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Als Reaktion auf den Zusammenbruch der Fluggesellschaft Swissair im Herbst 2001 hatte die GPK des Ständerats Empfehlungen und ein Postulat zur Verbesserung der Fähigkeit der politischen Instanzen zur Früherkennung von wirtschaftlichen und anderen für die Politik relevanten Problemen ausgearbeitet. Der Bundesrat war bereit, diese Anregungen entgegenzunehmen, hielt aber fest, dass die Früherkennung von Problemen und Krisen eine Daueraufgabe der Verwaltung sei. Dabei könne die Koordination noch verbessert werden; er denke aber nicht daran, eigene, speziell damit befasste Institutionen ins Leben zu rufen.

Früherkennung von wirtschaftlichen und anderen für die Politik relevanten Problemen

Der Nationalrat überwies eine Motion der FDP-Fraktion, welche den Bundesrat auffordert, das Wirtschaftswachstum in das Zentrum seiner Politik zu stellen und dabei insbesondere die staatlichen Rahmenbedingungen zu verbessern. Mit ihrem Sieg in der Volksabstimmung über das neue Elektrizitätsmarktgesetz vom 22. September demonstrierte die Linke, welche dagegen das Referendum ergriffen hatte, einmal mehr, dass ihr Kampf gegen Liberalisierung und Globalisierung in der Öffentlichkeit breite Unterstützung geniesst. Dabei reichte die Front der Opposition bis weit ins bürgerliche Lager hinein: am deutlichsten abgelehnt wurde die Deregulierung des Elektrizitätsmarktes nicht etwa von den Anhängern der politischen Linken, sondern von den Sympathisanten der SVP.

Debatte über Massnahmen zur Ankurbelung der Wirtschaft und Politik der Förderung des Wirtschaftswachstums

Die sowohl im Ausland als auch in der Schweiz bei einigen grossen Konzernen aufgedeckten Unregelmässigkeiten in der Buchhaltung und noch fast mehr die als exorbitant empfundenen Bezüge und Entschädigungen für aktive und für freigestellte Verwaltungsräte und Spitzenmanager trugen wenig zur Förderung des Vertrauens breiter Bevölkerungsschichten in die Effizienz und Gerechtigkeit der liberalen marktwirtschaftlichen Wirtschaftsordnung bei. Über politische Vorstösse in diesem Zusammenhang berichten wir an anderer Stelle.

marktwirtschaftlichen Wirtschaftsordnung

Für die Befürworter einer liberalen marktwirtschaftlichen Wirtschaftsordnung bot das Berichtsjahr wenig Erfreuliches. Sowohl der Zusammenbruch der privaten Luftfahrtgesellschaft Swissair und der in der Folge auch von der Wirtschaft angestimmte Ruf nach massiver staatlicher Intervention und vor allem nach finanzieller Hilfe, als auch die nicht nur in diesem Zusammenhang geführten Diskussionen um exorbitante Gehälter und Abgangsentschädigungen erfolgloser Manager weckte oder verstärkte bei vielen Bürgerinnen und Bürgern Zweifel an der Effizienz der Privatwirtschaft. In Entscheidungen auf kantonaler und kommunaler Ebene mussten die politischen Behörden mehrfach wachsende Skepsis gegenüber der Marktöffnung von bisher von staatlichen Monopolen wahrgenommener Infrastrukturversorgungen konstatieren. So lehnten die Stimmberechtigten der Kantone Zürich und Nidwalden sowie der Stadt Bellinzona die Privatisierung ihrer Elektrizitätswerke ab. Auch die Waadtländer gaben sich privatisierungsfeindlich und stimmten gegen die Reduktion des staatlichen Anteils am Kapital ihrer Kantonalbank von 51% auf 33%. An vorderster Front gegen diese Projekte gekämpft hatten die SP, die Grünen und die Gewerkschaften.

