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Jahresrückblick 2022: Föderativer Aufbau

Die Diskussionen über Krisentauglichkeit und allfälligen Reformbedarf des schweizerischen föderalistischen Systems hielten 2022 wie schon in den Vorjahren an, allerdings in geringerer medialer Intensität: Mit dem Abflauen der Covid-19-Pandemie und der Aufhebung der meisten Massnahmen ging Anfang Jahr auch das Medieninteresse an Fragen des Föderalismus auf das Niveau vor der Pandemie zurück (siehe die Abbildungen in der angehängten APS-Zeitungsanalyse 2022).
Viele Medien, Behörden und Forschende zogen aber Bilanz darüber, ob der Föderalismus bei der Bekämpfung der Covid-19-Pandemie eher Fluch oder Segen gewesen sei. Dabei herrschte weitgehend Einigkeit, dass der Föderalismus verschiedentlich einem Schwarzpeter-Spiel Vorschub leistete, bei dem Bund und Kantone sich gegenseitig die Verantwortung für unpopuläre Entscheidungen zuschoben. Kantonal unterschiedliche Regelungen wurden oft als Flickenteppich wahrgenommen, was möglicherweise der generellen Akzeptanz von Einschränkungen schadete. Andererseits wurden dank dem «föderalen Labor» diverse innovative Lösungen in einem Kanton entwickelt und konnten im Erfolgsfall dann auch anderswo übernommen werden – so etwa die Zürcher Lösung für die Unterstützung von Kulturschaffenden, das Zuger Ampelsystem oder die Bündner Massentests, welche ihrerseits aus dem Wallis inspiriert waren. Weil der Föderalismus zu einer breiteren Abstützung politischer Massnahmen zwingt, hat er gemäss einer verbreiteten Einschätzung die Entscheidungsfindung verlangsamt und tendenziell verwässert, die Akzeptanz in der Gesellschaft dadurch aber vermutlich verbessert. Kritik gab es in den Medien, aber auch aus den Kantonen, an der Rolle der interkantonalen Konferenzen der Kantonsregierungen: Diese seien fälschlicherweise als Sprachrohre der Kantone gegenüber dem Bund und der Öffentlichkeit wahrgenommen worden.

Aufgrund dieser Diskussionen wurden teilweise auch Konsequenzen in Form von institutionellen Anpassungen gefordert. Ein von verschiedenen Seiten vorgebrachtes Anliegen war eine klarere Kompetenzzuteilung und eine bessere Koordination zwischen Bund und Kantonen. Derweil rückte die Konferenz der Kantonsregierungen (KdK) wieder von ihrer Ende 2020 formulierten Forderung nach einem paritätisch zusammengesetzten politisch-strategischen Führungsorgan von Bund und Kantonen ab; sie erachtete nun im Fall einer Krise bloss noch einen gemeinsamen Krisenstab auf operativer Ebene und eine Intensivierung des Dialogs auf strategischer Ebene für nötig. Zudem solle das Epidemiengesetz dem Bund künftig bereits in der besonderen Lage (und nicht erst in der ausserordentlichen Lage) eine «strategische Gesamtführung» und zusätzliche Kompetenzen für landesweite Massnahmen übertragen. Kritikerinnen und Kritiker witterten darin eine neue Schwarzpeter-Strategie: Die KdK wolle Verantwortung an den Bund abschieben. Die KdK selbst argumentierte hingegen, es gehe ihr um die Vermeidung von Flickenteppichen.

Die zwei Seiten der Föderalismusmedaille – einerseits Begünstigung innovativer Lösungen durch das föderale Labor, andererseits Verlangsamung einheitlicher Lösungen und Koordinationsbedarf zwischen Bund und Kantonen – blieben auch in anderen Bereichen ein unerschöpfliches Thema der öffentlichen Diskussion. So wurde etwa diskutiert, ob der Föderalismus bei der Digitalisierung der öffentlichen Verwaltung(en) in der Schweiz als Motor oder vielmehr als Bremsklotz wirke.
Die Aufgabenteilung und die Zusammenarbeit zwischen Bund und Kantonen war auch bei der Aufnahme der zahlreichen nach der russischen Invasion aus der Ukraine Geflüchteten ein Thema. Aufgrund der erstmaligen Aktivierung des Schutzstatus S waren dabei Fragen zu klären, wie jene nach einem Schlüssel für die Zuteilung der Geflüchteten auf die Kantone oder nach der finanziellen Unterstützung des Bundes für ihre Betreuung in den Kantonen.
In der Diskussion um eine drohende Energieknappheit forderte die Konferenz kantonaler Energiedirektoren (EnDK) nebst der Einberufung eines Krisenstabs auf Bundesebene mehr und frühzeitigere koordinierende Vorgaben vom Bund, worauf dieser vorerst nicht einging. Manche Kommentatorinnen und Kommentatoren fühlten sich an das «Gschtürm» während der Covid-19-Pandemie erinnert: Erneut schöben Bund und Kantone einander gegenseitig die Verantwortung für unpopuläre Massnahmen zu.

Die Debatte um das Verhältnis zwischen Stadt und Land flaute im Vergleich zum Vorjahr deutlich ab – bis sie im Zusammenhang mit den Bundesratsersatzwahlen im Dezember unvermittelt wieder hochkochte: Einige Stimmen in den Medien befürchteten aufgrund der Wohnorte der künftigen Bundesratsmitglieder eine Übervertretung der ländlichen Schweiz, andere sahen auf lange Sicht gerade im Gegenteil die Städte übervertreten, während Agglomerations- und Landgemeinden weniger Bundesratsmitglieder stellten als es ihrem Bevölkerungsanteil entspräche. Dagegen gehalten wurde aber vor allem auch, dass die aktuellen Wohnorte der Bundesratsmitglieder bloss von marginaler Bedeutung für die Vertretung regionaler Interessen in der Schweiz seien.

Derweil tat sich bei zwei Volksabstimmungen ein Röstigraben auf: Sowohl beim knappen Ja zur AHV-21-Reform als auch beim Nein zum Medienpaket wurde die Romandie (und bei der AHV zudem das Tessin) von einer Mehrheit der Deutschschweiz überstimmt. Zwei im Berichtsjahr erschienene Studien zum Röstigraben gaben indessen eher zu Gelassenheit Anlass: Sie zeigten unter anderem, dass sämtliche Kantone – auch jene der Sprachminderheiten – deutlich häufiger auf der Gewinner- als auf der Verlierseite stehen und dass es bisher nicht einmal bei jeder hundertsten Volksabstimmung zu einem «perfekten» Röstigraben gekommen ist, bei dem sämtliche mehrheitlich französischsprachigen Kantone auf der einen und sämtliche Deutschschweizer Kantone auf der anderen Seite standen.

In der schier unendlichen Geschichte um die Kantonszugehörigkeit von Moutier unternahmen Beschwerdeführende 2022 einen Versuch, das Abstimmungsergebnis von 2021 mit einem Rekurs umzustossen. Das bernische Statthalteramt trat auf den Rekurs jedoch nicht ein, sodass es nicht zu einer weiteren Abstimmungswiederholung kommt: Moutier wird also vom Kanton Bern zum Kanton Jura übertreten – und zwar möglichst per 1. Januar 2026. Auf dieses Datum konnten sich die beiden Kantone und der Bund inzwischen einigen. Bis dahin ist noch eine Reihe inhaltlicher Fragen zu lösen, und das Ergebnis muss in Volksabstimmungen in den Kantonen Bern und Jura sowie mit einem Parlamentsbeschluss des Bundes abgesegnet werden.
Nachdem die bisher ebenfalls bernische Gemeinde Clavaleyres diesen Prozess bereits durchlaufen hatte, stellte der Wechsel von Clavaleyres zum Kanton Freiburg am 1. Januar 2022 nur noch eine Vollzugsmeldung dar. Es handelte sich dabei um die erste Grenzverschiebung zwischen zwei Schweizer Kantonen seit 1996, als Vellerat den Kanton Bern zugunsten des Kantons Jura verliess.

Häufiger als Kantonswechsel sind Gemeindefusionen innerhalb desselben Kantons. Der Trend zu weniger und grösseren Gemeinden ging 2022 weiter: Am 1. Januar 2022 betrug die Zahl der Gemeinden in der Schweiz 2'148, das waren 24 weniger als ein Jahr davor. Damit ging die Entwicklung in einem ähnlichen Tempo weiter wie in den Vorjahren.

Jahresrückblick 2022: Föderativer Aufbau
Dossier: Jahresrückblick 2022

Im Rahmen der Bundesratswahlen 2022 kam es auch zu ausführlichen Diskussionen um die Vertretung der Regionen, die sich vorab um die sehr unterschiedliche bisherige Zahl an Bundesratsmitgliedern aus den verschiedenen Kantonen drehte. Vor den Ersatzwahlen 2022 wurde die Rangliste vom Kanton Zürich mit bisher 20 Vertreterinnen und Vertretern in der Landesregierung angeführt, gefolgt vom Kanton Waadt mit 15 und dem Kanton Bern mit 14 Vertrenden. Noch nie im Bundesrat vertreten waren bis dahin die Kantone Jura, Nidwalden, Schaffhausen, Schwyz und Uri.
Seit der entsprechenden Abstimmung im Februar 1999 spielt die Kantonsklausel allerdings keine Rolle mehr. Bis damals war es nicht möglich gewesen, dass zwei Regierungsmitglieder aus dem gleichen Kanton stammten. Unklar war hingegen seit je her, wie die Kantonszugehörigkeit genau definiert wird: durch den Wohnkanton oder den Bürgerkanton; und aus welchem Kanton stamnen verheiratete Frauen, die über mehrere Heimatrechte verfügten? So war etwa Ruth Dreifuss im Kanton Aargau heimatberechtigt, hatte aber dem Berner Stadtrat angehört und ihre Papiere kurz vor ihrer Wahl nach Genf verlegt. Bei der Diskussion um die Kantonszugehörigkeit eines Bundesratsmitglieds stellt sich überdies die Frage, ob Mitglieder der Landesregierung effektiv für «ihren» Kanton lobbyieren, wenn sie im Bundesrat sitzen. Nichtsdestotrotz war die Kantonszugehörigkeit der verschiedenen Kandidierenden recht laute mediale Begleitmusik der Bundesratsersatzwahlen 2022. Ob bei den Diskussionen um eine mögliche Nichtvertretung des Kantons Zürich bei der Kandidierendensuche der SVP, um lange Zeit untervertretene Kantone bei der Bewerbung von Heinz Tännler (ZG, svp) oder Eva Herzog (sp, VS), um Kandidierende aus Kantonen, die gar noch nie im Bundesrat vertreten waren bei den Kandidaturen von Michèle Blöchliger (NW, svp) oder Elisabeth Baume-Schneider (sp, JU), um die sich verändernden Chancen der Berner-SVP-Kandidaturen nach dem Rücktritt der Berner Bundesrätin Simonetta Sommaruga: Stets wurde dem Herkunftskanton Relevanz zugesprochen.

Für Diskussionen sorgte freilich auch die Vertretung der Sprachregionen. Dass es nach 1917 zum zweiten Mal in der Geschichte zu einer Mehrheit von nicht-deutschsprachigen Magistratinnen und Magistraten kommen könnte bzw. kam, wurde vor und nach den Ersatzwahlen vor allem von der FDP kritisiert. Die Freisinnigen forderten, dass dies nur für «eine kurze Übergangszeit» so bleiben dürfe. Diese Entscheidung obliege der Bundesversammlung, erwiderte SP-Fraktionspräsident Roger Nordmann (sp, VD). Die Schweiz gehe nicht unter, nur weil es keine deutschsprachige Mehrheit im Bundesrat gebe.

