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  • Raumplanung und Wohnungswesen

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  • Flach, Beat (glp/pvl, AG) NR/CN
  • Nordmann, Roger (sp/ps, VD) NR/CN

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In der Herbstsession 2023 beugte sich der Nationalrat über einen Entwurf seiner UREK zur Änderung des Zweitwohnungsgesetzes basierend auf einer parlamentarischen Initiative Candinas (mitte, GR). Erstens sollen auf Antrag der UREK-NR altrechtlich erbaute Zweitwohnungen um bis zu 30 Prozent erweitert und gleichzeitig auch auf dieser Fläche in weitere Wohnungen unterteilt werden können. Nach geltendem Recht existieren bereits ebendiese Optionen, allerdings können sie nicht simultan angewendet werden. Zweitens soll auch bei einem Wiederaufbau eine Erweiterung von 30 Prozent geltend gemacht werden können. Drittens soll dieser Wiederaufbau – bei Einhaltung der baugesetzlichen Vorschriften – fortan auf der gesamten Parzelle erlaubt sein.

Eintreten auf die Vorlage wurde in der grossen Kammer ausgiebig diskutiert. Eine Minderheit Suter (sp, AG) beantragte dem Rat, nicht auf die Vorlage einzutreten. Sie verletze verfassungsmässige Vorgaben, welche im Zuge der Annahme der Zweitwohnungsinitiative entstanden seien. Insbesondere sei in der Verfassung verankert, dass der neue Bau und die Erweiterung von Zweitwohnungen zu unterlassen sei, was aber bereits durch das geltende Recht verletzt werde. Die Vorlage der UREK-NR würde den Verfassungsartikel noch weiter abschwächen was nach Ansicht von Rechtsexperten und Rechtsexpertinnen eine «hochproblematische» Entwicklung sei. Unterstützung erhielt der Minderheitsantrag Suter seitens der Fraktionen der SP, der Grünen und der Grünliberalen. Unter anderem würde mit einer entsprechenden Änderung des Gesetzes die einheimische Bevölkerung aus touristisch hochattraktiven Ortschaften gedrängt werden. Weiter würde die Gesetzesvorlage Anreize zum Abbruch von Liegenschaften schaffen, womit viel nicht rezyklierbarer Abfall einhergehe, bemängelte Grünen-Fraktionssprecher Kurt Egger (gp, TG). Die Mitte-Fraktion unterstützte dagegen den Entwurf der UREK-NR, da auf diese Weise das Bauen in der Bauzone effizient genutzt werden könnte. Auch die FDP-Fraktion sah in der Vorlage ein Mittel, eine höhere Verdichtung im Sinne der ersten Etappe der RPG-Revision zu erreichen. Eine Mehrheit der Fraktion beabsichtige folglich, auf die Vorlage einzutreten und in der Detailberatung den Anträgen der Mehrheit zu folgen, so Fraktionssprecherin Christine Bulliard-Marbach (mitte, FR). Die gleichen Absichten hegte auch die SVP-Fraktion, die sich laut Fraktionssprecher Michael Graber (svp, VS) für Eintreten ausspreche. Schliesslich konnten sich die geschlossen stimmenden Fraktionen der SVP, FDP und Mitte gegen eine links-grüne Minderheit behaupten und die grosse Kammer beschloss mit 109 zu 78 Stimmen (bei 6 Enthaltungen), auf die Vorlage einzutreten.

In der Detailberatung fanden sich drei Minderheitenanträge sowie ein Einzelantrag, welche jedoch in der grossen Kammer allesamt erfolglos blieben. Darunter fand sich eine Minderheit Beat Flach, die sich an der Fassung des Bundesrats orientieren wollte, dass lediglich für zusätzlich entstandene Wohnungen eine Nutzungsbeschränkung gelten solle. Wenn im Zuge von Sanierungen und Abbruch zusätzliche Wohnungen geschaffen würden, sollten diese zumindest im Rahmen der erweiterten Wohnfläche als Erstwohnung dienen. Einen ähnlichen Ansatz verfolgte Martina Munz (sp, SH), die mit ihrem Einzelantrag forderte, dass mindestens die Hälfte der zusätzlich entstandenen Wohnungen als Erstwohnungen genutzt werden müssten. Eine Minderheit Clivaz (gp, VS) wollte einerseits die parzelleninterne Standortverschiebung strenger reguliert haben, als dies im Entwurf der UREK-NR vorgesehen sei. Andererseits solle die Möglichkeit, im Zuge einer Sanierung oder Wiederaufbaus neue Wohnungen zu schaffen, nur in bestimmten Gemeinden zum Zuge kommen.

In der Gesamtabstimmung sprachen sich die geschlossenen Fraktionen der SVP und der Mitte sowie eine grosse Mehrheit der FDP-Fraktion für die Vorlage aus, womit der Entwurf mit 105 zu 80 Stimmen (bei 8 Enthaltungen) angenommen wurde.

Unnötige und schädliche Beschränkungen des Zweitwohnungsgesetzes in Sachen Abbruch und Wiederaufbau von altrechtlichen Wohnungen aufheben (Pa.Iv 20.456)

In der Herbstsession beugte sich der Nationalrat als Erstrat über einen Entwurf seiner Rechtskommission, um unter anderem die Frist der Meldung von Baumängeln zu verlängern. Dieser Entwurf griff die Anliegen mehrerer parlamentarischer Vorstösse auf (u.a. Pa.Iv. 12.502; Pa.Iv. 14.453). Nach geltendem Recht müssen Baumängel unverzüglich durch die Käuferinnen und Käufer einer Immobilie gemeldet werden; ansonsten verlieren diese ihre Mangelrechte. Vor diesem Hintergrund arbeitete der Bundesrat drei massgebliche Änderungsmassnahmen des OR aus: Erstens sollen Baumängel zukünftig innert 60 Tagen durch die Erwerberinnen und Erwerber gemeldet werden können anstatt der heutigen Rügefrist, welche sich über wenige Tage erstreckt. Allerdings soll für die Vertragsparteien bei Werk- und Grundstückkaufverträgen die Möglichkeit bestehen, sich auf eine andere Frist zu einigen. Zweitens soll der Ausschluss des Nachbesserungsrechts für Baumängel im Falle von Bauten zum persönlichen oder familiären Zweck nicht mehr zulässig sein. Drittens soll die Position der Bauherrschaft im Bauhandwerkerpfandrecht gestärkt werden. So soll die Bauherrschaft alternativ zur Eintragung eines Bauhandwerkerpfandrechts eine Ersatzsicherheit leisten können, die die Verzugszinsen für mindestens zehn Jahre decken soll. Dies erleichtere die Bereitstellung einer solchen Ersatzsicherheit für die Bauherrschaft, da diese nach geltendem Recht die Verzugszinsen auf unbestimmte Zeit decken sollten.

Die Mehrheit der RK-NR entschied, den Entwurf des Bundesrates noch zu erweitern und sprach sich für eine gänzliche Abschaffung der Verwirkungsfolge für verspätete Mangelrügen aus. Dabei sollen Baumängel innerhalb der gesamten Verjährungsfrist gemeldet werden können, wobei diese von fünf auf zehn Jahre angehoben werden soll. Um weiterhin Anreize zum sofortigen Mangelrügen zu setzen, soll die Bestellerin oder der Besteller die durch Mängel verursachten Kosten tragen, falls diese bei einer sofortigen Meldung nicht entstanden wären. Auch soll das Nachverbesserungsrecht individuell für alle Immobilien vereinbart werden können, wobei ein Ausschluss des Rechts auf Mängelbehebung in allen Fällen null und nichtig sei. Schliesslich entschied sich die Kommission, die Laufzeit der Ersatzsicherheit der Bauherrschaft von den vorgeschlagenen zehn auf fünf Jahre zu kürzen.

