Bedeutsam war die Verabschiedung der vom Bundesrat 1970 vorgeschlagenen Totalrevision des Gewässerschutzgesetzes durch das Parlament. Gegenüber den zu wenig wirksamen Bestimmungen des früheren Gesetzes wurde eine wesentliche Verschärfung erzielt. Jedermann ist nun verpflichtet, alle Sorgfalt anzuwenden, um Gewässerverunreinigungen zu vermeiden. Es sind scharfe Strafen vorgesehen. Den Kantonen wird eine zehnjährige Frist auferlegt, um alle Einleitungen und Versickerungen den Erfordernissen des Gewässerschutzes anzupassen. Der Bund beaufsichtigt und koordiniert die Massnahmen. Er kann auf Kosten von säumigen Kantonen, Gemeinden oder anderen Pflichtigen selbst Massnahmen treffen. Dafür werden die Bundessubventionen erhöht. Sie betragen mindestens 15 Prozent und höchstens 50 Prozent für Abwasseranlagen und 40 Prozent für Abfallbeseitigungsanlagen und andere Gewässerschutzmassnahmen (z. B. Algenmähmaschinen). Ein weiterer Zuschlag von 5 Prozent sowie Sonderbeiträge für schwerbelastete Gemeinden sind möglich. Ausserhalb der in generellen Kanalisationsprojekten abgegrenzten Gebiete dürfen nur noch ausnahmsweise Baubewilligungen erteilt werden. Damit soll auch von der Gewässerschutzgesetzgebung her der Zersiedelung ein Riegel geschoben werden. Der Bundesrat kann im weitern Herstellung, Einfuhr und Inverkehrbringen von Stoffen verbieten, die nachteilige Auswirkungen auf die Gewässer haben. Man denkt dabei an Phosphate und Kunststoffe. Der Bau von Tankanlagen wird bewilligungspflichtig, ihre Überwachung verschärft. Die Kantone haben schliesslich um bestehende Grundwasserfassungen herum Schutzzonen anzulegen und zudem Areale festzulegen, in denen keine Arbeiten ausgeführt werden dürfen, welche künftige Wasseranlagen beeinträchtigen könnten. Alle diese verschärfenden Bestimmungen, die im wesentlichen schon auf einen 1969 vorgelegten Vorentwurf zurückgingen und die häufig technisch komplexe Einzelheiten einschlossen, gaben in den eidgenössischen Räten zu langwierigen Detailberatungen Anlass. In der Kommission des Nationalrates wurden zum Beispiel nicht weniger als 120 Abänderungsanträge gestellt. Am heftigsten umstritten war die Frage der Haftpflicht. Der Bundesrat hatte eine umfassende Kausalhaftung vorgesehen. Der Ständerat schloss sich dieser Lösung in der ersten Lesung im Frühjahr an. Der Nationalrat schränkte im Juni die Kausalhaftung auf Betriebe ein, verschärfte sie aber insofern, als er einem Betrieb, der als Verursacher einer Verschmutzung vermutet wird, die Leistung des Entlastungsbeweises auferlegte. Der Ständerat kehrte schliesslich im Herbst wieder zur ursprünglichen strengen Fassung des für jedermann geltenden Verursacherprinzips zurück, wobei er die Umkehrung der Beweislast beibehielt. Die scharfen Bestimmungen des neuen Gewässerschutzgesetzes erlaubten es, die Standesinitiative des Kantons Neuenburg abzuschreiben. Die Volksinitiative für den Schutz der Gewässer, die von den Räten zur Ablehnung empfohlen worden war, wurde erst nach einigem Zögern zurückgezogen.
Procédure de consultation sur l'avant-projet d'une nouvelle loi concernant la protection des eaux (MCF 10660)
Dossier: Revision des Gewässerschutzgesetzes von 1955