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Jahresrückblick 2020: Öffentliche Finanzen

Im Jahr 2020 wurde in den Medien im Verhältnis zu anderen Themen deutlich weniger über den Themenbereich «Öffentliche Finanzen» berichtet als in den Jahren 2017 bis 2019. Dies lag jedoch nicht am Unterthema «Finanzlage», im Gegenteil: 2020 wurde häufiger über das Budget, die Staatsrechnung oder die öffentlichen Finanzen diskutiert als im Vorjahr. Grund dafür war die Corona-Pandemie, die bei den Medien das Interesse an der Frage weckte, wie es ob der Pandemie um die Bundesfinanzen stehe. Diese Frage war durchaus berechtigt, zumal die Massnahmen zur Bekämpfung der Pandemie sowohl einnahmen- als auch ausgabenseitig grosse Konsequenzen nach sich zogen. Die hohen Ausgaben kündigten sich bereits im März 2020 an, als der Bundesrat dem Parlament in zwei Nachmeldungen zum ersten Nachtragskredit CHF 41.9 Mrd. als Verpflichtungskredite für die Corona-Soforthilfe für Unternehmen sowie CHF 15.3 Mrd. als Nachtragskredite beantragte. Hinzu kamen im zweiten Nachtragskredit im Mai 2020 noch einmal CHF 14.9 Mrd., womit der Bundesrat mehr als CHF 30 Mrd. zur Bekämpfung der Pandemie und ihrer Auswirkungen einzusetzen plante.
Auch die Einnahmen des Bundes litten mehrfach unter Corona: Der Wirtschaftseinbruch führte zu einer Reduktion des Konsums und dadurch zu einem Mehrwertsteuerausfall, die steigende Arbeitslosigkeit sowie die Lohnreduktion durch Kurzarbeit führten zu einer Reduktion der Erträge der Einkommenssteuer, tiefere Gewinne und Konkurse von Unternehmen führten zu tieferen Unternehmenssteuern und die Möglichkeit, Steuerzahlungen im Jahr 2020 zinslos aufzuschieben, führte in mehreren Bereichen zu Steuerausfällen. Zwar war unklar, wie hoch diese Steuerausfälle schlussendlich sein würden, die FK-NR rechnete aber während des ersten Lockdowns mit Ausfällen in der Höhe von CHF 6 bis 8 Mrd. Zusammengenommen ergaben die höheren Ausgaben und tieferen Einnahmen ein erwartetes Defizit von CHF 30 bis 40 Mrd. Zum Vergleich: Im Jahr 2019 hatte der Bund einen Überschuss von CHF 3 Mrd. erwirtschaftet. Die Gesamtleistung des Bundes im Rahmen der Corona-Krise über die nächsten Jahre hinweg schätzte Finanzminister Maurer im April 2020 gar auf CHF 70 bis CHF 80 Mrd. – sie entspräche damit ungefähr den Bundesausgaben eines Jahres.
Zwar gab es Mitte August 2020 eine zeitweise Entwarnung, als der Bundesrat im Nachtrag IIb ankündigte, dass ein Teil der bereits veranschlagten CHF 31 Mrd. nicht ausgeschöpft werden müsse: Insgesamt fielen «nur» ausserordentliche Ausgaben von CHF 17.8 Mrd. an. Jedoch zeigte sich zu demselben Zeitpunkt auch, dass die Fiskaleinnahmen im ersten Halbjahr 2020 um fast 1.3 Mrd. tiefer lagen als im gleichen Zeitraum 2019. In der Folge gelang es dem Bundesrat aber, die erwarteten Corona-bedingten Mehrkosten für das Jahr 2021 im ordentlichen Voranschlag unterzubringen, ohne dabei die Schuldenbremse auszureizen. Wie Bundesrat Maurer aber bereits zu diesem Zeitpunkt betont hatte, waren diese positiven Meldungen unter anderem von der weiteren Entwicklung der Pandemie abhängig, und so machte die zweite Welle dem Finanzminister noch einmal einen Strich durch die Rechnung: Im September 2020 beantragte der Bundesrat dem Parlament in einer Nachmeldung zum Voranschlag 2021 noch einmal CHF 1.4 Mrd. zur Bekämpfung der Auswirkungen der Pandemie, bewegte sich aber auch damit noch immer im Rahmen des von der Schuldenbremse Erlaubten.
Dass die Schweiz 2020 ein Defizit machen würde, stand ob der grossen Hilfspakete des Bundesrates ausser Frage. Diskutiert wurde in den Medien aber die Frage, wie dieses Defizit verbucht und anschliessend abgebaut werden soll. Sollten die ausserordentlichen Corona-Ausgaben auf das Amortisationskonto der Schuldenbremse gebucht werden oder sollten sie an der Schuldenbremse vorbeigeschleust werden, wie eine 19-zu-5-Mehrheit der FK-NR (Mo. 20.3470) forderte? Einig war man sich mehrheitlich, dass eine Kompensation in den nächsten sechs Jahren, wie es die aktuelle Regelung bei einer Buchung auf das Amortisationskonto verlangen würde, kaum möglich wäre. Stattdessen wurde darüber diskutiert, ob die Schulden innert 10, 20 oder 30 Jahren oder gar ohne zeitliche Zielvorgabe zurückgezahlt werden sollen. Vorgeschlagen wurde auch, den Schuldenabbau durch zusätzliche Einnahmen, zum Beispiel durch die fixe Zuweisung des Gewinnanteils des Bundes an den Einnahmen der SNB, zu beschleunigen (Motion der WAK-NR: Mo. 20.3450).

