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In der Wintersession 2022 überwiesen sowohl der Ständerat (Mo. 22.4250) als auch der Nationalrat (Mo. 22.4249) eine jeweils gleichlautende Motion zur Erhöhung der Obergrenze für Gerichtsgebühren. Die von den beiden GPK eingereichten Vorstösse verlangten, dass die eidgenössischen Gerichte nach oben flexible Grenzen für Gerichtsgebühren ansetzen dürfen. Bei ihrer Prüfung der jetzigen Gebühren hätten die GPK festgestellt, dass die momentan geltenden Höchstansätze (CHF 200'000 beim Bundesgericht, CHF 100'000 bei Bundesanwaltschaft und Bundesstrafgericht, CHF 50'000 beim Bundesverwaltungsgericht) nicht genügten, wenn es um sehr hohe Streitwerte oder sehr komplexe Verfahren gehe. Es gehe nicht darum, die Gerichtsgebühren generell zu erhöhen, sondern lediglich darum, bei Spezialfällen Obergrenzen adäquat anzusetzen, begründeten die GPK ihre Vorstösse. Zwar waren bereits 2017 zwei ähnliche und ebenfalls gleichlautende Motionen angenommen worden, die im Rahmen der Revision des Bundesgerichtsgesetzes hätten umgesetzt werden sollen. Da die Räte diese Revision allerdings abgelehnt hätten, sei das Anliegen der flexiblen Obergrenze bisher nicht umgesetzt worden.
Der Bundesrat beantragte die Annahme der Motionen, wie er es bereits 2017 getan hatte, und erinnerte daran, dass bei der Umsetzung eine Motion Hefti (fdp, GL; Mo. 19.3228) und ein Postulat Caroni (fdp, AR; Po. 20.4399) berücksichtigt werden müssten.
Während die Motion im Ständerat ohne Diskussion durchgewunken wurde, lag im Nationalrat ein schriftlicher Antrag von Pirmin Schwander (svp, SZ) vor, der die Ablehnung der Motion beantragte. Es sei eine «Kernaufgabe des Staates» einen «niederschwelligen Zugang» zu den Gerichten zu garantieren. Höhere Gebühren würden aber auch höhere Gerichtskosten bedeuten, was den Zugang zu den Gerichten einschränke. Diesem Argument folgten 46 Fraktionskolleginnen und -kollegen Schwanders und ein Mitglied der FDP-Fraktion. Sie standen einer Mehrheit von 130 Stimmen gegenüber (6 Enthaltungen). Somit galten beide Motionen als angenommen.

Erhöhung der Obergrenze für Gerichtsgebühren (Mo. 22.4250 und Mo. 22.4249)

Als «formalistischen Leerlauf» bezeichnete Hans Stöckli (sp, BE) den aktuellen Rechtsmittelweg im Falle einer Beschwerde zu einer eidgenössischen Abstimmung. In der Tat sind Beanstandungen zuerst an eine Kantonsregierung zu richten, die dann in der Regel einen formellen Nichteintretensentscheid wegen Nichtzuständigkeit fällen muss, der in der Folge beim Bundesgericht angefochten werden kann. Stöckli forderte mittels Motion eine Revision des Bundesgesetzes über die politischen Rechte, mit der neue Rechtsmittelwege für Abstimmungsbeschwerden geschaffen werden sollen, die den Zeitverlust beseitigen. Es sei zielführender, wenn eine Abstimmungsbeschwerde, die ein Kanton nicht beurteilen kann – z.B. der Antrag auf Ungültigerklärung eines Abstimmungsentscheids oder auf Rüge von Falschinformation durch die Bundesbehörden –, direkt ans Bundesgericht gelangen könne.
In der Wintersession 2022 wies Bundeskanzler Walter Thurnherr im Ständerat darauf hin, dass das Bundesgericht bereits mehrmals gerügt habe, dass das aktuelle Beschwerdeverfahren nicht zweckmässig sei. Der Bundesrat beantrage auch deshalb die Annahme der Motion. Es müsse bei der Umsetzung allerdings berücksichtigt werden, dass die Kantone nicht gänzlich ausgenommen würden, seien sie doch durchaus zuständig bei beanstandeten Unregelmässigkeiten hinsichtlich Vorbereitung und Durchführung von Urnengängen (z.B. Versand von Stimmmaterial, Auszählung der Stimmen). Der Ständerat überwies die Motion stillschweigend an den Nationalrat.

Abstimmungsbeschwerden – neuer Rechtsmittelweg (Mo. 22.3933)

Die 182 zu 1 Stimmen im Nationalrat liessen darauf schliessen, dass die Motion Dobler (fdp, SG), die bei eidgenössischen Abstimmungen auf dem Stimmzettel einen Hinweis auf bestehende indirekte Gegenvorschläge verlangt, auf den ersten Blick «nachvollziehbar und sympathisch» sei, führte Mathias Zopfi (gp, GL) als Sprecher der SPK-SR die ständerätliche Debatte zum Vorstoss in der Wintersession 2022 ein. Der Kommission habe allerdings ein zweiter Blick genügt, um die Ablehnung der Motion zu beantragen. Im Gegensatz zum Motionär sei die Kommission der Meinung, dass die Willensbildung durch zusätzliche Informationen auf dem Stimmzettel nicht gefördert, sondern im Gegenteil gefährdet werde. Ein indirekter Gegenvorschlag sei ein politisches Argument und gehöre deshalb sicher nicht auf den Stimmzettel, der möglichst schlicht bleiben und nicht mit Hinweisen überladen werden soll. Die Stimmbürgerinnen und Stimmbürger seien sehr wohl in der Lage, sich zum Beispiel im Abstimmungsbüchlein über bestehende Gegenvorschläge zu informieren. In der Tat war die Information über indirekte Gegenvorschläge in den Abstimmungserläuterungen mit deren Überarbeitung 2018 stark verbessert worden. Einen Minderheitsantrag auf Annahme gab es nicht, obwohl die SPK-SR die Ablehnungsempfehlung mit 9 zu 1 Stimmen und 1 Enthaltung beschloss. Weil er als Einziger in der Kommission für die Motion gestimmt habe, habe er auf einen Antrag verzichtet, so Thomas Minder (parteilos, SH). Er fände es aber eigentlich «logisch», wenn auf dem Stimmzettel vermerkt würde, über welche Alternativen Stimmbürgerinnen und Stimmbürger verfügten beziehungsweise welche Folgen die Ablehnung einer Initiative habe. Er denke nicht, dass alle Stimmberechtigten wüssten, was ein indirekter Gegenvorschlag sei. Auch Bundeskanzler Walter Thurnherr ergriff das Wort und führte für den Bundesrat, der die Motion ebenfalls zur Ablehnung empfohlen hatte, aus, dass das geltende Recht vorsehe, dass Abstimmungsfragen neutral formuliert sein und keinen Informationsauftrag erfüllen müssen. Es wäre unzulässig, ein Argument für oder gegen eine Vorlage in die Abstimmungsfrage einzufügen, und auch «demokratiepolitisch problematisch», wenn Hinweise auf Stimmzetteln die Meinungsbildung beeinflussen würden. Ohne Abstimmung lehnte die kleine Kammer die Motion in der Folge ab.

Hinweis auf bestehende indirekte Gegenvorschläge auf dem Abstimmungszettel (Mo. 22.3132)
Dossier: Stimmzettel als Informationsträger?

