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  • Bühler, Manfred (BE, svp/udc)

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Mitte März legte die Berner Regierung einen ersten Entwurf für eine Gesetzesänderung vor, die den anstehenden kommunalen Abstimmungen einzelner bernjurassischer Gemeinden über einen möglichen Wechsel zum Kanton Jura als Grundlage dienen sollte. In der umstrittenen Frage der Terminierung schlug der Berner Regierungsrat eine Kompromisslösung vor. Um eine ganze Kaskade von Abstimmungen zu verhindern, waren maximal zwei Termine für die kommunalen Urnengänge vorgesehen. Damit trug die Regierung dem Umstand Rechnung, dass sich die Gemeinden Belprahon und Grandval, die neben Moutier bisher eine kommunale Abstimmung verlangt hatten, wohl nur dann zu einem möglichen Kantonswechsel äussern wollen, wenn Moutier diesen Beschluss zuvor fassen würde. Als Bedingung sah die Regierung allerdings vor, dass der zweite Termin innerhalb von sechs Monaten nach dem ersten Termin festgesetzt werden soll. Der Regierungsrat begründete den Vorschlag mit der Gemeindeautonomie, die nicht eingehalten würde, wenn man die Gemeinden zwingen würde, am gleichen Tag abzustimmen. Dieser Gesetzesentwurf soll voraussichtlich Anfang 2016 im Parlament beraten werden.
Die berntreuen Grossräte um Manfred Bühler (BE, svp) zogen ihre bereits früher eingereichte Forderung, dass die kommunalen Abstimmungen am gleichen Tag stattfinden sollen, nach dem Bekanntwerden des regierungsrätlichen Kompromissvorschlages allerdings nicht zurück. Man wolle den Forderungen der Separatisten nicht einfach diskussionslos nachkommen. Die Verhandlungen über diesen Vorstoss wurden Anfang Juni im Berner Grossrat geführt. Mit einer satten bürgerlichen Mehrheit von 88 zu 56 Stimmen wurde die Motion Bühler überwiesen. Es wurde argumentiert, dass nach dem deutlichen Abstimmungsresultat von 2013 schon genügend Rücksicht auf die Minderheiten genommen worden sei. Zudem wurde die Befürchtung laut, dass Moutier im Falle eines Ja bei einer nachgelagerten Abstimmung Druck auf die beiden kleinen Nachbargemeinden ausüben könnte. Die mahnenden Stimmen, den laufenden Prozess nicht zu stören, verhallten ungehört. Auch der Hinweis von Regierungsrat Philippe Perrenoud (BE, sp), dass es keinen Grund gebe, überstürzt etwas zu entscheiden, bevor die entsprechende, bereits vorliegende Gesetzesvorlage beraten werde, fruchtete nicht. Mit einem Vorschlag für eine Eventualabstimmung versuchte die kantonale EVP die Diskussion zu erweitern: Grandval und Belprahon sollten gleichzeitig mit Moutier abstimmen, aber in einer Eventualfrage auch dazu Stellung nehmen, ob ein Kantonswechsel auch dann bejaht würde, wenn Moutier Nein sagen würde.
Derweil kündigten die Verantwortlichen von Moutier an, die Abstimmung am 18. Juni 2017 durchführen zu wollen. In den Kommentarspalten wurde dies entweder als Provokation oder als geschickter Schachzug bezeichnet – am 18. Juni 1940 hatte Charles de Gaulle von London aus zur Résistance gegen das Naziregime aufgerufen. Moutier wolle seine Autonomie wahrnehmen und selber bestimmen, wann die Abstimmung durchzuführen sei.

Votation communale du 18 juin 2017 à Moutier sur l'appartenance cantonale et répétition du 28 mars 2021
Dossier: Moutier und der Jurakonflikt