Kritik an der liberalen Wirtschaftsordnung

Die politische Linke und die Gewerkschaften setzten ihren Kampf gegen die Liberalisierungsbestrebungen der Wirtschaftspolitik fort. Im Sog der diesbezüglich besonders engagierten Gewerkschafts- und SP-Parteisektionen der französischsprachigen Schweiz kündigten Gewerkschaften an, das Referendum gegen das Ende Jahr vom Parlament verabschiedete Gesetz zur Liberalisierung des Strommarktes zu ergreifen. Bereits vorher hatten sie – allerdings erfolglos – gemeinsam mit der SP die Ersetzung des Beamtenrechtes durch ein neues Personalrecht für die Bundesangestellten mit dem Referendum bekämpft. Ihrer Meinung nach hätte das Volk mit der Ablehnung dieses Vorhabens ein Zeichen gegen die Deregulierung setzen können.

politische Linke und die Gewerkschaften setzten ihren Kampf gegen die Liberalisierungsbestrebungen der Wirtschaftspolitik fort

In den jährlich veröffentlichten Studien über die Wettbewerbsfähigkeit der Volkswirtschaften im internationalen Vergleich schnitt die Schweiz weiterhin gut ab. Gemäss einer dieser Studien (IMD) belegte sie weltweit den 5. Rang, in Europa wurden lediglich Finnland und die Niederlande besser bewertet. Gemäss einer anderen Analyse (WEF) lag sie an zehnter Stelle; hier rangierten von den europäischen Staaten nur Luxemburg, Niederlande, Irland, Finnland und Grossbritannien vor ihr. Der Nationalrat überwies ein Postulat der SVP-Fraktion (99.3584), welches vom Bundesrat einen Bericht darüber verlangt, welche Massnahmen ergriffen werden können, um den Standort Schweiz für Investoren möglichst attraktiv zu machen.

Wettbewerbsfähigkeit

In den letzten Jahren häuften sich Analysen, welche einen zunehmenden ordnungspolitischen Zerfall der schweizerischen Wirtschaftspolitik konstatierten und nach Deregulierung und Privatisierung riefen. Einig war man sich, dass der Wirtschaftsstandort Schweiz infolge der Liberalisierungspolitik der meisten europäischen Staaten an Attraktivität eingebüsst hat. Ins Schussfeld der Kritik geriet dabei vor allem die Landwirtschaftspolitik und der weiter wachsende Staatsanteil am Bruttosozialprodukt. Je nach Interessenlage wurden aber auch das Bau- und Mietrecht, der mangelnde Wettbewerb beim öffentlichen Beschaffungswesen, die Restriktionen bei der Anwerbung ausländischer Arbeitskräfte, die staatlichen Umweltschutzvorschriften und der hohe Kartellierungsgrad der Privatwirtschaft an den Pranger gestellt. Im Berichtsjahr stellten unter anderem namhafte Unternehmer ein gemeinsam mit Wirtschaftsprofessoren erarbeitetes umfassendes Deregulierungsprogramm vor.

Analysen, welche einen zunehmenden ordnungspolitischen Zerfall der schweizerischen Wirtschaftspolitik konstatierten

Neben der ökologischen Problematik stand im Berichtsjahr die Frage nach der Wettbewerbsfähigkeit der schweizerischen Wirtschaft im Zentrum der Debatte. Symptomatisch dafür war, dass die Ankündigung des Maschinenbaukonzerns Asea Brown Boveri (ABB), in Baden (AG) rund 2500 Arbeitsplätze abzubauen, im Parlament nicht zu einer Auseinandersetzung über die Notwendigkeit von Beschäftigungsprogrammen, sondern zu einer Diskussion über die Zukunft des Industriestandorts Schweiz und der Konkurrenzfähigkeit seiner Unternehmen führte. Beide Kammern des Parlaments überwiesen ferner Postulate der SVP-Fraktion (Po. 88.727) resp. des Christlichdemokraten Delalay (VS), welche vom Bundesrat eine Situationsanalyse fordern. Die Wettbewerbsfähigkeit der Schweizer Wirtschaft bildete auch das Thema der Jahrestagung der Schweizerischen Gesellschaft für Volkswirtschaft und Statistik.