Die SPK-SR beantrage dem Ständerat einstimmig, die Motion der Mitte-Fraktion, die Fristenstillstand und Verschieben von Wahlterminen in Krisenzeiten gesetzlich regeln will, aus formalen Gründen abzulehnen, führte Mathias Zopfi (gp, GL) für die Kommission in der Wintersession 2022 aus. Zwar habe der Nationalrat diese Motion in der Sommersession angenommen, das Anliegen entspreche aber wortwörtlich einer Motion Rieder (mitte, VS, Mo. 20.3419), die von beiden Räten bereits früher angenommen worden sei. Der Auftrag an den Bundesrat müsse nicht ein zweites Mal erteilt werden. Auch Bundeskanzler Walter Thurnherr ersuchte den Ständerat, die Motion aus «verfahrensökonomischen Gründen» abzulehnen. Dies tat die kleine Kammer in der Folge diskussionslos.

Bewahrung der demokratischen Rechte auch in Krisenzeiten (Mo. 20.3314)

Nachdem die GPK-SR die beiden Motionen von Erich Ettlin (mitte, OW; Mo. 21.3956) und von Jakob Stark (svp, TG; Mo. 21.3722) eingehend beraten hatte, empfahl sie beide zur Ablehnung. Die Idee der Vorstösse war es, die Führungsstruktur des Bundesrats krisenresilient zu machen, indem in einem Krisenfall Gremien oder Ausschüsse eingesetzt werden könnten, die den Bundesrat beraten und unterstützen. In der Ratsdebatte während der Wintersession 2022 begründete Matthias Michel (fdp, ZG) die ablehnende Position der GPK-SR: Die Anliegen seien in der Zwischenzeit überholt. Es seien seit der Einreichung der beiden Vorstösse zahlreiche Motionen und Postulate überwiesen und Berichte dazu verfasst worden – darunter auch spezifisch zur Frage der Einbindung von Fachgremien in Krisenzeiten. Die Kommission habe sich zwar überlegt, die beiden Motionen zu sistieren und das revidierte Epidemiengesetz abzuwarten, habe aber darin keinen Mehrwert erkannt. In der Folge zog Erich Ettlin seine Motion noch während der Debatte zurück. Die Motion von Jakob Stark wurde ohne Abstimmung abgelehnt.

Führungsstruktur des Bundesrats krisenresilient machen (Mo. 21.3722)
Dossier: Institutionelle Krisenresistenz des Bundesrats

Im Oktober 2022 empfahl die GPK-SR die beiden Motionen von Erich Ettlin (mitte, OW; Mo. 21.3956) und von Jakob Stark (svp, TG; Mo. 21.3722), welche die Führungsstruktur des Bundesrats krisenresilient machen wollten, indem in einem Krisenfall Gremien oder Ausschüsse eingesetzt werden könnten, zur Ablehnung. In der Zwischenzeit sei das Anliegen überholt, begründete Matthias Michel (fdp, ZG) die ablehnende Position der GPK-SR in der Wintersession 2022. Seit der Einreichung der beiden Vorstösse seien zahlreiche Motionen und Postulate überwiesen und Berichte dazu verfasst worden. In der Folge zog Erich Ettlin seine Motion noch während der Debatte zurück. Die Motion von Jakob Stark wurde ohne Abstimmung abgelehnt.

Den Bundesrat im Krisenfall richtig beraten (Mo. 21.3956)
Dossier: Institutionelle Krisenresistenz des Bundesrats

Mit 138 zu 34 Stimmen (6 Enthaltungen) nahm der Nationalrat eine Motion seiner FK-NR an, mit der die Finanzierung von dezentralen Digitalisierungsprojekten geregelt werden soll. Konkret will die Kommission, dass der Bund Projekte fördert, die Medienbruchfreiheit und Mehrfachverwendung insbesondere auf den verschiedenen föderalen Ebenen anstreben. Zwar habe der Bundesrat mit dem EMBAG und auf der Basis der Motion 20.4260 eine Grundlage für solche Projekte geschaffen, er müsse diese aber zum Beispiel mittels «Zweidrittel-Bundesbeteiligung» auch konkret fördern, so die FK-NR, die zudem forderte, dass zu finanzierende Projekte open-source, transparent, nutzenorientiert und bezüglich Cybersicherheit auf dem neuesten technischen Stand sein müssen. Obwohl der Bundesrat die Annahme der Motion beantragt hatte und damit eine stillschweigende Überweisung an den Zweitrat möglich gewesen wäre, musste eine Abstimmung durchgeführt werden, weil ein schriftlicher Antrag von Marcel Dettling (svp, SZ) vorlag, mit dem eine Ablehnung des Vorstosses beantragt wurde. Es sei nicht nötig, dass sich der Bund einmische, weil sich gute Projekte auch ohne Förderung durchsetzen würden. Übernehme der Staat die Federführung, bestehe zudem die Gefahr eines Eindringens in die «Privatsphäre der Bürger» – so Dettling. Die 34 Stimmen, die sich hinter den Antragsteller stellten, stammten allesamt aus der SVP-Fraktion; je sechs weitere Mitglieder der Fraktion sagten ja oder enthielten sich der Stimme.

Finanzierung von dezentralen Digitalisierungsprojekten (Mo. 22.4255)

Am Montag der dritten Herbstsessionswoche 2020 besetzten Klimaaktivistinnen und -aktivisten den Bundesplatz, obwohl dort Veranstaltungen während der Session verboten sind. Dies führte bei den Parlamentarierinnen und Parlamentariern zu einigem Ärger. So beschwerten sich gemäss verschiedener Medien insbesondere bürgerliche Parlamentsmitglieder, von den Klimaaktivistinnen und -aktivisten «angepöbelt» worden zu sein. Dabei stellten die Medien vor allem verschiedene verbale Entgleisungen ins Zentrum der Berichterstattung. So soll Roland Büchel (svp, SG) derart genervt gewesen sein, dass er die Klimaaktivistinnen und Klimaaktivisten vor laufender Kamera als «Arschlöcher» bezeichnete. Andreas Glarner (svp, AG) nannte die Demonstrierenden während eines Interviews «Kommunisten und Chaoten» und Sibel Arslan (basta, BS), die das Anliegen der Streikenden vertreten wollte, «Frau Arschlan» – was er später als Versprecher entschuldigte. Umgekehrt regten sich linke Parlamentsmitglieder über die falschen Prioritäten der Medien auf, so etwa Jacqueline Badran (sp, ZH), die in einem Radiointerview die Medien angriff, welche «den huere fucking Glarner, who cares, [...] statt die Forderungen der Jugendlichen» gefilmt hätten.

Die Debatten drehten sich in der Folge allerdings nicht nur um «Anstand» und verbale Entgleisungen, sondern auch darum, ob der Bundesplatz überhaupt besetzt werden darf – insbesondere während der Session. Während sich bürgerliche Parlamentarierinnen und Parlamentarier beschwerten, zeigten links-grüne Mitglieder der Bundesversammlung Verständnis für die Aktion. Die aktuelle Regelung im Kundgebungsreglement der Stadt Bern besagt, dass die Versammlungsfreiheit auf dem Bundesplatz während der Sessionen vor allem für grosse Manifestationen aufgehoben wird. Verantwortlich für die Einhaltung dieser Massnahme ist die Stadt Bern, weshalb sich die Kritik der Bürgerlichen in der Folge vor allem gegen den Berner Stadtpräsidenten Alec von Graffenried (gfl) richtete. Einige Medien – darunter etwa die NZZ – warfen der Stadt gar vor, «mit zweierlei Mass» zu messen und das Demonstrationsverbot «selektiv» umzusetzen.