Das am meisten und nach den Ersatzwahlen vor allem in den Deutschschweizer Medien mit einiger Heftigkeit diskutierte Thema war dann freilich die Untervertretung der «urbanen Schweiz». Der Tages-Anzeiger sprach in seiner Online-Ausgabe davon, dass «dieser Mittwoch kein guter Tag für die Schweiz» gewesen sei. 70 Prozent der Bevölkerung und die «Fortschrittsmotoren» Zürich und Basel seien nun untervertreten. Offen forderte die Zeitung den baldigen Rücktritt von Alain Berset und Guy Parmelin, damit das Parlament dies nach den eidgenössischen Wahlen 2023 wieder korrigieren könne. Darüber hinaus wurde kritisiert, dass hinsichtlich Finanzausgleich lediglich noch «Nehmerkantone» in der Regierung vertreten seien. Andrea Caroni (fdp, AR) gab dem St. Galler Tagblatt zu Protokoll, dass er Angst habe, dass die «erhebliche sprachliche und geographische Schlagseite» im Bundesrat die Bundesverfassung strapaziere. Die Aargauer Zeitung sprach von einer «Ballenberg-Schweiz», die jetzt dominiere, obwohl eine «urbane Sichtweise» nötig wäre. Die Millionen Menschen, die in städtischen Räumen lebten, seien nun ohne Stimme in der Landesregierung, die mehr «Zerrbild als Abbild» sei, kritisierte erneut der Tages-Anzeiger. In ebendieser Zeitung befürchtete Hannes Germann (svp, SH) schliesslich, dass das Parlament «ein Chaos angerichtet» habe, weil dieses «krasse Ungleichgewicht» unschweizerisch sei.
Für die WoZ stellte dies aber aus städtischer Sicht kein Problem dar, da wesentlich wichtiger sei, welche unterschiedlichen gesellschaftlichen Gruppen vertreten seien. Noch pragmatischer urteilten die Westschweizer Medien. Mauro Poggia (mcg, GE) brachte diese Haltung in La Liberté auf den Punkt: Er habe Vertrauen in die Intelligenz der Personen in der Landesregierung: «Ce n'est pas parce qu'on est d'origine paysanne qu'on ne pense pas aux villes.» Die Erfahrung, selber einmal zur Minderheit zu gehören, könne der Deutschschweiz vielleicht auch guttun, zitierte der Blick den Chefredaktor seiner Romandie-Ausgabe. Auch Alain Berset meldete sich zu Wort: Er könne kein Problem erkennen, weil die Menschen heute so mobil seien, dass sie sich nicht mehr in Schablonen wie Stadt und Land pressen liessen. Die Vernetzung sei so gross, dass die regionale Herkunft kaum mehr eine Rolle spiele.

Diskussionen um die Vertretung der Regionen im Rahmen der Bundesratswahlen 2022

Der Bundesrat beantragte der Bundesversammlung im November 2022, die Verfassungsänderungen von sechs Kantonen zu gewährleisten, da sie alle im Einklang mit Bundesrecht stünden.
Mit der Verfassungsänderung im Kanton Zürich wurden verschiedene Klimaschutzbestimmungen aufgenommen. Diese verpflichten den Kanton und die Gemeinden dazu, sich für die Begrenzung des Klimawandels und dessen Auswirkungen einzusetzen sowie das Ziel der Treibhausgasneutralität anzustreben. Konkret sollen dazu in den Bereichen Siedlungsentwicklung, Gebäude, Verkehr, Land- und Forstwirtschaft sowie Industrie und Gewerbe angemessene Massnahmen eingeführt werden. Wie der Bundesrat in seiner Botschaft zum Schluss kommt, gehen diese Bestimmungen in die gleiche Richtung wie die Klimaschutzziele des Bundes. Die Rechtssetzungskompetenzen der Kantone beschränkten sich in diesem Bereich auf Aspekte, die vom Bundesgesetz nicht vollständig ausgeschöpft seien und könnten dieses ergänzen oder verstärken.
Auch der Kanton Glarus verankerte vergleichbare Bestimmungen zur Begrenzung der Klimaveränderung und deren nachteiligen Auswirkungen in der Verfassung. Die Massnahmen haben dabei umwelt-, sozial- und wirtschaftsverträglich zu sein. Eine weitere zu gewährleistende Änderung der Glarner Verfassung sieht vor, dass die Jahresrechnung, der Finanzbericht sowie das Budget künftig dem Landrat und nicht mehr der Landsgemeinde zur Kenntnisnahme vorgelegt werden. Der Landrat wird allerdings nicht mehr wie bisher für die Genehmigung des integrierten Aufgaben- und Finanzplan zuständig sein.
Gemäss der angepassten Verfassung des Kantons Solothurn kann der Kanton auf der Stufe der Volksschule künftig neben sonderpädagogischen Institutionen neu auch weitere kantonale Angebote errichten und führen. Die Einzelheiten werden auf Gesetzesebene geregelt.
Der Kanton Basel-Landschaft führte mit der Verfassungsänderung Anpassungen bei den Modalitäten von Volksinitiativen und bei der Ombudsperson ein. Neu gelte zur Einreichung der Unterschriften für Volksinitiativen eine Frist von zwei Jahren. Weiter können im Landrat zusätzlich zu formulierten Initiativbegehren auch bei nicht-formulierten Begehren Fristverlängerungen zur Ausarbeitung eines Gegenvorschlags gewährt werden. Gegenvorschläge und Gesetzesvorlagen aufgrund zurückgezogener Initiativbegehren unterliegen gemäss den angepassten Verfassungsartikeln nicht mehr in jedem Fall der obligatorischen Volksabstimmung, sondern dem fakultativen Referendum. Betreffend die Ombudsperson werden die Unvereinbarkeiten neu erst auf Gesetzesstufe geregelt, worin die Teilzeitbeschäftigung der gewählten Person vorgesehen werden könne, schreibt der Bundesrat. Nicht zuletzt umfasst die Verfassungsänderung Anpassungen im Sinne der sprachlichen Gleichbehandlung.
Für den Kanton Genf galt es schliesslich drei Verfassungsänderungen zu gewährleisten. Der Kanton regelt erstens die Amtsenthebung eines Staatsratsmitglieds neu: Künftig können Mitglieder der kantonalen Regierung, die nicht mehr über das notwendige Vertrauen der Stimmberechtigten zur Ausübung ihrer Funktion verfügen, mittels Resolution des Grossen Rates des Amts enthoben werden. Zweitens bestehen die Gemeindeexekutiven von Gemeinden mit maximal 3'000 Einwohnenden in Zukunft nicht mehr aus einem Gemeindepräsidium und zwei Adjunkten und Adjunktinnen, sondern aus einem dreiköpfigen administrativen Rat. Drittens und letztens wird die Verteilung und Versorgung mit thermischer Energie sowie deren stärkere Verbreitung zu einem Kantonsmonopol. Diese Koordinierung der Ausdehnung habe das Ziel, die Nutzung fossiler Energie bei der individuellen Heizung zu verringern, geht aus dem revidierten Verfassungsartikel hervor.
Die Abwägung der Bundesrechtskonformität gestaltete sich gemäss Bundesrat bei der Verfassungsänderung des Kanton Wallis schwieriger: Der Staat wird darin einerseits zum Erlassen von Vorschriften zum Schutz vor Grossraubtieren und zur Bestandsregulierung sowie zum Verbot der Förderung des Grossraubtierbestands verpflichtet. Wie in der Botschaft ausgeführt wird, sei diese Verfassungsänderung nur bundesrechtskonform, wenn sich das Verbot der Bestandsförderung auf finanzielle Mittel beschränke, denn der Kanton wäre weiterhin zum Vollzug der vom Bund geförderten Massnahmen verpflichtet. Würden also jegliche Schutzmassnahmen verboten, stünde dies im Widerspruch zum Bundesgesetz, welches die Kantone zum Ergreifen von Massnahmen zur Verhinderung von Wildschaden verpflichte und so zumindest indirekt eine Bestandsförderung darstelle. Die geänderte Kantonsverfassung sei allerdings im Sinne des Günstigkeitsprinzips zu gewährleisten, da dem Artikel mindestens in einer Weise «ein Sinn beigemessen werden [kann], der ihn nicht klarerweise als vor Bundesrecht unzulässig erscheinen lässt», schloss der Bundesrat mit dem expliziten Hinweis darauf, dass die künftige Anwendung der Bestimmungen im Einklang mit höheren Gesetzen erfolgen müsse.

Gewährleistung von Änderungen in den Kantonsverfassungen von Zürich, Glarus, Solothurn, Basel-Landschaft, Wallis und Genf (BRG 22.079)
Dossier: Gewährleistung kantonaler Verfassungen

In der Herbstsession 2022 hiessen Stände- und Nationalrat die Gewährleistung der geänderten Kantonsverfassungen von Bern, Glarus, Appenzell Innerrhoden, dem Tessin und Neuenburg oppositionslos gut.
Im Ständerat erläuterten Kommissionssprecher Philippe Bauer (fdp, NE) und Justizministerin Karin Keller-Sutter, dass sowohl die einstimmige SPK-SR als auch der Bundesrat und das EJPD alle vorgelegten Verfassungsänderungen als bundesrechtskonform betrachteten. Bauer wies wie zuvor schon die bundesrätliche Botschaft lediglich noch darauf hin, dass die Kantone beim Erlass ihrer gesetzlichen Ausführungsbestimmungen auf die Vereinbarkeit mit dem Bundesrecht achten müssten, wenn es um Bereiche gehe, die nicht einfach in die Autonomie der Kantone fallen, sondern in denen auch der Bund schon Gesetze erlassen hat – dies ist namentlich bei den neuen Berner Bestimmungen zum Energieverbrauch und bei den Tessiner Bestimmungen zur Ernährungssouveränität der Fall. Weitere Voten gab es im Ständerat nicht und der Nationalrat winkte das Geschäft als Zweitrat ganz ohne Wortmeldung durch.