Diskussion über die Zukunft des Industriestandorts Schweiz

Nachdem sich 1987 im Parlament niemand für die «Eidgenössische Konsumentenschutz-Initiative» der Denner AG, welche in bestimmten Bereichen des Konsumgüterhandels ein Kartellverbot verankern wollte, eingesetzt hatte, und auch die Interessenorganisationen der Konsumentinnen auf Distanz gegangen waren, beschlossen die Initianten den Rückzug. Sie kündigten allerdings an, dass sie die Lancierung einer umfassenderen Kartellverbotsinitative überprüfen wollen.

Konsumentenschutzinitiative des Grossdiscounters Denner AG
Dossier: Kartellgesetz

Der Bundesrat stellte seinen Bericht über die Legislaturplanung 1987–1991 unter den Leitgedanken des qualitativen Wachstums. Er bekundete damit, dass er ein weiteres wirtschaftliches Wachstum nur dann positiv beurteilt, wenn dabei den Erfordernissen des Umweltschutzes und den nicht-materiellen Bedürfnissen der Menschen Genüge getan wird. Der Bundesrat stützte sich bei der Formulierung der Regierungsrichtlinien auf den 1986 vorgestellten Bericht einer vom EVD eingesetzten Expertenkommission. Diese hatte das qualitative Wachstum definiert als Zunahme der individuellen und der gesellschaftlichen Lebensqualität, die mit geringerem oder zumindest nicht ansteigendem Einsatz von nicht vermehrbaren oder regenerierbaren Ressourcen und mit reduzierter oder zumindest nicht zunehmender Umweltbelastung erzielt wird.

Bundesrat bestimmt für die Legislaturplanung 1987–1991 den Leitgedanken des qualitativen Wachstums

Eine Motion Braunschweig (sp, ZH), welche die Schaffung von rechtlichen Grundlagen und Institutionen zur Untersuchung und Beurteilung der Folgen neuer Technologien für Mensch und Umwelt forderte, wurde vom Nationalrat ebenfalls nur als Postulat überwiesen.

Motion möchte Untersuchung und Beurteilung der Folgen neuer Technologien für Mensch und Umwelt ermöglichen

Die Schattenwirtschaft sei für die Schweiz ein untergeordnetes Problem und zusätzliche Massnahmen zu ihrer Bekämpfung drängten sich zur Zeit nicht auf. Dies geht aus einem Bericht hervor, den der Bundesrat im Auftrag des Parlaments ausarbeiten liess. Mit einem geschätzten Anteil von drei bis sechs Prozent des Sozialprodukts ist die versteckte Wirtschaft in der Schweiz von wesentlich geringerer Bedeutung als in andern Industriestaaten. Als wichtige Gründe dafür gibt der Bericht die im internationalen Vergleich massvolle Belastung der Erwerbstätigkeit durch Steuern und Abgaben an. Zudem Sorgten Steuer- und Einwanderungsgesetze sowie Arbeitsinspektorate für eine wirksame Bekämpfung. Allerdings wird auch die Gefahr erwähnt, dass die erhöhte Regelungsdichte, wie sie zum Beispiel mit dem Ausbau der Altersvorsorge und mit der neuen Umweltschutzgesetzgebung eingetreten ist, vermehrt zum Ausweichen auf Erwerbstätigkeiten führen könnte, die vor dem Staat verheimlicht werden, um Vorschriften und administrative Auflagen zu umgehen.

Schattenwirtschaft ein untergordnetes Problem

Die «Eidgenössische Konsumentenschutz-Initiative» der Denner AG, welche in bestimmten Bereichen des Konsumgüterhandels ein Kartellverbot verankern will, fand auch im Parlament keine Gnade und wurde dem Volk zur Ablehnung empfohlen. Die Argumente waren dieselben, wie sie der Bundesrat 1986 in seiner Botschaft vorgebracht hatte. Zugunsten der Volksinitiative mochte sich niemand einsetzen. Vertreter der Linken und des Landesrings gaben aber zu verstehen, dass ihre Ablehnung der Denner-Initiative nicht bedeute, dass sie die bestehende Kartellgesetzgebung für ausreichend erachten würden. Das Parlament wurde in seiner ablehnenden Haltung von den Interessenvertretern sowohl der Detaillisten als auch der Konsumentinnen unterstützt