Anfang Februar einigten sich Vertreterinnen und Vertreter der Gemeinde Moutier und der Kantone Bern und Jura auf eine Road-Map bezüglich der noch ausstehenden Abstimmung der Bürgerinnen und Bürger des nordbernischen Städtchens über einen möglichen Kantonswechsel. Wie dies beim langjährigen Prozess um die sogenannte Jurafrage vorgesehen war, soll die Abstimmungskaskade mit der kommunalen Entscheidung abgeschlossen werden. Moutier war die einzige Gemeinde, die in der Abstimmung vom November 2013 mit 55% Ja-Stimmenanteil einen Fusionsprozess mit dem Kanton Jura befürwortet hatte. Für diesen Fall war eine Entscheidung auf Gemeindeebene vorgesehen worden. Die Autoritäten einigten sich, dass die Regierung des Kantons Bern eine Gesetzesvorlage ausarbeite, auf deren Basis eine Gemeindeabstimmung durchgeführt und von den lokalen Behörden organisiert werden soll. Als erstes Datum für eine kommunale Entscheidung wurde Frühjahr 2017 angepeilt. Auch die Abstimmungsfrage wurde in der Road-Map definiert: "Voulez-vous que la commune de Moutier rejoigne la République et Canton du Jura?" Nach dieser kommunalen Abstimmung sollte die Jurafrage als "definitiv geregelt" betrachtet werden. Im Falle eines Ja müssten die beiden Kantone Bern und Jura ein interkantonales Konkordat aushandeln, das der Zustimmung der kantonalen Bevölkerungen bedarf. Ein Kantonswechsel müsste dann auch noch vom nationalen Parlament abgesegnet werden. Gleichzeitig einigten sich die drei Verhandlungspartner darauf, ein neutrales Gutachten zu den Auswirkungen eines Wechsels von Moutier zum Kanton Jura bzw. eines Verbleibs des Städtchens im Kanton Bern in Auftrag zu geben. In einem Abstimmungsbüchlein sollen zudem sowohl der Kanton Bern als auch der Kanton Jura Platz erhalten, um für sich zu werben.

Umstritten war die Frage, ob die beiden Gemeinden Belprahon und Grandval, die bis zu diesem Zeitpunkt ebenfalls den Wunsch für eine kommunale Abstimmung geäussert hatten – in Belprahon hatte die Abstimmung 2013 mit einem Patt geendet – gleichzeitig wie Moutier abstimmen sollten oder nicht. Beide Gemeinden liegen im gleichen Tal wie Moutier – im Grand Val – und würden sich im Falle eines Kantonswechsels ihres Nachbarstädtchens in einer Randlage des Kantons Bern wiederfinden und in diesem Falle ebenfalls über einen möglichen Kantonswechsel abstimmen wollen. In der Road-Map war deshalb vorgesehen, dass Belprahon und Grandval erst nach Moutier und nur im Falle eines Ja über einen allfälligen Kantonswechsel abstimmen würden. Drei probernische Grossräte – Manfred Bühler (BE, svp), Franics Daetwyler (BE, sp) und Dave von Kaenel (BE, fdp) – wehrten sich mit einer Motion gegen diese Idee. Sie forderten, dass alle drei Gemeinden zeitgleich über ihre Zukunft abzustimmen hätten. Wenn jede Gemeinde selber bestimmen könne, wann sie eine Abstimmung über einen Kantonswechsel durchführen wolle, käme es zu einer unerwünschten Abstimmungskaskade, so die Begründung.

Votation communale du 18 juin 2017 à Moutier sur l'appartenance cantonale et répétition du 28 mars 2021
Dossier: Moutier und der Jurakonflikt

