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Im Mai 2014 stimmte der Souverän über die Volksinitiative „Für den Schutz fairer Löhne (Mindestlohn-Initiative)“ ab, die 2011 vom Schweizerischen Gewerkschaftsbund (SGB) lanciert worden war. Die Initiantinnen und Initianten verlangten einerseits, dass Bund und Kantone die Löhne in der Schweiz schützen, indem sie die Festlegung von Mindestlöhnen in Gesamtarbeitsverträgen (GAV) fördern. Andererseits forderteten sie, dass der Bund einen nationalen gesetzlichen Mindestlohn von CHF 22 pro Stunde festlegen soll, was bei einer Wochenarbeitszeit von 42 Stunden und 12 Monatslöhnen rund CHF 4'000 Bruttolohn pro Monat entsprechen würde. Mit seinen Forderungen wollte das Initiativkomitee dafür sorgen, dass alle Arbeitnehmenden in der Schweiz von ihrem Lohn leben können. Es hoffte zudem, damit die Armut reduzieren zu können, Lohnunterbietung zu bekämpfen und zugleich den sozialen Frieden in der Schweiz zu wahren. Das Staatssekretariat für Wirtschaft (SECO) stellte fest, dass 2010 rund 9% aller Beschäftigten und damit über 300‘000 Personen in der Schweiz weniger als die geforderten CHF 22 verdienten. Der Bundesrat sah in einem nationalen gesetzlichen Mindestlohn das gute Funktionieren des Arbeitsmarktes gefährdet und Arbeitsplätze bedroht und beantragte im Januar 2013 den eidgenössischen Räten, die Initiative Volk und Ständen zur Ablehnung zu empfehlen. Nachdem es in der Herbstsession 2013 zu einer klassischen Staat-versus-Markt-Debatte zwischen linken und rechten Volksvertretern gekommen war, folgten in den Schlussabstimmungen der darauffolgenden Wintersession beide Kammern der Empfehlung des Bundesrates, wobei 12 Ständeräte und 56 Nationalräte des linken Lagers gegen den Bundesrat votierten und die Initiative unterstützten. Der klassische Links-Rechts-Konflikt spiegelte sich auch in der Parolenfassung der Parteien und Verbände wider, wobei sich eine auffallend grosse Anzahl an Verbänden zur Vorlage äusserte. Nicht überraschend sprachen sich die Arbeitnehmerverbände dafür und die Arbeitgeberverbände im Allgemeinen dagegen aus.
Der Abstimmungskampf zur Mindestlohn-Initiative wurde äusserst intensiv geführt. Überraschend verzeichnete die Vorlage mehr Presseanzeigen als die gleichentags anstehende Abstimmung zum Finanzierungsplan der Beschaffung des Kampfflugzeugs Gripen. Die Kampagne der Befürworter wies einen vorwiegend zentralisierten Charakter auf und wurde in erster Linie von den Gewerkschaften SGB und Unia bestritten. Die Gegenseite setzte sich mit dem Wirtschaftsdachverband Economiesuisse, der neu gegründeteten wirtschaftspolitischen Plattform SuccèSuisse, dem Verband der Schweizerischen Maschinen-, Elektro- und Metall-Industrie (Swissmem), dem Dachverband des Schweizerischen Handels (Handel Schweiz) und etlichen kantonalen Gewerbe- und Arbeitgeberverbänden aus einer Vielzahl an lose koordinierten, potenten und politsch erprobten Schwergewichten zusammen. Während die Pro-Seite in erster Linie Fairness-Aspekte bei der Entlöhnung von Arbeit und die Lohndiskrimierung von Frauen als Argumente ins Feld führte, brachten die Initiativgegner vor, dass die Mindestlohn-Initative Sozialpartnerschaften, Arbeitsplätze sowie das duale Bildungssystem gefährde, staatliche Interventionen Wettbewerb verzerrten und branchenspezifische und regionale Unterschiede vom Initiativbegehren zu wenig berücksichtigt würden.
Die Mindestlohn-Initiative scheiterte letzlich deutlich. Nur 23,7% der Partizipierenden sprachen sich an der Urne zugunsten der Vorlage aus. Dies ist selbst im Vergleich zur 1:12-Initiative, welche im November 2013 einen Ja-Stimmenanteil von 34,7% erreichte, ein ausserordentlich tiefer Zustimmungswert. Die Stimmbeteiligung betrug überdurchschnittliche 55,5%. Die höchsten Ja-Anteile wurden in den Kantonen Jura (35,9%), Genf (33,9%) und Tessin (32,0%) registriert. Die tiefste Zustimmung verzeichneten die Kantone Appenzell Innerrhoden (12,1%), Nidwalden (12,8%) und Schwyz (13,6%).


