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Die Nachabstimmungsanalyse «Voto» zur steuerlichen Berücksichtigung der Kinderdrittbetreuungskosten warf einige Wochen nach dem Urnengang etwas Licht auf die Ursachen für diesen eher unerwarteten Abstimmungsentscheid der Stimmbürgerinnen und Stimmbürger. Demnach hatten sich die Anhängerschaften aller sechs grossen Parteien insgesamt gegen die Vorlage ausgesprochen: Am grössten war die Zustimmung noch bei den Sympathisantinnen und Sympathisanten der FDP (48% Ja-Stimmen) und der CVP (44%), am niedrigsten bei denjenigen der SP (27%) und der Grünen (29%). Als Hauptgrund für ihre Ablehnung nannten die Befragten, dass diese Vorlage nur den Vermögenden nütze – dieses Stimmmotiv erwähnten gemäss Umfrage 63 Prozent der Nein-Stimmenden. Folglich stiess auch das abgefragte Kontra-Argument, wonach «die höheren Kinderabzüge [...] ein Steuergeschenk für die reichsten Familien» darstellten, bei 65 Prozent aller Befragten – also auch bei den Ja-Stimmenden – auf Zustimmung.
Die Befürwortenden hatten der Vorlage hingegen insbesondere zugestimmt, weil sie Familien generell unterstützen wollten (25% der Ja-Stimmenden) oder weil sie persönlich oder ihre Verwandten von der Vorlage profitiert hätten (23%). Auf die Relevanz des persönlichen Nutzens der Vorlage verweisen die Autoren der Studie auch bei der Analyse des Stimmentscheids nach Anzahl Kinder und Äquivalenzeinkommen: So hatten Befragte der höchsten von vier Einkommenskategorien mit minderjährigen Kindern im eigenen Haushalt – also gut verdienende Eltern, die Zielgruppe der Vorlage – der Erhöhung der Steuerabzüge zu 70 Prozent zugestimmt. Bei Personen derselben Einkommenskategorie ohne Kinder lag die Zustimmung bei 36 Prozent, bei Eltern tieferer Einkommenskategorien zwischen 34 und 44 Prozent.
Unterschiede gab es darüber hinaus auch zwischen den Sprachregionen: Die Befragten der Romandie und im Tessin hatten der Vorlage gemäss Abstimmungsresultaten in den Gemeinden nur knapp nicht (Romandie: 48.2% Ja-Stimmen) oder sogar mehrheitlich (italienischsprachige Schweiz: 52.1%) zugestimmt.

Steuerliche Berücksichtigung der Kinderdrittbetreuungskosten

Wie angekündigt sammelten verschiedene Komitees Unterschriften für ein Referendum zum Bundesgesetz über die Steuerreform und die AHV-Finanzierung (STAF): ein linkes Komitee, bestehend aus den Grünen, den Jungen Grünen, der Juso, VPOD und Westschweizer Gewerkschaften; ein Generaktionenkomitee, das sich aus der Jungen GLP und der Jungen BDP zusammensetzte; ein bürgerliches Komitee aus Mitgliedern der Jungen SVP und vier kantonalen Sektionen der Jungfreisinnigen; sowie ein Bürgerkomitee «Kuhhandel Nein», das Unterschriften über die Onlineplattform Wecollect sammeln wollte. Die breite Liste an Gegnern der STAF führte in der Presse zu einigen Diskussionen: Die Spaltung der Linken – die SP stellte sich als einzige linke Partei klar hinter die Vorlage – war ein Thema, über die sich emanzipierenden Jungparteien wurde berichtet und es wurde darüber diskutiert, was denn nun ein allfälliges «Nein» an der Urne zur STAF ob einer so breiten Gegnerschaft zu bedeuten hätte.
Anfang November erschienen die ersten Zeitungsberichte, welche den Erfolg der Unterschriftensammlung, der bis dahin als gesichert gegolten hatte, in Frage stellten: So laufe die Sammlung der Unterschriften mittels Onlineplattform sehr langsam, was als Anzeichen für allgemeine Schwierigkeiten, die nötigen 50'000 Unterschriften zusammenzubekommen, gewertet werden könne. Als Gründe dafür wurde unter anderem genannt, dass sich die starken Kampagnenorganisationen nicht an der Unterschriftensammlung beteiligten und dass die Dauer der Unterschriftensammlung aufgrund der Feiertage schlechter genutzt werden könne als sonst. Ferner schränke die Komplexität der Vorlage die Bereitschaft der Schweizerinnen und Schweizer ein, das Referendum zu unterzeichnen. Im neuen Jahr vermeldeten die Komitees jedoch, dass sie die Unterschriften erfolgreich eingereicht hätten und Anfang Februar 2019 bestätigte die Bundeskanzlei das Zustandekommen des Referendums: Über 60'000 gültige Unterschriften hatten die Komitees gesammelt.
In der Folge berichteten die Medien insbesondere über die Zusammensetzung der beiden Lager: Ihre Unterstützung zur STAF vermeldet hatten in der Zwischenzeit die FDP, die CVP, die SP, die BDP, die EVP und die EDU. Auch die Wirtschaft stellte sich weitgehend hinter das neue Gesetz; Economiesuisse, Swissholding, der Arbeitgeberverband, der Bauernverband und auch der Gewerbeverband – mit Ausnahme einiger Kantonalsektionen – fassten die Ja-Parole. Kantone, Städte und Gemeinden unterstützten die Vorlage durch ihre entsprechenden Organisationen (KdK, Städteverband, Gemeindeverband) ebenso. Gegen die STAF sprachen sich die Grünen, die GLP und die meisten Jungparteien ausser den Jungfreisinnigen und der Jungen CVP sowie der VPOD aus, nicht aber der SGB, der Stimmfreigabe beschloss. Von besonderem Interesse für die Presse war die Position der SVP: Diese entschloss sich, aufgrund ihrer internen Differenzen zwischen der Bundeshausfraktion, welche die STAF deutlich abgelehnt hatte, und einer Befürwortergruppe um Finanzminister Maurer ebenfalls für Stimmfreigabe. Dadurch bleibe der Partei eine Zerreissprobe erspart, urteilten die Medien. In den Monaten vor der Abstimmung gaben jedoch zahlreiche Kantonalsektionen der SVP die Ja-Parole aus. Bis zum Schluss sprachen sich 10 Kantonalsektionen für die STAF aus und 4 dagegen. Doch nicht nur die SVP war bezüglich dieser Vorlage gespalten; auch bei den Grünliberalen und den Grünen fanden sich verschieden Kantonalsektionen, welche der Vorlage gegen den Willen der nationalen Partei zustimmten.
Die Differenzen zur Vorlage innerhalb der Parteien widerspiegelten sich auch in den Vorumfragen. Am deutlichsten votierten in der ersten SRG-Vorumfrage im April 2019 die Anhängerinnen und Anhänger der FDP (82%) und der CVP (71%) für die STAF, gefolgt von denjenigen der SP (59%) und der BDP (57%). Doch auch bei den Sympathisantinnen und Sympathisanten der Grünen (45% Ja-Stimmen, 42% Nein-Stimmen) und der GLP (43% Ja-Stimmen, 32% Nein-Stimmen) fand die Vorlage eine relative Mehrheit. Einzig die Anhängerinnen und Anhänger der SVP sprachen sich mehrheitlich gegen die STAF aus (35% Ja-Stimmen, 55% Nein-Stimmen). Insgesamt gaben in dieser ersten SRG-Umfrage 54 Prozent der Befragten an, der Vorlage sicher oder eher zustimmen zu wollen, 37 Prozent wollten die STAF sicher oder eher ablehnen. Unsicher zeigten sich noch 9 Prozent der Befragten. Bis zur zweiten SRG-Umfrage Anfang Mai 2019 war die Differenz zwischen den beiden Lagern dann merklich angestiegen: Der Anteil Zustimmende war auf 59 Prozent gestiegen, der Anteil Ablehnende leicht gesunken (35%). Veränderungen gab es auch innerhalb der Parteien, wobei das Befürworterlager in beinahe allen Parteien deutlich anwuchs; selbst in der SVP erreichte es nun eine relative Mehrheit (47%).

