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In jeweils vier Sitzungen bereinigten National- und Ständerat das Bundesratsgeschäft über die steuerliche Berücksichtigung der Kinderdrittbetreuungskosten. Die beiden Räte konnten sich in der Frage, ob der Kinderabzug bei den direkten Bundessteuern pro minderjährigem oder in schulischer Ausbildung stehendem Kind von CHF 6'500 auf CHF 10'000 erhöht werden soll, bis zum Ende des Differenzbereinigungsverfahrens nicht einigen: Der Nationalrat befürwortete die entsprechende Erhöhung, wobei die Zustimmung zwischen den Behandlungen von 98 zu 90 Stimmen (bei 3 Enthaltungen) auf 126 zu 67 Stimmen (bei 1 Enthaltung) stieg. Die FDP-Liberale-Fraktion hatte dazwischen vom gegnerischen ins Befürworterlager des erhöhten Abzugs gewechselt. Beat Walti (fdp, ZH) erklärte, man könne zu diesem Punkt stehen, da er als Konter gegen einen Abzug von CHF 25'000 für alle Familien ohne Erwerbserfordernis ins Gesetz aufgenommen worden sei. Im Grundsatz sei es auch nicht falsch, die Familien steuerlich zu entlasten. Die SP-, die Grüne und die GLP-Fraktion lehnten die Änderungen bis zum Schluss ab. Sie komme vor allem Familien mit hohen Einkommen zugute, kritisierte zum Beispiel Prisca Birrer-Heimo (sp, LU). Zudem schränke sie den Handlungsspielraum für Massnahmen ein, die wirkungsvoller und effizienter wären, legte Kathrin Bertschy (glp, BE) das Hauptargument für die grünliberale Ablehnung dar.
Diese Argumente dominierten auch das Differenzbereinigungsverfahren im Ständerat. Kurz vor dessen erster Behandlung des Geschäfts hatte die WAK-SR gemäss ihrem Sprecher Pirmin Bischof (cvp, SO) ihre Position geändert: Da das Bundesratsgeschäft zur Abschaffung der Heiratsstrafe kurz zuvor an die Kommission zurückgewiesen worden sei, wodurch man zwar einerseits Geld spare, aber andererseits die Ehepaare vorerst nicht unterstützen könne, wolle man wenigstens die Kinderzulagen erhöhen. Der Ständerat sprach sich jedoch mit 22 zu 21 Stimmen und mit 23 zu 20 Stimmen zweimal für Minderheitsanträge auf Festhalten aus. Die folglich notwendig gewordene Einigungskonferenz empfahl die Position des Nationalrats mit 19 zu 7 Stimmen zur Annahme, eine Minderheit Birrer-Heimo sprach sich für die Abschreibung der gesamten Vorlage in dieser Form aus. Ihr Antrag war jedoch im Nationalrat wie erwartet chancenlos: Mit 124 zu 55 Stimmen (bei 4 Enthaltungen) stimmte die grosse Kammer der Vorlage erneut zu. Im Ständerat stellte Paul Rechsteiner (sp, SG) einen Ordnungsantrag auf Rückweisung an die Kommission als Alternative zum Abschreibungsantrag. Die Kommission solle die «finanziellen und verteilungspolitischen Folgen auch im Quervergleich der Steuervorlagen unter Einbezug der Kantone» abklären; Finanzminister Maurer versprach eine Auslegeordnung bis zur Wintersession. Der Ständerat lehnte jedoch den Ordnungsantrag mit 23 zu 15 Stimmen (bei 3 Enthaltungen) ab und stimmte schliesslich dem Antrag der Einigungskonferenz mit 21 zu 20 Stimmen (bei 2 Enthaltungen) äusserst knapp zu. Somit setzte sich der Nationalrat mit seiner Version durch. Die Schlussabstimmungen waren nur noch Formsache, mit denselben Allianzen wie zuvor nahmen der Nationalrat die Vorlage mit 132 zu 62 Stimmen (bei 3 Enthaltungen) und der Ständerat mit 25 zu 17 Stimmen (bei 3 Enthaltungen) an. Damit war das Geschäft jedoch noch nicht vom Tisch: SP-Fraktionschef Nordmann (sp, VD) kündigte noch vor der Schlussabstimmung an, dass seine Partei ein weiteres Mal das Referendum «gegen eine verfehlte steuerpolitische Vorlage» ergreifen werde.