Eintreten auf die Vorlage war in der grossen Kammer unbestritten und erfolgte stillschweigend. Der Entwurf der RK-NR wurde jedoch von zwei Minderheiten hinterfragt. Einerseits war die Minderheit Beat Flach (glp, AG) der Ansicht, dass die geforderte Anhebung der Verjährungsfrist von fünf auf zehn Jahre zu weit gehe, da dies für Unternehmen finanziell nur schwer tragbar sei. Weiter müsse sichergestellt werden, dass aufgrund nicht gemeldeter Baumängel Folgemängel ausgeschlossen werden könnten. Deshalb sei eine übungsgemässe Untersuchung zu implementieren, damit allfällige Mängel erkannt werden sollten. Insofern dies nicht der Fall sei, könnten Mängel innerhalb der Verjährungsfrist gemeldet werden. Andererseits wollte eine Minderheit Sidney Kamerzin (mitte, VS) dem weniger ausgebauten Entwurf des Bundesrats folgen.
Die Fraktionen der Grünen, der SP und FDP sprachen sich in allen Belangen für den Entwurf der Kommissionsmehrheit aus. Ausser bei der Verlängerung der Verjährungsfrist von fünf auf zehn Jahre stimmte die SVP-Fraktion hingegen dem Entwurf des Bundesrats zu. Die Mitte-Fraktion unterstützte vollumfänglich die Fassung des Bundesrats und beabsichtigte, der Minderheit Kamerzin zu folgen.
Beide Minderheiten bleiben in der grossen Kammer erfolglos, wenn auch – im Falle der Minderheit Kamerzin – nicht vollkommen chancenlos. Immerhin 93 Nationalratsmitglieder vermochte die Minderheit um den Walliser Mitte-Nationalrat zu überzeugen, darunter die Mehrheit der FDP- und Mitte-Fraktionsmitglieder und die geschlossen stimmende SVP-Fraktion. Trotzdem konnte sich der Vorstoss gegenüber 94 Gegenstimmen (bei 2 Enthaltungen) knapp nicht behaupten. In der Gesamtabstimmung wurde die Fassung der RK-NR klar mit 185 zu 5 Stimmen angenommen, womit das Geschäft an den Ständerat ging.

Obligationenrecht (Baumängel). Änderung (BRG 22.066)

In der Sommersession 2023 gelangte die zweite Etappe der Teilrevision des RPG erneut in den Nationalrat. In der Wintersession 2019 hatte der Nationalrat als Erstrat entschieden, nicht auf die Vorlage einzutreten. In der ständerätlichen Detailberatung in der Sommersession 2022 waren Punkte, die der Nationalrat bei seiner Verweigerung, auf den Entwurf einzutreten, kritisiert hatte, gestrichen worden. Kommissionssprecher Mike Egger (svp, SG) bestätigte, dass die Stabilisierung der Zahl an Bauten im Nichtbaugebiet und die Bodenversiegelung auch für den Nationalrat im Fokus stünden und dass dies das grundlegende Ziel dieser neuen Etappe der RPG-Revision darstelle. Auch wolle man mit den Instrumenten arbeiten, die bereits die kleine Kammer vorgesehen hatte, so der Kommissionssprecher weiter. Diese beinhalteten ein Planungsinstrument, Anreize und Sanktionen. Ersteres beauftrage die Kantone, Richtpläne zu entwickeln, um das Stabilisierungsziel zu gewährleisten. Zweiteres beinhaltete eine Abbruchprämie, welche darauf abziele, bestehende Bauten ausserhalb der Bauzone zu reduzieren. Und nicht zuletzt sollen Sanktionen gegen Kantone ergriffen werden, falls sich diese weigern würden, ihre Richtpläne anzupassen. So solle der Bau von Gebäuden ausserhalb der Bauzone nur möglich sein, wenn diese auch entsprechend kompensiert werden würden.

Trotz dieser gemeinsamen Ziele beantragte die UREK-NR ihrem Rat, die Vorlage stark zu vereinfachen und mehr auf landwirtschaftliche Interessen anzupassen. Weiter beantragte eine mit Stichentscheid des Präsidenten gefällte und somit äusserst knappe Kommissionsmehrheit, dass nicht mehr genutzte, landwirtschaftliche Anbauten zu Wohnungen umfunktioniert werden dürfen. Zuletzt äusserte der Kommissionssprecher die Absicht der UREK-NR, die Vorlage auch dem Nationalrat als offiziellen indirekten Gegenvorschlag zur Landschaftsinitiative vorzuschlagen.

Bei der Eintrittsdebatte äusserten die unterschiedlichen Fraktionen ihre Voten: Kurt Egger (gp, TG) rühmte im Namen der Grünen-Fraktion die UREK-NR für die deutliche Verbesserung der Vorlage im Vergleich zum Entwurf des Ständerats. Die Fraktion würde jedoch dem Entwurf nur zustimmen, falls die Umfunktionierung landwirtschaftlicher Anbauten ausserhalb der Bauzone nicht angenommen werde. Der gleichen Ansicht waren auch die Fraktionen der SP und GLP. Ebenso unterstützte die Mitte-Fraktion die Stossrichtung und die Hauptelemente des Entwurfs der UREK-NR, wobei sie sich bei der Umfunktionierung landwirtschaftlicher Anbauten gespalten zeigte. Die FDP-Fraktionssprecherin Susanne Vincenz-Stauffacher (fdp, SG) begrüsste die Vorlage und insbesondere den Gebrauch von Anreizen und äusserte ihre Absicht, im Grossen und Ganzen der Mehrheit zu folgen – so auch in der Frage der Umfunktionierung landwirtschaftlicher Anbauten. Schliesslich sprach sich auch SVP-Fraktionssprecher Pierre-André Page (svp, FR) für die Vorlage im Sinne der Kommissionsmehrheit aus. In der Folge trat der Nationalrat stillschweigend auf die Vorlage ein.

Der erste Block der Detailberatung beschäftigte sich mit den vorgeschlagenen Abbruchprämien, den Richtplänen der Kantone und dem Gebietsansatz. Die Abbruchprämien setzen einen finanziellen Anreiz, um zonenwidrige Bauten aus der Landschaft verschwinden zu lassen. Finanziert werden sollten diese durch die Mehrwertabgaben bei Um- und Aufzonungen. Der Nationalrat pflichtete der Mehrheit seiner UREK bei, welche dem ständerätlichen Entwurf hinzugefügt hatte, dass die Abbruchprämien ausschliesslich für rechtmässig erbaute Gebäude und Bauten gelten sollen. Erfolglos blieben diesbezüglich die Minderheiten Paganini (mitte, SG) und Graber (svp, VS), welche forderten, dass die Abbruchprämie lediglich für Bauten und Anlagen ohne landwirtschaftliche und touristische Nutzung zur Anwendung kommen (Paganini) und dass die Abbruchprämie nicht nur auf rechtmässig erbaute Bauten und Anlagen beschränkt werden solle (Graber). Eine Minderheit Bulliard (mitte, FR) forderte zudem, den unterschiedlichen finanziellen Voraussetzungen der Kantone bei den Beiträgen der Abbruchprämie Rechnung zu tragen. Der Ständerat hatte bereits im Vorfeld beschlossen, dass der Bund die Kantone bei ihren Aufwendungen finanziell unterstützen könne, nun wollte die Minderheit um die Freiburger Nationalrätin diese Bundesleistungen zusätzlich an die finanzielle Stärke der Kantone anpassen. Eine Nationalratsmehrheit zog schliesslich den Minderheitsantrag dem Antrag der Kommissionsmehrheit, welche die Verteilung der Bundesleistungen nicht weiter spezifiziert hatte, vor. Einen anderen Kurs schlug dagegen eine Minderheit Vincenz (fdp, SG) ein, welche sich dafür einsetzte, die Bestimmung gänzlich zu streichen. Dass der Bundesrat hier Bundesmittel in die Hand nehme, entspreche nicht dem föderalen Prinzip. Diese Minderheit blieb im Nationalrat jedoch ohne Mehrheit.

Die Mehrheit des Nationalrats teilte ferner die Meinung des Bundesrats und der Kommissionsmehrheit, dass die Grundlagen zur Erstellung der kantonalen Richtpläne weiter präzisiert werden sollten und stellte sich somit gegen eine Minderheit Rüegger (svp, OW), welche dem Beschluss des Ständerats zustimmen wollte, welcher sich ein Jahr zuvor gegen eine weitere Präzisierung gestellt hatte. Weiter sollte den speziellen Gegebenheiten der Bergregionen im Sinne des Gebietsansatzes Rechnung getragen werden, entschied der Nationalrat. Der Gebietsansatz sieht vor, dass durch Spezialzonen, in denen nicht-standortgebundene Bauten erlaubt sind, die regionalen und territorialen Eigenheiten der Kantone berücksichtigt werden könnten. Die Frage, ob denn solche Sonderzonen lediglich in Bergregionen zum Zuge kommen sollten, bildete schliesslich auch das von Michael Graber betitelte «Pièce de Résistance» des ersten Blocks. Der Ständerat hatte sich in der Sommersession 2022 gegen eine Beschränkung der Planungsfreiheit auf Bergkantone ausgesprochen, was auch eine Minderheit Jauslin (fdp, AG) unterstützte. Insbesondere sei der Begriff «Berggebiet» für die Minderheit nicht genügend klar definiert und zu arbiträr. Eine klare Nationalratsmehrheit folgte aber dem Antrag seiner UREK-NR und wollte Sonderzonen nicht in der gesamten Schweiz erlauben.

