Suche zurücksetzen

Inhalte

  • Institutionen und Volksrechte

Akteure

Prozesse

  • Gerichtsverfahren
14 Resultate
Als PDF speichern Weitere Informationen zur Suche finden Sie hier

Ende April 2020 reichte Bundesanwalt Michael Lauber Beschwerde beim Bundesverwaltungsgericht gegen die Disziplinaruntersuchung der AB-BA gegen ihn ein. In der Mitte Mai vom Tages-Anzeiger publik gemachten rund 70-seitigen Begründung für die Beschwerde warf Lauber der Aufsichtsbehörde Voreingenommenheit und Parteilichkeit vor. Die Untersuchung zeichne sich «durch Mutmassungen, Spekulationen und konsequente Missachtung aller tatsächlichen Gegebenheiten und entlastender Umstände aus». Lauber wehrte sich gegen die «vorverurteilende Medienkampagne», die vor allem Folge von «abschätzigen» Äusserungen des AB-BA-Präsidenten Hanspeter Uster gewesen sei. Die Aufseher selber seien nicht unbefangen, sondern auf einem eigentlichen «Rachefeldzug».

In den Medien wurde die Kritik an der Person Lauber zunehmend heftiger. In der NZZ vermutete der Strafrechtsprofessor Mark Pieth, dass Lauber aufgrund der Anschuldigungen der AB-BA in den USA wohl wegen Missachtung einer richterlichen Behörde ins Gefängnis kommen würde. Auch der Umstand, dass Laubers Anwaltskosten von der Bundesanwaltschaft getragen wurden, war Gegenstand von empörten Medienreaktionen. Der Griff in die Staatskasse, um eine persönliche Verteidigung zu bezahlen, gehe gar nicht, war etwa in der NZZ zu lesen. Die Zeitung wusste auch zu berichten, dass Lauber zuvor zwar beim Eidgenössischen Personalamt angefragt hatte, ob seine Anwaltskosten von der Bundesanwaltschaft übernommen werden können, dieses habe ihn aber an die FinDel verwiesen, welche freilich bis dato keine Anfrage erhalten habe. In der Aargauer Zeitung meldete sich Regula Rytz (gp, BE) zu Wort und sprach von «Selbstbegünstigung». Das Parlament müsse verhindern, dass Lauber mit Steuergeldern seine persönlichen Interessen verteidige.
Wasser auf die Mühlen der Kritikerinnen und Kritiker war auch die Verjährung des Strafverfahrens im Zusammenhang mit der Fussball-WM in Deutschland Ende April 2020. Die Verantwortung für diese «Schlappe für die Schweizer Strafjustiz», wie sie in der NZZ bezeichnet wurde, wurde insbesondere dem obersten Strafverfolger selber zugerechnet.
Zudem tauchten Ende April 2020 neue Dokumente auf, mit denen Michael Lauber die Geheimtreffen mit Fifa-Chef Gianni Infantino, an die sich Lauber laut eigener Aussage nicht mehr erinnern konnte, nachgewiesen wurden. Die «undurchsichtige Affäre», wie sie die NZZ bezeichnete, war Stein des Anstosses für die Disziplinaruntersuchung der AB-BA gewesen. Die Kritik war verbunden mit Rücktrittsforderungen. «Zum Wohle der Schweizer Justiz» müsse das Parlament Lauber «aus dem Amt hieven», forderte etwa der Tages-Anzeiger. Die WoZ erinnerte daran, dass Lauber vor seiner Wiederwahl das Versprechen abgegeben habe, zurückzutreten, «wenn im Disziplinarverfahren etwas an ihm hängen bleibe». Und auch die NZZ begrüsste, dass die Gerichtskommission in der Zwischenzeit laut über ein Amtsenthebungsverfahren nachzudenken begann, das sie dann am 20. Mai effektiv lancierte. Eine Freistellung sei «längst überfällig», so die NZZ. Nicht in diese Kritik einstimmen mochte die Weltwoche. Die Argumente gegen Lauber seien dürftig, die Untersuchung atme «den Geist von Kleinkariertheit» und der Bundesanwalt verfüge im Vergleich zu seinen Vorgängern «über einen respektablen Leistungsausweis», was laut Weltwoche auch die Justiz- und Polizeidirektoren und die kantonalen Staatsanwälte «unisono» bestätigten.