Die Berichterstattung zur STAF umfasste zahlreiche verschiedene Aspekte. Immer wieder Thema war die schwarze Liste der EU für Steueroasen: Seit Ende 2017 befand sich die Schweiz auf der sogenannten grauen Liste, der Beobachtungsliste, und im Oktober 2018 entschied sich die EU, die Schweiz vorläufig auf dieser Liste zu belassen. Da die Frist der EU, die umstrittenen Steuerschlupflöcher abzuschaffen, jedoch Ende 2018 ablief und ihr nächster Beurteilungstermin im März 2019, also vor der Abstimmung im Mai 2019, anstand, befürchteten die Medien, die Schweiz könne noch vor der Abstimmung auf die schwarze Liste geraten. Dies hätte womöglich scharfe Gegenmassnahmen der EU-Mitgliedstaaten zur Folge gehabt. Mitte März gab die EU jedoch bekannt, der Schweiz noch bis Ende 2019 Zeit für die Umsetzung ihrer Versprechen einzuräumen. Die EU respektiere die Schweizer Verfassung, die ein Referendum ermögliche, erklärten die EU-Finanzminister.
Viel Aufmerksamkeit in der Berichterstattung zur STAF erhielt Wirtschaftsprofessor Christoph Schaltegger von der Universität Luzern. Er kritisierte, dass die STAF das Anreizproblem der Nehmerkantone des Finanzausgleichs nicht stark genug mildere: Viele Nehmerkantone würden heute durch die Ansiedelung neuer Firmen oder durch höhere Gewinne von Firmen mehr Geld verlieren, als sie durch die höheren Steuern erzielten, weil ihre Einkünfte aus der NFA dadurch überproportional sänken. Zwar würde die STAF diese Problematik mildern – die Gewinne der Unternehmen würden in der NFA weniger stark gewichtet –, jedoch seien auch im Falle einer Annahme noch immer 11 Kantone (AR, AI, Fr, GL, GR, JU, LU, SO, TG, UR, VS) von diesen Anreizproblemen betroffen. Grundsätzlich bestehe ein Konflikt zwischen NFA und den Zielen des Steuerteils der STAF, erklärte Schaltegger: Die Geberkantone hätten aufgrund der STAF Anreize, sich für Unternehmen attraktiv zu positionieren, während Nehmerkantone sich aus finanzieller Sicht eher unattraktiv geben müssten. Aufwind bekam diese Problematik im April 2019, als bekannt wurde, dass das Finanzdepartement bei der Berechnung der Folgen für die einzelnen Kantone die Gewinne der Gemeinden mitberücksichtigt hatte. Dies wäre jedoch nur zulässig, wenn die Gemeinden mit ihren Gewinnen mithelfen würden, die kantonalen Mindereinnahmen wettzumachen. Dazu wären jedoch kantonale Gesetzesänderungen nötig; die betroffenen Kantone bestritten jedoch, solche Änderungen zu planen.
Nicht nur wegen der Folgen bezüglich der NFA verglich die Presse die Auswirkungen der STAF auf die Kantone, sie berichteten auch regelmässig über den Stand der kantonalen Umsetzungsvorlagen zur STAF und zu deren Auswirkungen auf den Steuerwettbewerb zwischen den Kantonen. Besonders rosig präsentierte sich die Situation für die Kantone Genf, Basel-Stadt und Waadt, meldeten sie. Diese hätten ihre Gewinnsteuern allesamt deutlich reduziert, was ihnen gemäss Finanzminister Maurer deutlich leichter gefallen sei als anderen Kantonen, weil sie viele Unternehmen hätten, die bisher privilegiert besteuert worden seien. Insgesamt seien jedoch gemäss Medien die meisten Kantone dabei, ihre Gewinnsteuern denjenigen der Zentralschweizer Tiefsteuerkantone anzunähern. Verlieren würden dabei vor allem die Kantone Aargau und Zürich, deren Gewinnsteuern vergleichsweise hoch bleiben werden. Sie seien besonders stark auf die Möglichkeiten, die ihnen die STAF biete, angewiesen. Neben den Gewinnsteuern verglichen die Zeitungen auch immer wieder die sozialen Kompensationsmassnahmen, welche die Kantone planten. Hatte die Presse zum Beispiel Ende November 2018, nachdem der Kanton Bern eine Reduktion der Unternehmensbesteuerung abgelehnt hatte, noch berichtet, dass die meisten Kantone auf solche sozialen Ausgleichsmassnahmen verzichten würden, tönte dies im April 2019 anders: Gemäss NZZ planten 16 Kantone einen sozialen Ausgleich zu den Unternehmenssteuersenkungen. Die Drohung der SP, in allen Kantonen, die bei der kantonalen Umsetzung der STAF auf einen sozialen Ausgleich verzichten wollten, das Referendum zu ergreifen, habe demnach Erfolg gehabt, urteilten die Medien.
Neben Schaltegger schaltete sich auch Aymo Brunetti, Wirtschaftsprofessor der Universität Bern, in die Diskussion zur STAF ein. Er kritisierte insbesondere die laue Haltung des Bundesrates bezüglich der Erhöhung des Rentenalters. Er rechnete vor, dass die zusätzliche Lebenserwartung für 65-Jährige bei der Gründung der AHV 1948 12-13 Jahre betragen habe, diese nun aber bei 21 Jahren und bald sogar bei 25 Jahren liege. Zudem seien 1948 sechs Erwerbstätige auf einen Rentner gekommen, heute seien es noch gut drei. Heute müssten entsprechend vor allem die Jungen und Ungeborenen für die Renten der Älteren bezahlen: Ein 55-Jähriger zahle die zusätzlichen Lohnbeiträge noch 10 Jahre lang, ein 25-Jähriger aber viermal so lange. Zusätzlich erlangte der AHV-Teil der STAF auch aufgrund der Diskussionen zum Reformpaket AHV 21 regelmässig mediale Aufmerksamkeit. Im Februar 2019 zum Beispiel präsentierte der Bundesrat den Vernehmlassungsbericht zur neuen AHV-Rerfom. Die SP reagierte auf die darin enthaltene Erhöhung des Frauenrentenalters auf 65 Jahre mit einer Referendumsdrohung – hatte sie doch zuvor erklärt, mit der STAF sei die Rentenaltererhöhung vom Tisch. Immer wieder erschienen zudem Berichte, die besagten, dass die CHF 2 Mrd., welche die AHV durch die STAF erhalten würde, ihr bloss einige Jahre weiterhelfen würden. Eine Erhöhung des Frauenrentenalters könne damit wohl nicht verhindert werden, erklärte zum Beispiel der Tagesanzeiger.
Schliesslich diskutierten die Zeitungen die Frage, was bei einer Ablehnung der STAF geschehen würde. Einig war man sich, dass die umstrittenen Steuerprivilegien so bald wie möglich abgeschafft werden müssten. Unklar blieb dabei, wie geduldig sich die EU gegenüber der Schweiz zeigen würde. Und gänzlich unterschiedlich waren die Positionen der linken und der bürgerlichen Gegnerinnen und Gegner der Vorlage bezüglich der folgenden Revision: Die Präsidentin der Grünen, Regula Rytz (gp, BE), gab an, die Steuerprivilegien nach Ablehnung der STAF nur mit unbestrittenen Entlastungen abschaffen zu wollen; die Bürgerlichen hingegen sprachen davon, den Steuerteil der STAF ohne die AHV-Finanzierung umsetzen zu wollen.

