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Neben dem politischen gab es auch ein rechtliches Nachspiel in der Affäre zu der Schweizer Hochseeflotte. Bereits im Jahr 2016 hatte die EFK eine Strafanzeige wegen Unregelmässigkeiten bei den Bürgschaften eingereicht. Die Bundesanwaltschaft stellte das entsprechende Verfahren jedoch wegen fehlenden hinreichenden Anfangsverdachts und Verjährung vieler Vorwürfe ein. Dies kritisierten verschiedene Juristen später gegenüber den Medien, da eine Nichtanhandnahme-Verfügung nur in «sachverhaltsmässig und rechtlich klaren Fällen» möglich sei. Im August 2017 reichte auch Johann Schneider-Ammann Strafanzeige gegen die mutmasslichen Urheber des Millionenschadens ein, woraufhin die Bundesanwaltschaft das Verfahren mit neuem Beweismaterial und neuen Unterlagen wieder aufnahm. Die Bundesanwaltschaft konzentrierte ihre Untersuchungen gemäss Medien vor allem auf die Rolle von Michael Eichmann, dem ehemaligen BWL-Direktor, dem Amtsmissbrauch und ungetreue Geschäftsführung vorgeworfen wurden. Dabei war jedoch lange Zeit von Seiten der Bundesanwaltschaft kaum etwas zum Verfahren zu vernehmen – offenbar hatte sie Eichmann auf Anfrage der Medien bis Juni 2018 noch nicht befragt –, was zu Kritik von Seiten der Presse führte, insbesondere da im Laufe der Zeit immer mehr Informationen zu möglichen Ungereimtheiten im BWL ans Licht kamen. So berichteten die Medien von einem Vertrag zwischen der SCL-Reederei und einer kroatischen Werft für eine Rückzahlung von Projektkosten über CHF 12 Mio. für vier Schiffe sowie von zwei identischen Kaufverträgen für Schiffe, die sich lediglich im eingetragenen Kaufpreis unterschieden. Nach seiner zweiten Interpellation habe die Bundesanwaltschaft hingegen Ulrich Giezendanner (svp, AG; Ip. 18.3645) trotz seiner Immunität aufgeboten und aufgefordert, seine Informationen zu präzisieren und den Namen seines Informanten zu nennen, was dieser mit Verweis darauf, dass Bundesanwalt Michael Lauber «seine Arbeit gefälligst selber machen» solle, jedoch nicht tat.
Die Untersuchung zum Eigentümer der SCT-SCL-Gruppe, Hansjörg Grunder, übernahm die Abteilung Wirtschaftsdelikte der Berner Staatsanwaltschaft. Diese zeigte sich gemäss Medien deutlich aktiver als die Bundesanwaltschaft und gab Ende Juni 2018 bekannt, eine Person – die Medien vermuteten, es sei Grunder – verhaftet zu haben. Dabei habe sie auch Hausdurchsuchungen vorgenommen und dabei umfangreiche Akten und Vermögenswerte beschlagnahmt. Es bestehe der «Verdacht, dass die Täterschaft bei der Einreichung von Bürgschaftsgesuchen für die Finanzierung von Hochseeschiffen überhöhte Bau- und Erwerbspreise geltend gemacht hat, um widerrechtlich in den Genuss zu hoher Bürgschaften zu gelangen», wie die Staatsanwaltschaft verlauten liess. In der Folge erstellte sie Anzeige wegen Verdachts auf Leistungsbetrug und Beamtenbestechung. Mitte Dezember gab die «Nordwestschweiz» schliesslich bekannt, dass die Berner Staatsanwaltschaft für Wirtschaftsdelikte Anklage gegen Grunder wegen Betrugs zum Nachteil des Bundes, Urkundenfälschung und ungetreuer Geschäftsführung erhoben habe. Der Bund trete als Privatkläger auf, um seine finanziellen Interessen zu wahren. Konkret solle Grunder seit 2005 in fünf Fällen zu hohe Bau- und Erwerbspreise für Hochseeschiffe vorgetäuscht haben, um überhöhte Bürgschaften für die Schiffe zu erhalten – es gehe um eine Deliktsumme von CHF 130 Mio. Zusätzliche Fälle seien zudem verjährt. Grunder bestritt die Vorwürfe und die Medien betonten, dass für ihn und Michael Eichmann die Unschuldsvermutung gelte.