Im zweiten Block der Detailberatung beugte sich der Nationalrat unter anderem über die Bestimmung, welche die UREK-NR mit 12 zu 12 Stimmen (mit Stichentscheid des Präsidenten) vorgeschlagen hatte und bei welchem sich die Meinungen der Fraktionen schieden. Dieser medial breit diskutierte und von Nationalrätin Martina Munz (sp, SH) als «Schicksalsartikel» bezeichnete Artikel sah in der Version der knappen Kommissionsmehrheit vor, altrechtlich erbaute Bauernhäuser ausserhalb der Bauzone mitsamt angebauten Ökonomiebauten zur vollständigen Wohnnutzung zuzulassen. Eine Minderheit Flach (glp, AG) wollte den Artikel dagegen wieder streichen. Die Umnutzung landwirtschaftlicher Bauten ausserhalb der Bauzone zum Wohnzweck benötige ebenfalls eine entsprechende Infrastruktur. Somit führe diese Umfunktionierung zu zusätzlichen Eingriffen in die Nichtbauzone und verstosse somit gegen den Trennungsgrundsatz. Diesen Antrag abzuschwächen versuchte Nationalrat Graber mithilfe eines Einzelantrags, welcher die Transformation altrechtlicher Bauernhäuser lediglich in Berggebieten vorsah. Doch auch Grabers «süsses Gift» stelle eine signifikante Untermauerung der Grundziele der Vorlage dar, konterte Ratskollege Flach. Der GLP-Nationalrat konnte auf die Unterstützung aus dem links-grünen Lager zählen und der Artikel wurde schliesslich auf Antrag der Minderheit Flach gestrichen, wobei der Einzelantrag Graber erfolglos in der grossen Kammer blieb.

Bei den Landwirtschaftszonen nahm der Nationalrat trotz zahlreicher Minderheitsanträge keine substanziellen Änderungen am Beschluss des Ständerats vor. In Umsetzung einer von beiden Räten gutgeheissenen Kommissionsmotion, welche eine Verjährung des Anspruchs auf Wiederherstellung des rechtmässigen Zustandes nach 30 Jahren forderte, fügte der Nationalrat dem Entwurf jedoch eine Bestimmung hinzu. Zuletzt besiegelte der Nationalrat die Vorlage als offiziellen indirekten Gegenvorschlag zur Landschaftsinitiative und stimmte dem entsprechenden Antrag seiner Kommission zu.

In der Gesamtabstimmung nahm der Nationalrat den Entwurf einstimmig an, womit das Geschäft zur Differenzbereinigung zurück an den Ständerat ging.

2. Etappe der Teilrevision des Raumplanungsgesetzes (BRG 18.077)
Dossier: 2. Etappe der Teilrevision des Raumplanungsgesetzes und damit zu erfüllende Vorstösse
Dossier: Revision des Raumplanungsgesetzes RPG
Dossier: Bauen ausserhalb der Bauzonen

Die WAK-NR lancierte im Januar 2023 ein Kommissionsmotion in Reaktion auf die Veröffentlichung des Berichts des Bundesrates in Erfüllung des Postulates Beat Flach (glp, AG; Po. 19.3894) betreffend den «Wildwuchs und den Wirrwarr bei den Regeln der Baukunde». Im Bericht war der Bundesrat zum Schluss gekommen, dass die Situation betreffend verschiedene technische Regeln in der Baubranche zunehmend unübersichtlich und komplex geworden sei. Insbesondere wachse die Zahl sogenannter Vollzugshilfen, sprich Richtlinien, Checklisten und Ausführungsbestimmungen, welche von privaten und öffentlichen Akteuren erarbeitet werden, um Fehler bei der Ausführung zu vermeiden. Es sei zunehmend schwierig geworden, den Überblick zu behalten und die Qualität und Richtigkeit dieser Vollzugshilfen abzuschätzen. Laut dem Bericht des Bundesrates wäre die beste Lösung für dieses Problem die Schaffung eines neuen Bundesgesetzes, das einen standardisierten Prozess für die Ausarbeitung von Vollzugshilfen festlegen und konforme Vollzugshilfen dementsprechend bezeichnen würde. In ihrer Kommissionsmotion forderte die WAK-NR nun den Bundesrat auf, einen entsprechenden Gesetzesentwurf vorzulegen. Der Bundesrat empfahl die Motion zur Annahme und kündigte an, das Anliegen mittels Revision des BauPG umsetzen zu wollen. Dieses müsse in absehbarer Zukunft sowieso revidiert werden, da die EU gerade ihre Bauprodukteverordnung anpasse. Der Nationalrat nahm die Motion in der Sommersession 2023 stillschweigend an.

Kostensparende Entschlackung der Standards im Bauwesen (Mo. 23.3008)

In der Frühjahressession 2023 nahm sich der Nationalrat den von seiner RK ausgearbeiteten Entwurf betreffende eine Beschleunigung des Verfahrens bei der Kündigung des Mietverhältnisses wegen Eigenbedarf vor. Bereits das Eintreten auf die Vorlage wurde kontrovers diskutiert. Eine Minderheit der RK, bestehend aus Politikerinnen und Politikern von SP und Grünen, beantragte dem Rat, nicht auf die Vorlage einzutreten. Christian Dandrès (sp, GE) und Baptiste Hurni (sp, NE) beklagten beide in ihren Voten, dass der vorliegende Entwurf Teil einer Salamitaktik sei, bei der es darum ginge, das Mietrecht schrittweise auszuhöhlen. Florence Brenzikofer (gp, BL) befürchtete, dass durch die Vorlage das Machtgefälle zwischen Vermietenden und Mietenden weiter vergrössert werde. Ausserdem sei die Vorlage unnötig, da Vermieterinnen und Vermieter bereits heute das Recht hätten, bei dringendem Eigenbedarf ihrer vermietenden Partei zu kündigen. Der Schutz der Mietenden solle nicht weiter geschwächt werden, da schon jetzt Eigenbedarf sehr oft nur vorgeschoben werde, um den Mieter oder die Mieterin loszuwerden und die Wohnung zu einem höheren Preis weiterzuvermieten. Mitglieder der Fraktionen von SVP, FDP und Mitte hielten dagegen. Vincent Maître (mitte, GE) war der Ansicht, dass es bei dieser Vorlage nur darum gehe, dass Wohnungseigentümerinnen und -eigentümer wieder das Recht erhalten sollen, die von ihnen gekaufte Immobilie bewohnen zu können. Mit der bestehenden Regelung, dass für die Kündigung bei Eigenbedarf ein «dringender Eigenbedarf» geltend gemacht werden muss, sei dies oft unmöglich, da es schwierig sei, die Dringlichkeit zu beweisen und dies ein langes juristisches Verfahren nach sich ziehen könnte. Ähnlich äusserte sich Christa Markwalder (fdp, BE), die darüber hinaus ausführte, dass stattdessen neu eine Kündigung bereits bei einem «bei objektiver Beurteilung bedeutenden und aktuellen Eigenbedarf» möglich sein soll. Dies sei eine ausgewogene und moderate Lösung, mit der der Schutz der Interessen der Mieterinnen und Mieter weiterhin gewährleistet sei. Pirmin Schwander (svp, SZ) plädierte im Namen der SVP-Fraktion ebenfalls für Eintreten. Er sehe in dieser Frage eher ein Machtgefälle zugunsten der Mietenden und deshalb müsse der Eigenbedarf schneller und einfacher geltend gemacht werden können. Gespalten zeigte sich die GLP-Fraktion. Beat Flach (glp, AG) war zwar prinzipiell mit dem Anliegen des Vorstosses einverstanden. Er liess jedoch durchblicken, dass innerhalb der GLP-Fraktion auch einige der Meinung seien, dass generell die Balance zwischen den beiden Lagern im Moment zulasten der Mietenden gestört sei. Da es sich zudem nur um wenige Fälle handle, in denen es zu langen Verfahren gekommen sei, sei es fraglich, ob man nun in diese Richtung legiferieren solle. Als letztes äusserte sich noch Bundesrat Guy Parmelin. Dieser beantragte dem Nationalrat im Namen des Bundesrates, nicht auf die Vorlage einzutreten. Parmelin vertrat die Meinung, dass die aktuelle Regelung ausreichend sei, um die Interessen beider Parteien zu schützen. Ausserdem komme es in der Praxis nicht zu so vielen störenden Fällen, als dass sich eine legislative Intervention rechtfertigen liesse. Entgegen diesem Antrag stimmte schliesslich eine Mehrheit des Nationalrates für Eintreten auf die Vorlage (mit 108 zu 80 Stimmen, bei 1 Enthaltung). Zu den geschlossen stimmenden Fraktionen von SP und Grünen gesellten sich auch acht Mitglieder der GLP und drei Mitglieder der Mitte-Fraktion. In der Detailberatung galt es anschliessend noch, über verschiedene Anträge der Minderheit auf Verschärfung der Regelung zur Kündigung bei Eigenbedarf zu entscheiden. Diese wurden jedoch allesamt abgelehnt. Schliesslich nahm der Nationalrat das Geschäft in der Gesamtabstimmung mit 114 zu 79 Stimmen (bei 1 Enthaltung) an.