Die Aktion auf dem Bundesplatz führte schliesslich auch zu einiger parlamentarischer Betriebsamkeit. Ein noch am gleichen Montag eingereichter Ordnungsantrag (20.9004/21364) von Thomas Aeschi (svp, ZG), der die Räumung des Platzes beantragte, wurde mit 109 zu 83 Stimmen (1 Enthaltung) im Nationalrat angenommen. Dagegen stimmten die geschlossenen Fraktionen von SP, GP und GLP sowie zwei Angehörige der Mitte-Fraktion. Der am nächsten Tag von Esther Friedli (svp, SG) eingereichte Ordnungsantrag (20.9004/21402), mit dem zusätzlich eine Anzeige gegen die Stadt Bern und die «Klimaextremisten und Linksradikalen» gefordert wurde, lehnte eine 90 zu 79-Stimmen-Mehrheit (bei 16 Enthaltungen) dann freilich ab. Hingegen richtete sich die VD mit einem von Nationalratspräsidentin Isabelle Moret (fdp, VD) und Ständeratspräsident Hans Stöckli (sp, BE) unterzeichneten Schreiben an die Regierungen von Stadt und Kanton Bern und forderte diese auf, für die Einhaltung der Rechtsbestimmungen zu sorgen. Und schliesslich reichte Christian Imark (svp, SO) eine Motion ein, mit der er forderte, die Stadt Bern des Bundesplatzes zu enteignen. Dadurch könne der Bundesrat «künftig selber für Recht und Ordnung auf dem Bundesplatz» sorgen, weil «die linke Berner Stadtregierung [...] die Chaoten immer öfter gewähren» lasse.
Wohl auch weil die Polizei am Mittwoch nach zwei Ultimaten der Stadtregierung den Platz räumte, legte sich die Aufregung kurz darauf wieder. Der Bundesrat beantragte ein paar Wochen später die Ablehnung der Motion, weil eine Enteignung nicht verhältnismässig sei und die Zusammenarbeit mit der Stadt Bern bezüglich Nutzung des Bundesplatzes so funktioniere, dass die Interessen des Parlaments berücksichtigt würden. Die Motion Imark selber wurde dann zwei Jahre nach ihrer Einreichung wegen Nichtbehandlung abgeschrieben.

Wem gehört der Bundesplatz? (Mo. 20.4028)

In der Herbstsession 2022 nahm auch der Ständerat die Motion der SPK-NR zur Wahrung des Stimmgeheimnisses für Menschen mit Sehbehinderung an. Die SPK-SR befürworte das Anliegen einstimmig, berichtete Kommissionssprecher Daniel Fässler (mitte, AI) der kleinen Kammer. Viele Kommissionsmitglieder seien sich nicht bewusst gewesen, dass Menschen mit einer Sehbeeinträchtigung bei der Wahrnehmung ihres Stimmrechts eingeschränkt seien. Über 250'000 Stimmberechtigte müssten deswegen Hilfe von Dritten annehmen. Die Kommission unterstütze die Forderung nach Abstimmungsschablonen, weil damit das Stimmgeheimnis für Menschen mit Sehbehinderung gewahrt werden könne. Diese einfache und pragmatische Lösung sei ein Beitrag zum Abbau der Diskriminierung von Menschen mit Behinderung, wie dies vom Behindertengleichstellungsgesetz und vom internationalen Übereinkommen über die Rechte von Menschen mit Behinderungen verlangt werde. Bundeskanzler Walter Thurnherr bekräftigte, dass auch der Bundesrat den Vorstoss unterstützte, und erinnerte daran, dass grundsätzlich die Kantone dafür verantwortlich seien, dass politische Rechte von allen Stimmberechtigten wahrgenommen werden können. Die kleine Kammer überwies die Motion in der Folge ohne Diskussion.

Wahrung des Stimmgeheimnisses für Menschen mit Sehbehinderung (Mo. 22.3371)
Dossier: Beseitigung von Benachteiligungen von Menschen mit Behinderungen

Im Mai 2022 reichten die GPK beider Räte je eine gleichlautende Motion ein, mit denen sie Rechtsgrundlagen für einen Fach-Krisenstab forderten. Das Krisenmanagement müsse ergänzt und Grundlagen für einen Krisenstab – als Beispiel wurde die Covid-19-Taskforce vorgebracht – geschaffen werden, mit denen verschiedene Modalitäten geregelt würden, wie etwa die Organisation der Führungsstrukturen oder die Festlegung der konkreten Aufgaben eines solchen Krisenorgans. Die Motionen waren Resultat des GPK-Berichts zur Krisenorganisation des Bundes während der Covid-19-Pandemie. Dort sei festgestellt worden, dass viele Aktivitäten der Covid-Taskforce einer rechtlichen Grundlage entbehrt hatten, obwohl das Krisenorgan eine zentrale Stellung im Krisenmanagement des Bundes eingenommen habe. Es brauche deshalb eine Anpassung und Erweiterung der bestehen Rechtsgrundlagen. Der Bundesrat beantragte die Ablehnung des Anliegens. Die berechtigte Forderung werde bereits «in laufenden Arbeiten überprüft». Allerdings sollten nicht nur Krisenstäbe, sondern die gesamte Krisenorganisation betrachtet werden. Er warnte davor, alle Eventualitäten regeln zu wollen, weil eine Krise «Flexibilität und Agilität» erfordere und die Handlungsfähigkeit durch zu viele Rechtsvorschriften eingeschränkt würde.
Im Nationalrat beantragte Thomas Aeschi (svp, ZG) zu Beginn der Herbstsession 2022 die Ablehnung der Motion (22.3506). Statt dem Bundesrat mit einem Fachgremium noch mehr Macht zu gewähren, müsse vielmehr die Handlungsfähigkeit des Parlaments gestärkt werden, so die schriftliche Begründung. Mit 129 zu 51 Stimmen hiess die grosse Kammer die Motion jedoch gut. Der Grossteil der SVP-Fraktion und eine kleine Minderheit der Mitte-Fraktion lehnten den Vorstoss ab.
Im Ständerat stiess Bundeskanzler Walter Thurnherr, der die Position des Bundesrats vertrat, Mitte der Herbstsession 2022 mit seinem Argument auf mehr Wohlwollen: Jedes Mal nach einer Krise – es habe ja in den letzten Jahren nicht nur die Pandemie gegeben – würden ganz viele Evaluationen und Berichte verfasst, bloss um dann trotzdem wieder zum Alltag zurückzukehren. Er plädiere im Namen des Bundesrats für weniger Berichte und dafür für eine grössere Konzentration auf die Umsetzung verschiedener Empfehlungen. Mit 24 zu 20 Stimmen hiess dann aber doch eine knappe Mehrheit des Ständerats die Motion (22.3507) gut. Weil damit beide konnexen Motionen angenommen wurden, wird der Bundesrat Rechtsgrundlagen für Krisenstäbe schaffen müssen.