Hochseeschifffahrt

Im Juni 2017 begann die parlamentarische Aufarbeitung der Krise der Schweizer Hochseeflotte, nachdem der WBF-Vorsteher Johann Schneider-Ammann von Regierungsseite bereits im Mai 2016 die EFK beauftragt hatte, eine Administrativuntersuchung zur Vergabepraxis der Bürgschaften sowie zu weiteren Aktionen des BWL durchzuführen. Eine wichtige Rolle in der parlamentarischen Aufarbeitung spielte Ulrich Giezendanner (svp, AG): Er erhalte fast täglich neue Informationen von Personen aus der Hochseeschifffahrt, erklärte er, was ihn im Juni 2017 zu einer Interpellation mit einer ganzen Reihe von Fragen an den Bundesrat veranlasste (Ip. 17.3460). So stellte er einerseits konkrete Fragen zu der Bilanzierung der Schiffe und der Kontrolle der Finanzen der Reedereien, andererseits auch zum Verkauf der Schiffe, bei dem er Unregelmässigkeiten ortete. Unter anderem wollte er wissen, ob tatsächlich ein «mit dem Verkauf betrauter Hauptoperateur» vor etwa 12 Jahren in Konkurs geraten sei, ob dieser der SCL/SCT-Flotte wirklich hohe Beträge geschuldet habe und zudem vor Jahren zu 40 Prozent an der entsprechenden Flotte beteiligt gewesen sei. Auch zur Aufarbeitung der Affäre stellte er konkrete Fragen, unter anderem wollte er wissen, wieso der ehemalige BWL-Direktor Michael Eichmann nie angehört worden sei, wann der Untersuchungsbericht der EFK veröffentlicht werde und ob es nicht Zeit für eine PUK sei. Eine ausführliche Information der Öffentlichkeit lehnte der Bundesrat aufgrund der laufenden Schiffsverkäufe, des dadurch steigenden Verlustrisikos für den Bund sowie aufgrund einer Stillschweigen-Vereinbarung durch die Verkaufsparteien ab. Der Verkaufsprozess würde jedoch von Experten mit juristisch-maritimem Fachwissen begleitet, betonte er. Zudem informierte er darüber, dass 10 der 12 Schiffe bereits verkauft worden seien und die letzten bis Ende September 2017 übergeben werden sollten. Bezüglich der Frage nach der PUK verwies er auf die Bundesversammlung, die bei «Vorkommnissen von grosser Tragweite» eine PUK einsetzen könne. Giezendanner erklärte sich mit diesen Antworten nicht befriedigt.

Genau ein Jahr nach der ersten Interpellation startete Giezendanner einen neuen Versuch (Ip. 18.3645) mit weiteren Fragen zur Liquidation der SCL/SCT-Gruppe. Erneut stellte er Fragen zum Verkauf, interessierte sich aber auch für die Rolle und die Finanzen von Reeder Hansjörg Grunder, was zuvor in den Medien diskutiert worden war. Zudem stellte er die Kontrollmöglichkeiten von durch die Schweiz verbürgten Schiffen, die im Ausland bereedert sind, in Frage. Schliesslich erkundigte er sich nach der Vollständigkeit der entsprechenden Akten. Bezüglich der Finanzen von Grunder betonte der Bundesrat, dass die Aufklärung des Falles laufe und das Parlament die entsprechenden Informationen erhalten werde. Die Geschäftsführung von Schweizer Reedereien müsse von der Schweiz aus erfolgen, untergeordnete Aufgaben könnten jedoch auch in anderen Staaten vorgenommen werden, was aufgrund des einheimischen Fachkräftemangels oft auch nötig sei. Der Bund könne auch bei von ausländischen Gesellschaften bereederten Schiffen jederzeit Audits und Inspektionen durchführen, die Betrugsmöglichkeiten bei solchen Schiffen seien daher nicht grösser. In der Tat seien aber einzelne Dossiers im BWL nicht vollständig. Mit diesen Antworten erklärte sich Giezendanner teilweise befriedigt.

