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Nachdem das von rechtsbürgerlichen Kreisen im Vorjahr lancierte Referendum gegen die "Regierungsreform 93" mit rund 70 000 Unterschriften zustande gekommen war, setzte der Bundesrat die Volksabstimmung auf den 9. Juni fest. Die Kampagne vermochte keine grossen Emotionen zu entfachen; die Gegner thematisierten einzig die Frage der Staatssekretäre und deren Kosten. Auf Befürworterseite befanden sich zwar die drei grössten Parteien, aber ihre Zustimmung fiel eher gedämpft aus. So entschieden sich bei der FDP acht Kantonalsektionen für die Nein-Parole, und auch der Vorstand der SPS hatte sich nur mit 26:19 Stimmen - und gegen Parteipräsident Bodenmann - für eine Unterstützung entschieden. Einzig der Bundesrat setzte sich ernsthaft für die Reform ein. Die Gegner, bei denen der Gewerbeverband die Kampagne koordinierte, brauchten sich angesichts der Gleichgültigkeit der Öffentlichkeit und der schwachen Gegenwehr der meisten Befürworter auch nicht übermässig zu engagieren.

Referendum gegen das Regierungs- und Verwaltungsorganisationsgesetz
Dossier: Regierungs- und Verwaltungsorganisationsgesetz (RVOG)

Die Verfassung (Art. 96, Abs. 3) sieht vor, dass ein Nachfolger in der nächsten Parlamentssession gewählt werden muss, das hiess in diesem Fall noch vor den Nationalratswahlen vom 22. Oktober. Bürgerliche Politiker warfen Stich deshalb vor, seine Rücktrittserklärung geschickt terminiert zu haben, um der SP Wahlkampfhilfe zu leisten. Immerhin dominierten die Würdigungen Stichs und vor allem die Präsentation von valablen SP-Kandidaten für seine Nachfolge für einen Monat die Medienberichterstattung (s. dazu unten, Teil I, 1e, Eidgenössische Wahlen). Ordnungsanträge im Nationalrat, die Ersatzwahl auf die Dezembersession zu verschieben, wurden vom Büro als verfassungswidrig bekämpft und fanden im Plenum keine Mehrheit.

Bundesratswahlen 1995

Nachdem bereits diverse Kantone und Gemeinden erste Erfahrungen mit dem "New Public Management" (NPM) machen, sind auch beim Bund Weichen in diese Richtung der Verwaltungsreform gestellt worden. Im Rahmen der Beratung der Regierungsreform (s. oben) hatte der Nationalrat im Januar einem Antrag zugestimmt, der für Verwaltungsbereiche, die mit einem Leistungsauftrag geführt werden, Ausnahmen vom Finanzhaushaltsgesetz vorsieht, um eine Globalbudgetierung und die Übertragung von Kreditresten auf das nächste Jahr zu ermöglichen. Für den Ständerat war das Regierungs- und Verwaltungsorganisationsgesetz (RVOG) nicht der richtige Ort für die Einführung dieser Neuerung. In dem von ihm verlangten Zusatzbericht schlug der Bundesrat dann vor, diese Bestimmungen in das Finanzhaushaltsgesetz und das Gesetz über Massnahmen zur Verbesserung des Bundeshaushaltes zu integrieren. Das Parlament stimmte diesen Teilrevisionen zu.

"New Public Management"
Dossier: New Public Managment

1995 fanden vier mit Referenden verlangte Volksabstimmungen statt; drei Referenden (Milchwirtschaftsbeschluss, Solidaritätsbeiträge im Landwirtschaftsgesetz, Lex Friedrich) waren erfolgreich, einmal fand der Parlamentsbeschluss Zustimmung (10. AHV-Revision). Für zwei Referenden wurde zwar die Unterschriftensammlung lanciert, später aber erfolglos abgebrochen (WTO, Revision Arbeitslosengesetz). Bei einem Referendum (gegen Staatssekretäre) waren zwar die Unterschriften bis Jahresende beisammen, sie wurden aber erst im Januar 1996 eingereicht (s. oben, Regierung).