Abstimmung vom 18. Mai 2014

Beteiligung: 56,4%
Ja: 687 571 (23,7%) / 0 Stände
Nein: 2 210 192 (76,3%) / 20 6/2 Stände

Parolen:
– Ja:, SPS, GPS(2)*, CSP, SGB, TravS, Unia.
– Nein: SVP, FDP, CVP, GLP, BDP, EVP, eco, sgv, SAV.
* In Klammer Anzahl abweichender Kantonalsektionen

Der VOX-Analyse zur Mindestlohn-Initiative ist zu entnehmen, dass ein Grund für die hohe Ablehnung der Initiative im weitverbreiteten Zweifel an der Verwirklichung der anvisierten Ziele liege. So hielt nur gerade ein Drittel der Stimmenden das Argument, wonach Mindestlöhne die Zahl der Sozialhilfebeziehenden senke und damit Kantone und Gemeinden entlaste, für überzeugend. Der klassische Links-Rechts-Konflikt widerspiegelte sich auch in den Abstimmungsmustern der Parteisympathisanten. So stimmten 70% der Anhängerinnen und Anhänger der Grünen und 55% der SP-Gefolgschaft für die Initiative, während sie die Wählerschaft von CVP (11%), FDP (5%), SVP (7%), GLP (18%) und BDP (7%) deutlich verwarfen. Die VOX-Analyse kam weiter zum Schluss, dass gesellschaftliche Merkmale bei weitem nicht so stark mit dem Stimmentscheid korrelierten wie politsche Einstellungen. So habe die Initiative nicht mal bei den tiefsten Einkommensklassen, die direkt von einem Mindestlohn von CHF 4000 profitiert hätten, Gehör finden können. Die Befürchtung, wonach die Initiative Arbeitsplätze vernichten würde, stellte sich im Endeffekt, so die VOX-Studie weiter, als äusserst entscheidungsrelevant heraus.

initiative populaire intitulée « pour la protection de salaires équitables »

Au 15 juillet, le Conseil fédéral a mis en vigueur la responsabilité solidaire renforcée dans le domaine de la construction. Le parlement avait, dans le but de lutter contre l’indépendance fictive des prestataires étrangers, adopté cette mesure au cours de l’année passée. La mise en œuvre a été inscrite dans l’ordonnance sur les travailleurs détachés. Sous la houlette du Secrétariat d’Etat à l’économie (SECO), un groupe d’experts, composé de représentants du secteur de la construction, des partenaires sociaux et des cantons, a élaboré un projet qui précise notamment les documents que les sous-traitants sont obligés de fournir afin de garantir le respect des conditions de travail en général et salariales en particulier par les entreprises. Le Conseil fédéral a approuvé le texte à la fin du mois de juin.

la responsabilité solidaire renforcée
Dossier: Solidarhaftung von schweizerischen Unternehmen

Erstmals hatte der Bundesrat einen Normalarbeitsvertrag für Hausangestellte erlassen, die für Privatpersonen arbeiten. Die darin festgelegten Mindestlöhne gelten für die gesamte Branche. Gesetzliche Mindestlöhne gehören zu den schärfsten Massnahmen, mit denen die Auswirkungen der Personenfreizügigkeit mit der EU abgefedert werden sollen. Ungelernte ohne Berufserfahrung erhalten mindestens CHF 18.20 pro Stunde, Ausgebildete mit eidgenössischem Fähigkeitszeugnis CHF 22. Mit diesem Entscheid folgte der Bundesrat der Tripartiten Kommission, welche über die Umsetzung der flankierenden Massnahmen wacht. Die Bürgerlichen und die Wirtschaftsverbände kritisierten die Einführung, die ihrer Meinung nach einen schädlichen Eingriff in die freie Wirtschaft darstellt, während die Sozialpartner und die Linken den Entscheid begrüssten .