Konsumentenschutzinitiative des Grossdiscounters Denner AG
Dossier: Kartellgesetz

Auf politischer Ebene wächst zwar ebenfalls die Überzeugung, dass von marktwirtschaftlichen Steuerungsinstrumenten zumindest ebenso gute Resultate für den Schutz der Umwelt zu erwarten sind, als von der bis heute vorwiegend praktizierten Politik der Gebote, Verbote und Auflagen. Die breite praktische Verwirklichung lässt aber noch auf sich warten. Der von einer Motion Fetz (poch, BS) geforderte verbindliche Auftrag an den Bundesrat, mittelfristig ein Abgabesystem für den gewerbsmässigen Gebrauch von Gütern der Natur (Luft, Boden, Wasser etc.) einzuführen, ging dem Nationalrat zu weit. Immerhin überwies er den Vorstoss als Postulat, und stellte damit der Regierung die Aufgabe, einen Bericht über die Zweckmässigkeit eines derartigen Abgabesystems zu verfassen. Nachdem sich die linken und grünen Parteien schon seit längerer Zeit für Lenkungsabgaben im Bereich der Umweltpolitik (vgl. auch hier) eingesetzt hatten, gewann dieses Instrument in den letzten beiden Jahren auch in den Reihen der FDP zunehmend Unterstützung (vgl. auch hier). Der Schweizerische Gewerbeverband meldete demgegenüber seine grundsätzliche Opposition gegen deren Einführung an.

marktwirtschaftlichen Steuerungsinstrumenten für den Schutz der Umwelt

Bei den Diskussionen um das optimale Wirtschaftssystem standen weiterhin die Vorschläge, wie sich eine umwelt- und menschengerechte Produktionsweise realisieren liesse, im Vordergrund. Dabei war teilweise auch die Hoffnung auf die Anwendung neuer Technologien, welche eine ökologische Produktion ohne Wohlstandseinbussen ermöglichen könnte, herauszuhören. Den Schwerpunkt der Debatte bildete aber die Weiterentwicklung von Methoden zur Quantifizierung der sogenannten externen Kosten. Dahinter steht die Idee, mit Umweltabgaben und ähnlichen Steuerungsinstrumenten den Produzenten und Konsumenten materielle Anreize für ein umweltgerechteres Verhalten zu bieten. Als neue Bezeichnung für ein derart konzipiertes Wirtschaftssystem wurde der Begriff «öko-soziale Marktwirtschaft» geprägt. Der Einbezug von externen Kosten in das Kalkül des marktwirtschaftlichen Denkens bildete eines der Hauptthemen der Jahresversammlung der Schweizerischen Gesellschaft für Volkswirtschaft und Statistik am 7. Mai in Montreux. Nicht nur diese Veranstaltung, auch die Schaffung eines Lehrstuhls für Wirtschaftsethik an der Handelshochschule St. Gallen stellten Indizien für eine Renaissance der Ethik und Moral im wirtschaftswissenschaftlichen Denken in der Schweiz dar.

Diskussionen um das optimale Wirtschaftssystem – Begriff der Öko-soziale Marktwirtschaft

Wie die neue Wirtschaftsweise und der Weg zu ihr aussehen könnte, legte eine vom Bundesrat eingesetzte Expertenkommission dar. Das zu erreichende Ziel einer primär auf qualitatives Wachstum ausgerichteten Wirtschaft definierte die Gruppe als Zunahme der individuellen und der gesellschaftlichen Lebensqualität, die mit geringerem oder zumindest nicht ansteigendem Einsatz von nicht vermehrbaren oder regenerierbaren Ressourcen und mit reduzierter oder zumindest nicht zunehmender Umweltbelastung erzielt wird. Der Bericht der Expertenkommission geht davon aus, dass der Entwicklung und Anwendung neuer Technologien bei der Durchsetzung dieser Leitidee eine grosse Bedeutung zukommt. Nur ein rohstoffschonender Wertschöpfungsprozess unter Verwendung der neuesten informations-, gen- und biotechnologischen Erkenntnisse erlaube es der Wirtschaft, sich im internationalen Konkurrenzkampf zu behaupten und zugleich den Anliegen des Umweltschutzes zu genügen. Diese Umstellung stellt für Individuen und Unternehmen erhöhte Ansprüche namentlich in bezug auf Kreativität und Qualifikation. Für das Wirtschaftssystem verlangen die Experten einen Abbau von Wettbewerbsbehinderungen und von strukturbewahrenden Massnahmen. Im Bereich der Umweltschutzpolitik soll der Staat dem Verursacherprinzip mit der Inrechnungstellung externer Kosten und mit finanziellen Anreizen vermehrt Nachachtung verschaffen. Weitere Analysen der Studie beziehen sich auf einzelne Politikbereiche und auf die Funktionsweise des politischen Systems.