Referenda

Zur Abstimmung gelangte im Berichtsjahr eine Volksinitiative (AHV/IV-Ausbau); sie wurde abgelehnt. Eine Initiative wurde vom Parlament für ungültig erklärt (Halbierung der Armeeausgaben, s. unten). Fünf - eine mehr als im Vorjahr - wurden neu eingereicht (Vertretung der Frauen in den Behörden, Energie-Umwelt-Initiative, Solar-Initiative, 10. AHV-Revision ohne Erhöhung des Rentenalters, Regelung der Zuwanderung). Damit stieg der Bestand der hängigen Initiativen auf 19 an. Neu lanciert wurden 1995 10 Initiativen.

Volksinitiative

Zweimal musste sich das Volk zu neuen Verfassungsbestimmungen äussern, welche das Parlament beschlossen hatte: Einmal (Landwirtschaftsartikel) verweigerte es die Zustimmung, einmal war es einverstanden (Ausgabenbremse). Damit fiel die Abstimmungsbilanz für Bundesrat und Parlament noch schlechter aus als im Vorjahr: bei vier von sieben Abstimmungen deckte sich der Volksentscheid nicht mit demjenigen der Behörden.

Abstimmungsbilanz

Der Nationalrat gab einer parlamentarischen Initiative Robert (gp, BE) keine Folge, welche dem Parlament die Kompetenz erteilen wollte, dem fakultativen Referendum unterstehende völkerrechtliche Verträge direkt, d.h. ohne Unterschriftensammlung, der Volksabstimmung zu unterstellen. Neben dem Einwand, dass damit das Instrumentarium der Volksrechte noch variantenreicher und damit unübersichtlicher würde, verwies die Staatspolitische Kommission auch auf die anstehende Totalrevision der Verfassung, welche den geeigneten Rahmen zur Reform der Volksrechte biete.

Forderungen nach obligatorischen Referendum für Volkerrechtliche Verträge
Dossier: Parlamentarische Vorstösse zur Änderung der Politischen Rechte 1990-2000

Am 4. Dezember trat das am 22. Oktober neu gewählte Parlament zu seiner konstituierenden Sitzung zusammen. Die Wahlen und die neue Zusammensetzung des Parlaments werden ausführlich unten, Teil I, 1e (Eidgenössische Wahlen) dargestellt. Mit der Eröffnung der 45. Legislatur wurde auch von der bisherigen Sitzordnung im Nationalrat Abstand genommen. Die Abgeordneten sitzen neu nicht mehr nach Sprachgruppen, sondern ausschliesslich nach Parteizugehörigkeit beieinander.

am 22. Oktober neu gewählte Parlament Sitzordnung

In der Dezembersession kam es zu einer der sehr seltenen Abwahlen aus einem eidgenössischen Gericht. Dem vom LdU unterstützten Hans Willi, Richter am Versicherungsgericht, war angesichts seines Alters von 68 Jahren von den Fraktionen der FDP, der SP und der CVP vergeblich der Verzicht auf die Kandidatur für eine weitere Amtsperiode von sechs Jahren nahegelegt worden. Obwohl er schriftlich zugesichert hatte, nicht über sein siebzigstes Altersjahr hinaus im Amt bleiben zu wollen, erhielt er von der vereinigten Bundesversammlung bei einem absoluten Mehr von 105 nur 85 Stimmen.

Abwahlen

Trotz dem negativen Urteil des Bundesrats hielt die Staatspolitische Kommission des Nationalrats an ihrem Vorschlag für eine ersatzlose Streichung der Verfassungsbestimmung, wonach nicht zwei Mitglieder der Landesregierung aus demselben Kanton stammen dürfen, fest. Obwohl die Sprecher der Fraktionen der SP und der FDP dem Problem keine Dringlichkeit zuerkennen wollten, und diejenigen der CVP und der LP föderalistische Einwände vorbrachten, beschloss der Nationalrat Eintreten und stimmte der Streichung der Kantonsklausel mit 61:48 Stimmen zu. Der Ständerat lehnte hingegen die Neuerung mit 28:9 Stimmen ab. Immerhin milderte er seinen Entscheid insofern, als er die Behandlungsfrist der 1993 überwiesenen parlamentarischen Initiative Schiesser (fdp, GL) (93.407), welche den Auslöser der Reform gebildet hatte, verlängerte. Die Volkskammer beschloss in der Folge, das Geschäft zu sistieren und abzuwarten, ob das Anliegen im Rahmen der geplanten Totalrevision der Verfassung oder der angestrebten umfassenden Regierungsreform berücksichtigt wird.