Am 22. Juli legte das Bundesverwaltungsgericht sein Urteil zur Beschwerde Laubers gegen die Verfügung der AB-BA vor. Teilweise wurde die Anfechtung Laubers gutgeheissen: Die Richter verlangten vor allem, dass die von der AB-BA verfügte Lohnkürzung von 8 auf 5 Prozent reduziert werden musste. Das Gericht urteilte zudem, dass die AB-BA etwas weit gehe, wenn sie Lauber im Kern ein falsches Berufsverständnis vorwerfe. Allerdings bestätigte das Gericht einige zentrale Beanstandungen der AB-BA. Insbesondere habe Lauber seine Amtspflicht mehrfach verletzt. Er habe zudem vorsätzlich gelogen, was das ominöse dritte Treffen mit Fifa-Präsident Infantino betreffe. In einer Stellungnahme verwahrte sich Michael Lauber gegen den Vorwurf der Lüge, bot aber gleichentags seinen Rücktritt an. In der NZZ wurde das Gerichtsurteil als «vernichtend» bezeichnet, als «die letzte und damit entscheidende Schlappe für Lauber». Nicht vom Tisch war damit allerdings das Strafverfahren, das in der Zwischenzeit gegen Lauber angestrengt worden war.

Disziplinaruntersuchung gegen Michael Lauber (2019-2020)
Dossier: Michael Lauber - Bundesanwalt

Im Juli 2019 entschied die Berner Staatsanwaltschaft, dass sich Pirmin Schwander (svp, SZ) nicht strafbar gemacht habe. Rund drei Jahre hatten die Behörden wegen Verdachts auf Gehilfenschaft zur Entführung und Gehilfenschaft zum Entziehen von Minderjährigen gegen den SVP-Nationalrat ermittelt. Angestrengt hatte das Verfahren die KESB Biel. Schwander, der als Kesb-Kritiker gilt – er gehört dem Komitee an, das für eine Volksinitiative, mit der der Einfluss der KESB beschnitten werden soll, Unterschriften sammelt –, stand unter Verdacht, eine Mutter unterstützt zu haben, die ihre Tochter nicht ins Heim zurückbrachte, sondern mit ihr untergetaucht war. Schwander hatte die Rechtsvertretung der Mutter finanziert, was den Verdacht auf Gehilfenschaft weckte. Die Mutter selber war 2017 zu einer Freiheitsstrafe von 30 Monaten verurteilt worden. Schwander, der sich im Fall einer Strafverfolgung nicht hätte auf seine Immunität berufen können – die IK-NR und die RK-SR hatten 2016 entschieden, dass Schwanders Handlungen nicht mit seinem Nationalratsmandat in Zusammenhang stehen –, gab den Medien zu Protokoll, sich eine Staatshaftungsklage zu überlegen, da er aufgrund des Verfahrens hohe Einkommenseinbussen erlitten habe.

Immunität von Pirmin Schwander

Eigentlich ist im Parlamentsgesetz (Art. 47) geregelt, dass vertraulich sei, was parlamentarische Kommissionen beraten. Allerdings wird diese Regel wohl ziemlich häufig verletzt, da Verbände oder Fraktionsangehörige, aber auch Medienvertreterinnen und -vertreter häufig Informationen über Kommissionssitzungen erhalten dürften. Geben die Medien diese Informationen preis, kann dies für sie selber allerdings rechtliche Folgen haben. In der Tat war 2016 ein Journalist der Basler Zeitung von der Bundesanwaltschaft per Strafbefehl zu einer Geldbusse von CHF 300 verurteilt worden, weil er in seinem Zeitungsbeitrag detaillierte Diskussionspunkte und Abstimmungen der RK-NR im Vorfeld der Beratungen zum Geldspielgesetz aufgelistet hatte. Zwar war im damaligen Verfahren nicht klar geworden, woher die Informationen stammten, der Medienschaffende wurde aber wegen Publikation geheimer Informationen bestraft (StGB Art. 293). Dies blühte auch einem Blick-Journalisten, der Anfang Mai von einer Sitzung der RK-NR zur Aktienrechtsreform berichtete, bei welcher Hans-Ueli Vogt (svp, ZH) den Raum verlassen habe. Die Gründe für diesen «Eklat im Bundeshaus», wie der Blick titelte, wurden sehr detailliert, mit Nennung der Personen und ihren Aussagen während der Sitzung ausgeführt. Zahlreiche Medien, darunter gar ein deutsches Nachrichtenportal, nahmen den Ball auf. Es sei zum Eklat gekommen, weil Vogt nicht der gleichen Meinung gewesen sei wie seine Partei und die SP ihm vorgeworfen habe, als Kommissionssprecher – Vogt wäre dafür vorgesehen gewesen – nicht glaubwürdig zu sein. Die verbalen Angriffe gegen den Zürcher seien sehr heftig gewesen. Ende Mai reichte die RK-NR bei der Bundesanwaltschaft Strafanzeige gegen unbekannt wegen Verletzung des Kommissionsgeheimnisses ein.

