderung der Politischen Rechte 1990-2000

Der Nationalrat lehnte einen von den Fraktionen der AP und der FDP sowie einem Teil der CVP unterstützten Nichteintretensantrag Ruf (sd, BE) ab, der vor allem mit den hohen Kosten und der Missbrauchsgefahr begründet wurde. In der Detailberatung wurde ein Antrag Poncet (lp, GE) knapp abgelehnt, der Interessierten Einsicht in alle gespeicherten Abstimmungsresultate geben wollte. Die von der Kommission vorgeschlagene Lösung wurde in der Gesamtabstimmung mit 78:51 und in der Schlussabstimmung mit 99:67 Stimmen gutgeheissen.

Einführung des elektronischen Abstimmungssystems im Nationalrat
Dossier: Vorstösse zu Reformen des Parlamentsgeseztes 1992-2000

Die vom Nationalrat im Vorjahr überwiesene Motion, welche den Bundesrat beauftragt, die von der Verwaltung ausgeübten Tätigkeiten systematisch auf Einsparungsmöglichkeiten hin zu überprüfen, überwies der Ständerat bloss als Postulat, da seiner Ansicht nach entsprechende Aufträge bereits erteilt und rechtlich festgeschrieben worden sind.

Die vom Nationalrat im Vorjahr überwiesene Motion, welche den Bundesrat beauftragt, die von der Verwaltung ausgeübten Tätigkeiten systematisch auf Einsparungsmöglichkeiten hin zu überprüfen, überwies der Ständerat bloss als Postulat, da seiner Ansicht nach entsprechende Aufträge bereits erteilt und rechtlich festgeschrieben worden sind [35]

Die am folgenden Tag vorgenommene Departementsverteilung entsprach weitgehend den Erwartungen. Flavio Cotti wechselte ins EDA, für welches auch Koller Interesse nachgesagt worden war, und überliess damit der Neugewählten das von ihr bevorzugte Departement des Innern.

Bundesratsersatzwahl 1993

Am 10. März trat die Bundesversammlung erneut zusammen. Vor dem Bundeshaus demonstrierten rund 10'000 Frauen und Männer für die Wahl Brunners. Das sonst während Sessionen übliche Demonstrationsverbot auf dem Bundesplatz war von den Berner Behörden in Absprache mit Nationalrats-Präsident Schmidhalter (cvp, VS) aufgehoben worden. Matthey erklärte, dass er die vor einer Woche erfolgte Wahl nicht annehme, da er von der SP-Fraktion nicht unterstützt werde. In der Geschichte des Bundesstaates war es bisher fünfmal zu einer Nichtannahme der Wahl zum Bundesrat gekommen; zum erstenmal geschah dies jetzt auf Druck einer Partei. Von einigen Staatsrechtlern wurde die Durchführung dieser Wahl deshalb heftig kritisiert. Für diesen nun eingetretenen Fall einer Nichtannahme hatte die SVP-Fraktion eine Verschiebung der Wahl um eine Woche vorgeschlagen. Sie begründete diesen Antrag damit, dass die zwei Tage zuvor nominierte Kandidatin Dreifuss noch zuwenig bekannt sei. Zudem könne unter diesen Begleitumständen — gemeint war damit vor allem die gleichzeitig auf dem Bundesplatz stattfindende Demonstration — eine seriöse Wahl nicht vorgenommen werden. Der auch von den Liberalen, der AP und der SD/Lega unterstützte Ordnungsantrag wurde mit 117 zu 62 Stimmen abgelehnt.