Gewährleistung von Änderungen in den Kantonsverfassungen von Bern, Glarus, Appenzell Innerrhoden, Tessin und Neuenburg (BRG 22.034)

Der Bundesrat legte im Mai 2022 seine Botschaft zur Gewährleistung von fünf geänderten Kantonsverfassungen vor. Er betrachtete alle Verfassungsänderungen als bundesrechtskonform und beantragte den eidgenössischen Räten deshalb ihre Gewährleistung.
Der Kanton Bern hatte einen neuen Artikel zum Klimaschutz als Aufgabe von Kanton und Gemeinden in seine Verfassung aufgenommen. Die Stossrichtung des neuen Artikels stimmte mit jener der Klimapolitik des Bundes überein.
Im Kanton Glarus war die Verantwortung für die ambulante und die stationäre Gesundheitsversorgung neu dem Kanton statt wie bisher den Gemeinden zugewiesen worden. Zudem hatte der Kanton eine Anpassung seiner Gerichtsorganisation beschlossen, namentlich mit der Schaffung von teilamtlichen Vizepräsidien im Obergericht und im Kantonsgericht, für die wie für die Präsidien nur noch ausgebildete Juristinnen oder Juristen wählbar sind. Diese Anpassungen lagen ebenso in der Autonomie des Kantons wie jene in Appenzell Innerrhoden, wo der Kanton Änderungen an der Organisation des Zwangsmassnahmengerichts und der Vermittlerämter vorgenommen hatte.
Der Kanton Tessin hatte in seiner Kantonsverfassung ein neues Sozialziel aufgenommen, wonach sich der Kanton für die Ernährungssouveränität einsetzen soll. Da die Kantone grundsätzlich autonom seien, eigene Sozialziele zu formulieren, und die Förderung der Ernährungssouveränität zudem in dieselbe Richtung weise wie die Ziele des Bundes zur Lebensmittelversorgung und zur landwirtschaftlichen Produktion, beantragte der Bundesrat auch für diese Anpassung die Gewährleistung. In die Organisationsautonomie des Kantons fiel sodann die zweite Tessiner Änderung, mit der neu ein ausserordentliches obligatorisches Finanzreferendum geschaffen wurde: Grössere Ausgabenbeschlüsse müssen im Tessin künftig der Stimmbevölkerung unterbreitet werden, wenn ein Drittel der anwesenden Grossratsmitglieder dies verlangt.
Ebenfalls in die kantonale Organisationsautonomie fielen die beiden Anpassungen an der Neuenburger Verfassung: Für die Gemeindeebene führte der Kanton das Instrument der Volksmotion ein, und Mitglieder der Neuenburger Kantonsregierung können künftig nur noch insoweit an Sitzungen der Organe des Kantonsparlaments teilnehmen, als das kantonale Gesetz dies vorsieht. Bemerkenswert an diesen beiden Änderungen war, dass der Bund erst acht bzw. neun Jahre nach ihrem Beschluss durch die Neuenburger Stimmberechtigten über ihre Gewährleistung zu befinden hatte; es handelte sich um die zweite Tranche von «Aufräumarbeiten», nachdem der Kanton es offenbar versehentlich mehrere Jahre lang versäumt hatte, vorgenommene Verfassungsänderungen dem Bund zur Gewährleistung weiterzuleiten.

Gewährleistung von Änderungen in den Kantonsverfassungen von Bern, Glarus, Appenzell Innerrhoden, Tessin und Neuenburg (BRG 22.034)

Nationalrätin Christine Bulliard-Marbach (mitte, FR) reichte im März 2022 eine Motion für ein Austauschprogramm zwischen Stadt und Land zur Stärkung des nationalen Zusammenhalts ein. Das vom Bund mit den Kantonen neu zu lancierende Programm solle dazu dienen, Jugendlichen vom Land Erfahrungen in der Stadt sowie umgekehrt Jugendlichen aus städtischen Gebieten Erfahrungen auf dem Land zu ermöglichen. Mit der Umsetzung des Programms solle die Agentur Movetia beauftragt werden, die seit 2017 im Auftrag von Bund und Kantonen für Austausch und Mobilität im Bildungsbereich verantwortlich ist. In der Begründung zu ihrem Vorstoss verwies die Motionärin darauf, dass die bisher bestehenden Austauschprogramme in der Schweiz keinen Fokus auf den Brückenschlag zwischen Stadt und Land legten, dass dieser Gegensatz in der öffentlichen Wahrnehmung zuletzt jedoch an Bedeutung gewonnen habe. Nebst Mitgliedern von Bulliard-Marbachs eigener Mitte-EVP-Fraktion wurde die Motion auch von Nationalrätinnen und Nationalräten der Grünen-, der SP- und der FDP.Liberalen-Fraktionen mitunterzeichnet.

Austauschprogramm zwischen Stadt und Land zur Stärkung des nationalen Zusammenhalts (Mo. 22.3352)

In der Frühjahrssession 2022 erteilten Stände- wie Nationalrat den geänderten Kantonsverfassungen von Zürich, Graubünden und Neuenburg oppositionslos die Gewährleistung, wie es ihnen der Bundesrat beantragt hatte. Die Vereinbarkeit der Änderungen mit dem Bundesrecht blieb in beiden Räten unbestritten.
Dies galt auch für die Neuenburger Verfassungsbestimmung zu den Windkraftanlagen, die in der vorberatenden SPK-SR gemäss Kommissionssprecher Mathias Zopfi (gp, GL) «etwas länger diskutiert» worden war: Mit der betreffenden Bestimmung begrenzt Neuenburg die Anzahl Windkraftanlagen auf seinem Kantonsgebiet auf maximal fünf. In der Kommission habe man geprüft, ob eine solche Begrenzung vereinbar sei mit der bundesrechtlichen Vorgabe, dass die Kantone die für die Nutzung der Wasser- und Windkraft geeigneten Gebiete festlegen müssen. Entscheidend ist dabei gemäss Zopfi, dass die Kantone die Grundsätze der Energiepolitik des Bundes umsetzen müssen, die konkrete Umsetzung aber Sache der Kantone bleibe. Weil es aus heutiger Sicht auch mit einer begrenzten Zahl von Windenergiestandorten möglich sei, die Grundsätze der Energiepolitik des Bundes umzusetzen, sei die Neuenburger Bestimmung zu gewährleisten.
Im Übrigen ging Zopfi auch darauf ein, dass die vorliegenden Änderungen der Neuenburger Kantonsverfassung schon 2014 und 2016 beschlossen worden waren: Neuenburg habe «einige Jahre keine Gewährleistungsgesuche [gestellt], wodurch sich die Gesuche nun etwas aufgestaut haben und weshalb nun nachträgliche Gewährleistungsgesuche vorliegen, nachdem der Kanton auf das Versäumnis aufmerksam gemacht worden ist». Die Verzögerung habe keine Konsequenzen gehabt, weil die Kantone ihre Verfassungsänderungen schon vor Abschluss des Gewährleistungsverfahrens in Kraft setzen können. Mit der Gewährleistung bestätige der Bund aber, dass die Änderungen bundesrechtskonform sind, was im Fall einer gerichtlichen Anfechtung von Bedeutung wäre.

Gewährleistung von Änderungen in den Kantonsverfassungen von Zürich, Graubünden und Neuenburg (BRG 21.075)
Dossier: Gewährleistung kantonaler Verfassungen

Der Nationalrat behandelte in der Frühjahrssession ein Postulat des Walliser SVP-Nationalrats Jean-Luc Addor. Dieser wollte den Bundesrat mit der Erstellung eines Berichts über die Möglichkeiten eines «differenzierten oder asymmetrischen Föderalismus» in der Schweiz beauftragen. Unter anderem solle ein Mechanismus geprüft werden, mit dem jene Kantone, die das wollen, Kompetenzen vom Bund zu sich zurückholen könnten. Addor begründete sein Anliegen mit einer seit Jahrzehnten anhaltenden «Grundtendenz zur Zentralisierung» von Kompetenzen beim Bund. Die Schweiz könne sich von Kanada und anderen föderalistischen Staaten inspirieren lassen, in denen Elemente des asymmetrischen Föderalismus etabliert seien.
Die ablehnende Haltung des Bundesrats wurde in der Frühjahrssession 2022 im Nationalrat von Justizministerin Karin Keller-Sutter vertreten. Sie verwies erstens auf das Subsidiaritätsprinzip. Demnach könne der Bund schon heute nur Aufgaben übernehmen, welche die Möglichkeiten der Kantone übersteigen oder einer einheitlichen Regelung durch den Bund bedürfen – eine Rückübertragung solcher Aufgaben an die Kantone mache keinen Sinn. Zweitens würde eine Rückübertragung demokratische Entscheide unterlaufen, denn jede Zuweisung von Kompetenzen an den Bund sei mit einem doppelten Mehr von Volk und Ständen beschlossen worden. Und drittens bestehe bei all jenen Aufgaben, die nicht dem Bund zugewiesen sind, mit dem Instrument des Konkordats schon heute die Möglichkeit, dass nur jene Kantone, die das möchten, einen Bereich gemeinsam regeln.
Der Nationalrat folgte daraufhin dem Bundesrat und lehnte das Postulat mit 137 zu 53 Stimmen ohne Enthaltung ab. Während die SVP-Fraktion geschlossen Ja stimmte, sagten alle anderen Fraktionen ebenso geschlossen Nein.

Differenzierter oder asymmetrischer Föderalismus. Eine Möglichkeit für die Schweiz? (Po. 20.3040)

Als Teil ihrer Kampagne zum Stadt-Land-Graben lancierte die SVP Schweiz im Herbst 2021 die Forderung, dass für demokratische Entscheide innerhalb der Kantone neu föderalistische Prinzipien eingeführt werden sollen. So soll gemäss dem Positionspapier zum einen bei kantonalen Volksabstimmungen nebst dem Volksmehr künftig ein Bezirksmehr oder ein Gemeindemehr nötig sein und zum anderen sollen Kantonsparlamente künftig über ein Zweikammersystem mit einer Volks- und einer Bezirkskammer verfügen. Die Partei wollte damit die Institutionen des Ständemehrs und des Ständerats von der Bundesebene auf die Kantonsebene übertragen und so den ländlichen gegenüber den städtischen Gebieten mehr Gewicht verleihen: Es gehe darum, «den schädlichen Einfluss der links-grünen Städte auf die freiheitliche politische Kultur der Schweiz zu beschränken sowie mehr Fairness und Transparenz in den Stadt-Land-Beziehungen sicherzustellen».
Die Idee eines Bezirks- oder Gemeindemehrs – die in Kantonen wie Schaffhausen, Appenzell Ausserrhoden, Bern oder Zug freilich auch schon früher diskutiert, aber stets verworfen worden war – griffen sodann verschiedene Exponentinnen und Exponenten sowie Kantonalsektionen der SVP auf. Auf Bundesebene erkundigte sich SVP-Ständerat Werner Salzmann (svp, BE) mit einer Interpellation (Ip. 21.4000), ob es bundesrechtliche Vorbehalte gegen ein Doppelmehr-Erfordernis in den Kantonen gebe. Der Bundesrat führte in seiner Antwort aus, dass diese Frage bisher nicht eindeutig geklärt sei und durch die Gerichte oder gegebenenfalls durch die Bundesversammlung bei der Gewährleistung einer entsprechend angepassten Kantonsverfassung entschieden werden müsste. In der Rechtswissenschaft werde jedoch grösstenteils die Ansicht vertreten, dass ein Doppelmehr-Erfordernis für kantonale Abstimmungen unterhalb der Verfassungsstufe wohl zulässig wäre, während es bei Verfassungsabstimmungen vermutlich im Widerspruch zu Art. 51 BV stünde; dieser schreibt den Kantonen vor, dass sie eine Anpassung ihrer Verfassungen vorsehen müssen, «wenn die Mehrheit der Stimmberechtigten es verlangt».
Im Kanton Zürich gab die SVP im Oktober 2021 bekannt, eine kantonale Volksinitiative zur Einführung eines Bezirksmehrs zu prüfen. In St. Gallen wählte die SVP den parlamentarischen Weg und forderte mit einer Motion die Einführung eines Gemeindemehrs für alle kantonalen Abstimmungen unterhalb der Verfassungsstufe; nach ihrer Ansicht würde dies letztlich den Zusammenhalt zwischen ländlichen und städtischen Regionen stärken. Im Kantonsrat blieb der Vorschlag indes chancenlos. Davor hatte sich auch der Regierungsrat dezidiert für eine Ablehnung des Vorstosses ausgesprochen, weil dieser ein «massives Ungleichgewicht» bei der Stimmkraft der Stimmberechtigten aus grossen und kleinen Gemeinden schaffen und damit der Akzeptanz und Legitimität von Abstimmungsergebnissen schaden würde. Der Vergleich zum Ständemehr auf Bundesebene sei verfehlt, weil die Gemeinden in den Kantonen weder historisch noch staatspolitisch eine ähnliche Rolle hätten wie die Kantone im Bund. Zudem machte die St. Galler Regierung verfassungsrechtliche Bedenken geltend.