Verfahrensbeschleunigung bei Kündigung des Mietverhältnisses wegen dringendem Eigenbedarf (Pa.Iv. 18.475)

Anfang März 2023 beriet der Nationalrat eine Vorlage, welche seine RK-NR aus einer parlamentarischen Initiative Hans Egloff (svp, ZH) betreffend die «Vermeidung missbräuchlicher Untermiete» ausgearbeitet hatte. Der Entwurf sah vor, dass für ein neues Untermietverhältnis künftig die schriftliche Zustimmung der Vermieterin oder des Verpächters erforderlich sein soll. Wenn dabei die Voraussetzungen nicht erfüllt werden, soll der Vermieterin oder dem Verpächter ein ausserordentliches Kündigungsrecht zustehen. Ausserdem soll die Vermieterschaft neu ein Untermietverhältnis ablehnen können dürfen, wenn dieses für eine Dauer von mehr als zwei Jahren vorgesehen ist. Die Vorlage wurde insbesondere von Mitgliedern der Fraktionen der SP und der Grünen bekämpft. Es gäbe keinen gesetzlichen Handlungsbedarf in dem Bereich, so etwa Florence Brenzikofer (gp, BL). Sie sah in der Vorlage einen Versuch, den «ohnehin schwachen Kündigungsschutz in der Schweiz weiter [abzubauen]». Insbesondere sei es unverhältnismässig, dass eine ausserordentliche Kündigungsfrist zur Anwendung kommen könnte, bei Untermietverhältnissen, die etwa wegen Formfehlern nicht den gesetzlichen Kriterien entsprechen. Baptiste Hurni (sp, NE) und Raphael Mahaim (gp, VD) äusserten sich ähnlich. Sie sahen aktuell nur ein Problem mit den Untermietverhältnissen in der Schweiz, nämlich im Zusammenhang mit Plattformen wie Airbnb. Doch dann sollten besser die Plattformen direkt reguliert werden, anstatt die Gesamtheit der Untermietverhältnisse zu attackieren, so Mahaim. Anders als bei der unmittelbar danach beratenen Vorlage betreffend die Kündigung bei Eigenbedarf äusserte sich bei dieser Vorlage auch die GLP klar kritisch. Beat Flach (glp, AG) bezeichnete den Entwurf als einen «bürokratischen Blockadeartikel, angereichert mit zusätzlichen Hürden und Folgen für die Mieterinnen und Mieter». Auch Flach sah keinen Handlungsbedarf. Die geltenden Regeln funktionierten und es sei deshalb unnötig und «unliberal», weitere Bürokratie aufzubauen. Für die Vorlage plädierten die Fraktionen der SVP, FDP und Mitte. Pirmin Schwander (svp, SZ) sagte, mit der Revision werde eine Unklarheit behoben, darüber wie lange eine vorübergehende Abwesenheit und ein Untermietverhältnis dauern kann. Das sei gerade auch in der aktuell herrschenden Wohnungsnot wichtig, da Wohnungen, welche durch Untermiete blockiert seien, damit frei würden. Christian Lüscher (fdp, GE) vertrat die Position der freisinnigen Fraktion, welche aus ähnlichen Gründen wie Schwander und die SVP die Vorlage unterstützte. Philipp Matthias Bregy (mitte, VS) sprach sich für die Mitte-Fraktion ebenfalls für die Vorlage aus. Die Untervermietung würde mit der Änderung gestärkt und die Vermieterinnen und Vermieter geschützt. Es sei normal, dass es bei Verstössen gegen Regelungen auch Sanktionen geben sollte, konterte er die Kritik unter anderem von Florence Brenzikofer betreffend die ausserordentlichen Kündigungsfristen. Er liess auch das Argument betreffend mehr Bürokratie nicht gelten. Mietverträge seien grundsätzlich schriftlich, weshalb es kein zusätzlicher Aufwand sei, diese Frage in dem Rahmen ebenfalls noch zu regeln. Bundesrat Guy Parmelin zeigte sich damit nicht einverstanden. Im Namen des Bundesrates empfahl er dem Nationalrat, nicht auf die Vorlage einzutreten, da die aktuellen Regelungen ausreichten, um Vermieterinnen und Vermieter vor missbräuchlichen Untermietverhältnissen zu schützen. Auch er war der Meinung, dass die Vorlage zu einem grösseren Bürokratieaufwand und zu Rechtsunsicherheit führen würde. Letzteres weil der Entwurf eine nicht abschliessende Liste an Gründen aufführte, wegen welchen der Vermieter oder die Vermieterin ein Untermietverhältnis ablehnen kann. Schliesslich sei auch die Dauer von zwei Jahren, worüber hinaus es laut dem Entwurf der Vermieterschaft freistehen soll, die Untermiete abzulehnen, zu kurz – insbesondere im Kontext von Untermietverhältnissen von Geschäftsräumen. Entgegen dem Antrag des Bundesrates stimmte die Mehrheit des Nationalrates jedoch für Eintreten auf die Vorlage (110 zu 82 Stimmen, bei 1 Enthaltung). Alle Fraktionen stimmten geschlossen: diejenigen der Mitte, FDP und SVP für Eintreten, diejenigen der SP, Grünen und GLP dagegen. In der Detailberatung befand der Nationalrat anschliessend über mehrere Minderheitsanträge, welche aus linker Sicht zum Ziel hatten, die Regelungen und damit die negativen Folgen abzuschwächen. Sie wurden jedoch allesamt mit dem ungefähr gleichen Stimmenverhältnis abgelehnt. So schritt die grosse Kammer zur Gesamtabstimmung, wo die Vorlage mit 108 zu 83 Stimmen (1 Enthaltung) angenommen wurde.

Missbräuchliche Untermiete vermeiden (Pa.Iv. 15.455)
Dossier: Mietzinse: Bestimmung der Missbräuchlichkeit und Anfechtung

Nach dem Ständerat befasste sich in der Frühlingssession 2023 auch der Nationalrat mit einer Standesinitiative des Kantons Genf, mittels welcher der Genfer Grosse Rat gefordert hatte, dass Mieterinnen oder Mietern, die wegen behördlich angeordneten Massnahmen gegen die Covid-19-Pandemie in Zahlungsrückständen geraten sind, eine Fristverlängerung gewährt werden soll. Konkret sollte den betroffenen Mieterinnen und Mietern eine Frist von mindestens 90 Tage gewährt werden. Die RK-NR beantragte – ebenso wie ihre Schwesterkommission –, die Initiative abzulehnen. Sprecher Beat Flach (glp, AG) erläuterte die Erwägungen der Kommission. So habe das Parlament sich bereits im Rahmen der Beratungen der Motion 20.3158 gegen eine Verlängerung der Covid-19-Verordnung im Bereich Miete und Pacht ausgesprochen. Ausserdem habe der Genfer Grosse Rat die Standesinitiative auch mit einer vorherrschenden Wohnungskrise begründet, welche jedoch der Ansicht der Kommission nach ein strukturelles Problem des Kantons Genf sei, was nicht auf nationaler Ebene angegangen werden sollte. Nicht zuletzt sehe das OR bei Zahlungsrückständen von Mieterinnen und Mietern bereits zusätzliche Fristen vor, die über das normale Vertragsrecht hinausgehen.
Eine Mehrheit des Nationalrats folgte dem Antrag seiner RK und lehnte die Standesinitiative mit 124 zu 66 Stimmen ab. Einzig die Mitglieder der Fraktionen von SP und Grünen stimmten für die Initiative.