Bundesbeschluss über die Wählbarkeit in den Bundesrat: Beseitigung der Kantonsklausel für die Bundesratswahl (BRG 93.452)
Dossier: Bestrebungen für Frauenquoten in politischen Ämtern, Kommissionen und der Verwaltung

Anschliessend wählte die Vereinigte Bundesversammlung Jean-Pascal Delamuraz mit 165 Stimmen (bei einem Mehr von 111) zum Bundespräsidenten für 1996; Vizepräsident wurde Arnold Koller.

1996 - Jean-Pascal Delamuraz
Dossier: Wahlen des Bundespräsidiums

Am 13. Dezember trat die Vereinigte Bundesversammlung zur Bestätigungswahl des Bundesrats für die neue Legislaturperiode zusammen. Die Ergebnisse entsprachen der gestärkten Position der Regierungsparteien im neukonstituierten Parlament. Ernsthafte Versuche von Vertretern der Regierungsparteien, die Zauberformel zu brechen, waren nicht auszumachen. Im Gegensatz zu 1991 kam es auch nicht zu Straf- und Racheaktionen zwischen den bürgerlichen Bundesratsparteien. Das beste Resultat erzielte wie bereits vor vier Jahren Jean-Pascal Delamuraz mit 193 Stimmen; nicht auszuschliessen ist, dass der wegen einer bevorstehenden Herzoperation mit Rücktrittsforderungen konfrontierte Waadtländer erneut von einem Solidaritätsbonus profitieren konnte. Auch der zweite Freisinnige, Villiger, erreichte mit 175 Stimmen ein gutes Resultat. Deutlich besser als vor vier Jahren schnitten ebenfalls die beiden CVP-Vertreter Koller und Cotti mit 176 resp. 171 Stimmen ab. Bundesrat Ogi vermochte sich zwar zu verbessern, belegte mit 164 Stimmen aber bloss den fünften Rang. Während sich die Stimmenzahl für den Amtsjüngsten, den im September gewählten Leuenberger, mit 144 Stimmen im Rahmen der üblicherweise von Sozialdemokraten erzielten Ergebnisse hielt, entfielen auf Ruth Dreifuss bei einem absoluten Mehr von 107 nur gerade 124 Stimmen; 35 Stimmen gingen an die Genfer Liberale Brunschwig, weitere 10 an Christiane Brunner (sp, GE).

Bestätigungswahl des Bundesrats für die neue Legislaturperiode

In Ausführung einer im Vorjahr als Postulat überwiesenen Motion Dettling (fdp, SZ) machte das Büro des Nationalrats den Vorschlag, dass das Parlament Berichte des Bundesrates (z.B. zur Aussenpolitik) nicht nur zurückweisen oder zur Kenntnis nehmen kann, sondern sie auch explizit qualifizieren darf. Die von der Kommission vorgelegte parlamentarische Initiative für eine Revision des Geschäftsverkehrsgesetzes sieht vor, dass die Räte die Auswahl haben zwischen blosser Kenntnisnahme sowie Kenntnisnahme "im zustimmenden" oder "im ablehnenden" Sinne. Da diese Beurteilungen keine Rechtsfolge haben, würde sich eine allfällige Differenzbereinigung zwischen den beiden Kammern erübrigen. Der Bundesrat begrüsste in seiner Stellungnahme diese Möglichkeit einer differenzierten Meinungsäusserung des Parlaments. Dieses akzeptierte die Neuerung.

Berichte des Bundesrates

Kritisch zu den Vorschlägen des Verfassungsentwurfs äusserte sich vor allem die SP. Ihre Exponenten lehnten eine Verdoppelung der Unterschriftenzahlen strikt ab und konterten mit einer Serie von auf Bundesebene neu einzuführenden Volksrechten. Dazu gehören altbekannte Vorschläge wie die Gesetzesinitiative, aber auch Neukreationen wie die Volksmotion (analog zur parlamentarischen Motion), die Euro-Volksinitiative (diese soll den Bundesrat via Volksabstimmung auf die Vertretung einer bestimmten Politik im Rahmen von internationalen Organisationen verpflichten) oder die Express-Initiative (die innerhalb eines Jahres dem Volk zur Abstimmung vorgelegt werden muss).