Abgesehen von Corona lief 2020 insbesondere im Bereich der «Direkten Steuern» einiges. Dass der Themenbereich verglichen mit den Jahren 2017 bis 2019 deutlich weniger mediale Aufmerksamkeit generierte, liegt an den Abstimmungen über die sehr umstrittenen Revisionen der Unternehmenssteuern in den vergangenen Jahren (2017: USR III, 2019: STAF). Im Jahr 2020 stand hingegen zu den direkten Bundessteuern «nur» das Referendum gegen die steuerliche Berücksichtigung der Kinderdrittbetreuungskosten an, das deutlich weniger Aufmerksamkeit generierte. Hier hatte das Parlament das ursprüngliche Anliegen der Vorlage, den Drittbetreuungsabzug von CH 10'000 auf CHF 25'000 zu erhöhen, um eine Erhöhung des Kinderabzugs von CHF 6'500 auf CHF 10'000 ergänzt. Dagegen hatten SP und Grüne das Referendum ergriffen, weil sie die hohen Kosten dieser Massnahme, das fehlende Geld für andere Projekte und den einseitigen Nutzen der Erhöhung des Kinderabzugs für die Gutverdienenden kritisierten. Die Befürworterinnen und Befürworter der Änderung warben hingegen damit, dass die Vorlage Mittelstand und Familien entlaste. Mit 63.2 Prozent Nein-Stimmen lehnten die Stimmbürgerinnen und Stimmbürger die Änderung eher überraschend ab.
Daneben wurde im Themenbereich «Direkte Steuern» einmal mehr über die Abschaffung der Heiratsstrafe und damit verbunden über die Volksinitiative «Für Ehe und Familie – gegen die Heiratsstrafe» der CVP diskutiert. Nachdem das Bundesgericht die Abstimmung zur CVP-Initiative im April 2019 annulliert hatte, reichte das Initiativkomitee im Februar 2020 – auch auf Anraten von CVP-Präsident Gerhard Pfister – die von 14 der 15 Mitgliedern unterzeichnete Rückzugserklärung bei der Bundeskanzlei ein. Eine Beschwerde des Vereins Human Life, der sich mit Verweis auf ein Rechtsgutachten gegen den Rückzug wehrte, lehnte das Bundesgericht im Oktober 2020 ab.
Darüber hinaus bereinigte das Parlament das Bundesgesetz über die steuerliche Behandlung finanzieller Sanktionen, welches entsprechend einer Motion Luginbühl (bdp, BE; Mo.14.3450) die Steuerabzüge von Bussen mit Strafzweck sowie von Bestechungszahlungen an Private und Aufwendungen zur Ermöglichung von Straftaten streichen wollte. Das Parlament entschied sich jedoch, vom Ausland verhängte Bussen weiterhin steuerlich abzugsfähig zu machen, sofern die Sanktionen gegen den schweizerischen Ordre public verstossen oder wenn das Unternehmen glaubhaft darlegen kann, dass es «alles Zumutbare unternommen hat, um sich [nach ausländischem Recht] rechtskonform zu verhalten».