Steuerliche Berücksichtigung der Kinderdrittbetreuungskosten

Im August 2019 setzte sich die WAK-SR mit dem Bundesgesetz über die direkte Bundessteuer bezüglich einer ausgewogenen Paar- und Familienbesteuerung auseinander und zeigte sich mit der bundesrätlichen Botschaft mehrheitlich einverstanden: Eintreten war unbestritten und die Kommission nahm die Vorlage mit nur einer Änderung – die Kommission will den Elterntarif nicht abschaffen – mit 8 zu 4 Stimmen (bei 1 Enthaltung) an. Dennoch war die Behandlung der Vorlage keinesfalls so einhellig, wie diese Resultate vermuten lassen: Die Kommission lehnte äusserst knapp, mit 6:6 Stimmen und Stichentscheid des Präsidenten, zwei Rückweisungsanträge an den Bundesrat zur Schaffung von alternativen Besteuerungsmodellen respektive einer zivilstandsneutralen Ausgestaltung des Gesetzes ab. Ähnlich knapp sprach sie sich auch gegen Minderheitsanträge auf die Streichung des Zweiverdienerabzugs, des Einverdienerabzugs sowie des Verheiratetenabzugs aus.

Die entsprechenden Minderheitsanträge versprachen Spannung in die Behandlung durch den Ständerat in der Herbstsession 2019 zu bringen. Eine Minderheit Hefti (fdp, GL) wollte den Bundesrat beauftragen, auf die Individualbesteuerung oder andere alternative Steuermodelle zu setzen, während eine Minderheit Caroni (fdp, AR) auch Paaren im qualifizierten Konkubinat die Möglichkeit geben wollte, die Steuern alternativ berechnen zu lassen. Kommissionssprecher Bischof (cvp, SO) fasste die neuere Vorgeschichte dieses Geschäfts zusammen und verwies darauf, dass diese Vorlage allenfalls als faktischer Gegenvorschlag zur Volksinitiative der CVP, nicht aber als tatsächlicher, indirekter Gegenvorschlag verstanden werden könne. Die Frist für eine allfällige erneute Abstimmung, die der Bundesrat auf den 27. September 2020 gesetzt habe, könne bei einer Verbindung der Initiative mit dieser aktuellen Vorlage und im Falle der Rückweisung Letzterer an den Bundesrat nicht eingehalten werden.
In der Folge legte Thomas Hefti seinen Minderheitsantrag dar. Er erklärte, dass der administrative Mehraufwand durch den sogenannten «Mehrfachtarif mit alternativer Steuerberechnung» vermutlich deutlich grösser sei, als der Bundesrat jetzt anerkenne, und dass die Zuordnung der Einkommen, zum Beispiel bei Ehepartnern mit einem gemeinsamen Geschäft, vermutlich nicht immer so einfach sei. Zudem habe dieser Vorschlag zahlreiche Probleme zur Folge, die ihrerseits neue