Für eine Verlängerung der Frist bei Zahlungsrückständen der Mieterin oder des Mieters (St.Iv 21.316)

Christian Dandrès (sp, GE) forderte im Juni 2020 mittels einer parlamentarischen Initiative, dass Ehegattinnen oder Ehegatten künftig zum Mietvertrag einer Mieterin oder eines Mieters beitreten dürfen sollen, ohne dass dies die Vermieterschaft ablehnen kann. Der Beitritt müsse dabei innerhalb von sechs Monaten nach Abschluss des Mietvertrages erfolgen. Paare, die zum Zeitpunkt des Abschlusses des Mietvertrags noch unverheiratet sind, könnten bis spätestens sechs Monate nach der Heirat beitreten. Die gleichen Rechte sollten zudem auch für Paare in eingetragener Partnerschaft gelten. Dandrès begründete sein Anliegen damit, dass dies den Wohnschutz für Familien in Mietverhältnissen fördern würde. Konkret betreffe dies Fälle, in denen die Ehepartnerin oder der Ehepartner das Erbe ausschlage, etwa weil sie denken, die Erbschaft sei überschuldet. Da Erben alle Rechte und Pflichten des oder der Verstorbenen übernehmen, würden sie damit auch den Mietvertrag ausschlagen, wenn sie nicht schon vor dem Tod Teil des Mietvertrags waren, so Dandrès. Dann fänden sie sich mit der aktuellen Rechtslage nach dem Tod ihres Ehegatten oder ihrer Ehegattin «rechtslos» in ihrer bisherigen Wohnung wieder und liefen Gefahr, dass die Vermieterschaft von ihnen verlangt, die Wohnung zu räumen.

Als Kommission des Erstrates startete die RK-NR die Beratung der Initiative und gab ihr im März 2022 mit 14 zu 10 Stimmen Folge. Die geforderten Gesetzesanpassungen würden in weiten Teilen der Westschweiz bereits angewendet und hätten sich dort bewährt. Einen Monat später kam jedoch die RK-SR zu einem gegenteiligen Schluss: Eine Mehrheit der Kommission – von 7 zu 5 Stimmen – erachtete die geltenden mietrechtlichen Bestimmungen zum Schutz von Ehegattinnen oder Ehegatten als ausreichend und sah deshalb keinen Handlungsbedarf. Im August gleichen Jahres lenkte die RK-NR schliesslich auf die Position ihrer Schwesterkommission ein und plädierte mit 15 zu 9 Stimmen dafür, der Initiative keine Folge zu geben. Bei der Diskussion in der ständerätlichen Kommission seien verschiedene juristische Probleme mit der Umsetzung der Initiative aufgekommen – namentlich im Zusammenhang mit dem Erbrecht –, welche die RK-NR in ihrer ersten Vorprüfung noch nicht genügend in Betracht gezogen hätte, erklärte diese.

In der Herbstsession 2022 debattierte der Nationalrat über die parlamentarische Initiative. Initiant Dandrès kritisierte dabei den Meinungsumschwung der RK-NR. Er habe den Verdacht, dass dieser vor allem dadurch motiviert sei, dass mit dem Status quo mehr Wohnungen frei würden und zu neuen Marktbedingungen und somit einem höheren Mietzins weitervermietet werden könnten. Häufig seien nämlich alte Mietverträge betroffen, «die nicht so hoch und missbräuchlich sind wie die, die heute aufgrund der Wohnungsnot üblich sind», so Dandrès. Kommissionssprecher Beat Flach (glp, AG) vertrat die Position, dass die aktuellen Regelungen ausreichend seien. So sei das Kündigungsrecht der Vermieterschaft laut OR kein erbrechtliches Recht, das durch eine Ablehnung des Erbes tangiert wäre, weil der Mietvertrag ohnehin weiterbestehe, wenn ihn die überlebenden Ehepartner oder eingetragenen Partner weiterführen wollen. Die grosse Kammer lehnte die Initiative in der Folge mit 118 zu 61 Stimmen (bei 1 Enthaltung) ab.

Beitritt der Ehegattin oder des Ehegatten zum Mietvertrag einer Mieterin oder eines Mieters (Pa.Iv 20.449)

Der Nationalrat hatte in der Herbstsession 2019 ein Postulat von Beat Flach (glp, AG) an den Bundesrat überwiesen, das einen Bericht bezüglich des «Wildwuchses und Wirrwarrs bei den Regeln der Baukunde» gefordert hatte. Im März 2022 legte der Bundesrat den Bericht in Erfüllung des Postulats vor. Im Bericht bestätigte der Bundesrat zunächst die Einschätzung des Postulanten, wonach es in der Baubranche einen zunehmenden Wildwuchs an technischen Regeln gebe. Diese stammten nicht primär von Gesetzen oder technischen Normen. Stattdessen würden in der Praxis viele private und öffentliche Akteure aus Angst vor eventuellen haftungsrechtlichen oder finanziellen Konsequenzen Vollzugshilfen wie Richtlinien, Checklisten und Ausführungsbestimmungen erarbeiten, um Fehler bei der Ausführung zu vermeiden und sich innerhalb der gesetzlichen Regelungen zu bewegen. Zwar seien Vollzugshilfen ein wichtiges und geeignetes Mittel, um den gesetzlichen und verordnungstechnischen Neuerungen gerecht zu werden und insbesondere Detailfragen zu klären. Doch es sei zunehmend schwierig, den Überblick zu behalten und die Qualität und Richtigkeit dieser Vollzugshilfen abzuschätzen. Es gebe zudem keine allgemeinverbindlichen Mindeststandards und es sei oft nicht klar, welche Hilfen bei einem Bauvorhaben angewendet werden müssten.
Der Bundesrat kam in seinem Bericht zum Schluss, dass der beste Lösungsansatz für das Problem die Setzung von Rahmenbedingungen zur Koordination von Vollzugshilfen wäre. Gemäss diesem Lösungsvorschlag des Bundesrates soll ein neues Bundesgesetz geschaffen werden, das einen standardisierten Prozess für die Ausarbeitung von Vollzugshilfen festlegen würde. Die unter den neuen gesetzlichen Vorgaben erarbeiteten Vollzugshilfen könnten dann in einem öffentlich zugänglichen Register zur Verfügung gestellt werden. Andere Handlungsansätze wie beispielsweise die Beibehaltung des Status quo, eine Registrierung der Vollzugshilfen inklusive Faktencheck oder eine umfassende Regulierung durch eine staatliche Stelle erachtete der Bundesrat entweder als nicht zielführend, als zu aufwändig oder als nicht umsetzbar.
Der Nationalrat zeigte sich mit dem Bericht zufrieden und schrieb das Postulat in seiner Sommersession 2023 ab. Ausserdem nahm die grosse Kammer auch stillschweigend eine Kommissionsmotion der WAK-NR an, welche den Bundesrat mit der Ausarbeitung eines Erlassentwurfs zur Setzung von Rahmenbedingungen zur Koordination von Vollzugshilfen beauftragt.

Wildwuchs und Wirrwarr bei den Regeln der Baukunde (Po. 19.3894)

Während die Motion Beat Flach (glp, ZH) bezüglich gesetzlicher Anpassungen am Stockwerkeigentumsrecht in der Herbstsession 2019 noch vom Nationalrat angenommen worden war, lehnte sie der Ständerat in der Sommersession 2022 stillschweigend ab. Die kleine Kammer folgte damit dem Antrag ihrer RK-SR. Diese wiederum begründete ihren Antrag damit, dass das Parlament 2019 eine beinahe deckungsgleiche Motion von Andrea Caroni (fdp, AR; Mo. 19.3410) an den Bundesrat überwiesen hatte. Der Bundesrat erarbeite derzeit einen Vorentwurf und eine Vernehmlassung sei für die zweite Hälfte des Jahres 2023 geplant, so die Kommission. Folglich sahen die RK-SR und der Ständerat – trotz Anerkennen des Handlungsbedarfs beim Stockwerkeigentumsrecht – keinen inhaltlichen Mehrwert in der Motion und lehnten diese ab.