Fach-Krisenstab (Mo 22.3507 und Mo 22.3506)
Dossier: Institutionelle Krisenresistenz des Bundesrats

Weil sowohl der Motionär, Martin Candinas (mitte, GR) als auch der zuständige Bundesrat Ueli Maurer auf ein Votum verzichteten, bat Nationalratspräsidentin Irène Kälin (gp, AG) die Ratsmitglieder ohne Diskussion um eine Entscheidung darüber, ob der Bund beim Anbieten von dezentralen Arbeitsplätzen – also über alle Kantone und auch ländliche Regionen verteilte Arbeitsplätze – ein Vorbild sein solle oder nicht. Sie erinnerte freilich daran, dass die Regierung die Ablehnung der Motion beantragt hatte. Mit 118 zu 68 Stimmen (bei 8 Enthaltungen) entschied sich die Mehrheit der grossen Kammer für Annahme der Motion, die damit an den Ständerat weitergereicht wurde. Für das Anliegen sprachen sich die geschlossen stimmenden Fraktionen von SP, Grünen und Mitte sowie Minderheiten der FDP und der SVP aus. Einzig die GLP votierte geschlossen gegen das Anliegen.

Vorbild beim Anbieten von dezentralen Arbeitsplätzen (Mo. 20.4727)
Dossier: Flexible Arbeitsformen in der Bundesverwaltung – Diskussionen seit der Covid-19-Krise

Nicht wie geplant in der Sommersession, sondern erst in der Herbstsession 2022 befasste sich der Ständerat mit den beiden Motionen (Mo. 21.3689; Mo. 21.3690), die eine Einführung der Verfassungsgerichtsbarkeit forderten. Als «Evergreen» bezeichnete Daniel Fässler (mitte, AI) die Frage, ob es eine Überprüfung der Verfassungsmässigkeit von Bundesgesetzen brauche. In der Tat gab es schon einige entsprechende, allerdings stets erfolglose Vorstösse. Eine nur durch präsidialen Stichentscheid zustande gekommene Mehrheit der SPK-SR wollte einen neuen Anlauf versuchen und Kommissionssprecher Stefan Engler (mitte, GR) brachte entsprechend fünf Pro-Argumente vor: Erstens müsse die Bundesverfassung über den Gesetzen stehen, damit Grundrechte von Bürgerinnen und Bürgern effektiv geschützt würden. Zweitens sei die Autonomie der Kantone besser geschützt, wenn sich die Gliedstaaten bei einem Verfassungsgericht etwa gegen verfassungswidrige Zentralisierungsbestrebungen wehren könnten. Drittens würde das Ständemehr in seiner Rolle gewahrt, wenn kein Gesetz zur Anwendung komme, das nicht auf einer von Volk und Ständen angenommene Verfassungsgrundlage beruhe. Viertens seien die Grundrechte nicht nur durch die EMRK, sondern auch durch die nationale Verfassung effektiv geschützt – ein Schutz, der bei Gesetzesänderungen eingeklagt werden können muss. Fünftens ergäbe sich eine präventive Wirkung, weil sich das Parlament bei der Umsetzung von angenommenen Initiativen nicht mehr zu weit von der Verfassungsidee entfernen könne, wenn es eine Rüge von einer verfassungsgerichtlichen Instanz befürchten müsse. Um der starken Kommissionsminderheit gerecht zu werden, führte Engler auch fünf Argumente gegen die Einführung einer Verfassungsgerichtsbarkeit an: Es gebe erstens keinen Handlungsbedarf, weil der historische Verfassungsgeber eine schwache Stellung der Judikative bewusst gewollt habe. Ein Verfassungsgericht drohe zum Gesetzgeber zu werden, wenn nicht mehr die Stimmbevölkerung das letzte Wort habe, ob sie ein Gesetz gutheissen wolle oder nicht. Drittens sei eine «Verpolitisierung» der Judikative zu befürchten. Das Parlament sei viertens besser geeignet, die letztlich stets politische Einschätzung vorzunehmen, ob ein Gesetz der Verfassung widerspreche oder nicht. Das Parlament würde sich also mit der Einführung einer Verfassungsgerichtsbarkeit fünftens seiner eigenen Kompetenzen berauben.
In der darauffolgenden Debatte wurden zwar keine wirklich neuen Argumente mehr vorgebracht, einige langjährige Kantonsvertreter gaben aber zu Protokoll, weshalb sie ihre Meinung seit der letzten Diskussion vor rund elf Jahren geändert bzw. nicht geändert hatten. Andrea Caroni (fdp, AR) etwa – als Nationalrat selbst einst Urheber einer entsprechenden Motion – befürwortete nach wie vor eine bessere «Abfolge des Dialogs zwischen den Gewalten». Mathias Zopfi (gp, GL) sorgte für Heiterkeit, indem er die Verteidigung der Verfassungsgerichtsbarkeit eines jungen Rechtswissenschafters zitierte, der heute gegen die Motion kämpfe. «Wer hat nun recht: Fässler der Jüngere oder Fässler der Ältere?» Auch Carlo Sommaruga (sp, GE) erklärte, dass er seine Meinung innerhalb eines Jahrzehnts geändert habe. Er sei zum Schluss gekommen, dass das aktuelle System nicht nur sehr gut, sondern mit Blick auf die Vereinigten Staaten auch besser ohne Verfassungsgerichtsbarkeit funktioniere. Schliesslich wies auch Justizministerin Karin Keller-Sutter darauf hin, dass sie dieselbe Diskussion bereits 2012 «mitverfolgen durfte, allerdings in einer anderen Rolle». Sie erinnerte daran, dass die kleine Kammer das bestehende System bisher stets als gut austariert betrachtet habe. Auch der Bundesrat sei der Meinung, dass das stark gewichtete direktdemokratische Element einer Ausweitung der Verfassungsgerichtsbarkeit vorzuziehen sei, die zudem einen fundamentalen Eingriff in das politische System der Schweiz bedeuten würde. Die Kantone hätten zudem bereits heute zahlreiche Möglichkeiten, sich zu wehren. Wie schon 2012 sei der Bundesrat der Meinung, dass ein Nein kein Nein zum Rechtsstaat, sondern ein Ja zur heute gut funktionierenden Gewaltenteilung sei. Mit 29 zu 15 Stimmen (1 Enthaltung) folgte der Ständerat seiner Kommissionsminderheit und der Empfehlung des Bundesrats und lehnte die beiden Motionen ab.

Ein neuer Anlauf zur Einführung der Verfassungsgerichtsbarkeit (Mo. 21.3689 und Mo. 21.3690)
Dossier: Verfassungsgerichtsbarkeit

Als «Schattenparlamente» bezeichnete Marcel Dettling (svp, SZ) die sogenannten «Bürgerräte» – ein Gefäss, in dem ein Dialog zwischen häufig zufällig ausgelosten Bürgerinnen und Bürgern zu politischen Themen ermöglicht wird. Solche Projekte würden in Ländern Sinn machen, in denen nicht so ausgebaute Beteiligungsrechte wie in der Schweiz bestünden, so der Motionär. Es sei zu befürchten, dass solche Bürgerräte die Institutionen in der Schweiz untergraben könnten. Es gebe solche Gremien, die nachher mit Abstimmungsempfehlungen in die Debatte eingreifen würden. Es sei deshalb mittels eines Gesetzes zu verbieten, dass sich der Bund an solchen «Schattenparlamenten» finanziell beteilige. In der Ratsdebatte während der Herbstsession 2022 vertrat Bundeskanzler Walter Thurnherr die ablehnende Empfehlung des Bundesrats. Es handle sich bei Bürgerräten um niederschwellige Partizipationsinstrumente, die «weit davon entfernt sind, Parlamente zu konkurrenzieren oder sogar deren Aufgaben und Kompetenzen zu übernehmen»; sie hätten auch keinerlei rechtliche Entscheidungskompetenz. Die finanzielle Unterstützung solcher Projekte durch den Bund sei zudem eng begrenzt – der Bund könne etwa im Rahmen des Kinder- und Jugendförderungsgesetzes solche Projekte unterstützen –, weshalb der Bundesrat keinen Handlungsbedarf sehe. Gegenteiliger Meinung schienen die 48 bzw. 23 Mitglieder der geschlossen stimmenden SVP- bzw. Mitte-EVP-Fraktion zu sein. Die insgesamt 71 Stimmen reichten aber gegen die ablehnenden 102 Stimmen aus den anderen Fraktionen nicht aus und die Motion wurde entsprechend abgelehnt.