Vernehmlassung und «Volksdiskussion» zur Reform der Bundesverfassung
Dossier: Totalrevision der Bundesverfassung 1/2: Vorgeschichte (1966 bis 1996)

Bereits während der parlamentarischen Beratungen begann der Bundesrat mit der Vorbereitung der angestrebten Verwaltungsreorganisation, welche mit dem neuen Gesetz in seine Kompetenz fallen wird. Dabei konnte im Regierungskollegium vorerst kein Konsens über die Neuverteilung bestimmter Ämter auf die Departemente erzielt werden. Ende November beschloss deshalb der Bundesrat, die bisher bei der Bundeskanzlei angesiedelte Projektleitung selbst zu übernehmen und zudem eine externe Beraterfirma beizuziehen. Die zweite Phase der Regierungsreform, welche sich mit einer Neustrukturierung des Exekutivgremiums selbst befassen soll, wurde vorläufig auf Eis gelegt. Die beratende Expertengruppe unter Prof. Eichenberger löste sich auf Jahresende auf, nachdem sie zum Abschluss noch drei Studien zu möglichen Reformmodellen vorgelegt hatte. Neben den beiden Varianten Erhöhung der Zahl der Bundesräte resp. zweistufiges Regierungsorgan untersuchte sie dabei auch eine neue Variante: achtköpfiger kollegialer Bundesrat mit einem Präsidialdepartement.

Regierungsreform '93 (BRG 93.075)
Dossier: 9 statt 7 Bundesratsmitglieder?

Nachdem der Nationalrat bereits 1993 zwei parlamentarische Initiativen für eine Erhöhung der Unterschriftenzahl für Volksbegehren und Referenden abgelehnt hatte, sprach er sich nun auch mit 86:32 Stimmen gegen eine entsprechende Standesinitiative des Kantons Solothurn aus. Da der Ständerat dem Begehren jedoch mit 24:11 zustimmte, musste der Nationalrat seine ablehnende Haltung in einer zweiten, noch etwas deutlicher ausgefallenen Abstimmung definitiv bestätigen. Neben materiellen Argumenten sprach gegen die Initiative auch, dass eine Verdoppelung der Unterschriftenzahl ohnehin mit dem in der Zwischenzeit veröffentlichten Entwurf für eine Totalrevision der Bundesverfassung auf die Traktandenliste gesetzt worden war.

Standesinitiative Solothurn zur Erhöhung der Unterschriftenhürde
Dossier: Parlamentarische Vorstösse zur Änderung der Politischen Rechte 1990-2000

Die sich vor allem aus rechtsbürgerlichen Kreisen rekrutierenden Gegner der Reform machten ihre Drohung mit dem Referendum wahr. Unmittelbar nach der Schlussabstimmung formierte sich ein von Steinemann (fp, SG), Früh (fdp, AR), Seiler (svp, BE) und Schmidhalter (cvp, VS) präsidiertes "Komitee gegen eine aufgeblähte Bundesverwaltung mit überflüssigen Staatssekretären". Unterstützung fanden sie bei der AUNS; mit der Unterschriftensammlung wurde ein Berner PR-Büro betraut. Noch vor Jahresende waren die benötigten 50 000 Unterschriften beisammen.

Referendum gegen das Regierungs- und Verwaltungsorganisationsgesetz
Dossier: Regierungs- und Verwaltungsorganisationsgesetz (RVOG)

Der Streit zwischen Bundesrat Stich und dem Parlament über die Pensionskasse des Bundespersonals konnte noch nicht beigelegt werden. Anlass der Auseinandersetzung bildeten sowohl die Führung, als auch die Probleme mit der Einführung der EDV und die Ungewissheit über die finanzielle Situation. In einem Bundesbeschluss hatte das Parlament Ende 1994 unter anderem festgehalten, dass der Bundesrat bis Ende 1997 revidierte Statuten vorlegen muss, welche eine Reduktion des technischen Defizits der Kasse erlauben (BRG 94.070). Die Finanzdelegation beider Räte wiederholte in ihrem Bericht an die Finanzkommissionen ihre Vorwürfe an die Pensionskasse und bemängelte, dass keine Besserung eingetreten sei. Sie hielt insbesondere fest, dass die Buchhaltung nicht ordnungsgemäss geführt werde und deshalb nicht belegt werden könne, dass die in der Staatsrechnung ausgewiesenen Zahlen der Realität entsprechen würden.