Dass letztere Diskussionen unnötig waren, zeigte sich spätestens am 19. Mai 2019. Mit 66.4 Prozent sprachen sich die Stimmenden bei einer Beteiligung von 42.7 Prozent für den AHV-Steuer-Deal aus. Die Stimmenden in allen Kantonen nahmen die STAF an, besonders hoch war die Zustimmung in den Kantonen Waadt (80.7%), Neuenburg (72.4%) und Wallis (71.8%) mit über 70 Prozent Zustimmung, am tiefsten in den Kantonen Solothurn (58.6%), Bern (60.4%) und Aargau (62%). Wie die Nachabstimmungsbefragung «Voto» zeigte, sprachen sich die Sympathisantinnen und Sympathisanten sämtlicher Parteien mehrheitlich für die Vorlage aus, wenn auch bei der SVP (52%) nur knapp. Die Nachbefragung zeigte zudem, dass 42 Prozent der Befragten beide Vorlagen angenommen hätten, wenn diese den Stimmbürgerinnen und Stimmbürgern einzeln vorgelegt worden wären; 29 Prozent hätten nur zum AHV-Teil, 7 Prozent nur zum Unternehmenssteuerteil Ja gesagt und 7 Prozent hätten beide Vorlagen abgelehnt. Entsprechend erwies sich gemäss der Studie auch die Sanierung der AHV als Hauptargument der Ja-Stimmenden, während die Nein-Stimmenden vor allem mit der Verknüpfung der zwei Teile Mühe bekundeten. Trotz der Kritik, welche die Verknüpfung der zwei Themen erfahren hatte, erwies sich diese Taktik aus Sicht der Abstimmungsgewinnerinnen und -gewinner somit als erfolgreich.


Abstimmung vom 19. Mai 2019

Beteiligung: 42.7%
Ja: 1'541'147 (66.4%), Stände: 23
Nein: 780'457 (33.6%), Stände: 0

Parolen:
– Ja: BDP (1), CVP, EDU, EVP, FDP, SP; Jungfreisinnige (4), Junge CVP; Economiesuisse, Gemeindeverband, KdK, SAV, SBV, SGV, SSV, TravailSuisse, Kaufmännischer Verband Schweiz, Swiss Family Business, Science Industries, Swissholdings
– Nein: GLP (3), GPS (1), SD; Junge BDP, Junge Grüne, Junge Grünliberale, Juso, Junge SVP; VPOD
– Stimmfreigabe: SVP (10xJa, 4xNein); SGB
* in Klammern die Anzahl abweichender Kantonalsektionen

Steuervorlage 17 (SV17) und Bundesgesetz über die Steuerreform und die AHV-Finanzierung (STAF; BRG 18.031)
Dossier: Unternehmenssteuerreform III, Steuervorlage 17 und AHV-Steuer-Deal (STAF)

Die Voto-Analyse zur Abstimmung vom 12. Februar 2017 über die Unternehmenssteuerreform III verdeutlichte insbesondere, dass die Vorlage den Befragten grosse Schwierigkeiten bereitet hatte. So gaben 74 Prozent der an der Umfrage Teilnehmenden an, dass es ihnen eher schwer gefallen sei, zu verstehen, um was es bei der Vorlage ging. Entsprechend nutzten auch viele Befragte Entscheidungshilfen: 39 Prozent der Ja-Stimmenden und 20 Prozent der Nein-Stimmenden gaben an, bei der Entscheidungsfindung Empfehlungen von Bekannten, Parteien oder dem Bundesrat gefolgt zu sein. Das Vertrauen der Befragten in Bundesrat und Parlament sowie in die Wirtschaft erwies sich als relativ hoch, doch während Ersteres kaum Einfluss auf den Stimmentscheid hatte, zeigte sich das Vertrauen in die Wirtschaft als sehr relevant für das individuelle Stimmverhalten: Wer der Wirtschaft misstraute, lehnte die Vorlage mit grosser Wahrscheinlichkeit ab.
Sowohl Ja- als auch Nein-Stimmende nahmen die Notwendigkeit sowie den Nutzen der Unternehmenssteuerreform wahr – die entsprechenden Argumente wurden von beiden Lagern mehrheitlich akzeptiert. Entscheidend waren aber die Einschätzungen der Befragten bezüglich Nutzniessern und Folgen der Vorlage. So befürchteten 36 Prozent der Nein-Stimmenden, dass nur die Reichen oder grosse, internationale Firmen von der Änderung profitieren würden, während der Mittelstand die Kosten trage. Folglich rechneten 35 Prozent der Befragten mit tieferen Steuereinnahmen, 78 Prozent von ihnen lehnten die USR III ab. Kritisiert wurden gemäss den Autoren der Voto-Studie folglich nicht einzelne, konkrete Instrumente der Vorlage; vielmehr erwies sich das Gesamtpaket der Steuerinstrumente sowie dessen Vermittlung als nicht mehrheitsfähig.

BRG Unternehmenssteuerreform III (BRG 15.049)
Dossier: Unternehmenssteuerreform III, Steuervorlage 17 und AHV-Steuer-Deal (STAF)
Dossier: Referenden gegen die Abschaffung der Verrechnungssteuer

Die VOX-Analyse zur Volksinitiative "Für Ehe und Familie - gegen die Heiratsstrafe" kam zum Schluss, dass die äusserst knapp verworfene CVP-Initiative wohl angenommen worden wäre, wenn die Kontroverse hinsichtlich der engen Ehedefinition nicht bestanden hätte. Die Befragung habe gezeigt, so die Autoren, dass innerhalb der Schweizer Bevölkerung ein ziemlich breiter Konsens über die Notwendigkeit, die Ungleichbehandlung von verheirateten gegenüber unverheirateten Paaren im Bereich der Steuern und der Sozialversicherungen zu beseitigen, bestehe. Gleichzeitig hätten sich aber viele Befragte daran gestört, dass mit der neuen Regelung gleichgeschlechtliche Paare diskriminiert worden wären. Wenig überraschend war die Vorlage vor allem von den Stimmenden aus dem linken politischen Lager wuchtig abgelehnt worden. Dagegen war das Volksbegehren bei den Anhängern von CVP und SVP sowie bei Parteilosen auf viel Sympathie gestossen.

Volksinitiative der CVP «Für Ehe und Familie – gegen die Heiratsstrafe»
Dossier: Abschaffung der Heiratsstrafe
Dossier: Volksinitiative «für Ehe und Familie – gegen die Heiratsstrafe»: Initiative, Annullierung und Rückzug
Dossier: Reform der Ehe- und Familienbesteuerung seit 2000 – Gemeinschaftsbesteuerung oder Individualbesteuerung?

Die VOX-Analyse zur Volksinitiative "Millionen-Erbschaften besteuern für unsere AHV (Erbschaftssteuerreform)" verdeutlichte, dass es den Initianten trotz KMU-Sonderregelungen und dem von vielen Seiten als sinnvoll anerkannten Verwendungszweck der AHV kaum gelungen war, ausserhalb des linken Lagers Zustimmung für ihr Anliegen zu erhalten. Nicht einmal 20% der Anhängerinnen und Anhänger von CVP, FDP und SVP hatten ein Ja in die Urne gelegt. Die AutorInnen erklärten dies damit, dass der Stimmentscheid nicht durch persönliche Betroffenheitsmotive, sondern durch ein übergeordnetes Links-Rechts-Konfliktmuster geprägt war. Eine Mehrzahl der Befragten erachtete die Vorlage in erster Linie als eine neue Steuer und als Mehrfachbesteuerung desselben Steuersubstrats. Zudem gaben viele der befragten Vorlagengegner an, sich vor den wirtschaftlichen Folgen, insbesondere für die KMU, gefürchtet zu haben.