Debatte über das Miteinander von Wirtschaft und Umwelt nach mehreren Umweltkatastrophen

In ersten Reaktionen wurde das Bestreben anerkannt, eine umfassende Gesamtschau vorzunehmen und zum Teil neue, zum Teil bekannte, jedoch heftig umstrittene Massnahmen vorzuschlagen. Kritisiert wurde hingegen, insbesondere von Unternehmerseite, dass das Bemühen der pluralistisch zusammengesetzten Expertengruppe um Einstimmigkeit sich in einer Vielzahl von widersprüchlichen Postulaten niederschlage. So etwa, wenn einerseits die Erweiterung des persönlichen Handlungsspielraums gefordert und andererseits staatliche Lenkungsmassnahmen zugunsten des Umweltschutzes befürwortet werden. Der Bundesrat nahm vom Bericht Kenntnis und bezeichnete ihn als wichtige Anregung für seine zukünftige Politik. Er setzte im weitern eine interdepartementale Arbeitsgruppe ein, die überprüfen soll, welche konkreten Massnahmen sich als Konsequenz aus den Ergebnissen der Studie für den Bund aufdrängen. Mit der Überweisung eines Postulats Longet (sp, GE) forderte der Nationalrat die Regierung zu einer ausführlichen Stellungnahme und zur Vorlage eines Zeitplans für die zu ergreifenden Massnahmen auf. Der Nationalrat regte mit einem Postulat (Po. 85.230) die vermehrte Anwendung marktwirtschaftlicher Instrumente (namentlich Lenkungsabgaben) in der Umweltschutzpolitik an

Debatte über das Miteinander von Wirtschaft und Umwelt nach mehreren Umweltkatastrophen

Die neuen Technologien fanden nicht nur unter dem Gesichtspunkt des von ihnen erwarteten Beitrags zur Umstellung auf ein qualitatives Wachstum Beachtung, sondern ebenfalls unter dem Aspekt ihrer Bedeutung für die Erhaltung der Konkurrenzfähigkeit der schweizerischen Wirtschaft bzw. ihrer Auswirkungen auf die Arbeitswelt. Die politischen Parteien zeigten sich bestrebt, das Kenntnisdefizit, welches ihnen in diesen Fragen attestiert worden war, zu beheben: Die FDP widmete ihren Parteitag dem Thema «Neue Technologien», die SPS befasste sich an ihrem Parteitag eingehend mit den Konsequenzen für die Arbeitswelt. Die Förderung der Forschung und Entwicklung, wie sie insbesondere von einigen europäischen Staaten mit Nachdruck betrieben wird, sowie die Tendenz zu wachsender internationaler Zusammenarbeit in Form von Grossprojekten (z.B. EUREKA) liessen in der Schweiz den Ruf nach einem Überdenken der Forschungspolitik ertönen. Der Einsatz der politischen Behörden dafür, dass schweizerischen Unternehmen die Teilnahme an derartigen Projekten nicht verunmöglicht wird, wurde als vordringlich erachtet. Allgemeine Zustimmung fand auch das Postulat einer besseren Koordination der Aktivitäten von Staat, Wissenschaft und Wirtschaft. Die direkte Staatsbeteiligung an der praxisorientierten Forschung wird hingegen vom Vorort als wettbewerbsverzerrend abgelehnt und darf seiner Meinung nach nur in gut begründeten Ausnahmefällen wie beispielsweise in der Umweltforschung geschehen.