Nicht zuletzt präsentierte der Bundesrat verschiedene neue Reformprojekte, unter anderem das Bundesgesetz über administrative Erleichterungen und die Entlastung des Bundeshaushalts, dessen Ziel die Entlastung des Bundeshaushalts durch verschiedene strukturelle Reformen in der Bundesverwaltung ist. Bereits ein erstes Mal im Parlament behandelt wurden das Bundesgesetz über elektronische Verfahren im Steuerbereich sowie die Botschaft zur Volksinitiative «Löhne entlasten, Kapital gerecht besteuern» der SP, welche der Bundesrat zuvor zur Ablehnung empfohlen hatte. Anträge auf Erarbeitung eines direkten Gegenentwurfs sowie auf Annahme der Initiative wurden abgelehnt. Auch im Bereich indirekte Steuern sorgte ein neues Initiativprojekt für einiges mediales Aufsehen, nämlich die Volksinitiative «Mikrosteuer auf dem bargeldlosen Zahlungsverkehr». Die Initiative will jede Belastung und Gutschrift des bargeldlosen Zahlungsverkehrs anfänglich mit 0.05 Promille belasten und dafür die Mehrwertsteuer, die direkte Bundessteuer sowie die Stempelabgabe abschaffen. Das Komitee begann im Februar 2020 mit der Unterschriftensammlung.

Ein Novum bei den Voranschlägen gab es Corona-bedingt im Jahr 2020 ebenfalls: Im November erarbeitete die FK-NR aufgrund einer parlamentarischen Initiative (Pa.Iv. 20.481) einen Übergangs- oder Notvoranschlag für das Jahr 2021. Dieser stützte sich auf die bundesrätliche Botschaft und die Mehrheitsentscheide der Kommissionen und sollte zur Anwendung kommen, falls das Parlament bis Ende Jahr kein Budget verabschieden konnte. Soweit kam es jedoch nicht: Nach langwierigen Debatten verabschiedeten National- und Ständerat Mitte Dezember den ordentlichen Voranschlag 2021.