Im Sommer verlangte die CVP-Fraktion die Einsetzung einer parlamentarischen Untersuchungskommission (PUK) und reichte eine parlamentarischen Initiative Hess (cvp, ZG; Pa.Iv. 95.412) ein. Diese wurde allerdings zurückgezogen, nachdem das Büro beschlossen hatte, dem Parlament einen Bundesbeschluss zur Einsetzung einer PUK zu beantragen (BRG 95.067). Dieser wurde in der Herbstsession 1995 dem Parlament vorgelegt. Dagegen hatten sich die Fraktionen von SP und LdU/EVP ausgesprochen; eine PUK sei überflüssig, weil die nötigen Unterlagen für eine Untersuchung durch eine ständige Parlamentskommission vorliegen würden. Der Ständerat lehnte zuerst einen Antrag seines Büros ab, vor dem Entscheid über die Einsetzung einer PUK von der Finanzdelegation und der GPK einen Bericht erstellen zu lassen; dann stimmte er gegen einen Nichteintretensantrag Onken (sp, TG) und für die Einsetzung einer PUK. Die aus je fünf Mitgliedern beider Räte zusammengesetzte und von Ständerat Schiesser (fdp, GL) präsidierte Kommission wurde am 6. Oktober gebildet.

PUK zur Abklärung von Organisationsproblemen bei der Pensionskasse des Bundespersonals (BRG 95.067)
Dossier: Pensionskasse des Bundes: PUK-Bericht und dessen Auswirkungen

Insgesamt achtmal - davon sechsmal seit 1970 - ist es bisher vorgekommen, dass eine vom Volk angenommene Verfassungsteilrevision am Ständemehr scheiterte. Der Nationalrat lehnte jedoch die in der Form einer allgemeinen Anregung gehaltene parlamentarische Initiative Gross (sp, ZH) für eine Gewichtung der Standesstimmen gemäss der Bevölkerungszahl der Kantone mit 90:54 Stimmen ab. Er folgte damit seiner Kommissionsmehrheit, welche den Vorstoss mit föderalistischen Argumenten bekämpft hatte. Eine vor allem in der Westschweiz aktive Bewegung "Renaissance Schweiz-Europa" kündigte die Lancierung einer Volksinitiative an, welche den Ständen je nach der Zahl der Stimmberechtigten 1 bis 3 Stimmen zuteilen will.

Pa.Iv. zur Gewichtung der Standesstimmen gemäss der Kantonsbevölkerung (94.416)
Dossier: Vorstösse zur Abschwächung des klassischen Ständemehrs

Gegen den Willen des Bundesrates, der dafür keine Mittel freigeben wollte, überwies der Nationalrat ein Postulat Gross (sp, ZH), das die Regierung ersucht, eine Analyse in Auftrag zu geben, welche den Einfluss des Einsatzes von finanziellen Mitteln auf die Meinungsbildung bei Volksabstimmungen erforscht.

Einfluss des Einsatzes von finanziellen Mitteln auf die Meinungsbildung

Eigentlich wäre nun nur noch eine Differenzbereinigung für den Beschluss A (Organisation der Departemente) möglich gewesen. Der Ständerat wollte jedoch an den zusätzlichen Staatssekretären zur Entlastung des Bundesrates festhalten. Er folgte deshalb dem Antrag seiner Kommission, die Vorlage wieder zu einem einzigen Beschluss zu vereinigen. Dies erlaubte es, den vom Nationalrat zuerst abgetrennten und dann abgelehnten Beschluss B (Staatssekretäre) wieder in die Beratung zu ziehen. Bei der Bereinigung der Wahlformel für die Staatssekretäre stimmte der Rat einem von Petitpierre (fdp, GE) vorgeschlagenen Kompromiss zu: im Organisationsgesetz übernahm er die Formel des Nationalrats für eine fakultative Bestätigung, im Geschäftsverkehrsgesetz hielt er aber fest, dass diejenigen Sekretäre, welche die Regierung vor dem Parlament vertreten, durch das Parlament - in globo - bestätigt werden müssen. An seinem Entscheid, dass bei Abstimmungen im Bundesrat Stimmenthaltung nicht zulässig sein solle, hielt er fest.