Forderung der SVP nach Gemeindemehr und Zweikammersystem in den Kantonen

Am 1. Januar 2022 zählte die Schweiz 2'148 politische Gemeinden. Aufgrund von Gemeindefusionen hatte die Anzahl Gemeinden seit Januar 2021 damit um 24 abgenommen, seit Januar 2000 insgesamt um 751 Gemeinden.
Gemeindefusionen wurden zwischen dem 2. Januar 2021 und dem 1. Januar 2022 in den Kantonen Aargau, Freiburg, Tessin und Waadt vollzogen. Eine Besonderheit stellte dabei die Gemeindefusion in Murten FR dar: Sie umfasste nebst den freiburgischen Gemeinden Galmiz, Gempenach und Murten auch die bisher zum Kanton Bern gehörige Gemeinde Clavaleyres. Weil damit die Kantonsgrenzen verschoben wurden, mussten nebst den beteiligten Gemeinden auch die Kantone Bern und Freiburg sowie die Bundesversammlung dem Vorhaben ihren Segen erteilen.
Zwei besonders prominente Fusionsprojekte standen 2021 freilich im Gegenwind: Das seit 2017 laufende Vorhaben einer Fusion der Stadt Freiburg mit den umliegenden Gemeinden wurde beerdigt, nachdem eine Konsultativabstimmung im September 2021 in sechs von neun potenziellen Fusionsgemeinden negativ ausgefallen war. Und von den Gemeinden um die Stadt Bern beschlossen 2021 auch Kehrsatz und Frauenkappelen den Ausstieg aus den Fusionsabklärungen, nachdem Bolligen und Bremgarten dies bereits früher getan hatten und Köniz gar nie eingestiegen war. Im Projekt verblieben somit noch die Stadt Bern und Ostermundigen.
Der Politologe Michael Strebel wies in einem NZZ-Interview indessen darauf hin, dass solche prominenten Fehlschläge nicht darüber hinwegtäuschen sollten, dass Fusionsprojekte in der Schweiz «in Abstimmungen eigentlich sehr erfolgreich sind»: Von rund 440 Fusionsprojekten, die seit der Jahrtausendwende in einer Schlussabstimmung den Stimmberechtigten der beteiligten Gemeinden vorgelegt worden seien, seien rund drei Viertel in sämtlichen Gemeinden angenommen worden. Wie das Beispiel von Freiburg illustriert, schaffen es viele Vorhaben mit schlechteren Erfolgsaussichten freilich gar nicht bis in eine Schlussabstimmung, sondern scheitern schon früher. Auswirkungen von Gemeindefusionen seien gemäss Strebel oft bessere Leistungen für die Bevölkerung (etwa längere Öffnungszeiten der Gemeindeverwaltung oder bessere ÖV-Verbindungen), aber selten finanzielle Einsparungen. Zumindest kurzfristig führten Gemeindefusionen zudem oft zu einer geringeren Stimmbeteiligung. Einen solchen negativen Effekt auf die Stimmbeteiligung wies auch eine neue Studie zum Kanton Glarus nach (Frey et al. 2021), wo die Stimmberechtigten an der Landsgemeinde 2006 eine besonders weitgehende Gemeindefusion beschlossen hatten.

Gemeindefusionen 2021
Dossier: Gemeindefusionen

Jahresrückblick 2021: Föderativer Aufbau

Wie schon im Vorjahr befeuerte der anhaltende Kampf von Bund und Kantonen gegen die Covid-19-Krise auch 2021 die öffentliche Debatte um Vor- und Nachteile sowie allfälligen Reformbedarf des Föderalismus in der Schweiz. Die Stärken des Systems zeigten sich etwa darin, dass einzelne Kantone mit Innovationen vorangingen, die andere Kantone oder der Bund im Erfolgsfall übernehmen konnten – ein Beispiel dafür waren 2021 die vom Kanton Graubünden eingeführten Massentests, die zum Vorbild für die nationale Teststrategie wurden. Ein anderer Vorteil bestand darin, dass den regional teilweise unterschiedlichen epidemiologischen und gesellschaftlichen Ausgangslagen durch spezifische Regimes Rechnung getragen werden konnte. Kantonal unterschiedliche Regelungen wurden jedoch in der Presse bisweilen auch als «Flickenteppich» problematisiert, zumal die Unterschiede nicht immer sachlich begründbar erschienen. Wenn es aufgrund der epidemiologischen Entwicklung unpopuläre Massnahmen zu beschliessen galt, war teilweise auch ein Schwarzpeterspiel zu beobachten, das die Entscheidfindung verzögerte, indem Kantone und Bund einander gegenseitig die Verantwortung zuschoben – so etwa beim Entscheid über Massnahmen zur Eindämmung der fünften Welle Anfang Dezember. Die Grenzen des Föderalismus traten auch in der Auseinandersetzung um die Öffnung der Restaurantterrassen in Skigebieten zutage, als mehrere Kantone sich vorübergehend weigerten, die verbindliche Vorgabe des Bundes zur Schliessung der Terrassen umzusetzen. Im Weiteren stellten die Planung und Durchführung von Tests, Impfungen und Contact-Tracing die Kantone vor grosse Herausforderungen, welche von manchen Beobachterinnen und Beobachtern auch der Kleinheit der kantonalen Verwaltungen zugeschrieben wurden.

Nicht nur, aber auch vor dem Hintergrund der Covid-19-Krise wurden Reformvorschläge für das föderalistische System der Schweiz diskutiert. Dazu gehörte die auch von der KdK propagierte Idee, ein paritätisch zusammengesetztes gemeinsames Führungsgremium von Bund und Kantonen zu schaffen, das bei künftigen Krisen die Koordination und Vorbereitung von Entscheidungen des Bundesrats und der Kantonsregierungen übernehmen würde. Der Stadtpräsident von Biel schlug derweil vor, mit einem Städtereferendum, bei dem analog zum bestehenden Kantonsreferendum acht grössere Städte eine nationale Referendumsabstimmung bewirken könnten, die Rolle der Städte in der Bundespolitik zu stärken; der Vorschlag erinnerte an Forderungen nach einem Gemeindereferendum oder nach einer Vertretung der Städte im Ständerat, die in den letzten Jahren erfolglos geblieben waren. Ob eine nennenswerte Föderalismusreform diesmal mehrheitsfähig werden könnte, war Ende 2021 noch nicht absehbar.

Für intensive Debatten sorgte das Verhältnis zwischen städtischen und ländlichen Gebieten in der Schweiz. Sie flammten zunächst nach dem Abstimmungswochenende vom 13. Juni auf, an dem gleich bei drei Vorlagen – dem CO2-Gesetz, der Trinkwasser- und der Pestizidinitiative – über unterschiedliche Betroffenheiten und Interessen von Stadt- und Landbevölkerung diskutiert wurde und sich in den meisten städtischen Gemeinden Ja-Mehrheiten, in den ländlichen Gebieten hingegen überwiegend Nein-Mehrheiten ergaben. Richtig Fahrt nahm die Debatte aber auf, als sich die SVP bei 1.-August-Reden und in den darauf folgenden Wochen über «Schmarotzertum» und Arroganz von «Luxus-Sozialisten und Bevormunder-Grünen» in den Städten beklagte und sich als Verteidigerin der Interessen der Landbevölkerung darstellte. Die Partei lancierte dabei etwa Forderungen nach einer Revision des Finanzausgleichssystems oder nach der Einführung eines Bezirks- oder Gemeindemehrs bei kantonalen Abstimmungen analog zum Ständemehr auf Bundesebene. Gegenstimmen warfen der SVP vor, mit ihrer Rhetorik die Bevölkerung zu spalten und den Stadt-Land-Graben selbst mutwillig zu vertiefen; im Übrigen fliesse aus den meisten Städten mehr Geld aufs Land als umgekehrt.

Bei einer Stimmbeteiligung von über 88 Prozent entschieden sich die Stimmberechtigten von Moutier am 28. März mit 54.9 Prozent Stimmenanteil für einen Kantonswechsel ihrer Gemeinde von Bern zu Jura. Nachdem eine erste Abstimmung zum selben Thema 2017 wegen Unregelmässigkeiten annulliert worden war, handelte es sich beim diesjährigen Urnengang in den Worten von Le Temps um «la votation la plus contrôlée de l'histoire suisse». Zwar gab es auch im Zusammenhang mit der diesjährigen Abstimmung wieder Gerüchte um Abstimmungstourismus und um mögliche Ungereimtheiten im Wählendenregister der Gemeinde, doch Abstimmungsbeschwerden blieben diesmal aus; dazu dürfte auch das relativ deutliche Ergebnis beigetragen haben. Die Kantone Jura und Bern unterzeichneten in der Folge eine Roadmap für die Verhandlungen über die Modalitäten des Kantonswechsels; demnach soll Moutier spätestens ab dem 1. Januar 2026 offiziell Teil des Kantons Jura sein.

Auch 2021 kam es in verschiedenen Kantonen zu Gemeindefusionen, beispielsweise in Tresa TI, Assens VD oder Seedorf UR. Zwei besonders prominente Fusionsprojekte standen indessen im Gegenwind: Das seit 2017 laufende Vorhaben einer Fusion der Stadt Freiburg mit den umliegenden Gemeinden wurde beerdigt, nachdem eine Konsultativabstimmung im September in sechs von neun potenziellen Fusionsgemeinden negativ ausgefallen war. Und von den Gemeinden um die Stadt Bern beschlossen 2021 auch Kehrsatz und Frauenkappelen den Ausstieg aus den Fusionsabklärungen, nachdem Bolligen und Bremgarten dies bereits früher getan hatten und Köniz gar nie eingestiegen war. Im Projekt verbleiben somit noch die Stadt Bern und Ostermundigen.

Die Presse berichtete 2021 deutlich häufiger als in den drei Vorjahren über Fragen des Föderalismus, wie die APS-Zeitungsanalyse (vgl. Abbildung 2 der APS-Zeitungsanalyse 2021 im Anhang) zeigt. Dies ist zum einen auf das Thema der Aufgabenverteilung zwischen Bund und Kantonen bei der Pandemiebekämpfung zurückzuführen, vor allem aber auch auf die Abstimmung in Moutier. Diese wurde insbesondere in jurassischen und bernischen Zeitungen sehr ausgiebig behandelt und ist für den klaren Spitzenwert an Zeitungsartikeln im März 2021 verantwortlich (vgl. Abbildung 1). Seit 2016 war der Föderalismus in der Presse denn auch nur einmal noch häufiger Thema als 2021 – nämlich im Jahr 2017, als in Moutier der erste Anlauf für eine Abstimmung über die Kantonszugehörigkeit stattfand.