Nachdem sich 2013 lediglich Moutier und mit einem Patt aus 110 zu 110 Stimmen auch die Gemeinde Belprahon für einen möglichen Fusionsprozess mit dem Kanton Jura ausgesprochen hatten, war die Jurafrage noch nicht ganz vom Tisch. Das Abkommen zwischen den Kantonen Bern und Jura sah die Möglichkeit von kommunalen Abstimmungen nach der Kantonal- bzw. Regionalabstimmung vom 24. November 2013 vor. Gesuche für eine kommunale Abstimmung können bis zwei Jahre nach dem Urnengang eingereicht werden. Allerdings mussten die Rechtsgrundlagen für den eigentlichen Abstimmungsprozess noch geschaffen werden – den kommunalen Urnengängen haben auch noch jeweils kantonale zu folgen. Umstritten war dabei insbesondere die Reihenfolge, ob es also zuerst eine kommunale Konsultativabstimmung geben sollte und erst anschliessend eine Verhandlung zwischen den Kantonen Bern und Jura. Letztlich akzeptierte die Berner Regierung den Vorschlag von Moutier, dass ein allfälliges Ja bei einer Abstimmung nicht einfach eine konsultative Absichtserklärung, sondern ein Bekenntnis für eine Fusion darstelle. Dies bedingte allerdings, dass vor einer Abstimmung die Modalitäten in einem Staatsvertrag ausgehandelt werden müssen. Eine kommunale Abstimmung kann so frühestens Ende 2016 stattfinden.
Die Gemeinde Moutier deponierte ihr Gesuch für eine solche kommunale Abstimmung Mitte April 2014 beim Berner Regierungsrat. Bei der Abstimmung 2013 hatte sich die Bevölkerung von Moutier knapp, mit 55%, für einen Prozess ausgesprochen, mit dem eine mögliche Fusion geplant werden sollte, nicht aber für eine definitive Fusion. Darüber hinaus hatte sich Moutier bereits 1998 in einer Konsultativabstimmung knapp gegen eine Fusion mit dem Kanton Jura ausgesprochen. Der Ausgang einer möglichen Abstimmung blieb also offen. Anfang September wurde bekannt, dass auch die Gemeinden Belprahon und Grandval einen Antrag auf eine kommunale Abstimmung gestellt hatten. Im Fall von Grandval hatte im November 2013 noch eine Mehrheit der Stimmenden für den Verbleib im Kanton Bern gestimmt. Beide Kleinstgemeinden machten deutlich, dass sie erst über eine mögliche Fusion mit dem Kanton Jura abstimmen wollten, wenn klar sei, wie Moutier entscheide. Dagegen regte sich allerdings rasch Widerstand von Pro-Berner-Seite: Eine Abstimmungskaskade müsse verhindert werden. Befürchtet wurde ein eigentlicher Dominoeffekt nach einem allfälligen Ja von Moutier. Deshalb müssten alle kommunalen Abstimmungen gleichzeitig stattfinden. Die Entscheidung darüber war 2014 noch offen.
Dass die Jurafrage auch mit der deutlichen Abstimmung von 2013 noch nicht vom Tisch ist, wurde auch in kleinen politischen Scharmützeln sichtbar. So wies etwa der scheidende, langjährige PSA-Grossrat Jean-Pierre Aellen darauf hin, dass der Dialog für eine Vereinigung immer weiter gehen müsse, was bei einigen SVP-Grossräten auf grossen Widerwillen stiess. Aber auch die Berner SVP, die sich zu den Siegerinnen der Jura-Abstimmung zählte, hielt die Jurafrage weiterhin am Köcheln. Insbesondere ihr aus dem Berner Jura stammende Regierungsratskandidat und Grossrat Manfred Bühler (BE, svp) versuchte aus der klaren Ablehnung, welche die französischsprechenden Berner einem Fusionsprozess mit dem Kanton Jura entgegenbrachten, Profit zu schlagen. So wollte er etwa von der Berner Regierung in einer Interpellation wissen, wie viel die Lösung des Konflikts den Kanton Bern bisher gekostet habe. Der Urnengang und die Finanzierung der Interjurassischen Versammlung, der tripartiten Organisation, die ab 1994 für den Prozess hin zur Abstimmung 2013 verantwortlich war und die per Ende 2015 aufgelöst wird, wurden insgesamt auf rund CHF 3.7 Mio. veranschlagt. Während die Regierung dieses Geld als gute Investition für eine befriedete Zukunft bezeichnete, hegte Bühler Zweifel. Insbesondere der Zusatz in der jurassischen Verfassung, der nach wie vor die Möglichkeit einer künftigen Fusion vorsah, war ihm ein Dorn im Auge. Die jurassische Regierung beschloss Anfang Juni, diesen Passus zu streichen und die bisherige Zusammenarbeit mit dem Berner Jura zu überdenken. Die Bemühungen Bühlers fruchteten jedoch auch hinsichtlich seiner Regierungskandidatur letztlich nicht. Er erhielt zwar bei den Regierungswahlen im ganzen Kanton mehr Stimmen als Philippe Perrenoud (BE, sp), konnte aber im Berner Jura zu wenig stark überzeugen. Dort holte der amtierende Perrenoud entscheidend mehr Stimmen. Die anschliessende Diskussion um den Jurasitz, der demjenigen Kandidierenden aus dem Berner Jura zufällt, der das grösste geometrische Mittel aus Stimmenzahl aus dem ganzen Kanton und aus dem bernjurassischen Wahlbezirk erhält, hielt in der Folge nicht lange an. Die SVP, die diese Regel Ende der 1980er Jahre mit eingeführt hatte, wehrte sich trotz Niederlage nicht dagegen. Es sei nicht der richtige Moment, darüber zu diskutieren, so SVP-Fraktionschef Peter Brand (BE, svp). Man wolle nicht als schlechter Verlierer dastehen, obwohl man sich gut vorstellen könne, die für den Wähler zu komplizierte Formel in Zukunft einmal abzuändern, so Anne-Caroline Graber (BE, svp). Mitte September heizten auch die Autonomisten aus dem Kanton Jura die Stimmung ein wenig an, indem sie ihre Solidarität mit Moutier bekundeten. Mit ihrer Liebeserklärung kreierten die Autonomisten quasi eine neue, kleine Jurafrage.

Votation populaire du Jura bernois du 24 novembre 2013 pour un processus de création d'un nouveau canton (avec le canton du Jura)
Dossier: Moutier und der Jurakonflikt
Dossier: Assemblée interjurassienne AIJ