Jahresrückblick 2020: Öffentliche Finanzen
Dossier: Jahresrückblick 2020

Nach der Annullierung der Volksinitiative «Für Ehe und Familie – gegen die Heiratsstrafe» durch das Bundesgericht im April 2019 stand die CVP vor der Frage, ob sie ihre Initiative zurückziehen soll oder nicht. Als Reaktion auf das Bundesgerichtsurteil hatte der Bundesrat im August 2019 eine Zusatzbotschaft zum Bundesgesetz über die direkte Bundessteuer bezüglich einer ausgewogenen Paar- und Familienbesteuerung, dem aktuellen Bundesratsgeschäft zur Abschaffung der Heiratsstrafe, vorgelegt. Auf Letzteres setzte die CVP gemäss Medienberichten ihre Hoffnung: Würde das Bundesratsgeschäft bis Mai 2020 quasi als Gegenvorschlag zur Initiative verabschiedet, könnte die Partei die Initiative ohne Gesichtsverlust zurückziehen und müsste das aufgrund der – gemäss Medien auch innerhalb der CVP – steigenden Zustimmung zur Ehe für alle gestiegene Risiko einer Niederlage in einer erneuten Abstimmung nicht eingehen. Dazu kam es jedoch nicht: Im September und Dezember 2019 entschieden sich Ständerat und Nationalrat dafür, das Geschäft an den Bundesrat zurückzuweisen und diesen mit einer neuen Auslegeordnung zu den Vor- und Nachteilen verschiedener Steuermodelle zu beauftragen. Obwohl im Anschluss daran verschiedene CVP-Mitglieder betonten, an der Initiative festhalten zu wollen, gab CVP-Präsident Pfister im Januar 2020 bekannt, dass das Parteipräsidium dem Initiativkomitee den Rückzug der Initiative unter gleichzeitiger Lancierung einer neuen Initiative mit ähnlichem Anliegen, aber ohne Ehedefinition, beantragen werde. Am 4. Februar 2020 reichte das Initiativkomitee schliesslich die von 14 der 15 Mitgliedern unterzeichnete Rückzugserklärung bei der Bundeskanzlei ein.
Damit war die Geschichte der CVP-Initiative jedoch noch nicht zu Ende: Bereits vor dem offiziellen Rückzug hatte der Verein Human Life, der nach eigenen Angaben 15'000 Unterschriften für die Initiative gesammelt hatte, angekündigt, Beschwerde gegen den Rückzug einzureichen. Ein Rechtsgutachten sei zum Schluss gekommen, dass die Initiative nach der Aufhebung des Abstimmungsergebnisses «direkt zur Wiederholungsabstimmung vorgelegt werden muss, da für ein anderweitiges Vorgehen keine gesetzliche Grundlage besteht». Die Rückzugserklärung verletze die politischen Rechte der Stimmbürgerinnen und Stimmbürger, deren Interesse höher zu gewichten sei als dasjenige des Initiativkomitees.

Volksinitiative der CVP «Für Ehe und Familie – gegen die Heiratsstrafe»
Dossier: Abschaffung der Heiratsstrafe
Dossier: Volksinitiative «für Ehe und Familie – gegen die Heiratsstrafe»: Initiative, Annullierung und Rückzug
Dossier: Reform der Ehe- und Familienbesteuerung seit 2000 – Gemeinschaftsbesteuerung oder Individualbesteuerung?

Jahresrückblick 2019: Öffentliche Finanzen

Das zentrale Ereignis des Jahres 2019 im Bereich der öffentlichen Finanzen – gut erkennbar in der graphischen Jahresübersicht zur Anzahl Medienartikel pro Monat – stellte das Referendum zum Bundesgesetz über die Steuerreform und die AHV-Finanzierung (STAF) dar. Bereits seit 2008 waren Arbeiten für eine neue Unternehmenssteuerreform im Gange, elf Jahre und verschiedene Vorlagen später wurden diese mit dem Ja an der Urne abgeschlossen: Mit 66.4 Prozent sprachen sich die Stimmberechtigten für eine Abschaffung der Sonderbesteuerung von Statusgesellschaften und die Einführung von neuen Steuerabzügen (u.a. Patentbox, Abzüge Forschung und Entwicklung, Eigenfinanzierungsabzug), eine Erhöhung des Kantonsanteils, eine Erhöhung der Dividendenbesteuerung sowie für eine Zusatzfinanzierung für die AHV in der Höhe von etwa CHF 2 Mrd. aus.

Im Rahmen der STAF musste auch der Faktor zur Gewichtung der Vermögen im Ressourcenpotenzial des Finanzausgleichs «an die fiskalische Realität» angepasst werden. Gleichzeitig nahm der Bundesrat grundlegende Änderungen im Bundesgesetz über den Finanz- und Lastenausgleich (FiLaG) vor. Diese waren nötig geworden, nachdem sich Geber- und Nehmerkantone bei der Festlegung der Beträge für den Ressourcen- und Lastenausgleich 2015 so zerstritten hatten, dass Bemühungen zu einem Kantonsreferendum sowie zu einem Volksreferendum gegen die Regelung unternommen worden waren. Um solche Streitigkeiten zukünftig zu verhindern, sollten die Grundbeiträge nicht mehr alle vier Jahre neu festgelegt werden müssen, sondern sich zukünftig an der Mindestausstattung für den ressourcenschwächsten Kanton orientieren: Diese soll neu garantiert bei 86.5 Prozent des schweizerischen Durchschnitts liegen – und damit tiefer als der bisherige effektive Wert. Zudem wird der Anteil der ressourcenstärksten Kantone an der Finanzierung des Ressourcenausgleichs auf ein Minimum von zwei Dritteln der Leistungen des Bundes beschränkt, wobei der Bund die Finanzierungslücke übernimmt.