Gegen die Opposition von FP - welche ihre Referendumsdrohung wiederholte -, SVP und LdU/EVP beschloss der Nationalrat auf die Vorlage wieder einzutreten. In Bezug auf die Wahl der Staatssekretäre schloss er sich der kleinen Kammer an, eröffnete dem Parlament aber die Möglichkeit, einzelne Namen aus der Liste zu streichen. In der Frage, ob sich Bundesräte bei Abstimmungen im Kollegium der Stimme enthalten dürfen, gab er hingegen dem Ständerat nach. Die bereinigte Vorlage fand auch die Zustimmung des Ständerats. In der Schlussabstimmung sprachen sich 91 Nationalräte für die Vorlage aus, 62 (v.a. aus FP, SVP und FDP) lehnten sie ab, während sich 23 (v.a. aus der SP) der Stimme enthielten; in der kleinen Kammer lautete das Stimmenverhältnis 40:2.

Regierungsreform '93 (BRG 93.075)
Dossier: 9 statt 7 Bundesratsmitglieder?

Die im Vorjahr vom Ständerat in Ausführung einer parlamentarischen Initiative Rüesch (fdp, SG) beschlossene präzisierende Einschränkung des Immunitätsprivilegs für Aktivitäten ausserhalb des Parlaments (relative Immunität) fand im Nationalrat keine Zustimmung. Nach dessen Ansicht, die anschliessend auch vom Ständerat übernommen wurde, besteht diesbezüglich zur Zeit kein Regelungsbedarf.

Pa.Iv. zur Einschränkung der parlamentarischen Immunität (91.424)

Unmittelbar nach der Wahl begann die Diskussion um eine Neuverteilung der Departemente. FDP-Präsident Steinegger verlangte, dass das Finanzministerium von einem Vertreter einer bürgerlichen Partei übernommen werden müsse. Es war allen klar, dass er dabei primär an den Freisinnigen Villiger, Vorsteher des Militärdepartements, dachte. Die Aussicht, erstmals einen Sozialdemokraten mit der Leitung des EMD zu betrauen, löste bei bürgerlichen Politikern zwar keine Begeisterung aus, schien aber, zumindest als Übergangslösung, nicht unakzeptabel. Bundesrat Ogi seinerseits machte deutlich, dass er an einem Wechsel ins EMD kein Interesse habe. Am 1. Oktober beschloss das Regierungskollegium, eine mittlere Rochade vorzunehmen: Villiger wechselte vom EMD ins EFD, Ogi vom EVED ins EMD und Leuenberger erhielt das EVED. Kommentare würdigten dies als optimale Verteilung und lobten sowohl die Führungsqualitäten von Bundespräsident Villiger, welchem es gelungen war, zwischen den unterschiedlichen Ansprüchen zu vermitteln, als auch die kollegiale und verantwortungsvolle Haltung Ogis.

Bundesratswahlen 1995

Am 27. September standen der Vereinigten Bundesversammlung somit zwei offizielle Kandidaten zur Auswahl: die beiden Sozialdemokraten Leuenberger und Piller. Ein letzter Ordnungsantrag der SD/Lega-Fraktion, die Wahl erst nach den Gesamterneuerungswahlen für das Parlament vorzunehmen, scheiterte. Im 1. Wahlgang erhielt Leuenberger 81 Stimmen, an zweiter Stelle folgte die Freisinnige Spoerry mit 65; die Sozialdemokraten Piller resp. Belser und Haller erhielten 48, 17 resp. 15 Stimmen. Im 2. Wahlgang überholte Piller Spoerry, welche in einer persönlichen Erklärung nach dem 1. Wahlgang auf den Entscheid der FDP-Fraktion, keine Sprengkandidatin aufzustellen, verwiesen hatte. Nach dem 3. Wahlgang schied Spoerry mit 21 Stimmen als letzte aus; nach dem 4. Wahlgang Belser. Im 5. Wahlgang wurde schliesslich Moritz Leuenberger bei einem absoluten Mehr von 106 Stimmen mit deren 124 gewählt; Piller kam auf 86 Stimmen.

Bundesratswahlen 1995