Jahresrückblick 2021: Föderativer Aufbau
Dossier: Jahresrückblick 2021

Der Ständerat behandelte in der Wintersession ein Postulat der grünen Baselbieter Ständerätin Maya Graf. Sie wollte damit vom Bundesrat einen Bericht verlangen zur Frage, welche Optionen es für die «verbindliche Beteiligung der Kantone» an bestimmten aussenpolitischen Entscheidungen gibt. Namentlich sollte es um Entscheidungen gehen, die direkte Auswirkungen auf die Exportbranchen der Kantone, auf essenzielle Wirtschaftszweige der Schweiz, auf den Bildungs- und Forschungsstandort oder auf den täglichen grenzüberschreitenden Austausch haben. Die Postulantin begründete ihren Vorstoss damit, dass in vielen Themenfeldern der Bedarf nach grenzüberschreitenden Regelungen sowie nach einer dynamischen Rechtsübernahme wachse, wie etwa die – einige Monate vor der Einreichung des Postulats abgebrochenen – Verhandlungen über ein Rahmenabkommen mit der EU gezeigt hätten. Ein vermehrter Einbezug der Kantone dränge sich deshalb auf, denn eine verstärkte aussenpolitische Zusammenarbeit erfordere erstens eine breitere innenpolitische Legitimation und betreffe zweitens auch kantonale Kompetenzen und Aufgabenbereiche stark. Mit Graf und ihren sechs Mitunterzeichnenden standen Ständeratsmitglieder aus sieben verschiedenen Grenzkantonen und vier verschiedenen Fraktionen hinter dem Postulat.
Der Bundesrat beantragte die Ablehnung des Vorstosses, denn die Mitwirkungsrechte der Kantone seien in der Bundesverfassung und im Bundesgesetz über die Mitwirkung der Kantone an der Aussenpolitik des Bundes schon ausreichend geklärt: Grundsätzlich sei die Aussenpolitik Sache des Bundes, er müsse aber die Kantone bei der Vorbereitung von Entscheiden, die deren Zuständigkeiten oder wesentlichen Interessen betreffen, einbeziehen. Dies geschehe insbesondere mit dem Instrument der Anhörung. Die Stellungnahmen der Kantone seien für den Bund zwar nicht verbindlich, er müsse sie aber berücksichtigen und den Kantonen bei abweichenden Entscheiden seine Gründe darlegen. Was das Rahmenabkommen betreffe, habe der Bundesrat im Übrigen die Annahme der gleichlautenden Motionen 19.3167 und 19.3170 beantragt, die für den Fall einer Unterzeichnung des Abkommens eine gesetzliche Grundlage für ein Mitsprachrecht der Kantone bei der dynamischen Übernahme von EU-Recht gefordert hätten.
Bei den Verhandlungen im Ständerat in der Wintersession 2021 betonte die Postulantin Maya Graf, dass die Aussenpolitik in der heutigen hochgradig verflochtenen Welt und in einer föderalen Demokratie nicht einfach Sache des Bundes sein könne. Die Kantone seien nicht reine Umsetzungsinstanzen international verhandelter Themen, sondern bei zahlreichen Themen in ihren eigenen Kompetenzbereichen betroffen, so etwa in der Gesundheitspolitik, der Verkehrspolitik oder der Energiepolitik. Blosse Anhörungen seien vor diesem Hintergrund nicht ausreichend, zumal bereits die Bundesverfassung festhalte, dass der Bund bei der Aussenpolitik «Rücksicht auf die Zuständigkeiten der Kantone [nehmen] und ihre Interes­sen [wahren]» müsse und dass die Kantone dann, «wenn sie in ihren Zuständigkeiten betroffen sind, [...] in geeigneter Weise an internationalen Verhandlungen mit[wirken].» Eine solche besondere Betroffenheit liege insbesondere bei stark vernetzten Grenzkantonen oft vor. Letztlich verlange das Postulat bloss einen Bericht über die Möglichkeiten zur Umsetzung dessen, was bereits in der Verfassung stehe.
Unterstützung erhielt Graf von den Mitte-Vertretern Charles Juillard (mitte, JU) und Benedikt Würth (mitte, SG). Juillard fand, dass sich die Frage des angemessenen Einbezugs der Kantone keineswegs auf das Rahmenabkommen beschränkt habe, sondern sich auch in Zukunft bei vielen weiteren Abkommen stellen werde. Würth betonte, die Mitwirkung der Kantone sei eine Kompensation dafür, dass die Aussenpolitik dazu tendiere, Themen national zu steuern, die eigentlich auf kantonaler Ebene angesiedelt sind. Das Gesetz regle bisher aber nur den Einbezug der Kantone bei Verhandlungen klar. Aussenpolitik finde jedoch auch dann statt, wenn – wie derzeit nach der Beerdigung des Rahmenabkommens – keine Verhandlungen liefen. Der vom Postulat geforderte Bericht solle deshalb zeigen, wie die Kantone auch in einer solchen Situation besser einbezogen werden können. In der Vergangenheit habe es beispielsweise immer wieder Diskussionen dazu gegeben, wie der Bundesrat die Kantone bei Sondierungen einzubeziehen hat, die im Vorfeld von Verhandlungen stattfinden; hier seien durchaus noch Fragen offen.
Aussenminister Ignazio Cassis vertrat sodann den Ablehnungsantrag des Bundesrats. Er gab Würth Recht, dass die Mitwirkung der Kantone bei der generellen Aussenpolitik heute weniger klar geregelt sei als bei Verhandlungen. Allerdings gebe es Gefässe wie den föderalistischen Dialog oder den Europa-Dialog, über welche die Kantone mitwirken könnten und ein ständiger Austausch gepflegt werde. Bei den Beziehungen mit der EU kämen noch zwei weitere Mechanismen hinzu, in denen die Kantone und der Bund bereits kooperierten: erstens die sogenannte kleine Aussenpolitik, also die grenzüberschreitende Zusammenarbeit auf subnationaler Ebene; zweitens gebe es drei Mitarbeitende im EDA, die von der KdK delegiert und bezahlt werden, die aber vollwertig in die Arbeiten der EDA-Abteilung Europa in Bern sowie in Brüssel integriert seien. Ohnehin seien die Kantone auch in der Aussenpolitik die wichtigsten institutionellen Partner des Bundesrats, und dieser könne faktisch «kaum etwas tun, wenn die Kantone dagegen sind». Eine Auslegeordnung in einem Bericht könne man immer machen, aber der Bundesrat sehe beim Einbezug der Kantone keinen Handlungsbedarf – anders wäre dies bei einem Wechsel zu einer dynamischen Übernahme von EU-Recht gewesen, doch dies stehe nach dem Scheitern des Rahmenabkommens nun ja nicht mehr auf der Tagesordnung.
In der Abstimmung folgte schliesslich eine hauchdünne Mehrheit des Ständerats dem Bundesrat – mit 22 Nein- zu 21 Ja-Stimmen bei einer Enthaltung wurde das Postulat abgelehnt.

Verbindliche Beteiligung der Kantone an der aussenpolitischen Entscheidungsfindung des Bundesrates (Po. 21.4192)
Dossier: Mitwirkung der Kantone in der Aussenpolitik

Der Bundesrat beantragte dem Parlament, den geänderten Kantonsverfassungen von drei Kantonen die Gewährleistung zu erteilen, da keine der Verfassungsänderungen mit dem Bundesrecht in Konflikt stehe.
Die Anpassung der Zürcher Kantonsverfassung beinhaltet eine Erweiterung der Finanzbefugnisse des Regierungsrats sowie der Stimmbevölkerung auf Kosten des Kantonsrats: Der Regierungsrat kann künftig neue einmalige Ausgaben bis CHF 4 Mio. (bisher 3 Mio.) und neue wiederkehrende Ausgaben bis jährlich CHF 400'000 (bisher 300'000) eigenständig beschliessen. Alle Ausgabenbeschlüsse, die diese Summen übersteigen, werden vom Kantonsrat gefällt und unterliegen künftig dem fakultativen Referendum; bisher hatte das fakultative Finanzreferendum in Zürich erst ab neuen einmaligen Ausgaben von CHF 6 Mio. und ab neuen wiederkehrenden Ausgaben von CHF 600'000 gegolten.
Der Kanton Graubünden wechselt mit der Änderung seiner Verfassung das Wahlsystem für den Grossen Rat: Statt des Majorzsystems gilt künftig das Proporzsystem. Graubünden macht diesen Schritt, nachdem die Einführung des Proporzes davor über Jahrzehnte hinweg immer wieder gescheitert, aufgrund eines Bundesgerichtsurteils aus dem Jahr 2019 (BGE 145 I 259) aber nötig geworden war. In der neuen Verfassungsbestimmung behält sich der Kanton noch in zwei Punkten vor, von einem reinen Verhältniswahlrecht abzuweichen, nämlich mit einem Mindestquorum und einer sogenannten Majorzbedingung. Wie der Bundesrat in seiner Botschaft ausführte, konkretisiert der Kanton Graubünden diese beiden Punkte auf Gesetzesstufe: Als Mindestquorum sieht der Kanton vor, dass nur Parteien, die kantonsweit einen Stimmenanteil von mindestens 3 Prozent erreichen, ins Parlament einziehen können. Gemäss der Majorzbedingung steht in jedem Wahlkreis der stimmenstärksten Liste dieses Wahlkreises mindestens ein Sitz zu; dies hat zur Folge, dass es Abweichungen von der grundsätzlich geltenden Sitzzuteilung nach dem Doppelten Pukelsheim geben kann und dass in jenen Wahlkreisen, die bloss über einen Sitz verfügen, auch weiterhin prinzipiell das Majorzverfahren zur Anwendung kommt. Weil die Majorzbedingung im kantonalen Gesetz aber ihrerseits eingeschränkt wird (sie kann demnach nicht dazu führen, dass eine Partei oder ein Wahlkreis letztlich insgesamt mehr Sitze erhält, als ihnen rechnerisch zustehen), beurteilte sie der Bundesrat als bundesrechtskonform.
Aus dem Kanton Neuenburg waren drei Verfassungsänderungen zu gewährleisten. Die erste schreibt vor, dass Windenergie-Anlagen an höchstens fünf Standorten im Kanton errichtet werden können; die zweite schafft die Möglichkeit, Mitglieder der Kantonsregierung, der kantonalen Gerichte sowie der Gemeindeexekutiven ihres Amtes zu entheben sowie die Kantonsregierung als Ganze vorzeitig abzuberufen; die dritte schliesslich hält fest, dass der Kanton seine Transportinfrastrukturen aufgrund einer langfristigen Mobilitätspolitik planen muss und dass er für den Bau einer direkten Eisenbahnverbindung zwischen Neuenburg und La Chaux-de-Fonds einen Kredit aufnehmen kann. Bemerkenswert ist an den Neuenburger Änderungen, dass sie von den kantonalen Stimmberechtigten schon 2014 beziehungsweise 2016 beschlossen worden waren, aber erst 2021 dem Bund zur Gewährleistung vorgelegt wurden. Auf die Hintergründe dieser Verzögerung ging die bundesrätliche Botschaft indessen nicht ein.

Gewährleistung von Änderungen in den Kantonsverfassungen von Zürich, Graubünden und Neuenburg (BRG 21.075)
Dossier: Gewährleistung kantonaler Verfassungen

Im Dezember 2021 lancierte die jurassische Sektion der christlich-sozialen Partei (PCSI) eine kantonale Volksinitiative für kantonsweite Gemeindefusionen im Jura mit dem Ziel, die Zahl der Gemeinden nach dem Vorbild des Kantons Glarus von 53 auf 3 bis 6 zu reduzieren. Thomas Schaffter (JU, pcsi), Parteipräsident und Mitinitiant, unterstrich, dass die Initiative grossen Wert darauf lege, die betroffenen Gemeinden in diesem Prozess anzuhören und zu konsultieren. Angestossen wurde dieses Anliegen durch die instabile Finanzlage des Kantons sowie den immer komplexer werdenden Dossiers auf Gemeindeebene. Es bestehe dabei das Potenzial, durch die Vereinfachung der Gemeindestruktur des Kantons die Effizienz zu steigern und zu sparen, was zu einem besseren Kosten-Ertrags-Verhältnis der öffentlichen Verwaltung führen solle, so Schaffter. Mit dem Übertritt von Moutier in den Kanton Jura biete sich zudem eine Chance, die im Kanton dringend notwendigen strukturellen und institutionellen Reformen voranzutreiben.
Im Dezember 2022 – knapp ein Jahr nach der Lancierung – gab Le Quotidien Jurrassien schliesslich das Scheitern der Initiative bekannt. Mit rund 1600 gesammelten Unterschriften hatte die Partei die 2000 notwendigen Signaturen in der gegebenen Jahresfrist verfehlt. Gemäss dem Initiativkomitee sei dies unter anderem auf den Mangel an Zeit und Ressourcen im kommunalen Wahljahr 2022 zurückzuführen. Die Idee sei aber nicht vollständig aufgegeben und entsprechende Vorstösse im Kantonsparlament seien bereits in Vorbereitung.