Eklat in Kommission

Die Frage, ob Abstimmungskampagnen Grenzen haben müssen und falls ja, wo diese gezogen werden sollen, beschäftigt die Schweiz oft bei umstrittenen Abstimmungen. Eine solche stellte die Masseneinwanderungsinitiative ohne Zweifel dar. Nach Meinung zweier Staatsrechtsprofessoren sollte deren Annahme nun gar aufgrund von Propaganda für ungültig erklärt werden. David Gibor und Tomas Poledna reichten eine Stimmrechtsbeschwerde ein und argumentierten, dass der Urnengang durch rassistische Propaganda verfälscht worden sei. Im Mittelpunkt dieser Argumentation stand das Inserat mit dem Titel «Kosovaren schlitzen Schweizer auf!», für welches SVP-Verantwortliche erstinstanzlich wegen Rassendiskiminierung verurteilt worden waren.
In der Folge wurde vor allem unter Juristinnen und Juristen diskutiert, ob die Meinungsbildung besser geschützt werden müsse. Sofern eine strafrechtliche Verurteilung vorliege, könne die unter Strafe gestellte Handlung sehr wohl als unzulässige Einwirkung auf die Willensbildung betrachtet werden, wurde auf der einen Seite argumentiert. Man könne von den Stimmberechtigten nicht erwarten, dass sie «Hetzinserate» als solche erkennen würden, betonte etwa Denise Buser, Titularprofessorin für kantonales Staatsrecht an der Universität Basel. Wenn eine unzulässige Beeinflussung der Willensbildung vorliege, dann könne man sich schon überlegen, ob ein Abstimmungsresultat kassiert werden sollte, da das Strafrecht «eine rote Linie» darstellen müsse, wandte auch der ehemalige Bundesrichter Giusep Nay ein. Auf der anderen Seite wurde argumentiert, dass unwahre Äusserungen oder unsachliche und abwertende Argumente zu einer offenen demokratischen Auseinandersetzung gehörten. In der Debatte könnten diese ja auch thematisiert und entkräftet werden. Ein Schutz der Stimmbürgerschaft sei nicht nötig, da diese selber erkenne, wann ein Manipulationsversuch vorliege. Man müsse den Stimmberechtigten zutrauen, dass in einem Abstimmungskampf fast alles gesagt werden dürfe, argumentierte Markus Schefer, Professor für Staats- und Verwaltungsrecht.
Das Bundesgericht entschied dann Ende August 2015 nicht auf die Beschwerde einzutreten (Urteil 1C_63/2015, 1C_109/2015, 1C_237/2015, 1C_293/2015). Hauptsächliche Begründung war, dass die Beschwerde zu spät eingereicht worden sei. Eine solche müsse spätestens drei Tage nach Entdeckung des Beschwerdegrundes – im konkreten Fall also bei Publikation des besagten Inserats – angemeldet werden. Das Inserat war von der SVP bereits lange vor der Volksabstimmung geschaltet worden. Gibor und Poledna hatten vergeblich argumentiert, dass erst mit der Verurteilung klar geworden sei, dass eine Irreführung vorgelegen habe. Unbeantwortet liess das Bundesgericht hingegen die Frage, ob strafbare Äusserungen die Willensbildung auf unzulässige Weise beeinflussen können.