Keine finanzielle Beteiligung an Schattenparlamenten (Mo. 22.3823)

Mit einer Motion forderte Martina Bircher (svp, AG) mehr Praxisbezug für das Top-Management der Bundesverwaltung. Die Covid-Krise habe gezeigt, dass viele «unlogische Massnahmen [...] in irgendeiner Amtsstube von Theoretikern entworfen» worden seien, die keinen Praxisbezug mehr hätten. Wie in der Privatwirtschaft sollten deshalb auch Beamte verpflichtet werden, vor Ort für Anliegen «einfacher Berufe» sensibilisiert zu werden, forderte Bircher. Bundesrat Ueli Maurer zeigte für das Anliegen zwar durchaus Sympathie, wies aber darauf hin, dass es nicht notwendig sei, dieses auf Gesetzesstufe zu regeln. Vielleicht müsse man sich auch überlegen, ob umgekehrt nicht auch «Leute aus der Praxis in die Verwaltung kommen [müssten]», so Maurer, der damit auch Verständnis für die Verwaltung signalisierte: «Denn sehr oft werden Einzelanliegen eingebracht, die im konkreten Fall verständlich sind. Aber wenn Sie hundert Anliegen betrachten, sehen Sie, wie sich diese diametral entgegenstehen können». Ausser der geschlossenen SVP-Fraktion und einer Stimme aus der Mitte-EVP-Fraktion folgte die grosse Kammer dem Antrag des Bundesrats und lehnte die Motion mit 138 zu 56 Stimmen (keine Enthaltung) ab.

Praxisbezug für das Top-Management der Bundesverwaltung (Mo. 21.3044)

In internationalen Studien wie etwa dem E-Government-Benchmark schneide die Schweiz sehr schlecht ab, was das Online-Angebot von Verwaltungsleistungen anbelange. Es müssten deshalb – neben Bestrebungen wie dem im Entstehen begriffenen Bundesgesetz über den Einsatz elektronischer Mittel zur Erfüllung von Behördenaufgaben (EMBAG) – gesetzgeberische Massnahmen ergriffen werden, mit denen Behörden stärker verpflichtet würden, ihre Dienstleistungen digital anzubieten. Dies forderte Marcel Dobler (fdp, SG) Mitte März 2022 in einer Motion, die zwei Monate später vom Bundesrat zur Annahme empfohlen wurde. Die Forderung könne gut im Rahmen des EMBAG beraten werden, befand die Regierung in ihrer Stellungnahme.
In der Sommersession 2022 nahm der Nationalrat die Forderung für eine nutzenorientierte Digitalisierungsoffensive der Schweizer Verwaltung stillschweigend an und überwies sie an den Ständerat.

Nutzenorientierte Digitalisierungsoffensive der Schweizer Verwaltung (Mo. 22.3122)

Thomas Burgherr (svp, AG) forderte mittels Motion eine moderne Leistungsbeurteilung in der Bundesverwaltung. Das neue System solle mindestens fünf Beurteilungsstufen haben, es müsse adäquate Bezeichnungen für die Erreichung von Zielen umfassen (z.B. «erfüllt», «teilweise erfüllt» statt wie heute «gut», «genügend» etc.) und es solle keine automatischen Lohnerhöhungen mehr geben. Es könne etwas nicht stimmen, wenn die meisten Mitarbeitenden die Ziele überträfen oder gar deutlich überträfen, so Burgherr. Zwei Drittel der Forderung seien bereits auf der Basis eines Postulats der Finanzkommission umgesetzt worden, das der Nationalrat in der Frühjahrssession 2020 angenommen habe, entgegnete Bundesrat Ueli Maurer in der Sommersession 2022 während der Behandlung durch den Nationalrat. So seien etwa die aktuellen Beurteilungsstufen aufgelöst und Lohnentscheide objektiviert worden. Die Motion sei deshalb nicht nötig und der Bundesrat empfehle sie zur Ablehnung. Mit 136 zu 52 Stimmen (1 Enthaltung) lehnte die Volkskammer den Vorstoss ab. Einzig die geschlossen stimmende SVP-Fraktion folgte ihrem Ratskollegen.

Moderne Leistungsbeurteilungen in der Bundesverwaltung (Mo. 20.4157)

In der Sommersession 2023 schrieben die Räte die Motion von Peter Keller (svp, NW) ab, die gefordert hatte, dass eine bei der Bundesverwaltung angestellte Person alle Zusatzentschädigungen, die sie neben ihrer Arbeit beim Bund aufgrund dieses Arbeitsverhältnisses erhält (z.B. für Referate), abgeben muss. Beide Räte hiessen den Antrag des Bundesrats auf Abschreibung der Motion stillschweigend gut. Zuvor hatte die Regierung eine entsprechende Verordnung im Rahmen der Revision des Bundespersonalrechts angepasst: Geldleistungen, die jemand aufgrund von Tätigkeiten zugunsten Dritter erhält, werden jährlich ermittelt und nach Absprache mit den Angestellten von deren Monatslohn abgezogen.

Abgabe von Entschädigungen

Man würde «zur Transparenz in der Demokratie beitragen», wenn auf dem Abstimmungszettel ein Hinweis auf bestehende indirekte Gegenvorschläge angebracht würde, begründete Marcel Dobler (fdp, SG) seine im März 2022 eingereichte Motion. Die Stimmbürgerinnen und Stimmbürger müssten bei der Abstimmung über eine Volksinitiative wissen, ob das Parlament einen alternativen Gesetzesvorschlag geschaffen habe. Dies sei aber auf dem Stimmzettel, der ja lediglich die Abstimmungsfrage enthalte, nicht ersichtlich, weil über einen indirekten Gegenvorschlag – im Gegensatz zum direkten Gegenentwurf – nicht gleichzeitig mit der Initiative abgestimmt werde.
Der Bundesrat begründete seine Empfehlung auf Ablehnung der Motion damit, dass die Informationen zu einem indirekten Gegenvorschlag in den Abstimmungsunterlagen festgehalten werden. Der Stimmzettel bzw. die darauf formulierte Abstimmungsfrage dürfe hingegen auch keinen Informationsauftrag erfüllen. Es bestehe sonst sogar die Gefahr, dass die freie Willensbildung der Stimmberechtigten eingeschränkt würde.
In der Ratsdebatte in der Sommersession 2022 verwies Dobler auf die Pflegeinitiative. Er vermutete, dass zahlreiche Stimmberechtigte nicht gewusst hätten, dass im Fall einer Ablehnung der Initiative der indirekte Gegenvorschlag des Parlaments in Kraft getreten wäre. Ein Vermerk auf diesen Gegenvorschlag auf dem Stimmzettel hätte also wohl eine Verbesserung der Abstimmungsinformation dargestellt. Der Umstand, dass nicht weniger als 83 Parlamentsmitglieder seine Motion mitunterzeichnet hätten, sei zudem Beleg, dass sein Vorstoss weder links noch rechts anzusiedeln sei, sondern lediglich die Information verbessern wolle. Bundeskanzler Walter Thurnherr betonte die zunehmende Bedeutung des indirekten Gegenvorschlags. Rund der Hälfte aller Initiativen habe das Parlament in den letzten Jahren ein alternatives Gesetz entgegengestellt, aber nicht immer würden die Initiantinnen und Initianten ihr Volksbegehren in der Folge zurückziehen. In diesem Fall sei für die Meinungsbildung in der Tat wichtig, dass über einen indirekten Gegenvorschlag informiert werde. Dies sei aber nicht nur bei den behördlichen Informationen, sondern in der Regel in den meisten übrigen Informationsquellen tatsächlich auch der Fall. Der Bundeskanzler betonte zudem explizit das Argument des Bundesrats, dass eine Information auf dem Stimmzettel als Stellungnahme gewertet werden könnte, was die Willensbildung in unzulässiger Weise beeinträchtigen würde. Nur gerade Greta Gysin (gp, TI) liess sich von diesem exekutiven Argument überzeugen. Die restlichen Parlamentsmitglieder aus allen Lagern stimmten für die Motion (182) oder enthielten sich der Stimme (5).