Institutionell von grosser Bedeutung war die Annullierung der Abstimmung zur Volksinitiative «Für Ehe und Familie – gegen die Heiratsstrafe» im April 2019. Das Bundesgericht begründete diesen Entscheid mit einer schwerwiegenden Verletzung des Transparenzgebots und mit dem äusserst knappen Ergebnis. Es sei nicht nur theoretisch möglich, dass die Fehlinformationen durch die Bundesverwaltung das Abstimmungsergebnis verfälscht hätten, sondern sogar wahrscheinlich, erklärte das Gericht. Da damit zum ersten Mal überhaupt eine eidgenössische Volksabstimmung für ungültig erklärt worden war, folgten Diskussionen um das weitere Vorgehen. Eine Motion von CVP-Präsident Pfister (cvp, ZG; Mo. 19.3757), der dafür sorgen wollte, dass das Parlament noch einmal – diesmal mit den korrekten Informationen – über die Initiative beraten könne, lehnte der Nationalrat ab. Stattdessen setzte der Bundesrat einer erneuten Abstimmung zur Initiative eine Frist bis zum 27. September 2020 und legte eine Zusatzbotschaft zum Bundesgesetz über die direkte Bundessteuer bezüglich einer ausgewogenen Paar- und Familienbesteuerung vor. Deren Behandlung war nach Bekanntgabe der Annullierung sistiert worden, wurde aber vom Nationalrat in der Herbstsession 2019 wiederaufgenommen. Dabei wies die grosse Kammer die Vorlage aber nach langen Diskussionen an den Bundesrat zurück, damit dieser die Individualbesteuerung oder andere alternative Steuermodelle prüfen könne. In der Wintersession stimmte der Nationalrat der Rückweisung zu.

Des Weiteren befürwortete das Parlament zwei umstrittene Steuererleichterungen bei den natürlichen Personen. So nahm es eine Motion Grin (svp, VD; Mo. 17.3171) für eine Erhöhung des Maximalabzugs für Krankenkassenprämien bei der direkten Bundessteuer ungefähr um den Faktor 1.7 nach zahlreichen erfolglosen ähnlichen Versuchen 2019 an. Zudem erhöhte es den Kinderabzug bei den direkten Bundessteuern im Rahmen des Geschäfts zur Schaffung eines Steuerabzugs von Kosten für die Betreuung von Kindern durch Dritte von CHF 6'500 auf CHF 10'000 – ohne dass dieser Aspekt ursprünglich Teil der Vorlage gewesen oder in einer Vernehmlassung diskutiert worden wäre. Die SP kündigte in der Folge das Referendum gegen die Vorlage an.

Auch bei den indirekten Steuern nahm das Parlament einige Änderungen vor. Es entschied sich, die Ungleichbehandlung von Sport- und Kulturvereinen bezüglich der Mehrwertsteuer zu beseitigen. Zukünftig sollten nicht nur die bei sportlichen Anlässen verlangten Entgelte (wie z.B. Startgelder), sondern auch die bei kulturellen Anlässen bezahlten Teilnahmegebühren von aktiven Teilnehmenden von der Mehrwertsteuer ausgenommen sein. Zudem senkte es das Verhältnis von Leistungen zum normalen und zum reduzierten Mehrwertsteuersatz bei Leistungs- oder Produktkombination von 70 zu 30 Prozent auf 55 zu 45 Prozent. Neu müssen somit nur noch 55 Prozent der Leistungen dem reduzierten Mehrwertsteuersatz unterliegen, damit ein gesamtes Package zum reduzierten Tarif angeboten werden kann. Um zu verhindern, dass solche Packages zum Beispiel im Onlinehandel durch ausländische Firmen Verwendung finden, sollen dabei aber nur Leistungen berücksichtigt werden können, die in der Schweiz erbracht werden.