Bereits einen Monat zuvor hatte sich Giezendanner in der Fragestunde (Frage 18.5282) mit einer weiteren Rückstellung durch den Bundesrat in der Höhe von CHF 100 Mio. befasst. Er wollte wissen, welche Gesellschaft besonders gefährdet sei und ob bereits Angebote für die entsprechenden Schiffe vorlägen. Ein weiterer Schaden für den Bund sei nicht auszuschliessen und hinge von der Marktentwicklung ab, solle jedoch durch die entsprechenden Rückstellungen abgedeckt werden können, so der Bundesrat.

Im Dezember 2019, nach Annahme des Nachtrags IIa zum Voranschlag 2019 und einer weiteren Ziehung der Bürgschaften, reichte schliesslich die SVP-Fraktion eine parlamentarische Initiative (Pa.Iv. 19.500) zur Einsetzung einer PUK ein. Diese solle die Kontrolle und Führung des Bürgschaftswesens in der Hochseeschifffahrt seit 2002 durch den Bundesrat, die Verwaltung – insbesondere durch das BWL und die SSA – sowie der betroffenen Geldinstitute und Revisionsgesellschaften untersuchen.

Die grundsätzliche Frage der Bürgschaften zur Schweizer Hochseeflotte ging Ursula Schneider-Schüttel (sp, FR) bereits im Juni 2017 an: In einem Postulat (Po. 17.3412) verlangte sie vom Bundesrat, zu prüfen, ob der Bund eine Hochseeflotte brauche, und falls nicht, welches die Konsequenzen und Risiken eines Ausstiegs seien und wie dieser erfolgen solle. Der Bundesrat erklärte, dass er entschieden habe, dem Parlament keine Erneuerung des Ende Juni 2017 auslaufenden Rahmenkredits zu beantragen, wodurch die letzten Bürgschaften 2032 auslaufen werden. Ein rascherer Ausstieg sei jedoch nicht möglich. Nach 2 Jahren wurde das Postulat unbehandelt abgeschrieben.