Hinweis auf bestehende indirekte Gegenvorschläge auf dem Abstimmungszettel (Mo. 22.3132)
Dossier: Stimmzettel als Informationsträger?

Mit ihrer Forderung nach Wahrung des Stimmgeheimnisses für Menschen mit Sehbehinderung stiess die SPK-NR auf offene Ohren. Konkret forderte die Kommission einstimmig, dass Abstimmungsschablonen eingeführt sowie eine Standardisierung der Stimmzettel durchgesetzt werden, mit denen sehbehinderte Menschen selbständig abstimmen können. Aktuell sind Menschen mit Sehbehinderung auf die Unterstützung einer nicht sehbehinderten Person angewiesen. Sie müssen der helfenden Person nicht nur vertrauen können, auch das Wahl- und Stimmgeheimnis ist damit für sehbehinderte Personen nicht gewahrt. Die geforderte technische Lösung müsste laut SPK-NR etwa 80'000 bis 100'000 Betroffenen von den Gemeinden zur Verfügung gestellt werden, wobei mit einem Anschaffungspreis von CHF 35 bis CHF 50 zu rechnen sei.
In der Ratsdebatte wiesen die Kommissionssprecherin Delphine Klopfenstein Broggini (gp, GE) und der Kommissionssprecher Andri Silberschmidt (fdp, ZH) darauf hin, dass es noch eine Reihe von offenen Fragen gebe. So biete eine Abstimmungsschablone bei Wahlen keine Lösung, zudem sei nicht klar, wer die Kosten zu tragen habe. Um das Stimmgeheimnis auch Menschen mit Behinderungen zu gewähren, müsse man aber Lösungen finden. Bundeskanzler Walter Thurnherr sicherte die Unterstützung des Bundesrats zu, der die Motion zur Annahme empfahl. Man werde mit den Kantonen Lösungen suchen. Er wies zudem darauf hin, dass sich auch dank E-Voting Lösungen ergeben könnten. Der Nationalrat nahm die Motion in der Folge stillschweigend an.

Wahrung des Stimmgeheimnisses für Menschen mit Sehbehinderung (Mo. 22.3371)
Dossier: Beseitigung von Benachteiligungen von Menschen mit Behinderungen

Die Mitte-Fraktion wollte mit einer Motion die Bewahrung der demokratischen Rechte in Krisenzeiten sicherstellen. Konkret wurde einerseits ein Bundesgesetz gefordert, mit dem ein Stillstand von Fristen und das Verschieben von Abstimmungen und Wahlen, wie dies während der Corona-Pandemie verordnet worden war, geregelt wird. Andererseits soll eine «eReadiness», also digitale Mittel, gefördert werden, dank denen politische Rechte auch in Krisenzeiten ausgeübt werden können.
In der Debatte präzisierte Marco Romano (mitte, TI) für seine Fraktion, dass es nicht darum gehe, E-Voting oder E-Collecting zu unterstützen, sondern eher darum, dass der Bund digitale Entwicklungen in den Kantonen koordiniere. Bundeskanzler Walter Thurnherr argumentierte vergeblich, dass beide Räte bereits eine gleichlautende Motion von Beat Rieder (mitte, VS; Mo. 20.3419) angenommen hätten und der Bundesrat die Aufträge somit bereits erhalten habe. Mit 107 zu 74 Stimmen (1 Enthaltung) hiess die grosse Kammer das Anliegen noch einmal gut. Die Nein-Stimmen stammten von den geschlossen stimmenden Fraktionen der SVP und der FDP.

Bewahrung der demokratischen Rechte auch in Krisenzeiten (Mo. 20.3314)

Die Sonderprivilegien für Magistratspersonen und Parlamentsmitglieder in Form des Ruhegehaltes für erstere bzw. der Überbrückungsleistung für zweitere seien abzuschaffen, forderte Mike Egger (svp, SG) in einer Motion. Ehemalige Bundesrats- und Bundesgerichtsmitglieder sowie ehemalige Bundeskanzlerinnen und Bundeskanzler erhielten jährlich fast CHF 200'000 Rente und Parlamentarierinnen und Parlamentarier erhielten auf Antrag Überbrückungsleistungen, obwohl sie auch eine Arbeitslosenentschädigung beantragen könnten. Abgewählte Parlamentsmitglieder können sogenannte Überbrückungsleistungen im Umfang von CHF 2'450 pro Monat für maximal zwei Jahre beantragen. Sowohl die Ruhegehälter als auch die Überbrückungsleistungen kämen einer Besserstellung gegenüber der Bevölkerung gleich und müssten gestrichen werden, so der Motionär. Zudem schieden Bundesrats- und Parlamentsmitglieder häufig noch in arbeitsfähigem Alter aus ihrem Amt. Sie dürften vor allem dank ihrer guten Vernetzung durchaus in der Lage sein, eine neue berufliche Tätigkeit zu finden, mit der sie weder auf Überbrückungsleistungen noch Ruhegehälter angewiesen seien. Auch damit würden sie der arbeitenden Bevölkerung gleichgestellt, führte Egger in der Sommersession 2022 aus. Bundeskanzler Walter Thurnherr nahm für den Bundesrat Stellung und verwies auf den Bericht zu einem Postulat von Peter Hegglin (mitte, ZG): Dort würden mögliche Alternativen zur heutigen Ruhestandsregelung aufgezeigt, aber auch argumentiert, dass solche Neuerungen einen wesentlich höheren administrativen Aufwand und komplexe Regelungen nach sich ziehen würden. Es sei am Parlament, hier mögliche Alternativen zu finden. Eine ersatzlose Streichung einer Rente, wie sie von der Motion gefordert werde, lehne der Bundesrat hingegen ab. In der schriftlichen Stellungnahme zur Motion hatte der Bundesrat zudem auf einen erst kürzlich getroffenen Entscheid des Parlaments verwiesen, die Überbrückungshilfe für Ratsmitglieder beizubehalten. Man sei damals zuerst für eine Verschärfung gewesen, dann aber nicht auf die Vorlage eingetreten.
Mit 131 zu 51 Stimmen lehnte der Nationalrat die Motion ab. Neben der geschlossenen SVP-Fraktion hatten auch Roger Nordmann (sp, VD) und Sidney Kamerzin (mitte, VS) den «Ja»-Knopf gedrückt.