„Millionen-Erbschaften besteuern für unsere AHV (Erbschaftssteuerreform)“

Die VOX-Analyse zur Volksinitiative "Familien stärken! Steuerfreie Kinder- und Ausbildungszulagen" zeigte, dass nur gerade die Hälfte der CVP-Anhänger dem Anliegen ihrer Partei zugestimmt hatten. Bei der SVP, die etwas überraschend die Ja-Parole beschlossen hatte, war gar weniger als ein Drittel der Parteibasis der Empfehlung gefolgt. Die VOX-Analyse kam überdies zum Schluss, dass der gesellschaftspolitische Konflikt, der bei früheren familienpolitischen Vorlagen eine wichtige Rolle gespielt hatte, bei der CVP-Familieninitiative kaum zum Tragen gekommen war. Die Initiative sei, so die Autoren, vielmehr aus fiskalpolitischen Gründen abgelehnt worden. Eine Mehrzahl der befragten Personen hatte angegeben, gegen die Initiative gestimmt zu haben, weil vor allem bessergestellte Familien davon profitiert hätten. Neben dem Fairness-Argument, das im Wahlkampf vor allem von linker Seite eingebracht worden war, hatten auch die drohenden Steuerausfälle ein Nein begünstigt.

Volksinitiative "Familien stärken! Steuerfreie Kinder- und Ausbildungszulagen"

Gemäss der VOX-Analyse zur Volksinitiative "Schluss mit der MwSt-Diskriminierung des Gastgewerbes!" waren vor allem Personen, die der SVP und der CVP nahestanden, sowie Parteiungebundene der Vorlage gegenüber wohlwollend. Dies deckte sich mit den Parolenfassungen der Parteien. Zudem zeigte die Analyse, dass Stimmbürgerinnen und Stimmbürger, die sich auf der Links-Rechts-Skala an den beiden Polen verorten liessen, stärker zu einem Ja tendierten als die anderen Befragten. Die Studie führte dies darauf zurück, dass Personen am linken und rechten Rand des politischen Spektrums dem Gastgewerbe eine höhere Wichtigkeit beimassen als die anderen Stimmenden. Kaum Einfluss auf den Stimmentscheid schienen gemäss der VOX-Analyse derweil unterschiedliche Einstellungen in Bezug auf die staatliche Organisationsform und die Wettbewerbspolitik zu haben.

Volksinitiative Schluss mit der MwSt-Diskriminierung des Gastgewerbes!“

Nachdem bereits der Ständerat im Vorjahr dem Bundesrat gefolgt war und die Volksinitiative „Schluss mit den Steuerprivilegien für Millionäre“ zur Ablehnung empfohlen hatte, sprach sich im Mai 2014 auch der Nationalrat bei zwei Enthaltungen mit 119 zu 59 Stimmen gegen die Volksinitiative aus, die eine Abschaffung der Pauschalbesteuerung gefordert hatte. Die Ratslinke argumentierte, dass die bestehende Steuerpraxis, vermögende Ausländer, die nicht in der Schweiz erwerbstätig sind, nach ihrem Lebensaufwand zu besteuern, die Steuergerechtigkeit doppelt in Frage stellte. So würden wohlhabende Ausländer nicht nur im Vergleich zu reichen Schweizern, sondern auch gegenüber weniger Vermögenden privilegiert. Das bürgerliche Lager führte die Wichtigkeit der Standortattraktivität ins Feld, die grossen Einfluss auf die zukünftigen Steuereinnahmen etlicher Kantone habe.

Die Volksinitiative „Schluss mit den Steuerprivilegien für Millionäre“ kam am 30. November 2014 zur Abstimmung. Bei der Parolenfassung im Vorfeld des Urnenganges zeigte sich auf nationaler Ebene wenig überraschend das gleiche Bild wie bei den Abstimmungen im Parlament: Die SP, die Grünen und die EVP befürworteten wie die Gewerkschaften die Volksinitiative, während sich die SVP, die FDP, die CVP und die Grünliberalen wie die Wirtschafts- und Gewerbeverbände gegen das Begehren aussprachen. Auf Ebene der Kantonalparteien überraschte das Ausscheren von acht GLP-Sektionen, die alle von der nationalen Parteilinie abwichen. Fünf unter ihnen beschlossen die Ja-Parole, die anderen drei erteilten die Stimmfreigabe. Im Abstimmungskampf war das gegnerische Lager sehr präsent und dominierte den gekauften Raum. Untersuchungen zeigten, dass weniger als jedes zwanzigste Inserat von den Befürwortern stammte. Auf Seite des Nein-Lagers wurden drei von vier Inseraten von Parteien und deren Politikern geschaltet. Auffällig dabei war, dass vor allem Vertreter der FDP präsent waren. Die Volksinitiative wurde schliesslich von Volk und Ständen verworfen. 40,8% der Partizipierenden stimmten der Vorlage zu. Die gesamtschweizerische Stimmbeteiligung betrug 49,2%. Als einziger Stand stimmte der Kanton Schaffhausen, der 2011 auf kantonaler Ebene bereits die Pauschalbesteuerung abgeschafft hatte, mit 50,8% dem Volksbegehren zu. In den Kantonen Zürich (49,1%), Appenzell Ausserrhoden (48,0%), Basel-Landschaft (46,0%) und Basel-Stadt (45,1%), die allesamt auf kantonaler Ebene keine Pauschalbesteuerung mehr kennen, sprachen sich die Stimmbürgerinnen und Stimmbürger gegen eine landesweite Abschaffung der Steuerprivilegien für wohlhabende Ausländer aus. Die tiefsten Ja-Anteile wurden wenig überraschend in den Kantonen Wallis (21,7%) und Graubünden (28,8%) registriert, die zusammen mit den Kantonen Waadt (31,4%), Genf (31,7%) und Tessin (32,0%) die meisten pauschalbesteuerten Personen beheimaten.


Abstimmung vom 30. November 2014

Beteiligung: 49,9%
Ja: 1 053 125 (40,8%) / 1 Stand
Nein: 1 528 114 (59,2%) / 19 6/2 Stände

Parolen:
– Ja: SPS, GPS, EVP, CSP, SGB, TravS, Unia.
– Nein: SVP, FDP, CVP, GLP(8)*, BDP, eco, sgv, SAB.
* In Klammer Anzahl abweichender Kantonalsektionen

Die VOX-Analyse zur Volksinitiative „Schluss mit den Steuerprivilegien für Millionäre“ zeigte, dass die Zustimmungsbereitschaft zur Abschaffung der Pauschalbesteuerung in der linken Hälfte des politischen Spektrums gross war. Alle übrigen Stimmenden - von der Mitte bis zum rechten Rand - verwarfen das Volksbegehren deutlich. Am deutlichsten stimmte die Gruppe der FDP-Sympathisanten gegen die Vorlage. Nur jeder Sechste Freisinnige stimmte für die Abschaffung. Bei den der SVP nahestehenden Wählerinnen und Wählern gab es gut doppelt so viele Ja-Stimmen (35%), was in einem leichten Kontrast zur gefassten Parteiparole steht. Die Studie kam weiter zum Schluss, dass eine Vielzahl der Ja-Stimmen durch den Wunsch motiviert war, die bestehende Ungleichbehandlung von Schweizern und reichen Ausländern aufzuheben. Auf der Gegenseite waren die Stimmmotive vielfältiger: Neben der Befürchtung, dass ein Ja negative Auswirkungen auf die Steuereinnahmen haben könnte, wurden von den Befragten auch weiterführende Bedenken zur Steuerattraktivität und Wettbewerbsfähigkeit für die Schweiz als Gründe für den Stimmentscheid genannt.