Gesetzliche Anpassungen am Stockwerkeigentumsrecht (Mo. 19.3347)
Dossier: Stockwerkeigentum

Nachdem der Bundesrat in seiner Mitteilung vom 8. April 2020 bekanntgegeben hatte, keine entsprechenden Massnahmen treffen zu wollen, beabsichtigten sowohl die WAK-NR als auch die WAK-SR, gewissen Betrieben, die ihre Tätigkeit Corona-bedingt einstellen oder einschränken mussten, die Geschäftsmieten teilweise oder ganz zu erlassen. Im Vorfeld der ausserordentlichen Session zur Bewältigung der Corona-Krise reichte sowohl die WAK-NR (Mo. 20.3142) als auch die WAK-SR (Mo. 20.3161) eine entsprechende Motion ein. Während der Vorstoss der nationalrätlichen Kommission Betreibenden von Restaurants und ähnlichen Betrieben für die Zeit der behördlichen Schliessung 70 Prozent des Mietzinses erlassen sowie einen Härtefallfonds für Vermieterinnen und Vermieter in Prüfung geben wollte, forderte die ständerätliche Kommission einen vollständigen Mietzinserlass für betroffene Kleinunternehmen und Selbständige mit einem Bruttomietzins unter CHF 5'000 pro Monat, sofern diese aufgrund der Beschlüsse zur Bekämpfung des Coronaviruses ihren Betrieb schliessen oder reduzieren mussten, sowie für Betriebe, deren Umsatz im Vergleich zum Vorjahr aufgrund von Covid-19 um mehr als 50 Prozent zurückging. Wo der Mietzins CHF 5'000 übersteigt, sollte ein Anreizsystem dazu beitragen, dass sich die Mieter- und Vermieterseite auf einen Mieterlass im Umfang von zwei Dritteln einigen. In diesem Fall wäre der Bund verpflichtet, ergänzend einen Drittel der Bruttomiete bis maximal CHF 3'000 pro Monat beizusteuern, womit ein letzter Drittel zu Lasten der Vermieterinnen und Vermieter ginge. Die Finanzkommission beantragte für die Beteiligung des Bundes einen Nachtragskredit in der Höhe von CHF 50 Mio. Diese Lösung käme jedoch nur Betrieben zu Gute, die keine anderen Hilfeleistungen – etwa in Form von Corona-Krediten – in Anspruch genommen hätten.

Der Bundesrat stand beiden Anliegen ablehnend gegenüber, wobei er in seinen Antworten die in seiner Mitteilung von Anfang April vorgebrachten Gründe wiederholte: Er stelle sich grundsätzlich gegen Pauschallösungen sowie gegen einen notrechtlichen Eingriff in Vertragsbeziehungen zwischen Privaten und er habe die Mieter- und Vermieterschaft dazu aufgerufen, individuelle Lösungen zu finden. Ferner habe er die Verwaltung beauftragt, bis im Herbst 2020 ein Monitoring zur Situation bei den Geschäftsmieten zu erstellen, auf dessen Basis bei Notwendigkeit weitere Massnahmen beschlossen werden könnten. Betreffend das von der WAK-SR vorgeschlagene Anreizsystem äusserte die Regierung ferner Skepsis bezüglich dessen Umsetzbarkeit und ortete Missbrauchspotential. Falls Parteien, die bereits eine Vereinbarung getroffen hätten, dennoch vom Anreizsystem oder einem weiteren Mietzinserlass profitieren würden, wäre der Grundsatz der Gleichbehandlung verletzt. Bezüglich des von der WAK-NR vorgeschlagenen Härtefallfonds hielt der Bundesrat fest, dass dies seiner Strategie widerspreche, grundsätzlich auf Liquiditätshilfen für beide Parteien zu setzen, wobei er auf die bestehende Solidarbürgschaftsverordnung und die damit einhergehende Möglichkeit der Aufnahme zinsfreier Darlehen, u.a. zur Überbrückung von Engpässen bei Fixkosten, verwies.

Die betroffenen Verbände beurteilten die Vorstösse unterschiedlich. Der Verband Immobilien Schweiz (VIS) zeigte sich gar verantwortlich für die Fassung des Ständerates; er wolle hiermit Rechtssicherheit schaffen und Kleinunternehmen vor dem Konkurs bewahren. Während der Mieterverband beide Vorstösse unterstützte, äusserte sich der Hauseigentümerverband kritisch, insbesondere auch gegenüber dem über den Vorschlag des VIS hinausgehenden Passus, dass sämtliche Betriebe davon profitieren dürften, sofern deren Umsatz aufgrund des Coronaviruses im Vergleich zum Vorjahr um mindestens die Hälfte eingebrochen sei. In einem gemeinsamen Schreiben zu Handen des Parlaments plädierten ferner 15 der grössten Gastronomieunternehmen für einen weiteren Vorschlag, gemäss welchem die geschuldeten Mietzinse zwischen März 2020 und Februar 2021 dem Umsatz anzupassen seien. Sie erachteten die Beschränkung der Mietzinsreduktion auf die Dauer der Zwangsschliessung als zu wenig weit gehend, da die Betriebe auch mittelfristig noch finanziell zu kämpfen hätten. Eine breite Front aus betroffenen Betrieben sprachen der Motion der WAK-NR ihre Unterstützung aus.

In der ausserordentlichen Session zur Bewältigung der Corona-Krise unterstützte jeweils eine Mehrheit im National- sowie im Ständerat die Motion der jeweiligen Kommission. Dabei stellte sich die kleine Kammer mit 24 zu 19 Stimmen (keine Enthaltungen) hinter die Motion der WAK-SR. Im Nationalrat stiess die Motion der WAK-NR mit 103 zu 77 Stimmen (15 Enthaltungen) gegen den Willen einer aus SVP-Vertreterinnen und -Vertretern bestehenden Kommissionsminderheit auf Zuspruch. In der Folge zeigte sich hingegen einmal mehr die Gespaltenheit der beiden Kammern in Mietrechtsfragen (vgl. etwa hier zu den gescheiterten Mietrechtsrevisionen): So beschloss die grosse Kammer auf Anraten ihrer Kommission diskussionslos die Ablehnung der vortags vom Ständerat beratenen Motion der WAK-SR, womit dieses Geschäft vom Tisch war. Mit 15 zu 2 Stimmen bei 8 Enthaltungen habe die nationalrätliche Kommission beschlossen, das Geschäft der ständerätlichen Kommission abzulehnen, führte Kommissionssprecherin Badran (sp, ZH) im Plenum aus. Die Kommissionsmehrheit erachte dieses als nicht zielführend, ungerecht und unausgewogen.
Die WAK-SR zeigte sich ihresgleichen unzufrieden mit dem Vorschlag ihrer Schwesterkommission. Ursprünglich hatte sie mit 7 zu 4 Stimmen bei 2 Enthaltungen ebenfalls deren Ablehnung empfohlen, da sie sich aufgrund der unterschiedlich starken Finanzkraft innerhalb der Mieterschaft gegen eine Pauschallösung für alle Mieterinnen und Mieter aussprach. In Anbetracht der unterdessen abgelehnten hauseigenen Motion und der gegebenen Dringlichkeit sah sich der Ständerat indes während der ausserordentlichen Session zu Kompromissen bereit und beschloss – nach Annahme eines Ordnungsantrages Sommaruga (sp, GE) auf Rückweisung an die Kommission – am Nachmittag desselben Tages eine abgeänderte Version der Motion der WAK-NR. Diese sah vor, die Mietzinsreduktion auf Selbständigerwerbende und Unternehmen zu beschränken, die aufgrund der Covid-19-Verordnung 2 ihren Betrieb reduzieren oder gar einstellen mussten und deren monatliche Bruttomiete CHF 8'000 nicht übersteigt. Diese sollten neu Anrecht auf eine Mietzinsreduktion von monatlich maximal CHF 5'000 über die Dauer von zwei Monaten haben, womit der Ständerat in diesem Punkt auf seine ursprüngliche Fassung zurückkommen wollte. Als nicht umstritten entpuppte sich zudem die Forderung der nationalrätlichen Motion, dass der Bundesrat die Schaffung eines Härtefallfonds für die Vermieterschaft prüfen solle.
Bundesrat Parmelin, der im Rat Stellung zur abgeänderten Motion nahm, begrüsste zwar den Versuch der gezielten Entlastung kleinerer und mittlerer Unternehmen und Selbständiger, die in diesen Zeiten am meisten betroffen seien, hielt davon abgesehen aber an seiner bisherigen Argumentation fest. Die abgeänderte Motion passierte den Ständerat mit 23 zu 19 Stimmen (1 Enthaltung).
Dem Nationalrat lagen zwei Ordnungsanträge Nordmann (sp, VD) und Glättli (gps, ZH) vor, die die grosse Kammer dazu verpflichten wollten, noch in derselben Session über die vom Ständerat abgeänderte Version der Motion der WAK-NR zu beraten. Diese fanden jedoch kaum Zuspruch im bürgerlichen Lager und wurden beide abgelehnt. Somit gelangte das Parlament in einem zentralen Punkt der ausserordentlichen Session bis zu deren Abschluss zu keiner Einigung. Auf der Agenda blieb das Thema dennoch: Vertreterinnen und Vertreter der Kommission versicherten dem Nationalrat vor den Abstimmungen über die Ordnungsanträge, die WAK-NR werde das Geschäft bereits in der kommenden Woche erneut thematisieren.