Lösungen und Probleme nach sich zögen. Dies alles könne umgangen werden, wenn man stattdessen auf die im Kanton Waadt bereits bewährte Individualbesteuerung setze. Andrea Caroni verwies in der Folge und in Bezug zu seinem Minderheitsantrag darauf, dass es eben nicht nur die Heiratsstrafe gebe, sondern diese auf Kantonsebene durch verschiedene Boni aufgehoben würde und es auch einen Heiratsbonus sowie eine Konkubinatsstrafe gebe. Die aktuelle Vorlage wolle nun wieder eine Bevorzugung eines Zivilstandes schaffen – Ehepaare würden neu im schlimmsten Fall gleich behandelt wie Konkubinatspaare, aber allenfalls besser gestellt. Zudem würden diejenigen Instrumente, die zur Milderung der Heiratsstrafe geschaffen worden seien, konkret also der Verheiratetentarif, der Zweiverdienerabzug, und neu auch der Einverdienerabzug, beibehalten und die Verheirateten so sogar noch stärker bevorzugt. «Das wären dann also ein Fünfer, ein Weggli und ungefähr drei Bäckersfrauen dazu», kritisierte er. Man solle es daher den Konkubinatspaaren ermöglichen, dieselben Vorteile zu geniessen wie die Verheirateten.
Die folgenden Wortmeldungen verdeutlichten den Graben im Rat: Unterstützung erhielt der Antrag Hefti von linker Seite; Anita Fetz (sp, BS), Christian Levrat (sp, FR) und Paul Rechsteiner (sp, SG) meldeten sich unterstützend zu Wort. Konrad Graber (cvp, LU) hingegen nannte den Minderheitsantrag Hefti aufgrund seiner Wirkung «ein Spielen auf Zeit», da es im Rat zwei ungefähr gleich starke Lager für die Individualbesteuerung und für ein Splitting gebe, wie es Hans-Rudolf Merz in seiner Zeit als Finanzminister einmal formuliert habe. Eine Rückweisung an den Bundesrat habe folglich eine Verzögerung um zwei bis drei Jahre zur Folge, anschliessend sei man aber noch immer nicht klüger. Deshalb solle man diese mit der Verfassung konforme Vorlage, wie sie heute auf dem Tisch liege, beraten und ihr zustimmen. Mit diesem Fazit zeigten sich Mitglieder der CVP, der SVP und teilweise der FDP sowie Finanzminister Maurer einverstanden.
Nach zahlreichen Hinweisen verschiedener Sprecher darauf, dass dieses Problem seit 35 Jahren auf eine Lösung warte, sprach sich der Rat ohne Gegenantrag für Eintreten aus. Mit 25 zu 18 Stimmen stimmte der Ständerat in der Folge jedoch für den Minderheitsantrag Hefti und somit für eine Rückweisung an den Bundesrat sowie für eine umfassende Neubehandlung durch Letzteren, worauf Andrea Caroni seinen Minderheitsantrag zurückzog.