neuen Technologien Förderung der Forschung und Entwicklung

Für die Unternehmerverbände stellt die Reduktion der administrativen Belastungen, welche den Betrieben durch staatliche Auflagen und Vorschriften erwachsen, ein wichtiges Anliegen dar. Eine 1985 publizierte Untersuchung hatte das Ausmass dieses Aufwands quantifiziert und dabei aufgezeigt, dass kleine und mittlere Firmen davon stärker betroffen sind als Grossunternehmen. Als Gegenmassnahme wurde deshalb eine nach Betriebsgrösse differenzierte Anwendung der Vorschriften ins Gespräch gebracht. Der Nationalrat forderte die Regierung mit einem Postulat auf, eine zusätzliche Studie vorzulegen, welche unter anderem Abhilfemassnahmen unterbreitet.

Postulat (86.497) zur Reduktion der administrativen Belastungen

Drastischer als alle wissenschaftlichen Analysen und Prognosen führten Katastrophen wie der Reaktorunfall in Tschernobyl (UdSSR), der Chemiebrand bei Basel und das Waldsterben der Öffentlichkeit und den politischen und wirtschaftlichen Führungskräften vor Augen, dass sich auf die Dauer die Fortführung des bisherigen weitgehend quantitativen Wirtschaftswachstums nicht mit dem Ziel der Erhaltung einer einigermassen intakten Umwelt vereinbaren lässt. Die Diskussionen um das als optimal erachtete Wirtschaftssystem entfernten siçh vom traditionellen Gegensatz zwischen freier Marktwirtschaft und staatlicher Lenkung. Insbesondere bei der politischen Linken und den Gewerkschaften, aber – zumindest ansatzweise – auch bei den Unternehmern und den bürgerlichen Parteien setzte sich vermehrt die Erkenntnis von der Notwendigkeit einer ökologisch orientierten Wirtschaft durch. Auf bürgerlicher Seite war insbesondere nach der Chemiekatastrophe bei Basel eine Zunahme der Einsicht in die Notwendigkeit staatlicher Regelungs- und Überwachungsfunktionen spürbar (vgl. dazu die Voten von Nationalrat Feigenwinter (cvp, BL) und Nationalrat Bremi (fdp, ZH) anlässlich der Parlamentsdebatte. Ob dieses Ziel mit marktwirtschaftlichen Steuerungsmitteln, wie beispielsweise der Internalisierung externer Kosten (Verursacherprinzip), oder mit staatlichen Verboten erreicht werden kann, wird zunehmend von einer Prinzipien- zu einer blossen Zweckmässigkeitsfrage.

Debatte über das Miteinander von Wirtschaft und Umwelt nach mehreren Umweltkatastrophen

Das Inkrafttreten des revidierten Kartellgesetzes auf den 1. Juli vermochte die Auseinandersetzungen um die Wettbewerbspolitik nicht zum Verschwinden zu bringen. Der Bundesrat nahm in einer Botschaft Stellung zur sogenannten Konsumentenschutzinitiative des Grossdiscounters Denner AG. Er lehnt das darin geforderte Verbot von kartellistischen Praktiken und gesetzlichen Mindestpreisvorschriften für den Bereich des Handels mit Lebensmitteln und andern Konsumgütern aus verschiedenen Gründen ab. Zum einen ist es seiner Ansicht nach nicht zulässig, das anlässlich der Revision des Kartellgesetzes bekräftigte Prinzip der Missbrauchsbekämpfung in einem bestimmten Teilgebiet der Wirtschaft – und überdies eingeschränkt auf die Handelsstufe – zugunsten einer Verbotsregelung fallen zu lassen. Die Regierung erachtet den vorgeschlagenen partiellen Systemwechsel auch sachlich nicht für gerechtfertigt, da – von einigen Ausnahmen abgesehen – gerade im anvisierten Bereich der Wettbewerb gut funktioniere. Bei den Ausnahmen, welche sich zur Hauptsache auf den Handel mit Genussmitteln (Tabak, Bier und Spirituosen) beschränken, lassen sich ihrer Meinung nach gute struktur und gesundheitspolitische Gründe für die Beibehaltung von wettbewerbsbehindernden Absprachen geltend machen. Die von der Initiative angestrebten Ziele liegen nicht nur zum revidierten Kartellgesetz quer, sondern auch zum neuen Preisüberwachungsgesetz und zu dem vom Parlament in der Wintersession 1986 verabschiedeten Gesetz über den unlauteren Wettbewerb. Um allfälligen Auslegungskonflikten auszuweichen, hatten die Initianten die Schaffung einer partiellen Verfassungsgerichtsbarkeit vorgeschlagen, welche das Bundesgericht verpflichten würde, dem neuen Verfassungsartikel widersprechende Bestimmungen aufzuheben. Auch in diesem Punkt lehnt der Bundesrat das Volksbegehren als zu partikularistisch ab.