Stimmrechtsbeschwerde wegen Schlitzerplakat

Aufgrund der Affäre Hildebrand musste die 2011 neu geschaffene Immunitätskommission erstmals tagen und über die Immunität von Christoph Blocher (svp, ZH) entscheiden. Zur Debatte stand, ob Blocher, der unter Verdacht stand, Anfang Dezember 2011 Bankdaten an Dritte weitergegeben zu haben, als Parlamentarier gehandelt hatte oder nicht. Blocher war zwar zur fraglichen Zeit bereits in den Nationalrat gewählt und stellte sich auf den Standpunkt, dass er auch in seiner Funktion als Nationalrat gehandelt habe, die Zürcher Oberstaatsanwaltschaft, die das Strafverfahren eröffnet hatte, war hingegen der Ansicht, dass die zu untersuchenden Handlungen Blochers nicht der Immunität unterstehen. Dies betraf eine ebenfalls 2011 neu geschaffene Regelung betreffend die so genannte relative Immunität. Bisher musste lediglich ein Zusammenhang zwischen Handlung und Mandat bestehen, um Immunität geniessen zu können; neu wurde ein unmittelbarer Zusammenhang verlangt. Die neun Mitglieder der nationalrätlichen Kommission luden Blocher Mitte April zu einem Hearing ein und entschieden dann, dass er für die erste vermutete Bankgeheimnisverletzung vom 3. Dezember 2011 keine Immunität erhält, wohl aber für die zweite vermutete Widerhandlung gegen das Bankengesetz, die vermutlich am 27. Dezember stattgefunden haben soll. Die Kommission begründete ihren Entscheid damit, dass Blocher erst am 5. Dezember als Nationalrat vereidigt worden war. Die ständerätliche Rechtskommission – anders als der Nationalrat hatte die kleine Kammer für Fragen der Immunität keine neue Kommission geschaffen – überstimmte die Immunitätskommission Ende Mai. Sie stellte sich auf den Standpunkt, dass die Handlungen Ende Dezember nicht in einem unmittelbaren Zusammenhang mit dem Nationalratsmandat stehen und deshalb auch hierfür keine Immunität gelte. Weil beide Kommissionen an ihrem Entscheid festhielten, wurde Blocher die Immunität entzogen und die Zürcher Staatsanwaltschaft konnte ihre Ermittlungen weiterführen. Im November musste die Immunitätskommission ein weiteres Mal über die Aufhebung der Immunität eines Parlamentariers befinden. Alfred Heer (svp, ZH) hatte sich in einer Fernsehsendung abschätzig über Tunesische Asylbewerber geäussert, worauf zwei Tunesier eine Strafanzeige einreichten. Die Kommission entschied, dass ein unmittelbarer Zusammenhang zwischen Aussage und Parlamentsmandat bestehe und dass die Aussage nicht gravierend, sondern eine sehr pointierte Meinung in einer lebhaften Diskussion gewesen sei. Sie hob die Immunität Heers entsprechend nicht auf. Unmittelbar nach dem definitiven Entscheid zur Aufhebung der Immunität von Christoph Blocher reichte die SVP zwei parlamentarische Initiativen ein (12.455, 12.458), mit denen sie das neue Immunitätsverfahren ganz oder zumindest teilweise rückgängig machen wollte. Insbesondere sollte die Möglichkeit einer Beschwerde ans Ratsplenum eingebaut werden.

Immunitätsentzug bei Blocher

2003 hatte die Bundesanwaltschaft ein Verfahren gegen den Bankier Oskar Holenweger wegen Verdachts auf Wäsche von Drogengeldern eingeleitet. 2010 hatte sie dann schliesslich Klage eingereicht. Der Fall sollte zum Verhängnis gleich für zwei Bundesanwälte werden. Der Rücktritt von Valentin Roschacher im Jahr 2006 und insbesondere die Nichtwiederwahl von Erwin Beyeler im Berichtsjahr waren unmittelbar mit dem Fall Holenweger verknüpft. Im April 2011 hatte das Bundesstrafgericht Holenweger frei gesprochen und die Anklagepunkte der Bundesanwaltschaft allesamt demontiert. Der Freispruch wurde in der Presse denn auch als Debakel für Beyeler interpretiert. Der Freispruch war Wasser auf die Mühlen der SVP, die mutmasste, dass die Abwahl Christoph Blochers aus dem Bundesrat 2007 ebenfalls mit dem Fall Holenweger zu tun gehabt haben musste. Blocher war damals vorgeworfen worden, in ein Komplott gegen den damaligen Bundesanwalt Roschacher verwickelt gewesen zu sei. Mit dem Freispruch Holenwegers erwiesen sich diese Vorwürfe jedoch als haltlos. Ende November kam auch die Geschäftsprüfungskommission des Parlaments zum Schluss, dass der ehemalige Bundesrat nicht an einem Komplott gegen den ehemaligen Bundesanwalt beteiligt gewesen war.