Keine Sonderprivilegien für Magistratspersonen und Parlamentsmitglieder (Mo. 20.4698)

Mit 7 zu 5 Stimmen (1 Enthaltung) beantragte die SPK-SR die Motion von Werner Salzmann (svp, BE) mit der Forderung, dass das Parlament bei der Anordnung einer ausserordentlichen Lage gemäss EpG einbezogen werden müsse, abzulehnen. Sie verwies in ihrem Bericht darauf, dass bereits eine Revision des Epidemiengesetzes in Angriff genommen worden sei, in der die Frage nach der Rolle des Parlamentes berücksichtigt werde. Darüber hinaus würden die Mitwirkungsrechte der Bundesversammlung im Falle von Krisen auch im Rahmen zweier parlamentarischer Initiativen (Pa.Iv. 20.437 & Pa.Iv. 20.438), denen zuvor Folge gegeben worden war, neu geregelt.
In der Ratsdebatte in der Sommersession 2022, die nötig war, weil eine starke Kommissionsminderheit für Annahme der Motion plädierte, wurde gleichzeitig die ähnliche Motion von Jakob Stark (svp, TG, Mo. 21.3033) für einen besseren Einbezug des Parlaments bei der Bekämpfung von Pandemien behandelt. Für die SPK-SR erörterte Andrea Caroni (fdp, AR) ein formelles und ein inhaltliches Argument, die gegen die Motionen sprächen: Es gehe formell bei beiden Motionen nicht um die Revision des EpG, sondern um die Rolle der Bundesversammlung in Krisen – dies sei aber bereits Gegenstand einer laufenden Gesetzesrevision, womit die Vorstösse eigentlich bereits erfüllt seien. Inhaltlich würde die Motion Salzmann die parlamentarische Genehmigung der Ausrufung der ausserordentlichen Lage durch den Bundesrat fordern. Der Nationalrat habe aber Vorstösse und Anträge zu solchen «Genehmigungspflichten» bereits in grosser Zahl im Rahmen der Diskussionen um die Covid-19-Pandemie abgelehnt. Das Parlament könne nicht so rasch handeln wie die Exekutive, wäre deshalb stets zu spät und könne entsprechend kaum präventiv entscheiden. In der auf den parlamentarischen Initiativen beruhenden Revision des Parlamentsrechts werde deshalb auf eine Beschleunigung der Behandlung von Motionen gepocht. «Fazit:», so Caroni, «Die Reformen sind unterwegs», weshalb die Motionen unnötig seien.
Werner Salzmann verteidigte seinen Vorstoss damit, dass sich im Parlament ein Gefühl der Machtlosigkeit eingestellt habe, nachdem der Bundesrat die ausserordentliche Lage gemäss Epidemiengesetz ausgerufen habe. Natürlich müsse der Bundesrat rasch handeln können und er habe laut dem Epidemiengesetz auch das Recht dazu, aber auch eine nachträgliche Genehmigungspflicht hätte letztlich die Legitimität des bundesrätlichen Entscheides erhöht.
Daniel Fässler (mitte, AI) unterstützte die Minderheitenposition von Salzmann. Die Pandemie habe gezeigt, wie weitreichend die Folgen sein könnten, wenn der Bundesrat die ausserordentliche Lage ausrufe. Dies sei vom Epidemiengesetz zwar so gewollt, es sei aber zu klären, ob dies auch weiterhin so sein solle oder ob es nicht besser wäre, auch das Parlament – wenn nötig – mit einer nachträglichen Genehmigung mit in die Verantwortung zu nehmen. Es sei wahrscheinlich, dass die laufenden Revisionen diese Klärung vornehmen würden, die Ablehnung der Motion Salzmann wäre aber ein falsches Zeichen an den Bundesrat. Zudem müsse die Frage des Einbezugs des Parlaments in der Tat auch ganz spezifisch im Epidemiengesetz geregelt werden. Heidi Z'graggen (mitte, UR) urteilte, dass das aktuelle Epidemiengesetz dem Bundesrat «zu viel Machtfülle» verleihe. Diese sei im internationalen Vergleich sogar «einzigartig» gross: Eine Studie zeige, dass die Schweiz gemäss eines «Machtkonzentrationsindex» von 34 Ländern an neunter Stelle liege – hinter acht osteuropäischen Staaten. Freilich habe der bundesrätliche Machtzuwachs auf gesetzlichen Grundlagen beruht und der Bundesrat habe in der Pandemie auch gute Arbeit geleistet, trotzdem brauche gerade ein solcher situativer Machtzuwachs Gegengewichte in der Legislative. Nur wenn das Parlament eingebunden würde, schaffe dies «zuhanden der Bevölkerung und der Kantone die dringend notwendige Öffentlichkeit und Legitimation», was mit der Annahme der Motion Salzmann bekräftigt werden müsse.
Gesundheitsminister Alain Berset erinnerte die kleine Kammer am Schluss der Debatte in einem ziemlich ausführlichen Votum daran, dass es für den Bundesrat nicht einfach oder gar angenehm gewesen sei, die Verantwortung zu übernehmen, als das Parlament zu Beginn der Pandemie seine Arbeit eingestellt habe. Der Bundesrat habe sich aber sogar in dieser Situation bemüht, mit dem Parlament via Kommissionen in Kontakt zu bleiben. Hingegen hätten jene Leute, die den Bundesrat ob der zu grossen Machtfülle kritisiert hätten, keine Verantwortung übernommen, als die ausserordentliche Lage nicht mehr gegolten habe. Er halte zudem im Epidemiengesetz nicht den Artikel 7 zur ausserordentlichen Lage für zentral, auf den die Motion Salzmanns ziele, sondern den Artikel 6 zur besonderen Lage, da diese wesentlich häufiger sei, und bei der die Verantwortung des Parlaments ebenfalls geregelt werden müsse. Schliesslich sei bei der Schaffung des Epidemiengesetzes im Jahr 2012 nicht über die ausserordentliche Lage, sondern über Impfungen diskutiert worden. Die Bedeutung bestimmter Gesetzesbestimmungen zeige sich folglich erst, wenn sie in der Realität angewendet werden müssten. Es brauche aber, darin gehe der Bundesrat mit dem Parlament einig, in Anbetracht der Erfahrungen der letzten Monate Revisionen. Diese seien mit einem neuen Epidemiengesetz auf gutem Weg. Die Motionen seien inhaltlich zwar wichtig und ihre Anliegen müssten einfliessen, dafür brauche es aber eben keinen weiteren Gesetzesauftrag an den Bundesrat.
Dies sah auch die Mehrheit des Ständerats so: Mit 26 zu 18 Stimmen (1 Enthaltung) wurde die Motion Salzmann abgelehnt. Unterstützung erhielt der Vorstoss vor allem aus den Fraktionen der SVP und der Mitte.