Konsumentenschutzinitiative des Grossdiscounters Denner AG
Dossier: Kartellgesetz

Der günstige Verlauf der Konjunktur trug sicher dazu bei, dass auch 1985 grundsätzliche Auseinandersetzungen über das Wirtschaftssystem kein grosses Interesse auf sich ziehen konnten. Im Zentrum der Diskussionen standen vielmehr Fragen, die sich auf die Auswirkungen der sich zur Zeit abspielenden technologischen Revolution bezogen. Dabei ging es zum einen darum, ob sich die schweizerische Wirtschaft rasch genug auf die neuen Entwicklungen einstellen könne oder ob sie Gefahr laufe, auf dem Weltmarkt ins Hintertreffen zu geraten. Zwar ist nach Ansicht von Fachleuten eine Dramatisierung der Lage nicht angebracht, doch wurde auch von seiten der Behörden betont, dass bisherige Vorteile der Schweiz in den Bereichen Forschung und Entwicklung, Ausbildung, staatliche Regulationen und Steuern vom Ausland in den letzten Jahren zum Teil wettgemacht worden sind. Vertreter der Wirtschaft legten das Schwergewicht ihrer Forderungen an den Staat auf eine rasche Anpassung des Bildungswesens an die neuen Gegebenheiten. Vordringlich ist ihrer Meinung nach namentlich die Förderung der Ausbildung von Ingenieuren. Aber nicht nur die Auswirkungen des technologischen Fortschritts auf die schweizerische Wirtschaft fanden Interesse, sondern auch die Folgen, die sich daraus für die arbeitenden Menschen ergeben. An den Zürcher Hochschulen wurde dazu während des Wintersemesters 1984/85 eine interdisziplinäre Vortragsreihe durchgeführt; auch die SPS befasste sich an einer Tagung unter Beizug von prominenten Managern mit dieser Problematik. Eine Untersuchung ergab, dass breite Bevölkerungsschichten dem technologischen Wandel, insbesondere im Bereich der Mikroelektronik, mit grosser Skepsis und auch Desinteresse begegnen. Als überzeugter Gegner der neuen Arbeitsinstrumente deklarierte sich in dieser Meinungsumfrage allerdings lediglich jeder Zehnte.

Diskussion über die sich zur Zeit abspielende technologische Revolution

Wie bereits im Vorjahr standen 1984 kaum Grundsatzdebatten über das Wirtschaftssystem im Vordergrund. Vielmehr ging es um die Frage, von welchem Moment an staatliche Aktivitäten und Interventionen sich negativ auf die Entwicklungsmöglichkeiten eines grundsätzlich marktwirtschaftlichen Systems auszuwirken beginnen. Der weitgehend graduelle Charakter dieser Kontroverse zeigte sich in der Strukturpolitik, wo die bürgerlichen Parteien staatliche Interventionen im Rahmen der Regionalpolitik zwar günstig beurteilten und für ausbauwürdig hielten, ein Teil von ihnen hingegen Eingriffe zur Unterstützung der Unternehmen bei der Entwicklung und Verwendung neuer Technologien kategorisch ablehnte. In diesem Bereich ist ihrer Meinung nach der Wirtschaft am besten mit der Schaffung günstiger Rahmenbedingungen, d.h. einem Abbau von fiskalischen und administrativen Belastungen sowie einer auf die Bedürfnisse der Wirtschaft ausgerichteten Forschungs- und Bildungspolitik geholfen.