Volksinitiative zur Abschaffung der Pauschalbesteuerung

Am 28. November stimmte das Volk über die Steuergerechtigkeitsinitiative ab. Sie wurde mit 58,5% Nein Stimmenanteil verworfen. Einzig in den Kantonen Genf, Neuenburg, Jura und Basel-Stadt fand das Volksbegehren eine Mehrheit. Damit verfehlte die Volkinitiative auch das Ständemehr. Für das Begehren eingesetzt hatten sich im Vorfeld neben den Sozialdemokraten auch die Grünen und die Gewerkschaften. Sie sahen in der Initiative ein wirkungsvolles Instrument zur Eindämmung des als schädlich empfundenen Steuerwettbewerbs und ein moderates und zielgerichtetes Mittel um die immer weiter fortschreitende steuerliche Entlastung der hohen Einkommen zu bekämpfen. Da die Initiative nur Mindestsätze vorschreibe, würde auch die Kantonsautonomie in Steuerfragen nicht zu sehr eingeschränkt. Gerade der letzte Punkt, nämlich die Einschnitte in die Steuerautonomie der Kantone und Gemeinden war jedoch ein wichtiger Grund, warum die Bürgerlichen und auch die Kantone das Begehren bekämpften. Mit ihnen hatten auch Economiesuisse und der Schweizerische Gewerbeverband die Nein-Parole beschlossen. Zu reden gaben auch die Auswirkungen der Initiative auf die Steuerlast des Mittelstandes. Die Gegner behaupteten, dass bei einer Annahme der Initiative der gesamte Mittelstand mehr Steuern bezahlen müsste, da die gesamte Steuerstruktur angepasst werden müsste.


Abstimmung vom 28. November 2010

Beteiligung: 50,9%
Ja: 1 072 668 (41,5%) / Stände: 3 1/2
Nein: 1 510 945 (58,5%) / Stände: 17 5/2

Parolen:
– Ja: SP, EVP, CSP, GP, SGV, SGB, TravS.
– Nein: FDP, CVP,SVP, EDU, Lega, BDP, GLP (1)* ; economiesuisse, SGV.
* In Klammer Anzahl abweichender Kantonalsektionen

Die Vox-Analyse der Abstimmung zeigte, dass das Abstimmungsverhalten stark vom Links-Rechts Gegensatz geprägt war. Während SP-Sympathisanten zu fast 80% ein Ja in die Urne legten, lehnten bürgerliche Wählerschaften die Initiative zu sehr hohen Prozentsätzen ab. Gründe für ein Ja waren unter anderem, dass man degressive Steuermodelle verbieten wollte, soziale Aspekte und eine generelle Skepsis gegenüber dem Steuerwettbewerb. Das Kontra-Argument, das am meisten Zuspruch fand, war, dass mit der Annahme der Initiative der Mittelstand mehr Steuern bezahlen müsste.

Volksinitiative „Für faire Steuern. Stopp dem Missbrauch beim Steuerwettbewerb “ (Steuergerechtigkeitsinitiative)

Das Volk entschied am 24. Februar über die Unternehmenssteuerreform II, gegen welche im Vorjahr eine Allianz aus SP, GP und SGB das Referendum eingereicht hatte.

In der Kampagne für die Volksabstimmung bekämpften die SP, die Grünen, die EVP, die CSP und die SD zusammen mit den Gewerkschaften die Reform. Für die Linke stellte diese Lockerung der Doppelbesteuerung der Unternehmensgewinne ein unnötiges, ja sogar verfassungswidriges Steuergeschenk an die Reichen dar. Sie befürchteten, dass die daraus resultierenden Mindereinnahmen den Staat zu Sparmassnahmen im Sozialbereich zwingen würden. Ihre Werbung schlug recht aggressive Töne an. So versuchten sie, die Vorlage mit den von breiten Kreisen als skandalös empfundenen hohen Löhne und Prämien für Bankmanager in Verbindung zu bringen.

SVP, FDP, CVP und Liberale unterstützten gemeinsam mit dem Bundesrat und den Unternehmerverbänden Economiesuisse und Gewerbeverband die Unternehmenssteuerreform. Sie betonten vor allem die daraus entstehenden Vorteile für die KMU. Das gegnerische Argument der Steuerausfälle relativierten sie mit der Behauptung, dass die eingesparten Steuern wieder investiert würden, was positive Auswirkungen auf das Wirtschaftswachstum und damit auch auf die zukünftigen Steuereinnahmen hätte.


Abstimmung vom 24. Februar 2008

Beteiligung: 38,6%
Ja: 938 744 (50,5%)
Nein: 918 990 (49,5%)

Parolen:
– Ja: FDP, CVP, SVP, GLP, LP, EDU, Lega; Economiesuisse, SGV, SBV.
– Nein: SP, GP, EVP (1)*, CSP (1)*, PdA, SD; SGB, Travail.Suisse.
* In Klammer Anzahl abweichender Kantonalsektionen

Das Bundesgesetz über die Reform der Unternehmenssteuern wurde bei einer relativ schlechten Stimmbeteiligung von 38,6% mit einem Ja-Stimmenanteil von 50,5% äusserst knapp angenommen. Der Vorsprung der Befürwortenden betrug weniger als 20'000 Stimmen. Am stärksten stimmten die Niedersteuerkantone Nidwalden (64,3%), Appenzell Innerrhoden und Zug zu. Am niedrigsten war die Akzeptanz in den linken Industriekantonen Neuenburg (40,4%) und Basel-Stadt. Grundsätzlich nahm die Zustimmung von Ost nach West ab. Eine wichtige Ausnahme bildete Genf, das als einziger französischsprachiger Kanton zustimmte. Ein Grund für die Differenz zwischen den Sprachregionen mag darin gelegen haben, dass ausser Bern (wo sie am 24. Februar mit einer kantonalen Volksabstimmung eingeführt wurde) und Basel-Stadt (wo sie in Vorbereitung ist) bereits alle Kantone der Deutschschweiz eine ähnliche Regelung im kantonalen Steuerrecht kennen. Die Vox-Analyse zum Stimmverhalten zeigte, dass die Anhängerschaft der SP und der Grünen nahezu geschlossen der ablehnenden Parteiparole gefolgt war. Auch die Mitglieder oder Sympathisanten der Gewerkschaften sprachen sich überdurchschnittlich oft gegen die Unternehmenssteuerreform aus (72% Nein). Zwischen der Anhängerschaft der drei grossen bürgerlichen Parteien SVP, FDP und CVP gab es kaum Unterschiede; sie stimmte zu mehr als 70% für die Reform.

BRG Unternehmenssteuerreform II (BRG 05.058)
Dossier: Unternehmenssteuerreform II

Bei einer tiefen Beteiligung von lediglich 36,9% nahmen Volk und Stände am 28. November 2004 die Verfassungsänderung zur Neugestaltung des Finanzausgleichs und der Aufgabenteilung zwischen Bund und Kantonen (NFA) mit 64,4% Ja-Stimmen an. Abgelehnt wurde die Vorlage nur in den Kantonen Zug (83% Nein), Schwyz (56%) und Nidwalden (53%).