Initiative für kantonsweite Gemeindefusionen im Kanton Jura

Mit einem Gastbeitrag in der NZZ forderte Erich Fehr (BE, sp), Stadtpräsident von Biel, die Einführung eines Städtereferendums auf Bundesebene. Analog zum bestehenden Kantonsreferendum, das von acht Kantonen ergriffen werden kann, sollen Städte damit eine Volksabstimmung über Vorlagen erwirken können, die dem fakultativen Referendum unterliegen. Als mögliches Quorum nannte Fehr acht Städte mit je über 25'000 Einwohnerinnen und Einwohnern.
Fehr begründete sein Anliegen damit, dass das Funktionieren des Föderalismus seit seiner Etablierung im 19. Jahrhundert aufgrund der soziodemografischen Entwicklung «immer mehr aus den Fugen geraten» sei. So stellten urbane Gemeinden heute mit 70 Prozent einen deutlich höheren Anteil an der Gesamtbevölkerung als noch bei der Gründung des schweizerischen Bundesstaates, doch die Verteilung und Gewichtung der Ständestimmen sei immer noch dieselbe wie damals; dies gebe den kleineren, ländlichen Kantonen ein zu hohes Gewicht und benachteilige die Städte im föderalen Gefüge. Mit einem Städtereferendum könnten laut Fehr die Städte ihre Interessen besser verteidigen, ohne dass dadurch die Kantone geschwächt würden. Eine institutionelle Stärkung der Städte tue auch deshalb Not, weil der Artikel 50 Absatz 3 der Bundesverfassung, wonach der Bund auf die besondere Situation der Städte, Agglomerationen und Berggebiete Rücksicht zu nehmen hat, jedenfalls hinsichtlich der Städte «bis heute weitgehend toter Buchstabe geblieben» sei. Dies sei zuletzt auch bei der Erarbeitung der Corona-Massnahmen zu beobachten gewesen, zu denen der Bund jeweils nur die Kantone und die Sozialpartner, nicht aber die Städte und Gemeinden anhörte. Fehrs Vorschlag stellte einen neuen Anlauf in einer schon länger währenden Diskussion dar, nachdem etwa Forderungen nach einem Gemeindereferendum oder nach einer Aufwertung der Städte zu Halbkantonen in den letzten Jahren erfolglos geblieben waren.

Auf den gescheiterten Vorstoss für ein Gemeindereferendum verwies in seiner Reaktion auf Fehrs Vorschlag auch der Präsident des Gemeindeverbands (SGV), Ständerat Hannes Germann (svp, SH): Jener vom SGV lancierte Vorstoss sei vom Schweizerischen Städteverband (SSV) 2017 nicht unterstützt worden. Es sei «befremdend und irritierend», wenn nun von städtischer Seite eine ähnliche Reform vorgeschlagen werde, die aber kleinere Gemeinden ignorieren und ein Sonderrecht nur für die Städte schaffen würde. Einverstanden zeigte sich Germann hingegen mit Fehrs Kritik am mangelnden Einbezug der Städte und Gemeinden in der Pandemiepolitik.

Städtereferendum

Stände- und Nationalrat haben in der Herbstsession 2021 den geänderten Verfassungen der Kantone Uri, Schaffhausen, Aargau, Tessin und Genf oppositionslos die Gewährleistung erteilt. Die einzige Wortmeldung zum Geschäft kam von Kommissionssprecher Andrea Caroni (fdp, AR) im Ständerat. Er führte aus, dass das Geschäft auch in der Kommission kaum zu Diskussionen Anlass gegeben hatte. Einzige Ausnahme seien die neuen Genfer Verfassungsbestimmungen über die Steuerpolitik gewesen, nach denen sich der Kanton für eine Verringerung des interkantonalen Steuerwettbewerbs und bei der kantonalen Umsetzung von Steuerreformen des Bundes für eine stärkere Steuerprogression einsetzen soll. Die Kommission sei aber wie schon der Bundesrat in seiner Botschaft zum Schluss gekommen, dass diese Bestimmungen unproblematisch seien, solange sich der Kanton Genf bei der Umsetzung in den Grenzen des Bundesrechts bewege. Einer Gewährleistung stehe somit nichts im Weg.

Garantie des constitutions cantonales (UR, SH, AG, TI, GE) (MCF 21.040)
Dossier: Gewährleistung kantonaler Verfassungen

Le Conseil fédéral propose au Parlement d'accorder la garantie fédérale aux constitutions de cinq cantons après que celles-ci aient été révisées. Dans le canton d'Uri, la modification constitutionnelle concerne le droit de nécessité. Adopté en votation populaire le 29 novembre 2020, le nouvel article (art. 90, al. 3, cst. UR) permet au Conseil d'Etat d'introduire des arrêtés de nécessité pour une durée limitée. Ceux-ci doivent être validés a posteriori par le Grand Conseil. La constitution du canton de Schaffhouse a été dotée d'un article traitant de la transparence du financement de la vie politique (art. 37a, cst. SH). Cette disposition, qui oblige notamment les personnes élues ou candidates à des fonctions publiques à publier leurs liens d'intérêt, est similaire à celles ajoutées aux constitutions de Schwyz et Fribourg, validées par le Parlement en mars 2019. En Argovie, les compétences des autorités scolaires (§ 31 let. b, cst. AG) ont fait l'objet d'une modification alors que l'article 55bis cst. AG sur la mise en œuvre de la loi fédérale sur les jeux d'argent a été abrogé. Au Tessin, un article concernant le principe de subsidiarité (art. 4, al. 4, cst TI), accepté par le peuple le 9 février 2020, a été ajouté à la constitution. Enfin, plusieurs modifications ont eu lieu dans le canton de Genève. Alors que la présidence du Conseil d'Etat était attribuée auparavant pour toute la législature, les membres de l'exécutif l'occuperont désormais pour une année, avant de céder la place à un.e collègue (art. 105, al. 2 et 3, cst GE). Les autres changements concernent notamment la concurrence fiscale intercantonale, les institutions de maintien, d'aide et de soins à domicile et les droits des personnes en situation de handicap.
Après vérification, ces modifications sont conformes au droit fédéral, raison pour laquelle le Conseil fédéral recommande leur adoption.

Garantie des constitutions cantonales (UR, SH, AG, TI, GE) (MCF 21.040)
Dossier: Gewährleistung kantonaler Verfassungen

La CdF-CN et la CdF-CE ont pris connaissance du rapport du Conseil fédéral concernant la simplification de la mise en œuvre des conventions-programmes conclues entre la Confédération et les cantons. La CdF-CN a salué les progrès réalisés depuis 2012. Un sondage mené par l'AFF auprès des offices fédéraux et des services cantonaux concernés a en effet démontré des améliorations depuis le dernier sondage complet sur l'application des conventions-programmes. La CdF-CN souligne cependant les importantes disparités en matière de mise en œuvre, engendrant des charges administratives d'ampleur différente entre les offices fédéraux.

Simplifier les conventions-programmes entre la Confédération et les cantons (Po. 19.3001)

Alors que la Confédération avait repris la main en fin d'année 2020, la gestion de la crise du Covid-19 a continué à créer des remous durant les premiers mois de l'année 2021. Face à l'augmentation du nombre de cas en janvier, les mesures ont été durcies, avec notamment la fermeture des commerces non-essentiels. Dès lors, des tensions sont apparues entre les cantons qui voulaient un allégement des mesures et ceux qui prônaient la prudence.
Le mois de février, caractérisé par les semaines de relâches hivernales et le beau temps en montagne, fût le théâtre de quelques épisodes démontrant l'esprit frondeur de certains gouvernements cantonaux. Mécontents de la fermeture des restaurants et des terrasses sur les pistes de ski, qui obligeait les touristes à se masser aux alentours pour consommer leur repas, les cantons de Schwyz, Obwald, Nidwald, Uri, Glaris et du Tessin ont contrevenu aux directives fédérales en permettant, explicitement ou tacitement, l'ouverture des terrasses. Après avoir tenté sans succès de convaincre le conseiller fédéral en charge de la santé Alain Berset que leur fermeture était contre-productive, ils ont fait marche arrière et se sont conformés à l'obligation.
Néanmoins, cet événement s'inscrivait dans la volonté globale des cantons d'ouvrir plus rapidement que prévu par la Confédération. Dans cette optique, nombre d'entre eux exigèrent dans le courant du mois de février un calendrier de réouverture clair, permettant ainsi aux citoyennes et citoyens ainsi qu'aux commerces et entreprises touchés par les fermetures d'avoir des perspectives à moyen-terme. Ils s'appuyaient alors sur le nombre de cas à la baisse malgré les variants plus contagieux ainsi que l'arrivée des vaccins pour justifier leurs demandes.
Dans ce climat, le fédéralisme a à nouveau fait l'objet de nombreux débats dans la presse. Ses bienfaits ont notamment été reconnus dans le cadre de la stratégie de test de masse. D'abord déployé dans les Grisons, le système a ensuite été étendu dans toute la Suisse – la Confédération ayant décidé d'endosser les coûts des tests. L'objectif était ainsi de repérer les personnes asymptomatiques, responsables selon l'OFSP de plus de la moitié des transmissions du virus. Le «laboratoire» grison permit ainsi de démontrer l'efficacité de cette stratégie. Le nombre de nouvelles infections dans le canton chuta en effet de 73 pour cent dans les semaines suivant l'introduction, selon le Blick.

Aufgabenteilung zwischen Bund und Kantonen während der Covid-19-Krise
Dossier: Institutionelle Krisenresistenz des Bundesrats

Avec 2'114 bulletins (54.9% des voix) sur lesquels était inscrit un «oui», contre 1740 «non», le corps électoral de Moutier s'est prononcé en faveur d'un rattachement de sa commune au canton du Jura, confirmant ainsi le résultat du scrutin invalidé de 2017. Alors qu'un résultat serré était attendu – comme en 2017 avec 137 voix de différence – l'écart de 374 voix fut une surprise. Ce résultat devrait empêcher toute contestation à l'encontre de ce vote, considéré comme le plus contrôlé de l'histoire suisse. La participation s'est élevée à 88.4%.