Jahresrückblick 2019: Öffentliche Finanzen
Dossier: Jahresrückblick 2019

Rund zwei Monate nachdem das Bundesgericht die Abstimmung über die Initiative der CVP gegen die Heiratsstrafe annulliert hatte, reichten CVP-Präsident Gerhard Pfister (cvp, ZG) im Nationalrat und Pirmin Bischof (cvp, SO) im Ständerat zwei gleichlautende Motionen für eine Neubehandlung der Volksinitiative «für Ehe und Familie – gegen die Heiratsstrafe» im Parlament ein. Darin forderten sie den Bundesrat auf, dem Parlament die Möglichkeit zu geben, sich noch einmal unter Vorlage der korrekten Zahlen eine Meinung zur Initiative bilden zu können, und entsprechend den Bundesbeschluss über die Entscheidung des Parlaments vom Juni 2015 per sofort aufzuheben. Denn nicht nur das Schweizer Volk, auch das Schweizer Parlament habe auf der Basis von falschen Zahlen entschieden. Der Bundesrat solle dem Parlament nun eine neue Botschaft zur Volksinitiative oder eine Zusatzbotschaft zu einem relevanten, im Parlament hängigen Geschäft unterbreiten.
Der Bundesrat erklärte, dass der entsprechende Bundesbeschluss nicht Teil des Bundesgerichtsurteils gewesen und somit weiterhin gültig sei und er – oder auch das Bundesgericht – nicht die Kompetenz hätten, diesen Beschluss zu ändern oder aufzuheben. Durch eine Zusatzbotschaft zum im Parlament hängigen «Bundesgesetz über die direkte Bundessteuer für eine (ausgewogene Paar- und Familienbesteuerung)» erhalte das Parlament aber die Möglichkeit, das Anliegen der Volksinitiative nochmals inhaltlich zu beraten.
Da er sein Anliegen durch die Zusatzbotschaft erfüllt sah, zog Pirmin Bischof seine Motion Anfang September 2019 zurück. Diskussionslos lehnte der Nationalrat in der Herbstsession 2019 auch die Motion Pfister ab.

Neubehandlung der Volksinitiative "für Ehe und Familie - gegen die Heiratsstrafe" im Parlament (Mo. 19.3757)
Dossier: Abschaffung der Heiratsstrafe
Dossier: Volksinitiative «für Ehe und Familie – gegen die Heiratsstrafe»: Initiative, Annullierung und Rückzug
Dossier: Reform der Ehe- und Familienbesteuerung seit 2000 – Gemeinschaftsbesteuerung oder Individualbesteuerung?