Justizaffäre Holenweger

Gerügt wurde die Bundesanwaltschaft auch im so genannten Hells-Angels-Prozess. Im April 2004 kam es zu einer spektakulären Polizeiaktion gegen den Motorradclub, der unter Verdacht geraten war, eine kriminelle Vereinigung zu sein. Zwar wurde im Berichtsjahr ein Mitglied der Hells Angels vom Bundesstrafgericht angeklagt, aber nicht wegen des ursprünglichen Verdachts der Bundesanwaltschaft, sondern aufgrund eines Drogendeliktes. Der Bundesstrafrichter kritisierte die Bundesanwaltschaft, sie hätte viel zu lange gebraucht, um den Fall aufzuarbeiten und das Beschleunigungsgebot verletzt. Im Oktober musste der Prozess aufgrund unvollständiger Beweismittel sogar vertagt werden.

Hells-Angels-Prozess

Ricardo Lumengo, der 2010 wegen Wahlfälschung angeklagt wurde und in der Folge aus seiner Partei austreten musste, im Nationalrat aber als Parteiloser verblieb, wurde vom Obergericht des Kantons Bern in zweiter Instanz freigesprochen. Die bernische Generalstaatsanwaltschaft legte Beschwerde gegen das Urteil ein, womit sich auch das Bundesgericht noch mit dem Fall beschäftigen wird. Bei den Gesamterneuerungswahlen im Herbst trat Lumengo mit der Sozial-Liberalen Bewegung zur Verteidigung seines Nationalratssitzes an, war allerdings chancenlos.

Ricardo Lumengo wird freigesprochen

Hohe Wellen warf die Abstimmung über die Unternehmenssteuerreform vom 24. Februar 2008. Aus Sicht der SP hatten die Abstimmungsunterlagen falsche Angaben zu den Steuerausfällen enthalten. Kiener Nellen (sp, BE) und Jositsch (sp, ZH), sowie eine Privatperson reichten deshalb Beschwerde ein. Ende Berichtjahr entschied das Bundesgericht gegen eine Wiederholung der Abstimmung, rügte aber den Bundesrat für die fehlerhafte Kommunikation.

BRG Unternehmenssteuerreform II (BRG 05.058)
Dossier: Unternehmenssteuerreform II

Der SP-Nationalrat Ricardo Lumengo (BE) wurde im November wegen Wahlfälschung angeklagt. Bei den Berner Grossratswahlen von 2006 soll er 44 Stimmzettel eigenhändig ausgefüllt haben. Lumengo erklärte, dass er lediglich einigen Leuten beim Ausfüllen geholfen habe und diese dann den entsprechenden Zettel eingeworfen hätten. Der Verdacht, dass Lumengo bei den Nationalratswahlen ebenfalls Wahlfälschung betrieben hatte, erhärtete sich hingegen nicht. Obwohl Lumengo Berufung einlegte, forderte ihn seine Partei zum Rücktritt aus dem Nationalrat auf. Lumengo trat in der Folge aus Partei und Fraktion aus, ohne sein Nationalratsmandat niederzulegen.

Ricardo Lumengo wird freigesprochen

Das Bundesgericht nahm zu einer Beschwerde gegen die 1997 durch den Urner Landrat (Parlament) erfolgte Ungültigkeitserklärung einer kantonalen Volksinitiative für eine Frauenquote für die Behörden Stellung. Es bestätigte dabei sein Urteil aus dem Vorjahr zu einer ähnlichen Solothurner Initiative, dass generelle Wahlquoten im Widerspruch zur Bundesverfassung stehen, da sie bei durch das Volk gewählten Behörden einer Einschränkung des freien und gleichen Wahlrechts gleichkommen würden. Geschützt wurden hingegen diejenigen Teile der Initiative, welche Quoten für Kommissionen und Behörden, die nicht direkt vom Volk gewählt werden, sowie für die Wahllisten der Parteien fordern.