Le scrutin s'est déroulé dans une atmosphère particulière. Un dispositif de sécurité avait été mis en place, d'une part en raison de la situation sanitaire, d'autre part afin d'éviter d'éventuels débordements liés au résultat du vote. La municipalité de Moutier interdisait les manifestations et recommandait de renoncer aux regroupements.
Ces mesures s'ajoutaient à celles prises auparavant pour garantir la régularité du vote. Grâce à l'implication de la Confédération, mais aussi au contrôle systématique du registre électoral par la chancellerie bernoise et la commune de Moutier, toute irrégularité devait être évitée. Cela n'a pas empêché un début de polémique la veille du scrutin, lorsque le Blick a révélé l'existence d'une lettre adressée à la Confédération dans laquelle le gouvernement bernois mettait en doute la légitimité à voter d'une centaine de personnes inscrites au registre électoral. Le 5 mars, le canton de Berne avait pourtant communiqué conjointement avec la municipalité de Moutier que seuls 25 cas restaient à clarifier. Cette polémique naissante a été finalement tuée dans l'œuf par le résultat clair et net sorti des urnes.
Suite au vote, l'Office fédéral de la justice (OFJ) a par ailleurs souligné via un communiqué de presse l'excellente collaboration avec les autorités cantonales et communales, avant et pendant le vote. Six observateurs fédéraux ont surveillé le dépouillement et validé chacune des décisions du bureau de vote. Une dizaine d'autres collaborateurs et collaboratrices de l'OFJ ont procédé au contrôle systématique des cartes de légitimation.

Annoncé en fin de journée, le résultat a déclenché des scènes de liesse du côté de la place de la gare, où s'étaient massés au cours de l'après-midi plusieurs milliers de sympathisantes et sympathisants pro-jurassien. Le camp autonomiste s'est réjoui de l'écart de voix important ainsi que de l'engagement de la Confédération et des cantons concernés pour que ce vote soit au-dessus de tout soupçon. Ainsi, la décision du corps électoral prévôtois ne pouvait être remise en cause. Pour le comité de «Moutier, ville jurassienne», cette victoire portait le sceau d'une campagne très bien menée, grâce au soutien et à la solidarité de milliers de «patriotes jurassiens». Les membres du comité tendaient la main aux vaincu.e.s, appelant à la réconciliation après des décennies de tension. Leurs adversaires de «MoutierPlus» regrettaient ce résultat mais reconnaissaient la défaite, espérant que cela marque pour de bon la fin de la Question jurassienne.

Du côté des instances officielles, les réactions ont été relativement contrastées. Le gouvernement bernois a fait part de sa déception et espérait que le résultat soit respecté par toutes les parties, attendant de chacune et chacun «une attitude respectueuse et solidaire». Le conseiller d'Etat et président de la délégation du gouvernement bernois aux affaires jurassiennes Pierre-Alain Schnegg (BE, udc) a appelé ses «voisins jurassiens» à faire preuve d'écoute et de bienveillance envers les citoyennes et citoyens de Moutier qui avaient une autre vision de leur avenir. Le gouvernement jurassien a déclaré qu'il mettrait tout en œuvre pour que «chacune et chacun soit bien accueilli et puisse trouver sa place au sein du canton du Jura». Sa présidente Nathalie Barthoulot (JU, ps) se réjouit de la décision prévôtoise, marquant «le commencement d'une nouvelle page de l'histoire jurassienne». Le ton était similaire du côté du conseil municipal de Moutier. Restés sur la réserve au long de la campagne, les six élus autonomistes à l'exécutif ont pu communiquer leur joie. Ils ont eux aussi souligné l'importance de rallier la minorité non séparatiste au choix de la majorité, pour bâtir ensemble l'avenir de la ville.
La Confédération a salué le déroulement de la votation. La réussite de ce scrutin est également à mettre au crédit de Karin Keller-Sutter, qui s'est engagée fortement en tant que cheffe du département fédéral de la justice et la police (DFJP) et présidente de la conférence tripartite Jura. Selon la conseillère fédérale, «la résolution de la Question jurassienne entre dans l’histoire de l’État fédéral comme un exemple de démocratie vivante. La décision prise librement aujourd’hui par les citoyennes et les citoyens est la dernière étape d’une résolution pacifique de la Question jurassienne».
Karin Keller-Sutter a confirmé que, pour la conférence tripartite, «il était clair que la question serait close après un vote valable sur l'avenir de Moutier». S'il n'est bien sûr pas possible d'empêcher des mouvements de lutte de poursuivre leurs objectifs, elle exclut toute entrée en matière des autorités bernoises et jurassiennes. Le gouvernement bernois a rappelé que les communes du Jura bernois ont pu voter en novembre 2013. Lors de ce scrutin, toutes les communes à l'exception de Moutier et Belprahon se sont exprimées contre le lancement d'un processus de création d'un nouveau canton avec le canton du Jura. Le conseiller-exécutif Pierre-Alain Schnegg a précisé que les bases légales pour un nouveau vote n'existaient plus. La question de Belprahon reste néanmoins sensible, de nombreux habitants dénonçant le fait que la commune ait voté en 2017 sans connaître l'appartenance cantonale de Moutier. On semble cependant se diriger vers une période d'apaisement, les parties ayant montrées leur volonté de tourner la page.

Si la Question jurassienne devrait donc prendre fin avec cette votation, le processus de rattachement de Moutier au canton du Jura n'en est lui qu'à ses débuts. Tout d'abord, le scrutin n'est pas encore entré en force, puisqu'il peut faire l'objet d'un recours auprès de la préfecture du Jura bernois durant les 30 jours qui suivent le vote. Les chances de succès d'un recours semblent limitées cette fois-ci, au vu de la différence de voix importante et des mesures de sécurité strictes. Le scénario de 2017 ne devrait donc pas se répéter. Les gouvernements bernois et jurassien mèneront des discussions visant à établir un concordat cantonal fixant les modalités du transfert. Une fois ce concordat signé, il devra être accepté par les législatifs cantonaux puis en votation populaire dans les deux cantons. Il reviendra finalement à l'Assemblée fédérale de valider la modification du territoire. Ce processus s'accompagnera de nombreux travaux entre la commune de Moutier et le canton du Jura pour régler les moindres détails de l'arrivée de la ville. Le peuple jurassien devra notamment se rendre une deuxième fois aux urnes pour se prononcer sur les modifications de la constitution jurassienne découlant du transfert. Moutier devrait rejoindre de manière effective le Jura au 1er janvier 2026. Cela coïnciderait avec le début de la nouvelle législature et signifierait que le corps électoral prévôtois élirait les nouvelles autorités cantonales en octobre ou novembre 2025, en même temps que les autres jurassiennes et jurassiens.

Votation du 28 mars 2021

Participation: 88.5%
Oui: 2'114 (54.9%)
Non: 1'740 (45.1%)
Bulletins blancs: 44
Bulletins nuls: 17

Votation communale du 18 juin 2017 à Moutier sur l'appartenance cantonale et répétition du 28 mars 2021
Dossier: Moutier und der Jurakonflikt

Le conseiller national neuchâtelois Damien Cottier (plr, NE) a déposé en décembre 2020 un postulat co-signé par 20 autres parlementaires. Ce postulat demande au Conseil fédéral d'élaborer un rapport sur le fonctionnement du fédéralisme durant la crise du Covid-19, notamment au niveau de la coordination entre les cantons et la Confédération. Les possibles améliorations institutionnelles et organisationnelles devront être examinées sous le prisme des avantages et inconvénients de l'organisation actuelle.
Le Conseil fédéral a proposé d'accepter ce postulat, précisant que ses demandes seront prises en compte dans le cadre de l'évaluation de la gestion de crise pendant la 2e phase de la pandémie de COVID-19.
Le Conseil national a adopté le texte sans discussion.

Le fédéralisme à l'épreuve des crises. Les leçons à tirer de la crise du Covid-19 (Po. 20.4522)
Dossier: Institutionelle Krisenresistenz des Bundesrats

Alors que Moutier votait à nouveau sur son appartenance cantonale le 28 mars 2021, la justice bernoise s'est penchée ces derniers mois sur les cas de soupçons de fraude électorale en lien avec l'annulation du vote du 18 juin 2017. Le Ministère public du Jura bernois-Seeland avait ouvert en juillet 2020 seize instructions, dont six ont été classées, notamment car les prévenu.e.s ont pu prouver que leur domicile se trouvait bien à Moutier. Quatre condamnations ont été prononcées par voie d'ordonnance. Six personnes mises en accusation devaient comparaître devant la justice.
Les deux premiers procès ont débouché sur des acquittements. La première prévenue louait certes un appartement dans la commune jurassienne de Courtételle, mais habitait dans les faits encore chez ses parents à Moutier au moment du vote. Dans le second cas, le juge unique a conclu que l'accusée n'avait pas agi avec l'intention de tricher. En janvier 2017, celle-ci avait déplacé ses papiers de Valbirse à Moutier, où habitaient ses parents. Elle avait ainsi seulement pris part au vote, de manière certes illicite, car elle avait reçu le matériel, sans mauvaises intentions. Une condamnation pénale n'était ainsi pas nécessaire aux yeux du juge.
Une première condamnation a été prononcée à l'encontre d'un prévenu qui louait un appartement vétuste à Moutier. Il partageait cet appartement avec un couple, qui avait déjà accepté une condamnation par voie d'ordonnance. Le juge Josselin Richard, convaincu que le logement n'était qu'un prétexte pour pouvoir participer au scrutin, a condamné cet ancien conseiller de ville et militant pro-jurassien à une peine de CHF 8'250 avec sursis de deux ans. Il devra de plus s'acquitter d'une amende additionnelle de CHF 1'650 et de CHF 2'900 de frais de justice.
Le quatrième procès a abouti à une double condamnation. Les prévenu.e.s formaient un couple et habitaient à Eschert, alors que leurs papiers étaient déposés à Moutier. Le mari a même été conseiller de ville jusqu'en 2018. Élu pro-bernois, il avait signé le recours ayant provoqué l'annulation du vote. Détail cocasse, le vote du couple s'était neutralisé, l'une ayant voté oui et l'autre non. L'homme a été condamné à une peine de 60 jours-amende à CHF 120 avec sursis pendant 2 ans ainsi qu'à une amende additionnelle de 15 jours-amende à CHF 120. Son épouse a écopé de 60 jours-amende à CHF 30, avec deux ans de sursis.
Le dernier cas reste encore en suspens.

Votation communale du 18 juin 2017 à Moutier sur l'appartenance cantonale et répétition du 28 mars 2021
Dossier: Moutier und der Jurakonflikt

Avec le projet de fusion des deux Bâles – refusé en votation le 28 septembre 2014 – ou entre Vaud et Genève – également refusé en votation en 2002 – l'idée d'un canton unique en Suisse centrale regroupant Lucerne, Uri, Schwyz, Zug, Obwald et Nidwald, ou encore les tensions territoriales liées à la Question jurassienne, les débats autour des frontières cantonales ne manquent pas. Pourtant, depuis la création du canton du Jura en 1979, aucun changement majeur n'a eu lieu. Les événements de l'année 2020 ont cependant remis la question sur le devant de la scène. Aux désaccords apparus durant la gestion de la crise du Covid-19 – notamment entre romands et suisses-allemands – se sont ajoutées des divisions entre cantons de plaines et de montagnes avec la votation de la loi sur la chasse. Les cantons ruraux ont fait échouer l'initiative pour des multinationales responsables, largement plébiscitée dans les milieux urbains, mais qui n'a pas passé l'écueil de la majorité des cantons.
La cohésion nationale et le fonctionnement du système fédéraliste sont-ils encore garantis avec les cantons sous leur forme actuelle? Partant de cette question, les journalistes de la Wochenzeitung (WOZ) ont imaginé six possibilités de réformer les frontières cantonales. Leurs propositions, souvent plus fantaisistes que réalistes, comportent notamment celle d'une Suisse séparée en sept grandes régions, telles qu'elles existent déjà pour les statistiques comparatives au niveau européen. Ce concept a par ailleurs déjà été évoqué dans la sphère politique à la fin des années 90. Autre idée, celle de séparer la Suisse entre cantons urbains et ruraux. En plus de Genève et Bâle-Ville, d'autres villes-cantons verraient ainsi le jour, à savoir Berne, Zürich, Lausanne, Lucerne et Saint-Gall. Parallèlement, le reste du territoire serait divisé en sept cantons campagnards, qui constitueraient ainsi un contrepoids aux villes. Reste à savoir si cela n'aggraverait pas le fossé ville-campagne observé à plusieurs reprises ces dernières années. Plus originale encore, la création de cantons-partenaires est envisagée par la WOZ, avec l'objectif d'unir des cantons plutôt opposés. La Genève internationale fusionnerait ainsi avec la conservatrice Appenzell Rhodes-Intérieures, alors que le riche canton de Zoug se joindrait au Jura industriel. Schaffhouse, tout au nord, s'unirait au Tessin, canton le plus au sud, tandis que Neuchâtel et ses impôts élevés aurait pour partenaire le «paradis fiscal» schwytzois.