Hochseeschifffahrt

Die Zusprache der CHF 215 Mio. durch das Parlament im Rahmen des Nachtrags Ia zum Voranschlag 2017 erhöhten auch das Interesse der Medien an der Geschichte um die Schweizer Hochseeflotte. So veröffentlichte allen voran die Zeitung «Nordwestschweiz», die den Skandal anfänglich in den Blick der breiten Öffentlichkeit gebracht hatte, immer mehr Details zu den Vorgängen im Rahmen der Bundesbürgschaften für die Hochseeflotte. Im Mittelpunkt der Berichterstattung standen Hansjörg Grunder, Besitzer der zwei bankrotten Reedereien SCL und SCT, sowie Michael Eichmann, der beim BWL bis 2012 für die Vergabe von Bürgschaften an die Schweizer Hochseeschiffe zuständig war.
Die «Nordwestschweiz» verfolgte die Geschichte der mittlerweile verkauften Schiffe teilweise bis Anfang 2003 zurück. Damals habe eine deutsche Reederei mit Sitz im Thurgau den Kauf vier neuer Tanker für je CHF 26 bis 27 Mio. angekündigt; im September 2003 habe die Thurgauer Zeitung jedoch von durchschnittlichen Kosten der Tanker von CHF 32.5 Mio. berichtet – die Schiffe hätten somit noch vor Baubeginn deutlich an Wert gewonnen, betonte die Zeitung. Im Dezember 2004 habe der Bund diese Schiffe für je CHF 28.6 Mio. verbürgt. Da Bundesbürgschaften jedoch jeweils maximal 85 Prozent des Schiffswerts ausmachen dürfen, müssten die Schiffe zu diesem Zeitpunkt CHF 33.6 Mio. gekostet haben, berechnete die Zeitung. Grunder habe die vom deutschen Reeder erworbenen Schiffe beinahe gratis übernehmen können, nachdem diese in finanzielle Schieflage geraten war. Und dies, obwohl er zu diesem Zeitpunkt «gemäss einhelligen Einschätzungen von Beobachtern», wie es die «Nordwestschweiz» formulierte, finanziell ebenfalls nicht auf Rosen gebettet gewesen sei. In der Folge wurde Hansjörg Grunder gemäss Presse verdächtigt, entsprechend dem sogenannten «Schema Beluga» falsche Angaben über die Schiffspreise gemacht und dadurch überhöhte Bürgschaften kassiert zu haben.
Doch nicht nur die Höhe der Bürgschaft, sondern ihr ganzes Zustandekommen stellte die Zeitung in Frage. So dürfe der Bund nur Bürgschaften für Schiffe unter Schweizer Flagge, die «in Bezug auf ihr Gesellschaftskapitel unzweifelhaft schweizerisch» seien, vergeben; die Reederei gehörte jedoch einem Deutschen. Deshalb habe dieser die Schiffe an vier eigens dafür gegründete Schiffseigentümergesellschaften verkauft, deren Aktien in der Folge zwar zu 90 Prozent acht Schweizer Investoren und nur zu 10 Prozent dem deutschen Reeder gehört hätten, durch einen Aktionärbindungsvertrag habe Letzterer jedoch die alleinige Macht über die Gesellschaften gehabt.
Im Bezug auf die Bundesbürgschaften besonders relevant sei die Situation im BWL gewesen, berichtete die Zeitung weiter. Dort habe Eichmann in seinen 20 Jahren als Chefbeamter weitgehend freie Hand bei der Vergabe von Bürgschaften gehabt. Heute bestehe der Verdacht auf Leistungsbetrug und ungetreue Amtsführung, wie die «Nordwestschweiz» berichtete. So sei Eichmann regelmässig an Stapelläufe, Taufen, Schiffseinflaggungen und auf Reisen nach China eingeladen worden; ein Schiff sei gemäss derselben Zeitung gar auf den Namen seiner Tochter getauft worden. Nach seiner Pensionierung habe er einerseits weiterhin ein Mandat beim BWL gehabt, sei andererseits bei der Reederei von Hansjörg Grunder angestellt gewesen und regelmässig bei dem deutschen Reeder zu Gast gewesen.
Diese Vorgänge blieben jedoch gemäss Medien nicht gänzlich unbemerkt. Bereits im Jahr 2000 habe ein Aktionär von Grunder diesen beschuldigt, den Preis eines Schiffes aufgebläht zu haben, worüber «Le Matin Dimanche» berichtet habe. Der Aktionär sei zudem irritiert gewesen, weil eines der Schiffe der Reederei nach der Tochter von Eichmann benannt worden sei. Eine BWL-interne Untersuchung habe hier jedoch keine Unregelmässigkeiten ergeben. Im Jahr 2008 seien die gravierenden Problem der SCL-SCT-Gruppe bekannt geworden. Zuvor hätten die Reedereien die Ratenzahlungen für die Bankdarlehen aufschieben können, wodurch einzelne Schiffe die gesetzlichen Eigenkapitalvorschriften regelmässig unterschritten hätten – dies hätte sofortige Sanierungsmassnahmen auslösen müssen. Zu diesem Zeitpunkt habe die EFK eine Administrativuntersuchung zur «Prüfung der finanziellen Führung und verschiedener Geschäftsfelder» im BWL durchgeführt und diesem darin eine «professionelle» und «zweckdienliche» Verwaltung des Bereichs Hochseeschifffahrt attestiert.

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