Eine wohl nicht ganz ernst gemeinte Volksinitiative «Eigentum für alle», mit der eine radikale Umkrempelung der Besitzverhältnisse angestrebt wurde, fand bei keiner bekannten politischen Organisation Unterstützung und ist nicht zustandegekommen.

Investitionshilfegesetz für Berggebiete (BRG 83.048)
Dossier: Massnahmen zur Förderung der schweizerischen Wirtschaft in den 1980er Jahren

Bei der Behandlung durch das Parlament zeigte sich, dass auch dieser Entwurf die Gegner einer Innovationsrisikogarantie nicht zu überzeugen vermochte. Die Fraktionen der FDP, der SVP und der Liberalen blieben dabei, dass es sich bei der IRG um ein systemwidriges, wettbewerbsverzerrendes Instrument handle. Dieses Argument gründete sich nicht zuletzt darauf, dass die an sich begrüssten Steuererleichterungen lediglich bei Inanspruchnahme der IRG gewährt werden sollen. Neben den sachlichen Argumenten war jedoch nicht zu überhören, dass bei der ganzen Auseinandersetzung auch die Unzufriedenheit der Freisinnigen mit dem zum erstenmal nicht aus ihrer Partei stammenden Vorsteher des EVD mitspielte. Immerhin waren die Reihen nicht ganz geschlossen. So sprach sich etwa im Nationalrat der Freisinnige Etique für das Projekt von Bundesrat Furgler aus, während sich umgekehrt Ständerat Kündig im gegnerischen Lager befand. In beiden Kammern unterlagen die Nichteintretensanträge ungefähr im Verhältnis eins zu zwei. Die in den Detailberatungen noch gerinfügig modifizierte Vorlage passierte die Schlussabstimmung mit Stimmenzahlen von 26 : 8 resp. 114 : 56. Gleichzeitig hiessen die Räte einen Bundesbeschluss über die Finanzierung der IRG gut. Mit der Überweisung einer entsprechenden Motion der Ständeratskommission gab das Parlament im weiteren dem Bundesrat den Auftrag, dafür zu sorgen, dass die Ausleihe und Bildung von Risikokapital auch dann in den Genuss von Steuererleichterungen gelangt, wenn die IRG nicht in Anspruch genommen wird. Eine Motion Brahier (fdp, JU), die fiskalische Erleichterungen auch für sich umstrukturierende Unternehmen forderte, wurde demgegenüber von BR Stich bekämpft und von der kleinen Kammer nicht überwiesen.

Innovationsrisikogarantie (BRG 83.048)
Dossier: Massnahmen zur Förderung der schweizerischen Wirtschaft in den 1980er Jahren

Eine wesentlich härtere wettbewerbspolitische Gangart wird für gewisse Teilmärkte von der im Berichtsjahr eingereichten «Konsumentenschutz-Initiative» verlangt. Dieses im Alleingang vom Lebensmitteldiscountgeschäft Denner AG lancierte und innert Rekordzeit zustandegekommene Volksbegehren verlangt nichts weniger als ein Verbot sämtlicher kartellistischer Praktiken und gesetzlicher Mindestpreisvorschriften im Bereich des Handels mit Lebensmitteln und anderen Konsumgütern. Der Auslöser für diese Aktion war eingestandenermassen die Verärgerung von Denner über den Bundesgerichtsentscheid, die Preisbindung im Tabakwarenhandel als zulässig zu erklären. Dass sich die kleingewerblichen Detaillisten von dieser Initiative des mit wesentlich günstigeren Kostenstrukturen arbeitenden Discounters bedroht fühlen, liegt auf der Hand. Aber auch die Konsumentenorganisationen konnten sich bisher für diesen radikalen Vorstoss nicht erwärmen.

Konsumentenschutzinitiative des Grossdiscounters Denner AG
Dossier: Kartellgesetz