Abstimmung vom 28. November 2004

Beteiligung: 36,9%
Ja: 1 104 565 (64,4%) / 18 5/2 Stände
Nein: 611 331 (35,6%) / 2 ½ Stände

Parolen:
– Ja: CVP (2*), FDP (1*), SVP (6*), LP, EVP, EDU, FP, Lega; economiesuisse, SGV, ZSA, SBV, Gemeindeverband, Städteverband, Tourismusverband, Verband öffentlicher Verkehr.
– Nein: SP (9*), GP, CSP, PdA (1*); SGB, Travail.Suisse, Pro Mente Sana, Sehbehinderte, Hörgeschädigte.
– Stimmfreigabe: SD.
* In Klammer Anzahl abweichender Kantonalsektionen

Im Abstimmungskampf am umstrittensten war die vollständige Zuweisung der Finanzierung der Behindertenheime und -integrationsmassnahmen an die Kantone. Ein Teil der Behindertenorganisationen befürchtete infolge des Wegfalls der Bundessubventionen einen Leistungsabbau und bekämpfte deshalb die NFA. Unterstützt wurde sie dabei von der SP, den Grünen und den Gewerkschaften, welche die Nein-Parole ausgaben, wobei sechs Kantonalsektionen der SP (BE, BL, FR, NW, TG, UR) Annahme empfahlen und zwei die Stimme freigaben (BS, SZ). Die Modernisierung des interkantonalen Finanzausgleichs mit seiner neuen Berechnungsbasis (steuerbare Einkommen und Vermögen) und dem Lastenausgleich zugunsten von Gebirgskantonen und Kantonen mit Grossstädten war an sich nicht bestritten. Da sie aber eine Mehrbelastung von einigen Geberkantonen – und dort möglicherweise Steuererhöhungen – mit sich brachte, regte sich Widerstand. In diesen Kantonen (BL, NW, SZ, ZG, ZH) bekämpfte deshalb auch die SVP die Vorlage.

Gemäss Vox-Analyse am stärksten auf den Stimmentscheid ausgewirkt hat sich das Vertrauen in den Bundesrat. Von den sozialen Merkmalen hatte nur das Haushaltseinkommen einen gewissen Einfluss auf das Abstimmungsverhalten (Gutsituierte nahmen die Vorlage eher an als ärmere Bevölkerungsschichten). Auffallend ist, dass wesentlich mehr Befragte als bei anderen Abstimmungen spontan angaben, der Empfehlung von Bundesrat und Parlament gefolgt zu sein.

BRG 01.074: Neugestaltung des Finanzausgleichs

Die Vorlage zur neuen Finanzordnung wurde im Vorfeld der Abstimmung kaum bekämpft. Einzig die politisch unbedeutende Partei der Arbeit und drei Kantonssektionen der SVP (SG, VS, ZG) gaben die Nein-Parole heraus.

Abstimmung vom 28. November 2004

Beteiligung: 36,8%
Ja: 1 258 895 (73,8%) / 19 6/2 Stände
Nein: 446 662 (26,2%) / 1 Stand

Parolen:
– Ja: CVP, FDP, SP, SVP (3*), GP, LP, CSP, EDU, EVP, FP, Lega, SD; ZSA, economiesuisse, SGV, SBV, SGB, Travail.Suisse.
– Nein: PdA.
* In Klammer Anzahl abweichender Kantonalsektionen


Am 28. November 2004 stiess die neue Finanzordnung bei einer grossen Mehrheit der Stimmenden (73,8%) und allen Kantonen ausser Zug (51% Nein) auf Zustimmung. Die Vox-Analyse zeigte auf, dass eine deutliche Mehrheit der Stimmbevölkerung keine Ahnung hatte, um was es bei der Vorlage ging. Manche glaubten, sie bilde einen Teilaspekt der Neugestaltung des Finanzausgleichs und der Aufgabenteilung (NFA), über die sie am selben Wochenende zu befinden hatten. Auf den Abstimmungsentscheid hatte dies jedoch keine Auswirkungen: Nichtinformierte stimmten exakt gleich wie die wenigen, welche sich mit dem Inhalt der neuen Finanzordnung befasst hatten. Die schlechten Kenntnisse und die Verwechslung mit der NFA führten dazu, dass die Einstellung zu letzterer zum wichtigsten Bestimmungsgrund für den Entscheid über die neue Finanzordnung wurde. Wer der NFA zustimmte, hiess zu 92% auch die neue Finanzordnung gut; wer die NFA ablehnte, votierte zu 65% ebenfalls gegen die Finanzordnung. Wie bei der NFA waren auch bei der Finanzordnung die Einkommensverhältnisse das einzige soziale Merkmal, das die Stimmabgabe beeinflusste; am deutlichsten war die Zustimmung bei Personen in gutsituierten Haushalten.

Neue Finanzordnung 2004 (BRG 02.078)

Am 16. Mai 2004 kam das Steuerpaket zur Abstimmung. Insbesondere aufgrund der befürchteten Einbussen bei der Wohneigentumsbesteuerung sprachen sich neben den elf Kantonen (BS, BE, GL, GR, JU, OW, SG, SH, SO, VD, VS), welche erstmals seit 1874 das Standesreferendum ergriffen hatten, auch neun weitere für die Ablehnung der Vorlage aus. Linke und Grüne, welche ebenfalls das Referendum ergriffen hatten, Gewerkschaften und der Schweizerische Mieterverband gaben die Nein-Parole heraus. Zur Befürworterseite zählten die FDP und die SVP sowie die Wirtschafts- und Arbeitgeberverbände und der Schweizerische Hauseigentümerverband. Auch die CVP befürwortete das Steuerpaket, allerdings hatten viele Kantonalsektionen die Nein-Parole herausgegeben.

Abstimmung vom 16. Mai 2004

Beteiligung: 50,8%
Ja: 821 475 (34,1%)
Nein: 1 585 910 (65,9%)

Parolen:
– Ja: CVP (9*), FDP (1*), SVP (1*), LP, EDU, FP, Lega; economiesuisse, SGV, ZSA, Hauseigentümerverband, Gemeindeverband.
– Nein: SP, GP, CSP, EVP, PdA, SD; SGB, Travail.Suisse, Mieterverband, Städteverband, Konferenz der kantonalen Finanzdirektoren.
– Stimmfreigabe: SBV
* In Klammer Anzahl abweichender Kantonalsektionen


Bei einer hohen Stimmbeteiligung von 50,8% verwarf das Volk das Steuerpaket mit 65,9% Nein- Stimmen. Lediglich in den drei Bezirken Meilen (ZH), Höfe (SZ) und Rheintal (SG) waren Ja-Mehrheiten zustande gekommen. Gemäss der Vox-Analyse lehnten Frauen, die städtische Bevölkerung und Personen mit niedrigem Einkommen die Vorlage noch deutlicher ab als Männer, die Landbevölkerung und Personen mit höherem Haushaltseinkommen. Ausschlaggebend für das Stimmverhalten waren die Parteiverbundenheit und die Einstufung auf der Links-Rechts-Achse: Unter den Befragten, welche Sympathien für die SVP bekundeten, nahmen 52%, bei der FDP 58% das Steuerpaket an, bei der SP stiess es auf massive Ablehnung (17% Ja). Ein differenzierteres Bild zeigte sich bei der CVP, wo lediglich 31% der Befragten, die der CVP nahe standen, das Steuerpaket gemäss der nationalen Parteiparole annahmen (9 kantonale Sektionen hatten die Nein-Parole herausgegeben). Diese Tendenz zur Polarisierung zwischen den Parteien bestätigte sich durch die Positionierung der Befragten auf einer Links-Rechts-Achse: Je weiter links sich die Befragten auf der Achse einstuften, desto stärker fiel die Ablehnung des Steuerpakets aus, je weiter rechts die Einstufung, desto stärker die Zustimmung. Aus der Untersuchung der Stimmmotive ging hervor, dass nach Auffassung der Gegnerinnen und Gegner das Steuerpaket zu stark den gut Verdienenden zugute kam und zu viele unterschiedliche Massnahmen enthielt.