CHF 2.8 Mrd. Überschuss – und trotzdem ist niemand so richtig zufrieden. So kann die mediale und parlamentarische Reaktion auf die Präsentation der Staatsrechnung 2017 zusammengefasst werden. In der Sommersession 2018 behandelte der Nationalrat die Staatsrechnung 2017 als Erstrat. Dabei präsentierten Mattea Meyer (sp, ZH) und Jean-Pierre Grin (svp, VD) die ausführlichen Zahlen: Der Bund schloss das Jahr 2017 mit ordentlichen Einnahmen von CHF 71.087 Mrd. und ordentlichen Ausgaben von CHF 68.288 Mrd. ab. Dieser gute Abschluss war insbesondere auf höhere Einnahmen als erwartet zurückzuführen. Die Einnahmen überstiegen die Erwartungen um CHF 2.7 Mrd. und wuchsen im Vergleich zum Vorjahr um CHF 3.6 Mrd. oder 5.4 Prozent an – deutlich stärker als das nominale BIP mit 1.4 Prozent Wachstum. Der Grund dafür lag vor allem in den überdurchschnittlich hohen Eingängen bei der Verrechnungssteuer, bei der CHF 2.5 Mrd. mehr eingenommen wurden als im Vorjahr und CHF 2 Mrd. mehr als veranschlagt. CHF 810 Mio. mehr als budgetiert nahm der Bund bei der direkten Bundessteuer ein, damit sanken die Einnahmen gegenüber dem Vorjahr jedoch um CHF 113 Mio. Hinzu kamen nichtfiskalische Einnahmen, namentlich die Ausschüttung der SNB in der Höhe von CHF 568 Mio., sowie ausserordentliche Einnahmen von CHF 177 Mio. aus Bussen der Wettbewerbskommission und aus Erträgen aus der Swissair-Nachlassliquidation.
Tiefer als veranschlagt fielen hingegen die Einnahmen der Mehrwertsteuer aus, die zwar um 2 Prozent auf CHF 22.9 Mrd. angestiegen waren, aber aufgrund des schwachen Wirtschaftswachstums dennoch CHF 0.4 Mrd. unter den Werten des Voranschlags zu liegen kamen. Auch die wie üblich stark schwankenden Einnahmen aus den Stempelabgaben (CHF 2.4 Mrd.) wiesen trotz über 20-prozentiger Zunahme gegenüber dem Vorjahr CHF 81 Mio. weniger auf, als vorgesehen gewesen war.
Die ordentlichen Ausgaben kamen aufgrund von Budgetunterschreitungen insbesondere bei der sozialen Wohlfahrt (CHF 333 Mio.), beim Verkehr (CHF 155 Mio.) sowie bei Bildung und Forschung (CHF 111 Mio.) insgesamt um CHF 380 Mio. unter dem Voranschlag zu liegen und stiegen im Vergleich zum Vorjahr lediglich um 2 Prozent an.