Als Blamage bezeichnete die NZZ das Versäumnis der beiden Parlamentskammern, bei einem so dringend scheinenden Problem nach der ausserordentlichen Session keine Lösung präsentieren zu können. Die NZZ und die AZ schrieben diesen Umstand in erster Linie der CVP zu, die sich in Bezug auf die Ausgestaltung des Lösungsansatzes speziell gespalten gezeigt habe. Während Daniel Fässler (cvp, AI) als Präsident des VIS die vom Ständerat abgeänderte Motion unterstützt hatte, zeigten sich mit Fabio Regazzi (cvp, TI) und Leo Müller (cvp, LU) nationalrätliche CVP-Vertreter mit Verbindungen zum Gewerbeverband gegenüber den Medien skeptisch.

Kommissionen verlangen Erlass von Geschäftsmieten bei durch Corona bedingter Schliessung oder Einschränkung des Betriebs
Dossier: Diskussionen um Erlass von Geschäftsmieten während des Lockdown

Beat Flach (glp, AG) forderte mit seinem Postulat zum Wildwuchs und Wirrwarr bei den Regeln der Baukunde einen Bericht des Bundesrates, der Massnahmen für eine verbesserte Koordination der verschiedenen technischen Regelungen und der dahinterstehenden Akteure im Planungs- und Bauwesen aufzeigen soll. Laut einer in der Begründung zitierten Studie des SECO würde allein das Baubewilligungsverfahren Regulierungskosten von über CHF 600 Mio. pro Jahr verursachen. Nachdem auch der Bundesrat Annahme des Postulates beantragt hatte, überwies es der Nationalrat im September 2019 stillschweigend.

Wildwuchs und Wirrwarr bei den Regeln der Baukunde (Po. 19.3894)

In der Sommer- und Herbstsession nahmen Stände- und Nationalrat je eine Motion für Anpassungen am Stockwerkeigentum an.
Diskussionslos, stillschweigend und somit einstimmig nahm der Ständerat im Juni 2019 eine Motion Caroni (fdp, AR; Mo. 19.3140) an. Diese forderte, aufbauend auf dem Bericht des Bundesrates vom März 2019 und einem früheren Postulat Caroni (fdp, AR; Po. 14.3832), entsprechende gesetzliche Anpassungen am Stockwerkeigentum. Damit sollten diverse Lücken geschlossen und Anwendungsprobleme gelöst werden. Namentlich erwähnt wurde vom Motionär der mangelnde Rechtsschutz von Stockwerkeigentümerinnen und Stockwerkeigentümern, die «ab Plan» erwerben, also noch vor der Fertigstellung eines Gebäudes.
Im Nationalrat wurde die gleichentags eingereichte und ähnlich lautende Motion von Beat Flach (glp, AG; Mo. 19.3347) zwar ebenfalls vom Bundesrat zur Annahme empfohlen, aber wegen Bekämpfung durch Hans Egloff (svp, ZH) erst im September 2019 behandelt. Egloffs zwei Hauptargumente für Ablehnung der Motion waren einerseits die grundsätzlich ausreichenden rechtlichen Regelungen zum Stockwerkeigentum und andererseits die Behebung einzelner Probleme durch bereits aufgegleiste Reformen im Werk- bzw. Kaufvertragsrecht. Da sich einzig die SVP – geschlossen – und vier Liberale gegen die Motion stellten, wurde diese mit 108 zu 63 Stimmen bei einer Enthaltung klar überwiesen.

Gesetzliche Anpassungen am Stockwerkeigentumsrecht (Mo. 19.3347)
Dossier: Stockwerkeigentum

Dass die Schweiz haushälterischer mit ihrem Kulturland umgehen muss, darüber war man sich auch im Nationalrat, der die Zersiedelungsinitiative der Jungen Grünen in der Sommersession 2018 als Zweitrat beriet, einig. Gleichwohl stiess sich die Grossmehrheit der Parlamentarierinnen und Parlamentarier der grossen Kammer – ähnlich wie ihre Kolleginnen und Kollegen im erstberatenden Ständerat – insbesondere an der starren Forderung zum Einfrieren der Bauzonen. Darüber hinaus zeigte man bis in die Reihen der SP Unverständnis für den Zeitpunkt der Lancierung eines solchen Anliegens. Ein befristetes Bauzonenmoratorium – und somit eine etwas weniger radikale Forderung – sei ja Gegenstand der Landschaftsinitiative gewesen, die dann angesichts des als griffig erachteten indirekten Gegenvorschlags in Form der ersten RPG-Teilrevision zurückgezogen worden sei, so Beat Jans (sp, BS). Die Kantone hätten nun noch immer ein Jahr Zeit, Massnahmen gegen die Baulandhortung umzusetzen und bis dahin gelte faktisch ein Bauzonenmoratorium.
Während sich alle Fraktionen mit Ausnahme der Grünen geschlossen gegen das Anliegen stellten, gab sich die SP gespalten. Silva Semadeni (sp, GR) etwa äusserte ihren Unmut gegen die Verwässerung des revidierten RPG in kleinen Schritten, wie dies jüngst etwa durch die Schaffung von Ausnahmen für die Pferde- und die Kleintierhaltung sowie für Hotels geschehen sei. Im Raum hing auch die Befürchtung, dass im Rahmen der 2. Teilrevision des RPG die Bestimmungen zum Bauen ausserhalb der Bauzonen gar noch gelockert werden könnten, weswegen einige SP-Vertreterinnen und -Vertreter mit Zustimmung zur Initiative ein Zeichen zu setzen gedachten. Als Folge dieser Unstimmigkeiten beschloss die SP Stimmfreigabe. Zusammen mit Roger Nordmann (sp, VD) und Kommissionsmitgliedern der Grünen Fraktion beantragte die Bündner SP-Nationalrätin jedoch in einem Minderheitsantrag die Annahme der Initiative.
Die GLP attestiert der Bevölkerung Sympathien für den Landschaftsschutz und schlug deswegen als Gegenmassnahme einen direkten Gegenvorschlag zur Initiative vor, um diesem Anliegen zum Bodenschutz anders zu begegnen als der 2012 vom Volk knapp befürworteten Zweitwohnungsinitiative. Konkret beantragte die Partei im Namen einer Kommissionsminderheit Bäumle (glp, ZH), eine der drei in der Initiative enthaltenen Anliegen aufzunehmen, und verlangte – abweichend vom Initiativbegehren –, dass die Gesamtfläche an Bauten ausserhalb der Bauzonen nicht vergrössert werden dürfe.
Ganz woanders anzusetzen gedachte die SVP. Gemäss der Volkspartei ist die zentrale Ursache der Zersiedelung bei der Zuwanderung zu suchen. Verschiedene Redner der Fraktion versuchten die Diskussion in diese Richtung zu lenken, wobei SVP-Präsident Albert Rösti (svp, BE) Werbung für die hauseigene Begrenzungsinitiative betrieb. Gemäss dem St. Galler Nationalrat Brunner (svp, SG) wäre die Einschränkung der Zuwanderung «der beste Bodenschutz». Grünen-Nationalrat Girod (gp, ZH) entgegnete diesem Argument mit einem Vergleich der Stadt Zürich und der Stadt St. Gallen. Während Zürich bevölkerungsmässig wachse, bleibe die verbaute Fläche dank Förderung des verdichteten Bauens konstant. Anders in St. Gallen: Dort stagniere die Bevölkerung zwar, die Siedlungsfläche nehme aber dennoch zu.
Nach mehrstündiger und teils hitziger Debatte waren die Fronten zum Schluss dann doch ziemlich klar. Mit 135 zu 33 Stimmen bei 22 Enthaltungen – grösstenteils aus der SP-Fraktion – beschloss der Nationalrat, dem Volk die Zersiedelungsinitiative zur Ablehnung zu empfehlen. Unterstützung erhielten die Grünen durch eine knappe Mehrheit der SP-Fraktion. Auch der von der Minderheit Bäumle eingebrachte Antrag, der Initiative einen direkten Gegenvorschlag zur Einschränkung des Bauens ausserhalb der Bauzonen entgegen zu stellen, erlangte mit 44 zu 146 Stimmen (0 Enthaltungen) eine deutliche Abfuhr. Neben der GLP und den Grünen stimmte lediglich eine knappe Mehrheit der SP-Fraktion sowie die Nationalrätin und der Nationalrat der EVP für den Gegenvorschlag.