Ungültigerklärung der kantonalen Urner Volksinitiative "für gleiche Wahlchancen"
Dossier: Bestrebungen für Frauenquoten in politischen Ämtern, Kommissionen und der Verwaltung

Vom 19. bis 23. Februar 1990 fand unter grosser Anteilnahme der Medien vor dem Bundesstrafgericht in Lausanne die strafrechtliche Beurteilung des Verhaltens von alt Bundesrätin Elisabeth Kopp statt. Mitangeklagt waren ihre persönliche Mitarbeiterin Katharina Schoop und die ehemalige Mitarbeiterin im Bundesamt für Justiz, Renate Schwob. Die Richter hatten abzuklären, ob es sich bei den unbestrittenermassen an den Gatten von Elisabeth Kopp weitergegebenen Informationen um Amtsgeheimnisse gehandelt hatte, und, wenn ja, ob den Angeklagten eine vorsätzliche oder zumindest eventualvorsätzliche Verletzung des Amtsgeheimnisses – nur diese ist strafbar – nachgewiesen werden kann.

Das Gericht kam zum Schluss, dass es sich bei den Informationen um Amtsgeheimnisse gehandelt habe, da der zugrundeliegende Bericht für die Bundesanwaltschaft bestimmt gewesen sei. Da jedoch nicht zweifelsfrei nachgewiesen werden konnte, dass Elisabeth Kopp um die amtliche Herkunft dieser Informationen wusste, wurde sie vom Vorwurf der vorsätzlichen Amtsgeheimnisverletzung freigesprochen. Nach Ansicht des Gerichts hatte sie es freilich zumindest an der erforderlichen Sorgfalt fehlen lassen, weshalb ihr vier Zehntel der Gerichtskosten auferlegt wurden. Das Verhalten der persönlichen Mitarbeiterin der alt Bundesrätin wurde ebenfalls als nicht strafbar taxiert. Zwar sei bei ihr der Tatbestand der vorsätzlichen Amtsgeheimnisverletzung gegeben, da sie um die Herkunft der Informationen gewusst habe. Ihr wurde aber ein Rechtsirrtum zugestanden, da sie geglaubt habe, zur Weitergabe an ihre Vorgesetzte und deren Mann berechtigt zu sein. Die dritte Angeklagte schliesslich wurde vollumfänglich freigesprochen, da sie nicht habe damit rechnen können, dass die Departementsvorsteherin und ihre persönliche Mitarbeiterin die weitergegebenen Informationen nach aussen tragen würden.

PUK zur Untersuchung der Affäre Kopp (PUK-I; BRG 89.006)
Dossier: Affäre Kopp
Dossier: Der Fichenskandal und seine Folgen

Beide Parlamentskammern stimmten in einer Sondersession im Februar 1989 der Immunitätsaufhebung von Elisabeth Kopp ohne Gegenstimme zu. Am 15. März wählte die Vereinigte Bundesversammlung den Freiburger Staatsanwalt Joseph-Daniel Piller zum ausserordentlichen Bundesanwalt. Dieser beantragte – nach Abschluss der vom eidgenössischen Untersuchungsrichter Koeferli durchgeführten Ermittlungen – beim Bundesstrafgericht Anklageerhebung wegen Amtsgeheimnisverletzung gegen Elisabeth Kopp, ihre persönliche Mitarbeiterin und eine Beamtin des EJPD. Mangels schlüssiger Anhaltspunkte verzichtete Piller hingegen darauf, eine Strafverfolgung wegen Begünstigung zu beantragen. Die Anklagekammer des Bundesgerichts, welche überprüfen musste, ob die Anklageschrift den gesetzlichen Erfordernissen entsprach und ob die Anklage grundsätzlich gerechtfertigt sei, entschied sich anfangs November 1989 für eine Zulassung der Klage.

PUK zur Untersuchung der Affäre Kopp (PUK-I; BRG 89.006)
Dossier: Affäre Kopp
Dossier: Der Fichenskandal und seine Folgen

Von weniger grundlegender Art waren die Anfechtungen, denen sich Mitglieder der Regierungen der Kantone Solothurn und Graubünden ausgesetzt sahen. In Solothurn bestätigte das Obergericht die Verurteilung von vier der fünf Regierungsräte wegen Behinderung der Untersuchungsbehörden bei einem Verfahren gegen den ehemaligen Rektor einer Schule; es sprach sie allerdings vom Tatbestand der Begünstigung frei. In Graubünden sah sich Regierungsrat Lardi (cvp) zum Rücktritt auf Ende der Legislaturperiode (1986) veranlasst. Gegen ihn läuft eine Strafuntersuchung wegen widerrechtlicher Grundstückverkäufe an Ausländer, die er vor seinem Amtsantritt begangen haben soll.

Skandale in Regierungen der Kantone Solothurn und Graubünden 1985