Steuerpaket 2001 (BRG 01.021)
Dossier: Steuerpaket 2001

Am 2. Dezember stimmten Volk und Stände über die Volksinitiative „für eine Kapitalgewinnsteuer“ ab. Unterstützung erhielt das vom Schweizerischen Gewerkschaftsbund eingereichte Begehren von der SP und den Grünen, der CSP, der EVP und dem CNG. Die bürgerlichen Parteien sowie Gewerbe-, Wirtschafts- und Arbeitgeberverbände gaben die Nein-Parole heraus. Einzig die CVP des Kantons Jura empfahl ein Ja. Nach einem flauen Abstimmungskampf, der einzig von einem vorrübergehenden Stopp eines SGB-Inserates in der Edipresse kurzfristig belebt wurde, verwarfen Volk und Stände die Vorlage mit 66% Nein-Stimmen bei einer Stimmbeteiligung von nur 37%. Kein einziger Kanton unterstützte das Begehren. Am stärksten war die Ablehnung in Schwyz (81%), Nidwalden (78%) und Appenzell Innerrhoden (77%), am meisten Ja-Stimmen erzielte die Initiative in den Kantonen Jura (45%), Neuenburg und Bern (je 41,5%). Wie bereits in der Parlamentsdebatte zeigte sich auch bei der Abstimmung ein klarer Links-Rechts-Gegensatz. Gemäss Vox-Analyse waren die Stimmenden aus Kantonen mit hoher Steuerbelastung der Vorlage stärker gewogen als die Stimmenden in Kantonen mit niedriger Belastung.


Abstimmung vom 2. Dezember 2001

Beteiligung: 37,8%
Ja: 594 927 (34,1%) / 0 Stände
Nein: 1 149 182 (65,9%) / 20 6/2 Stände

Parolen:
– Ja: SP, GP, CSP, EVP, PdA; SGB, CNG
– Nein: FDP, CVP, SVP, LP, FP, EDU, SD, Lega; SGV, Arbeitgeberverband, economiesuisse

Volksinitiative «für eine Kapitalgewinnsteuer»

Mitten im Endspurt um das Swissair-Milliardenpaket lancierte der Bundesrat Ende Oktober seine Kampagne für die Volksabstimmung über die Schuldenbremse. Bürgerliche Parteien, Wirtschaft, Gewerbe und Arbeitgeberverbände folgten ihm und gaben die Ja-Parole heraus. Lediglich die SP, die Grünen, die PdA und die Lega sowie der Schweizerische Gewerkschaftsbund empfahlen ein Nein. Am 2. Dezember 2001 hiessen die Stimmberechtigten geschlossen mit 85% Ja-Stimmen die Einführung der Schuldenbremse gut. Am meisten Unterstützung erhielt die Vorlage in den Kantonen Nidwalden (90%), Appenzell Innerrhoden und St. Gallen (je 89%), am wenigsten im Tessin und in den Westschweizer Kantonen Genf und Jura (je 75%). Gemäss der Vox-Analyse hatten sogar die Sympathisanten der SP mit Zweidrittelmehrheit zugestimmt.


Abstimmung vom 2. Dezember 2001

Beteiligung: 37,8%
Ja: 1 472 259 (84,7%) / 20 6/2 Stände
Nein: 265 090 (15,3%) / 0 Stände

Parolen:
– Ja: FDP, CVP, SVP, LP, CSP, EVP, FP, EDU, SD; SGV, Arbeitgeberverband, economiesuisse.
– Nein: SP, GP (1*), Lega, PdA; SGB.
* In Klammer Anzahl abweichender Kantonalsektionen

Schuldenbremse (BRG 00.060)
Dossier: Schuldenbremse

Gemäss Vox-Analyse widerspiegelte sich die Homogenität und hohe Zustimmung zum Haushaltsziel darin, dass viele gesellschaftliche Merkmale wie Geschlecht, Schulbildung, Erwerbsgrad, berufliche Stellung, Haushaltseinkommen oder Alter in keinem signifikanten Zusammenhang mit dem Abstimmungsverhalten standen. Obwohl die Gegnerschaft vor allem den Einwand der sozialen Unverträglichkeit erhoben hatte, fiel die Ablehnung der Vorlage bei den Rentner nicht höher aus, eher im Gegenteil. Grössere Verhaltensunterschiede ergaben sich nur in sprachregionaler und parteipolitischer Hinsicht. Während das bürgerliche Lager (87%) geschlossen hinter dem Haushaltsziel stand, waren die Sympathisanten der rot-grünen Parteien skeptischer; aber auch sie stimmten mit deutlicher Mehrheit (61%) der Vorlage zu.

Haushaltsziel 2001 (BRG 97.042)

Löschen: eingefügt in #18672
Die Vox-Befragung zur Abstimmung zeigte klar, dass sich die grosse Mehrheit der Votierenden vom Sparappell des Bundesrates überzeugen liess. Rund 20% der Befürworter gaben als Argument für die Ausgabenbremse an, die Parlamentarier disziplinieren und zur Anwesenheit im Saal zwingen zu wollen. Bei den Nein-Stimmenden überwog die Ansicht, dass die Ausgabenbremse bloss als Alibi für die Behörden diene und keine wirkliche Sparmassnahme darstelle.

Ausgabenbremse (BRG 93.078)

Gemäss der Vox-Analyse zeigte unter den sozioökonomischen Merkmalen die Zugehörigkeit zu einer bestimmten Sprachregion den signifikantesten Zusammenhang mit dem Stimmverhalten. Die politische Merkmalsgruppe mit der deutlichsten Zustimmung waren die Anhänger der GP, während Mitglieder und Sympathisanten der Auto-Partei und politisch wenig Interessierte die deutlichste Ablehnung äusserten. Bei den Entscheidmotiven zeigte sich, dass bei den Ja-Stimmenden in der Deutschschweiz die Mittelbeschaffung für die Bundeskasse, Umweltschutzargumente und das Verursacherprinzip im Vordergrund standen. In der Romandie hingegen war für die Befürworter das entscheidende Motiv die zu 50% zweckgebundene Verwendung für den Strassenbau, insbesondere die Nationalstrassen, während ökologische Beweggründe bedeutungslos blieben. Insgesamt erzielten die Treibstoffzolleinnahmen, wie nach Annahme der Referendumsabstimmung erwartet, im Rechnungsjahr ein gutes Ergebnis, blieben aber trotzdem CHF 400 Mio. unter dem budgetierten Betrag, nicht zuletzt auch weil der Benzintourismus im Südtessin und in der Region Basel stark zurückging.

Revision des Treibstoffzollgesetzes

Finanzordnung
Abstimmung vom 28. November 1993

Beteiligung: 45,4%
Ja: 1 247 400 (66,7%) / 19 6/2 Stände
Nein: 674 031 (33,3%) / 1

Parolen:
Ja: FDP, SP, CVP, SVP (2*), LP, LdU, EVP, EDU; Vorort, SGV, SBV, SGB, Bankiervereinigung, Tourismus-Verband, Hotelier-Verein.
Nein: AP (1*), SD, PdA, Lega; Wirteverband, Coiffeurmeister-Verband, Bäcker- und Konditorenmeisterverband, Metzgermeisterverband, Centre Patronal.
Stimmfreigabe: GP.

* In Klammer Anzahl abweichender Kantonalsektionen.

Beitrag zur Gesundung der Bundesfinanzen (Satz 6,5%)
Abstimmung vom 28. November 1993

Beteiligung: 45,4%
Ja: 1 163 887 (57,7%) / 15 6/2 Stände
Nein: 852 439 (42,3%) / 5

Parolen :
Ja: FDP (4*), CVP, SP, SVP (6*), GP, LdU (1*), EVP; Tourismus-Verband, Hotelier-Verein, SGB.
Nein: LP, AP, SD, PdA, Lega, EDU; gleiche Verbände wie bei Finanzordnung.
Stimmfreigabe: Vorort, SGV, VSM.
* In Klammern Anzahl abweichender Kantonalsektionen.