Vor dem Wahlgang kam es nochmals zu einer kurzen Diskussion. Die LP gab bekannt, dass sie keine der beiden Kandidatinnen unterstützen werde, und die FDP rief zur Wahl von Ruth Dreifuss auf. Im ersten Wahlgang erhielten Brunner und Dreifuss fast gleich viele Stimmen (90 resp. 92). Deren 54 entfielen auf die freisinnige Nationalrätin Spoerry (ZH), welche daraufhin erklärte, dass sie nicht kandidiere und die Stimmen einer welschen Frau gegeben werden sollten. Auch im zweiten Wahlgang erreichte keine der Kandidatinnen das absolute Mehr; aber Dreifuss steigerte sich auf 112 Stimmen. Brunner kam noch auf deren 86; sie forderte daraufhin diejenigen, welche ihr die Stimme gegeben hatten, zur Unterstützung von Dreifuss auf. Im dritten Wahlgang wurde Ruth Dreifuss bei einem absoluten Mehr von 96 Stimmen — die Vertreter der AP sowie ein Teil der SD/Lega-Fraktion hatten den Saal verlassen, 38 Abgeordnete legten leer ein — mit 144 Stimmen gewählt. Sie nahm die Wahl an, womit der Kanton Genf seit 1919 erstmals wieder in der Landesregierung vertreten ist. Mit Ruth Dreifuss ist zudem zum erstenmal eine Angehörige der jüdischen Religionsgemeinschaft in der Landesregierung vertreten.

Bundesratsersatzwahl 1993

Die Reaktionen auf diese zweite Nichtwahl einer offiziellen SP-Kandidatin1983 hatte das Parlament anstelle von Lilian Uchtenhagen Otto Stich gewählt — fielen sehr heftig aus. Bereits während des Wahlaktes demonstrierten rund 500 Frauen vor dem Bundeshaus für die Wahl Brunners. Auch bürgerliche Parlamentarierinnen sprachen empört von Affront und männlicher Machtpolitik. Andere Frauen sahen einen Teil der Verantwortung auch bei der SP, welche an der zwar von den Medien unterstützten, im Parlament aber offensichtlich nicht mehrheitsfähigen Alleinkandidatur Brunners festgehalten hatte.

Die Mitglieder der SP reagierten rasch und heftig. Von einer Reihe von Sektionen wurde die Parteileitung aufgefordert, an der Kandidatur Brunner festzuhalten und im Falle einer erneuten Nichtwahl aus der Regierung auszutreten. Einzig die SP des Kantons Neuenburg sprach sich für eine Wahlannahme Mattheys aus. Die bereits als neue Kandidatin gehandelte SP-Fraktionschefin Ursula Mauch (AG) gab bekannt, dass sie auf keinen Fall kandidieren werde, um den zweiten Bundesratssitz der Westschweiz nicht zu gefährden.

Hingegen tauchte der bereits in den Vorabklärungen gefallene Name von Ruth Dreifuss wieder auf. Die 53jährige Sekretärin des Schweizerischen Gewerkschaftsbundes ist französischer Muttersprache und in Genf aufgewachsen; infolge ihrer beruflichen Tätigkeit war sie aber seit gut zwanzig Jahren in Bern wohnhaft. Sie hatte dort auch bereits im städtischen Parlament gesessen und auf der SP-Nationalratswahlliste figuriert, aber noch kein kantonales politisches Amt ausgeübt. Damit galt nach dem Garantiegesetz der Wohnort als ausschlaggebend für die Kantonszugehörigkeit. Von verschiedener Seite wurde die Idee geäussert, dass bei einer Deponierung ihrer Schriften in Genf einer Wahl aus rechtlichen Gründen nichts entgegenstehen würde. Politisch, nicht aber vom Alter und Erscheinungsbild her, waren nach allgemeiner Einschätzung kaum Unterschiede zwischen den beiden Gewerkschafterinnen auszumachen.

Die Sitzung des Vorstands der SP vom 6. März in Zürich wurde begleitet von einer rund 8'000 Personen zählenden Demonstration für Brunner. Der Vorstand beschloss, dass für ihn nur die Wahl einer französischsprachigen Gewerkschafterin akzeptabel sei. Die Empfehlung an die Fraktion, an einer Alleinkandidatur Brunner festzuhalten, wurde mit 50:40 Stimmen freilich nur relativ knapp gutgeheissen. Zwei Tage später beschloss die SP-Fraktion, sowohl Dreifuss als auch Brunner zur Wahl vorzuschlagen. Der gewählte Matthey erklärte, dass er diesen Vorschlag akzeptiere, um eine Regierungskrise zu verhindern. Während in Basel und Schaffhausen ebenfalls grosse Kundgebungen zugunsten Brunners stattfanden, kam es in der Westschweiz nur zu vereinzelten kleineren Manifestationen.

Bundesratsersatzwahl 1993