Parlament bei der Anordnung einer ausserordentlichen Lage gemäss EpG mit einbeziehen (Mo. 21.3034)
Dossier: Parlament in Krisensituationen

Mit 7 zu 2 Stimmen (3 Enthaltungen) beantragte die SPK-SR im Mai 2022, die Motion von Jakob Stark (svp, TG) abzulehnen, die einen besseren Einbezug des Parlaments bei der Bekämpfung zukünftiger Pandemien forderte. Sie verwies in ihrem Bericht darauf, dass die Mitwirkungsrechte der Bundesversammlung im Falle von Krisen auch im Rahmen zweier parlamentarischer Initiativen (Pa.Iv. 20.437 & Pa.Iv. 20.438), denen zuvor Folge gegeben worden war, neu geregelt würden. Das Anliegen Starks müsse im Rahmen jener Revision diskutiert werden. Allerdings habe der Nationalrat ähnliche Vorstösse (z.B. Pa.Iv. 20.452) bereits als «nicht krisentauglich» abgelehnt – dies sei ein weiterer Grund für die Empfehlung, die Motion abzulehnen, so der Kommissionsbericht.
In der Ratsdebatte in der Sommersession 2022, die nötig war, weil die Kommissionsminderheit für Annahme der Motion plädierte, wurde gleichzeitig die ähnliche Motion von Werner Salzmann (svp, BE; Mo. 21.3034) behandelt, die den besseren Einbezug des Parlaments bei der Anordnung einer ausserordentlichen Lage forderte. Für die Mehrheit der SPK-SR erörterte Andrea Caroni (fdp, AR) ein formelles und ein inhaltliches Argument, die gegen die Motionen sprächen. Es gehe formell bei beiden Motionen nicht um die Revision des Epidemiengesetzes (EpG), sondern um die Rolle der Bundesversammlung in Krisen – dies sei aber bereits Gegenstand einer laufenden Gesetzesrevision, womit die Vorstösse eigentlich bereits erfüllt seien. Auch das EpG werde momentan revidiert. Inhaltlich würde die Motion Stark die parlamentarische Genehmigung von Notverordnungen des Bundesrats fordern. Der Nationalrat habe Vorstösse und Anträge zu solchen «Genehmigungspflichten» aber bereits in grosser Zahl abgelehnt, weil das Parlament stets zu spät wäre und nicht präventiv entscheiden könne. In der auf den parlamentarischen Initiativen beruhenden Revision des Parlamentsrechts werde deshalb eher auf eine Beschleunigung der Behandlung von Motionen gepocht. «Fazit», so Caroni, «[d]ie Reformen sind unterwegs», weshalb die Motionen unnötig seien. Jakob Stark verteidigte sein Anliegen damit, dass die «unzureichende rechtliche Einbindung des Parlaments» während der Pandemie «in staatspolitischer Hinsicht einen schwerwiegenden Mangel» dargestellt habe. Es habe weder eine parlamentarische noch eine öffentliche Diskussion über die Beschlüsse des Bundesrats stattgefunden. Er habe mit Genugtuung zur Kenntnis genommen, dass die Frage des Einbezugs des Parlaments in Krisensituationen in die aktuellen Revisionen einfliesse. Damit aber wirklich eingehend diskutiert und sichergestellt werde, dass das Parlament auch in Krisen das letzte Wort habe und nicht «zum Vernehmlassungs- und Konsultationspartner des Bundesrates degradiert» werde, wolle er an seiner Motion festhalten.
Gesundheitsminister Alain Berset erinnerte die kleine Kammer am Schluss der Debatte in einem ziemlich ausführlichen Votum daran, dass es für den Bundesrat nicht einfach oder gar angenehm gewesen sei, die Verantwortung zu übernehmen, als das Parlament zu Beginn der Covid-19-Pandemie auf eigenen Wunsch hin seine Arbeit eingestellt habe. Der Bundesrat habe sich aber sogar in dieser Situation bemüht, mit dem Parlament via Kommissionen in Kontakt zu bleiben. Berset erinnerte daran, dass jene Leute, die den Bundesrat ob der zu grossen Machtfülle kritisiert hätten, keine Verantwortung übernommen hätten, als die ausserordentliche Lage dann nicht mehr galt. Es brauche aber, darin gehe der Bundesrat mit dem Parlament einig, in Anbetracht der Erfahrungen der letzten Monate Revisionen. Diese seien mit dem geplanten neuen Epidemiengesetz auf gutem Weg. Die Motionen brauche es dazu aber nicht. Mit 35 zu 7 Stimmen (3 Enthaltungen) lehnte der Ständerat die Motion von Jakob Stark ab. Einzig die Parteikollegen Starks unterstützten dessen Vorstoss. Auch die Motion Salzmann wurde abgelehnt.

Besserer Einbezug des Parlaments bei der Bekämpfung zukünftiger Pandemien (Mo. 21.3033)
Dossier: Parlament in Krisensituationen

Anfang April nahm die SPK-SR die Vorprüfung der vom Ständerat an sie zugewiesenen Motionen Engler (mitte, GR; Mo. 21.3689) und Zopfi (gp, GL; Mo. 21.3690), mit denen die Einführung der Verfassungsgerichtsbarkeit verlangt wird, vor. Die Kommission zeigte sich mit 6 gegen 6 Stimmen gespalten. Erst mit dem Stimmentscheid des Präsidenten – Mathias Zopfi – wurden die beiden Motionen zur Annahme empfohlen. Es sei «an der Zeit, das Gleichgewicht zwischen Demokratie und Rechtsstaatlichkeit wieder einmal zu überprüfen», so die Begründung in der Medienmitteilung. Es gab bisher schon einige gescheiterte Versuche, ein Verfassungsgericht einzuführen. Es sei stossend, dass die Grundrechte via EMRK richterlich kontrolliert werden könnten, die Artikel in der Bundesverfassung aber nicht. Die starke Minderheit gab zu bedenken, dass eine Beurteilung der Verfassungsmässigkeit von Gesetzen durch ein entsprechendes Gericht in vielen Fällen nicht nur schwierig, sondern häufig auch politisch sein dürfte. Ob sich der knappe Kommissionsentscheid in einer spannenden Debatte im Ständerat widerspiegeln wird, wird sich in der Sommersession 2022 zeigen.

Ein neuer Anlauf zur Einführung der Verfassungsgerichtsbarkeit (Mo. 21.3689 und Mo. 21.3690)
Dossier: Verfassungsgerichtsbarkeit

Der Bundesrat sei sich seiner Vorbildfunktion bewusst und versuche, seine Reisen frühzeitig zu planen, um auf Flüge verzichten zu können, versicherte Simonetta Sommaruga dem Nationalrat während der Frühjahrssession 2022. Es brauche hier aber keine gesetzlichen Vorgaben. Solche waren von Katharina Prelicz-Huber (gp, ZH) mittels Motion gefordert worden. Auch der Bundesrat müsse Emissionen von Flugreisen reduzieren, wie dies vom Verwaltungspersonal gefordert werde, verlangte sie konkret. Es reiche nicht, dass die Regierung «nach Möglichkeit» den Zug statt das Flugzeug nehme, wie sie in ihrer Stellungnahme zur Ablehnung der Motion argumentiere. Vielmehr müsse dies geregelter Normalfall sein, so die Motionärin im Nationalrat. Ihre Forderung wurde freilich nur von 53 Nationalratsmitgliedern aus der geschlossen stimmenden Fraktion der Grünen und der SP-Fraktion unterstützt. Aus Letzterer lehnten fünf Mitglieder die Motion ab – zusammen mit 123 Nationalrätinnen und Nationalräten aus den anderen Fraktionen. Mit 128 zu 53 Stimmen (9 Enthaltungen) fand die Motion somit keine Mehrheit.

Die Emissionen von Flugreisen auch für Mitglieder des Bundesrates reduzieren (Mo. 20.3026)