Bundesgesetz über die direkte Bundessteuer (ausgewogene Paar- und Familienbesteuerung; BRG 18.034)
Dossier: Abschaffung der Heiratsstrafe
Dossier: Reform der Ehe- und Familienbesteuerung seit 2000 – Gemeinschaftsbesteuerung oder Individualbesteuerung?
Dossier: Bestrebungen zur Einführung der Individualbesteuerung

Als Antwort auf die Motionen der FDP.die Liberalen-Fraktion (Mo. 04.3276, Mo. 05.3299) und von Pirmin Bischof (cvp, SO) (Mo. 10.4127, Mo. 16.3044) sowie der Postulate der BDP-Fraktion (Po. 11.3545) und der FK-NR (Po. 14.3005) unterbreitete der Bundesrat im März 2018 dem Parlament die Botschaft zur Änderung des Bundesgesetzes über die direkte Bundessteuer bezüglich einer ausgewogenen Paar- und Familienbesteuerung. Die entsprechenden Vorstösse beantragte er zur Abschreibung.
In den Motionen war bemängelt worden, dass Zweiverdienerehepaare mit höheren Einkommen sowie Rentnerehepaare mit mittleren und höheren Einkommen bisher steuerlich stärker belastet worden waren als Konkubinatspaare in gleichen wirtschaftlichen Verhältnissen. Auch die Belastungsrelation zwischen Einverdiener- und Zweiverdienerehepaaren wurde als unausgewogen kritisiert. Die neue Regelung sollte daher gegenüber verschiedenen Partnerschafts- und Familienmodellen möglichst neutral sein und zu ausgewogenen Belastungsrelationen führen. Dazu wird das Modell «Mehrfachtarif mit alternativer Steuerberechnung» eingeführt, bei dem die Steuerbehörden sowohl die Steuerbelastung der Ehepaare bei ordentlicher gemeinsamer Veranlagung – also bei Addition der Einkommen –, als auch eine alternative Steuerbelastung unter Berücksichtigung der tatsächlichen Abzüge der Ehepartner, wie sie auch bei Konkubinatspaaren zur Anwendung kommt, berechnen. Der tiefere der beiden Steuerbeträge wird dem Ehepaar in Rechnung gestellt. Somit stelle diese Lösung gemäss der bundesrätlichen Botschaft einen Kompromiss zwischen Individual- und gemeinsamer Ehepaarbesteuerung dar, wobei sich die Belastung der Zweiverdienerehepaare derjenigen bei einer Individualbesteuerung annähere. Da durch diese Änderung aber die Belastungsunterschiede zwischen Einverdiener- und Zweiverdienerehepaaren anstiegen, werde ein Einverdienerabzug in der Höhe von CHF 8100 geschaffen.
Bisher waren Ehepaare bei der direkten Bundessteuer gemäss Botschaft auch benachteiligt, weil alleinerziehende Personen sowie im Konkubinat lebende Personen mit Kindern den sogenannten Elterntarif, den Verheiratetentarif mit einem Abzug vom Steuerbetrag, geltend machen konnten, jedoch ohne dass ihre Einkommen addiert wurden. Um diese „verfassungswidrige Privilegierung von Konkubinatspaaren mit Kindern“, wie sie die Botschaft nennt, zu beseitigen, kommt neu für sämtliche unverheirateten Personen mit Kindern der Grundtarif zur Anwendung. Folglich steigt aufgrund der Gesetzesänderung die Steuerbelastung von Konkubinatspaaren mit Kindern in Abhängigkeit des Einkommens. Auch für Ehepaare mit Kindern wird bei der alternativen Steuerberechnung somit der Grundtarif verwendet; ansonsten wären die Mindereinnahmen bei der direkten Bundessteuer deutlich höher ausgefallen. Diese Mehrbelastung gegenüber geltendem Recht wird jedoch für alleinerziehende Eltern, die mitunter am stärksten durch Armut und andere soziale Benachteiligungen bedroht sind, durch einen Abzug in der Höhe von CHF 11‘500 verhindert. Nicht betroffen von diesen Regelungen ist der mit dem Bundesgesetz über die steuerliche Entlastung von Familien mit Kindern eingeführte Abzug vom Steuerbetrag von CHF 251 pro Kind, der weiterhin allen Eltern zur Verfügung steht.
Insgesamt wird die Gesetzesänderung Minderheinnahmen bei der direkten Bundessteuer von CHF 1.15 Mrd. mit sich bringen, wovon CHF 950 Mio. auf den Bund und CHF 200 Mio. auf die Kantone entfallen. Der Bundesrat betonte jedoch, dass sie verglichen mit anderen Modellen zur Abschaffung der sogenannten «Heiratsstrafe» weniger Mindereinnahmen verursache. Er gehe zudem davon aus, dass die tiefere Grenzsteuerbelastung die Arbeitsanreize erhöhe und somit ein mittelfristiger Beschäftigungseffekt von rund 15'000 Vollzeitstellen festzustellen sein werde.

Die Medien beschrieben die Vorlage tags darauf mehrheitlich als Übergang von der Ehestrafe zur Konkubinatsstrafe. So würden 90 Prozent der Ersparnisse 11 Prozent aller Ehepaare – denjenigen mit einem steuerbaren Einkommen über CHF 100'000 – zugute kommen, während die Steuerabzüge von Konkubinatspaaren mit Kindern aufgrund des wegfallenden Elterntarifs anstiegen.

Bundesgesetz über die direkte Bundessteuer (ausgewogene Paar- und Familienbesteuerung; BRG 18.034)
Dossier: Abschaffung der Heiratsstrafe
Dossier: Reform der Ehe- und Familienbesteuerung seit 2000 – Gemeinschaftsbesteuerung oder Individualbesteuerung?
Dossier: Bestrebungen zur Einführung der Individualbesteuerung