Massnahmen zur Erhaltung der Sozialversicherung
Abstimmung vom 28. November 1993

Beteiligung: 45,4%
Ja: 1 258 782 (62,6%) / 19 6/2 Stände
Nein: 752 472 (37,4%) / 1

Parolen:
Ja: FDP (6*), CVP, SP, SVP (8*), GP, LdU (1*), EVP; Tourismus-Verband, Hotelier-Verein, SGB.
Nein: LP, AP, SD, PdA, Lega, EDU; SGV und gleiche Verbände wie bei Finanzordnung.
Stimmfreigabe: Konsumentinnenforum Schweiz.
* In Klammern Anzahl abweichender Kantonalsektionen.

Besondere Verbrauchssteuern
Abstimmung vom 28. November 1993


Beteiligung: 45,4%
Ja: 1 212 002 (60,6%) /17 6/2 Stände
Nein: 786 396 (39,4%) / 3

Parolen :
Ja: FDP, CVP, SP, SVP (3*), LP, GP, LdU, EVP; Vorort, SGV, RN, Tourismus-Verband, Hotelier-Verein, SGB.
Nein: AP, SD, PdA, Lega; gleiche Verbände wie bei Finanzordnung.
* In Klammern Anzahl abweichender Kantonalsektionen.

Alle vier Vorlagen des Finanzpaketes wurden mit Ja-Anteilen zwischen knapp 58 und 67% bei einer Stimmbeteiligung von 45,4% angenommen. Der Kanton Zürich verzeichnete bei allen vier Teilen des Finanzpaketes die stärkste Zustimmung. Am negativsten war die Einstellung im Kanton Wallis, gefolgt vom Tessin.

Die Vox-Analyse zeigte, dass bei den ersten beiden Vorlagen die Zustimmung unter hoch gebildeten und gut verdienenden Urnengängern aus städtischen Gebieten am höchsten war. Am meisten Ablehnung erfuhren die zwei Vorlagen bei wenig Gebildeten, bei Landwirten, in der Arbeiterschaft mit niedrigem Einkommen sowie in ländlichen und peripheren Gebieten. In der deutschsprachigen Schweiz war die Zustimmung generell höher als in der Romandie und im Tessin. In bezug auf die politischen Einstellungen war die Befürwortung bei Anhängern der SP, der Zentrumsparteien LdU/EVP sowie der Freisinnigen am grössten, während sie bei jenen der SVP und bei Parteiungebundenen am geringsten war. Bei den Entscheidmotiven der Ja-Stimmenden zur Frage des Systemwechsels spielte das finanzpolitische Argument und die Anpassung an das Steuersystem der Staaten der Europäischen Union die grösste Rolle. Hingegen schienen die spezifischen Vorteile einer Mehrwertsteuer nur zweitrangig zu sein. Unter den Nein-Stimmenden überwog neben einer diffusen Abwehr vor mehr Steuern vor allem die Angst vor einem Teuerungsschub sowie das Argument, der Bund solle besser mehr sparen als zusätzliche Steuern eintreiben. Dieses Element spielte bei den Nein-Stimmenden vor allem in der Frage zur Höhe des Steuersatzes die ausschlaggebende Rolle. Die Inhalte der beiden übrigen Vorlagen über die Massnahmen zur Erhaltung der Sozialversicherung und jene über die besonderen Verbrauchssteuern waren von den Befragten sehr viel ungenauer und summarischer wahrgenommen worden als die beiden ersten Beschlüsse.

Entwurf der Regierung zum Ersatz der neuen Bundesfinanzordnung

Nachdem die SP und die Gewerkschaften gegen den 1991 vom Parlament beschlossenen Abbau der Stempelsteuer auf Finanzmarktgeschäften ein Referendum eingereicht hatten, kam die Vorlage am 27. September zur Abstimmung.

Die Argumente für und gegen die Änderung des Stempelsteuergesetzes unterschieden sich kaum von jenen, welche schon 1991 im Rahmen der Revision der Bundesfinanzordnung, in welche die Änderung des Stempelsteuergesetzes integriert war, vorgebracht worden waren. Mit einem klaren Mehr von 61,5% wurde die Vorlage vom Volk angenommen; die höchsten Ja-Anteile mit 68 bis 71% verzeichneten die Finanzzentren Genf, Zürich und Zug, den geringsten Anteil mit 50,8% erzielte der Kanton Uri. Gemäss der Vox-Analyse waren parteipolitische Merkmale und die Links-Rechts-Orientierung besonders relevant für das Stimmverhalten. Unter den bürgerlichen Parteien konnte die FDP ihre Anhängerschaft am besten hinter ihre Parole scharen. Im rot-grünen Lager, welches die eigentliche Gegnerschaft der Vorlage ausmachte, konnte die SP ihre Anhängerschaft nicht von einem Nein überzeugen: fast die Hälfte ihrer Sympathisanten stimmte für die Abschaffung der Stempelabgaben; unter der grünen Wählerschaft waren es mit 42% etwas weniger. Die soziodemographischen Merkmale wie Alter, Geschlecht, Bildung und Sprachregion waren kaum relevant für das Stimmverhalten. Bei den Beweggründen wurden von den Befürwortern die Erhaltung des Finanzplatzes Schweiz, die Verhinderung von Kapitalabwanderung sowie die Konkurrenzfähigkeit des Bankenwesens genannt. Unter den Nein-Stirnmenden gaben 42% die prekäre Situation der Bundesfinanzen und die fehlende Kompensation der Einnahmenausfälle als Hauptgrund für ihre ablehnende Haltung an. Eine zweite wichtige Gruppe von Gegnern liess vor allem eine grundsätzlich kritische Haltung gegenüber dem profitorientierten Denken der Banken erkennen.


Abstimmung vom 27. September 1992

Beteiligung: 45,7%
Ja: 1 230 579 (61,5%)
Nein: 771'351 (38,5%)

Parolen:
– Ja: FDP, CVR, SVP, LP, LdU, EVP (1*), AP; SHIV, SGV.
– Nein: SP, GP, PdA, EDU; SGB, CNG.
– Stimmfreigabe: SD
*In Klammer Anzahl abweichender Kantonalsektionen

Pa.Iv. zur Revision des Stempelsteuergesetzes

Gemäss der gegnerischen Argumentation ist die dritte MWSt-Vorlage nicht wie in den ersten beiden Anläufen wegen des Systemwechsels als solchem sondern wegen der Verknüpfung mit weiteren steuerpolitisch umstrittenen Gegenständen gescheitert. Nationalrat Paul Eisenring (cvp, ZH) interpretierte das Ergebnis in ähnlicher Richtung: Laut seinen Ausführungen sind Vorlagen in Form von "Paketen" bei den Stimmbürgerinnen und Stimmbürgern nicht mehrheitsfähig. Laut der VOX-Analyse gestaltete sich die Mobilisierung der Stimmbürger und Stimmbürgerinnen ungünstig, da es für die Mehrheit sehr schwierig war, sich eine eigene Meinung zur Neuordnung der Bundesfinanzen und deren Auswirkungen auf die eigene Person zu bilden. Unter den Nein-Sagern waren Personen mit geringem Bildungsgrad, mit wenig Vertrauen in die Regierung und ohne Parteibindung übervertreten. Wichtigste Erkenntnis der Umfrage war jedoch, dass sich die Gegner der Vorlage eher gegen Steuern im allgemeinen wandten und nicht das Prinzip der Mehrwertsteuer als solches ablehnten: 23% der Nein-Stimmenden wollten einfach in diffuser Weise Widerstand gegen Steuern allgemein leisten, 20% wandten sich gegen eine Mehrbelastung der Konsumenten, 7% lehnten Mehreinnahmen des Bundes ab und nur 6% waren explizit gegen eine Mehrwertsteuer.

Neue Finanzordnung 1995 (BRG 89.041)
Dossier: Neue Bundesfinanzordnung 1991