Am Ende der Sommersession 2018 verabschiedete der Ständerat seinen ablehnenden Antrag zur Zersiedelungsinitiative mit 34 zu 3 Stimmen bei 7 Enthaltungen. Das Schlussergebnis im Nationalrat lautete 143 zu 37 Stimmen (18 Enthaltungen) zu Ungunsten der Volksinitiative.

Volksinitiative "Zersiedelung stoppen – für eine nachhaltige Siedlungsentwicklung (Zersiedelungsinitiative)"

Kurz vor der nationalrätlichen Beratung des Bundesgesetzes über Zweitwohnungen zeigten sich bürgerliche Parlamentarier vor dem Hintergrund der immer lauter werdenden Referendumsdrohung kompromissbereit: Nicht nur metaphorisch sondern tatsächlich in letzter Minute, nämlich am Vorabend der Nationalratsdebatte in der Frühjahrssession 2015, gelang es durch Einlenken der FDP-Fraktionschefin Huber (fdp, UR) und des SVP-Fraktionschefs Amstutz (svp, BE) tatsächlich, ausserhalb des Parlaments einen Kompromiss mit Vera Weber zu erzielen. Der CVP-Vertreter und Kommissionssprecher Yannick Buttet (cvp, VS), der dem Treffen ebenfalls beigewohnt hatte, verliess dieses frühzeitig und empört darüber, vor beschlossene Tatsachen gestellt worden zu sein, welche seiner Meinung nach nicht einer "pragmatischen Umsetzung" entsprachen. Die SVP hätte den Deal alleine mit Helvetia Nostra eingefädelt und die Mitteparteien aussen vorgelassen. Ferner unterstellte Buttet der SVP, rein aus Eigeninteresse gehandelt zu haben, um auch bei ihren eigenen Initiativen weiterhin einen harten Kurs legitimieren zu können. Gegenüber der NZZ beteuerte Nationalrat Killer (svp, AG), man hätte lediglich rasch möglichst die vorherrschende Rechtsunsicherheit beheben wollen. Der Kompromiss sieht drei Zugeständnisse an die Initianten vor: Erstens soll in Gemeinden, die ihr Kontingent ausgeschöpft haben, auch das Anbieten des Objekts auf einer Vertriebsplattform keinen Zweitwohnungsbau legitimieren. Zweitens sollen nicht mehr in Betrieb stehende Hotelanlagen, die ein Vierteljahrhundert oder länger bewirtschaftet wurden, nur zu 50% in nicht der Nutzungsbeschränkung unterstehende Zweitwohnungen umgewandelt werden dürfen. Schliesslich verlangte der Kompromiss den Verzicht auf den dehnbaren Begriff der "erhaltenswerten Bauten", wenn es darum geht, bestehende Bauten auch in Gemeinden mit ausgeschöpftem Kontingent in Zweitwohnungen umzuwandeln. Anstelle dessen soll die Umwandlung in nicht der Nutzungsbeschränkung unterstehende Wohnungen nur in geschützten und "ortsbildprägenden" Bauten möglich sein. Der Begriff "ortsbildprägend" gilt als deutlich klarer und enger umrissen als der Begriff "erhaltenswert". Im Gegenzug verpflichtete sich Vera Weber, auf das Ergreifen des Referendums zu verzichten.
In der sich über zwei Tage erstreckenden Sitzung im Nationalrat waren es in der Folge nur die CVP und die BDP, die eine harte Linie fuhren und die Interessen ihrer Stammwählerschaft vertraten. Hans Grunder (bdp, BE) kritisierte das Umschwenken der SVP-Fraktion, nachdem deren Kommissionsmitglieder in den Vorberatungen im Namen der Mehrheit noch für eine Beibehaltung oder gar Aufweichung des ständerätlichen Kurses plädiert hatten, worauf der SVP-Fraktionspräsident in ein Kreuzfeuer von diversen Fragen verschiedenster Seiten geriet. Zu Beginn der Beratungen hatte die grosse Kammer über zwei Anträge der Ratslinken zu bestimmen, welche die Rückweisung der Vorlage an den Bundesrat forderten, verbunden mit den Aufträgen, einen Entwurf auszuarbeiten, der den Volkswillen ernst nehme, und eine qualitativ hochstehendere und klarere Gesetzesgrundlage zu schaffen. In der Begründung seines Minderheitsantrages liess Roger Nordmann (sp, VD) verlauten, er habe während seiner ganzen parlamentarischen Karriere noch nie einen so geschraubten Gesetzestext gesehen wie der Vorliegende und mehr noch: "Il est difficile d'y reconnaître un texte légal". Über die geschlossen für die Rückweisung votierenden Fraktionen der SP und der Grünen hinaus fand das Anliegen jedoch bei keinem weiteren Ratsmitglied Zustimmung, womit dieses klar abgelehnt wurde. Im Anschluss stellte sich die Linke und ebenso die GLP hinter die gesetzesverschärfenden Anträge Huber/Amstutz, welche aus diesem Grund mit komfortablen Mehrheiten angenommen werden konnten. Lediglich die geschlossen auftretende Fraktion der BDP, eine beinahe geeinte CVP-Fraktion sowie vereinzelte Mitglieder der SVP stellten sich gegen den ausserparlamentarisch ausgehandelten Kompromiss. Auch Bundesrätin Leuthard zeigte sich im Grunde zufrieden mit der Kompromisslösung, jedoch nicht ohne zu betonen, dass sie es begrüsst hätte, wenn diese den Beratungen in der Kommission entsprungen wäre, da die Auslotung gangbarer Möglichkeiten eigentlich zur Aufgabe der Legislativkommissionen gehöre. Darüber hinaus zeigte sich die Bundesrätin irritiert ob dem verklausulierten Regelwerk: Der Kompromiss schränke die Umnutzung bestehender Wohnungen in Hotelbauten im Artikel 9 Absatz 2 nun zwar ein; in den Absätzen 1bis und 1ter erlaube ein ständerätlicher Zusatz Hotelbesitzern jedoch gar den Neubau von Zweitwohnungen in Gemeinden mit einem Zweitwohnungsanteil von über 20%. Da letztere Regelung nicht Teil des ausgehandelten Kompromisses war, unterlag ein links-grüner Minderheitsantrag zur Streichung dieser Absätze. Nur die GLP-Fraktion unterstützte diesen Antrag.
Ferner beschloss der Nationalrat weitere Abweichungen zur Fassung des Ständerates und schickte den von der ursprünglichen Mehrheit der UREK-NR gestellten Antrag auf Dringlichkeit mit 173 zu 22 Stimmen klar bachab, wobei der Rat der Minderheit Jans (sp, BS) folgte. Für die Dringlichkeitsklausel setzte sich die Hälfte der CVP-Fraktion sowie eine Minderheit der SVP-Fraktion ein. Zum Schluss der Beratung gab Roger Nordmann (sp, VD) im Namen der SP-Fraktion bekannt, die SP werde diesen Kompromiss in der Schlussabstimmung unterstützen, sofern der Ständerat auf den Kompromiss einschwenke. Mit 143 zu 6 Stimmen bei nicht weniger als 47 Enthaltungen verabschiedete der Nationalrat den so veränderten Entwurf nach der Gesamtabstimmung in die Differenzbereinigung. Neben einzelnen Vertretern der FDP und SVP sowie den grossmehrheitlichen Fraktionen der CVP und BDP enthielt sich die Grüne Fraktion komplett der Stimme.

Gesetz zur Umsetzung der Zweitwohnungsinitiative (BRG 14.023)
Dossier: Zweitwohnungsinitiative und ihre Auswirkungen