Bien qu'il reste utopiste, cet article de la WOZ reflète un débat de fond, évoqué à de maintes reprises dans la presse ces derniers mois. Portés par la répartition contestée des tâches entre les cantons et la Confédération durant la crise du Covid-19, les articles sur le fédéralisme ont foisonné dans les médias. Dans une tribune publiée par le Temps et la NZZ, Christophe Schaltegger – professeur d'économie politique à l'université de Lucerne – Mark Schelker – professeur d'économie publique à l'université de Fribourg – et Yannick Schmutz – doctorant en économie publique à l'université de Fribourg – soulevaient certains problèmes du fédéralisme mis en évidence ces derniers mois. Selon eux, les compétences et les responsabilités incombant à la Confédération et aux cantons ne sont pas assez clairement définies. La collecte et le traitement des données, le traçage des contacts et l'achat des vaccins sont des exemples de tâches qui nécessitent d'être centralisées, permettant ainsi des économies d'échelle. De plus, leur gestion n'est pas dépendante de spécificités régionales. Au contraire, les aspects à prendre en compte pour des fermetures d'écoles, de restaurants ou d'infrastructures touristiques varient entre les cantons, raisons pour laquelle ces compétences doivent rester entre leurs mains. Cela permettrait aux responsables cantonaux de prendre les mesures au bon moment, selon la situation épidémiologique dans leur région, et faciliterait l'adhésion de la population auxdites mesures. Les auteurs saluent également les effets d'apprentissage provoqués par les diverses réglementations cantonales: celles qui prouvent leur efficacité sont adoptées par d'autres cantons, les autres sont abandonnées. Cependant, cette claire répartition des tâches doit s'accompagner d'un principe de responsabilité renforcé. Ils soulignent que «ceux qui sont dotés de compétences doivent en assumer le risque, ainsi que la responsabilité financière et politique», afin d'éviter que les responsables décisionnels à différents niveaux puissent «se refiler la patate chaude des décisions désagréables».
Dans le Temps également, l'historien Olivier Meuwly prend la défense du fédéralisme, qui n'est selon lui pas le coupable de tous les maux. Au contraire, les systèmes plus centralisés n'ont pas mieux performé pendant la crise, souligne-t-il en prenant la France pour exemple. S'il concède que tout n'est pas parfait, il met néanmoins en avant l'importance pour les gouvernements cantonaux de disposer de vraies compétences, garantissant «l'autonomie cantonale» et permettant une «proximité» avec la population. Olivier Meuwly conclut en notant que «le fédéralisme, malgré ses imperfections, reste le meilleur obstacle à la tyrannie de la majorité sans stimuler celle des minorités».
La cohésion nationale souffre-t-elle des diverses tensions survenues ces derniers mois ? Interrogée par le Temps, la conseillère aux États Lisa Mazzone (verts, GE) regrettait le manque d'unité entre les cantons, qui n'ont pas su parler d'une seule voix, soulignant le manque de compréhension des alémaniques pour les romands, auxquels il a notamment été reproché de ne pas savoir «se tenir» à l'automne 2020, lorsque le nombre de cas était généralement plus élevé du côté francophone de la Sarine. Si le manque de solidarité et de compréhension pour les autres a selon elle été flagrant, son collègue Hans Stöckli (ps, BE) se montre lui plus nuancé. À son avis, si divisions il y a eu, cela a bien plus eu lieu entre cantons ou politicien.ne.s qu'au niveau de la population. La cohésion nationale se serait même renforcée durant la crise, et particulièrement durant la première vague. S'il est évidemment compliqué de mesurer la cohésion nationale, les journalistes du Temps insistent également sur le fait que beaucoup de Suisses et Suissesses n'ont pas pu se rendre à l'étranger pour leurs vacances et en ont ainsi profiter pour découvrir différents coins du pays. Peut-être un indice d'un renforcement des liens entre les régions qui composent la Suisse fédérale.

Redessiner les cantons

Jahresrückblick 2020: Föderativer Aufbau

Im Zuge der Covid-19-Pandemie rückte der Föderalismus 2020 ins Zentrum der öffentlichen Debatte. Zu Beginn der Pandemie beschlossen vor allem vom Virus besonders stark betroffene Kantone, wie der Kanton Tessin, strenge Massnahmen, beispielsweise die Schliessung von Läden und Restaurants. Nach einem starken Anstieg der Fälle rief der Bundesrat jedoch am 16. März die im Epidemiengesetz vorgesehene höchste Alarmstufe, die ausserordentliche Lage, aus, was ihn bemächtigte, ohne die Zustimmung von Parlament oder Kantone Beschlüsse mit Massnahmen für die ganze Schweiz zu erlassen. In der Anfangsphase dieses Corona-Regimes des Bundesrates bezichtigte das BJ vom Kanton Tessin beschlossene Verschärfungen der Vorschriften, welche über diejenigen des Bundesrates hinausgingen, als rechtswidrig. Wenig später beschloss der Bundesrat, für besonders betroffene Kantone zeitlich limitierte Abweichungen der nationalen Massnahmen zu erlauben. Erst mit der Rückkehr in die «besondere Lage» Mitte Juni übernahmen die Kantone wieder die Hauptverantwortung über die Pandemiebekämpfung. Der Bundesrat überwachte die Kantone jedoch und gab Empfehlungen ab, wenn er gewisse kantonale Massnahmen als ungenügend einstufte. In der Folge sorgte dieses geteilte Corona-Regime von Bund und Kantonen immer wieder für Diskussionen, insbesondere bei der Einführung neuer Massnahmen – beispielsweise bei der Maskenpflicht in Einkaufsläden. Weil sich die Kantone im Rahmen der GDK nicht auf einheitliche Massnahmen einigen konnten, glich die Schweizer Massnahmen-Landschaft bald einem «Flickenteppich», so verschiedene Medienberichte. Als die Fallzahlen ab Oktober noch einmal stark anstiegen, erliess der Bundesrat wieder strengere Regeln auf nationaler Ebene, ohne jedoch erneut die ausserordentliche Lage auszurufen. Bund und Kantone müssten aber stärker zusammenarbeiten, «damit das ‘Gstürm’ endlich aufhöre», so Bundesrätin Sommaruga.

Auch in diesem Jahr gab es wieder Neuigkeiten bezüglich der Jurafrage in Moutier: Die Tripartite Jurakonferenz einigte sich nach langem Seilziehen darauf, die Wiederholung der 2018 annullierten Abstimmung in Moutier über einen Kantonswechsel vom Kanton Bern in den Kanton Jura auf den 28. März 2021 anzusetzen. Um einen korrekten Ablauf zu garantieren und eine erneute Annullierung der Abstimmung zu verhindern, wird das BJ diesmal eine Schlüsselrolle in der Organisation des Urnengangs übernehmen. Bis dahin müssen noch einige vom Kanton Bern angeprangerte Unklarheiten in Moutiers Stimmregister, bezüglich des tatsächlichen Wohnsitzes von Personen, die zurzeit in der Gemeinde stimmberechtigt sind, geklärt werden.

Eine andere Territorialfrage konnte dieses Jahr weitaus weniger kontrovers gelöst werden: Nach der Zustimmung der Einwohnerinnen und Einwohner beider betroffenen Kantone an der Urne und der Genehmigung durch die Bundesversammlung wechselt die Gemeinde Clavaleyres voraussichtlich am 1. Januar 2022 vom Kanton Bern in den Kanton Fribourg. Das ist das erste Mal seit 1996, dass sich zwei Kantone auf den Kantonswechsel einer Gemeinde einigten.

Der Bundesrat und das Parlament gewährleisteten im Berichtsjahr Änderungen in den Kantonsverfassungen der Kantone Uri, Tessin, Waadt und Genf sowie der Kantone Glarus, Thurgau und Genf. Für einigen Diskussionsstoff sorgte dabei die Ausweitung des Majorzsystems im Kanton Uri auf Gemeinden mit bis zu vier Abgeordneten im Landrat. Trotz des Widerstandes der Grünen, der SP und der GLP, welche argumentierten, die Änderung sei bundesrechtswidrig, stimmten schlussendlich beide Kammern der Gewährleistung der Verfassungsänderungen von Uri und der weiteren betroffenen Kantone zu.

Wie die Zeitungsanalyse von APS zeigt, berichteten die Schweizer Zeitungen während den Monaten März und Oktober, in denen die Covid-19-Fallzahlen jeweils stark anstiegen, besonders häufig über den Föderalismus. Auch im Juli und August, als die Diskussion um den Massnahmen-Flickenteppich in vollem Gange war, erschien der Föderalismus häufig als Thema in Zeitungsberichten. Trotz der anhaltenden Berichterstattung über die Aufgabenteilung von Bund und Kantonen im Zusammenhang mit der Covid-19-Pandemie wurden dieses Jahr weniger als 1 Prozent der Zeitungsartikel dem Föderalismus gewidmet, was etwas über dem Anteil der Berichterstattung im Vorjahr liegt und mit demjenigen von 2018 vergleichbar ist. Anteilsmässig generierte der Föderalismus im Jahr 2020 jedoch immer noch etwas weniger als halb so viel Medienaufmerksamkeit wie im Jahr 2017, als insbesondere die Abstimmung in Moutier über einen Kantonswechsel der Gemeinde von Bern zum Jura grosse Wellen schlug.

Jahresrückblick 2020: Föderativer Aufbau
Dossier: Jahresrückblick 2020

Mitte September 2020 übermittelte der Bundesrat dem Parlament seine Botschaft bezüglich des Kantonswechsels der Gemeinde Clavaleyres von Bern nach Freiburg, mit dem Antrag, seinem Beschluss zur Genehmigung zuzustimmen. Das eidgenössische Parlament behandelte das Geschäft in der Wintersession 2020. Sowohl der Ständerat (40 zu 0 Stimmen) als auch der Nationalrat (184 zu 1 Stimmen) sprachen sich ohne Debatte klar für den bundesrätlichen Entwurf eines Bundesbeschlusses über die Genehmigung einer Gebietsveränderung zwischen den beiden Kantonen aus. Als einziger Bundesparlamentarier stimmte Nationalrat Erich Hess (svp, BE) gegen die Genehmigung. Sofern gegen den Entscheid nicht das Referendum ergriffen wird, tritt Clavaleyres somit am 1. Januar 2022 vom Kanton Bern in den Kanton Freiburg über.

Kantonswechsel der bernischen Gemeinde Clavaleyres
Dossier: Gemeindefusionen