Aus dem fünfköpfigen Stadtrat trat nach 20 Jahren Stadtpolitik, davon 12 Jahre in der Exekutive, die Baudirektorin Elisabeth Beéry (sp) zurück. Der gleichzeitige Rücktritt von Schuldirektorin Barbara Eberhard (cvp), seit 2004 im Amt, bedeutete eine Zweiervakanz. Beflügelt von den Erfolgen bei den Kantonsratswahlen meldete die SP ihren Anspruch auf einen zweiten Stadtratssitz an. Sie nominierte deshalb mit Sylvia Huber, die der Politischen Frauengruppe St. Gallen (PFG) angehört, und dem Gossauer Kantonsrat Ruedi Blumer zwei Kandidierende, die den Besitzstand für die Sozialdemokraten nicht nur wahren, sondern um einen Sitz ausbauen sollten. Als überraschend wurde nicht der Anspruch auf zwei Sitze, sondern die Kandidaturen selber bezeichnet – ein Externer, ehemaliger LdU-Politiker und eine lediglich der SP-Fraktion aber nicht der Partei angehörende Stadtparlamentarierin. Beide galten zudem als pointiert links politisierend. Prompt wurde der SP im Wahlkampf eine mangelnde Sorgfalt bei der Kandidatenselektion vorgeworfen. Die bisher mit zwei Sitzen vertretene CVP schickte neben dem bisherigen Sozialdirektor Nino Cozzio neu die relativ unbekannte Stadtparlamentarierin Patrizia Adam-Allenspach ins Rennen. Für die FDP traten die beiden Bisherigen, Stadtpräsident Thomas Scheitlin und Fredy Brunner wieder an. Während die Grünen und die GLP ihren Verzicht auf eine Kandidatur für die städtische Exekutive bekanntgaben, stellte die SVP relativ spät eine Kampfkandidatur. Sie trat mit Kantonsrat Markus Straub an und wollte erstmals in die Stadtregierung einziehen. Eine bürgerliche Gruppe aus der Wirtschaft um den Textilunternehmer Max Kriemler portierte zudem den Parteilosen Architekten Markus Buschor, was bei der SVP auf Kritik stiess. Buschor eckte zudem mit seiner Forderung an, die Direktion Bau und Planung übernehmen zu wollen. Das Oktett wurde ergänzt von Christian Hostettler, der als ehemaliger SVP-Stadt- und Kantonsparlamentarier für die neu gegründete Unabhängige Volkspartei (UVP) antrat. Während die GP die beiden SP-Kandidierenden unterstützte, sprach sich die EVP für Patrizia Adam und Markus Buschor aus. Die GLP empfahl neben den drei Bisherigen die Wahl von Buschor und Blumer. Aufgrund der grossen Zahl an Kandidierenden war schnell klar, dass ein zweiter Wahlgang nötig werden würde. Tatsächlich wurden im ersten Umgang lediglich die drei Bisherigen Nino Cozzio (13'914 Stimmen), Thomas Scheitlin (13'696 Stimmen) und Fredy Brunner (12'545 Stimmen) bestätigt. Scheitlin, der als amtierender Stadtpräsident als einziger für das Amt des Stadtpräsidiums angetreten war, wurde auch hier bestätigt. Die restlichen sechs Kandidierenden verpassten das absolute Mehr (9'318 Stimmen) relativ deutlich: Patrizia Adam (7'791 Stimmen), Ruedi Blumer (7'295 Stimmen), Markus Buschor (7'065 Stimmen) und Sylvia Huber (7'004 Stimmen) lagen aber relativ nahe beieinander. Bereits etwas abgeschlagen lag Markus Straub (5'087 Stimmen), während Christian Hostettler (1'040 Stimmen) chancenlos blieb. Trotzdem trat letzterer zusammen mit den vier Kandidierenden mit mehr als 7000 Stimmen noch einmal an. Die FDP, die ihre Schäfchen im Trockenen hatte, und auch die SVP empfahlen die beiden Frauen (Adam und Huber) zur Wahl, damit das alte Gleichgewicht gewahrt bleibe. Beide Parteien hatten vor dem ersten Wahlgang noch die fehlende Führungserfahrung von Huber kritisiert. Die BDP sprach sich für Adam aus. Ende November nahm der lange St. Galler Wahlmarathon dann schliesslich ein überraschendes Ende. Die bei den Ständerats- und Kantonsratswahlen erfolgreiche SP musste eine empfindliche Niederlage einstecken. Statt zwei Sitze zu erringen, war die wählerstärkste Partei in der Stadtregierung nämlich nicht mehr vertreten, da sowohl Sylvia Huber (6'943 Stimmen) als auch Ruedi Blumer (6'590 Stimmen) nicht mehr gleich viele Wählerinnen und Wähler mobilisieren konnten wie beim ersten Umgang; die Stimmbeteiligung war im November trotz spannender Ausgangslage im Vergleich zum ersten Wahlgang (45,3%) rund 5 Prozentpunkte tiefer (40,1%). Gewählt waren Patrizia Adam (7'951 Stimmen) und der parteilose Markus Buschor (7'655 Stimmen). Dieser Ausgang wurde allgemein als grosse Überraschung gewertet. Die SP habe mit einem schlechten Blatt zu hoch gepokert, die zukünftige Zusammenarbeit zwischen Stadtrat und Stadtparlament werde aber unter dem Ausschluss der SP aus der Exekutive schwieriger werden. Sogar die SVP bedauerte, dass die SP nicht mehr in der Stadtregierung sitzt. Man wolle dem parteilosen Buschor künftig auf die Finger schauen. Dass dieser in der Regierung keinen leichten Stand haben würde, zeigte sich bei der Departementsverteilung. Während die bisherigen ihre Direktion behielten, durfte nicht der gelernte Architekt Buschor die Baudirektion übernehmen, sondern Adam-Allenspach. Der Parteilose musste mit der Direktion für Schule und Sport Vorlieb nehmen, was in der Bevölkerung prompt für Empörung sorgte.

Kommunale Wahlen St.Gallen 2012
Dossier: Kommunale Wahlen 2012