Die Differenz zum Voranschlag, in dem der Bundesrat noch ein Defizit von CHF 250 Mio. erwartet hatte, erklärte Finanzminister Maurer mit den unerwartet hohen Einnahmen bei der Verrechnungssteuer. „Der Name „Verrechnungssteuer“ sagt es vielleicht schon ein bisschen: Es ist die Steuer, bei der wir uns am ehesten verrechnen“, scherzte er in der Sommersession 2018 in der Nationalratsdebatte. Ein Grossteil der Verrechnungssteuer stamme aus den Dividendenzahlungen der Unternehmen, die entsprechenden Rückforderungen könnten die Kantone während fünf Jahren, Unternehmen während drei Jahren stellen. Um möglichst wenig Negativzinsen bezahlen zu müssen, hätten die Unternehmen im 2017 ausserordentlich wenig Verrechnungssteuern zurückgefordert – diese Rückforderungen würden aber zweifellos noch folgen, betonte Maurer. Entsprechend habe man eine Rückstellung von CHF 2 Mrd. gebildet, ohne welche der Überschuss sogar noch höher ausgefallen wäre.
Diese Rückstellungen gaben in der FK-NR viel zu reden. Begründet wurden sie damit, dass durch den starken Anstieg der Einnahmen aus den Verrechnungssteuern, nicht aber derer Rückforderungen, die finanzielle Lage des Bundes zu positiv dargestellt wird. Die EFK hatte jedoch die Rechtmässigkeit dieser Rückstellungen angezweifelt, da sie nicht durch die aktuelle Finanzhaushaltgesetzgebung gedeckt seien. Das EFD erachtete jedoch Art. 3 des Finanzhaushaltsgesetzes als ausreichende gesetzliche Grundlage für das Vorgehen und wurde darin von der Mehrheit der FK-NR unterstützt. Die Rückstellungen wurden jedoch auch in den Medien stark kritisiert. Nationalrätin Mattea Meyer (sp, ZH) sprach von einem „Buchungstrick“ und unterstellte dem Finanzminister, damit das nächste Sparprogramm begründen zu wollen. Doch auch von bürgerlicher Seite kam Kritik: CVP-Präsident Gerhard Pfister (cvp, ZG) sprach von einem „Paradigmenwechsel“, FDP-Nationalrat Albert Vitali (fdp, LU) fürchtete sich vor einem Präjudiz und SVP-Fraktionschef Thomas Aeschi (svp, ZG) befürwortete zwar das Vorgehen in diesem Fall, wollte aber die Rechnungslegung nicht generell anpassen. Der Finanzminister verwies diesbezüglich jedoch auf eine Motion Hegglin (cvp, ZG), mit deren Annahme das Parlament gefordert hatte, dass die Rechnungslegung soweit wie möglich die tatsächlichen Vermögens-, Finanz- und Ertragslage wiedergeben soll. Trotz dieser vorgängigen Kritik unterstützten die meisten Parteien diese Rückstellungen im Nationalrat. Die CVP, erklärte Alois Gmür (cvp, SZ), erachte diese Rückstellung zwar als Umgehung der Schuldenbremse, fordere allerdings schon lange eine „differenzierte Handhabung der Schuldenbremse“, wobei ihm Margaret Kiener Nellen (sp, BE) für die SP beipflichtete.
Auf bemerkenswert wenig Kritik stiessen im Nationalrat die von der EFK festgestellten Fehlbuchungen: 2017 war es bei der Umstellung der EDV zu Abgrenzungsfehlern und entsprechend zu Fehlbuchungen gekommen, wodurch die Verrechnungssteuer in der Finanzierungsrechnung 2017 um CHF 178 Mio. zu hoch angegeben worden war. Vor allem aber stellte die EFK fest, dass seit 2008 Abschreibungen bei Autobahnen und Immobilien der Armee in der Höhe von insgesamt CHF 957 Mio. fehlten, wodurch die Erfolgsrechnungen seit 2008 um insgesamt ca. CHF 500 Mio. (oder um 0.8% des Anlagevermögens) zu gut dargestellt wurden. Die EFK erklärte entsprechend Vorbehalte bezüglich der Staatsrechnung. Diese Fehler seien in der Staatsrechnung zu berichtigen und der Bundesversammlung spätestens mit der Botschaft zur Rechnung 2018 zur Genehmigung vorzulegen, forderte zudem die Finanzkommission.
Deutlich virulenter diskutiert wurde stattdessen die Tendenz des Bundes, rot zu budgetieren und schwarz abzuschliessen, wie es der Tages-Anzeiger formulierte. Insbesondere Nationalrätinnen und Nationalräte der linken Ratshälfte kritisierten, dass immer wieder umfassende Kürzungen im Voranschlag vorgenommen würden, welche sich im Nachhinein als unnötig erwiesen: Auch im Voranschlag 2017 nahm das Parlament gegen den Willen des Finanzministers Querschnittskürzungen bei Personal und Informatik in der Höhe von CHF 130 Mio. vor. In einer Mehrheit der bürgerlichen Wortmeldungen wurde jedoch auf die grossen Projekte mit hohen Kosten hingewiesen, die 2017 budgetiert, jedoch aufgrund von Volksentscheiden nicht umgesetzt worden seien – die Rede war allen voran von der Altersvorsorge 2020 und der USR III. Da diese Projekte momentan im Parlament hängig seien, zukünftig jedoch kommen würden, würden hohe Kosten anstehen – dem aktuellen Überschuss sei somit nicht zu viel Wert beizumessen. Sinnbildlich scheint diesbezüglich das Fazit von Franz Grüter (svp, LU) zu sein: „Wir haben hier ein sehr positives Ergebnis, dürfen uns aber nicht zu fest darüber freuen.“
Einstimmig nahmen der Nationalrat (mit 185 zu 0 Stimmen) – und einige Tage später auch der Ständerat (mit 39 zu 0 Stimmen) – den Entwurf des Bundesrates zur Staatsrechnung 2018 an.

Staatsrechnung 2017
Dossier: Bundeshaushalt 2017: Voranschlag und Staatsrechnung
Dossier: Staatsrechnungen (seit 1991)