Normalarbeitsvertrag für Hausangestellte

Im Nationalrat stellte Gutzwiller (fdp, ZH) den Ordnungsantrag, das Zusatzprotokoll und die flankierenden Massnahmen in einem Genehmigungsbeschluss zusammenzufassen. Der Stimmbürger könne doch nicht über die Erweiterung der Personenfreizügigkeit auf die neuen EU-Staaten entscheiden, ohne zu wissen, mit welchen Massnahmen Lohndumping bekämpft werde. Mit 120 zu 46 Stimmen stimmte der Rat diesem Antrag zu. In der Detailberatung übernahm der Rat mehrheitlich die Beschlüsse des Ständerates. Mit 75 zu 57 Stimmen folgte der Nationalrat insbesondere einem Antrag Bührer (fdp, SH) und damit Bundes- und Ständerat und beschränkte die Meldepflichten für die Arbeitgeber gegenüber den zuständigen Kontrollbehörden auf die Identität, die Tätigkeit und den Arbeitsort der in die Schweiz entsandten Arbeitnehmer. Die Kommission hatte auch die Löhne und die Arbeitszeiten in die Meldepflicht einbeziehen wollen. Eine Minderheit Kaufmann (svp, ZH) beantragte, auf die Anstellung von Inspektoren zu verzichten, die rund CHF 20 Mio. pro Jahr kosten; es sei an den in den tripartiten Kommissionen vertretenen Sozialpartnern, diese Kontrollen zu übernehmen. Bundespräsident Deiss konterte, wenn man Kontrollen wolle, so müsse man auch die notwendigen Mittel zur Verfügung stellen. Der Antrag Kaufmann wurde mit 124 zu 47 Stimmen abgelehnt. Gegen einen Antrag Germann (svp, SH), der Festhalten an den getrennten Vorlagen beantragte, da sonst die Möglichkeit entfalle, frei entscheiden zu können zwischen Ausdehnung der Personenfreizügigkeit mit oder ohne flankierende Massnahmen, stimmte der Ständerat in der Differenzbereinigung der Zusammenfügung mit 27 zu 7 Stimmen zu, worauf die Vorlage von beiden Kammern definitiv verabschiedet werden konnte.

Erweiterung des Personenfreizügigkeitsabkommens auf die neuen EU-Staaten

Als flankierende Massnahmen zur Erweiterung des Personenfreizügigkeitsabkommens auf die neuen EU-Staaten, die den Schweizer Arbeitsmarkt vor Lohndrückerei und schlechteren Arbeitsbedingungen schützen sollen, schlug der Bundesrat vor, die Allgemeinverbindlicherklärung von Gesamtarbeitsverträgen zu erleichtern und eine Verstärkung der Kontrollen vorzusehen. Rund 150 Inspektoren sollen darüber wachen, dass die üblichen Lohn- und Arbeitsbedingungen von den zugewanderten Arbeitskräften nicht unterschritten werden, wobei der Bund die Hälfte der Lohnkosten dieser Inspektoren übernimmt; sie sollen jene Kontrollen und Untersuchungen durchführen, die den 2003 eingeführten tripartiten Kommissionen als Grundlage ihrer Beschlüsse dienen.

Erweiterung des Personenfreizügigkeitsabkommens auf die neuen EU-Staaten

Im Ständerat war das Eintreten auf das Zusatzprotokoll und die flankierenden Massnahmen unbestritten. In der Detailberatung beantragte eine Minderheit Schmid (cvp, AI), für die Allgemeinverbindlichkeitserklärung eines Gesamtarbeitsvertrages das bisherige Quorum von 30% der Arbeitgeber und 30% der Arbeitnehmer zu belassen, dies wurde vor allem mit den Interessen der KMU begründet. Die Mehrheit der Kommission beantragte, dem Bundesrat zu folgen, wonach das Quorum der Arbeitgeber aufgehoben und dasjenige der Arbeitnehmer auf 50% erhöht wird. Mit 24 zu 13 Stimmen folgte der Rat der Mehrheit der Kommission. Mit 27 zu 6 wurde ein weiterer Antrag Schmid abgelehnt, die flankierenden Massnahmen erst nach Aufhebung der arbeitsmarktlichen Beschränkungen (2011) in Kraft zu setzen und auf sieben Jahre zu beschränken.

Erweiterung des Personenfreizügigkeitsabkommens auf die neuen EU-Staaten

Die Exzesse bei den Managerlöhnen der letzten Jahre waren zunehmend zu einem Politikum geworden, was auch zur Einreichung mehrerer parlamentarischer Vorstösse geführt hatte. Der Bundesrat legte nun eine Botschaft zu einer diesbezüglichen Revision des Obligationenrechts vor, welche die Transparenz verbessern soll. Bis anhin gab es keine rechtlichen Vorschriften für börsenkotierte Unternehmen punkto Offenlegung der Löhne ihrer Verwaltungsräte und Geschäftsleitungen, sondern lediglich die Transparenzvorschriften der Schweizer Börse SWX. Neu sollen die Bezüge der einzelnen Verwaltungsräte und die Gesamtsumme der Geschäftsleitung (inklusive Tantiemen, Pensionskassenzuschüssen, Optionsrechten usw.) publiziert werden müssen. Ebenfalls offen zu legen ist das höchste Salär in der Geschäftsleitung.

Verwaltungsräte Geschäftsleitungen

Ende Oktober setzte der Bundesrat die im Rahmen der Umsetzung des Abkommens mit der EU zum freien Personenverkehr beschlossene tripartite Kommission des Bundes ein. Diese Massnahme hat zum Ziel, ein allfälliges Lohndumping als Folge der erleichterten Zuwanderung aus dem EU-Raum zu bekämpfen bzw. zu verhindern. Sie sieht für alle Kantone und den Bund die Pflicht vor, eine tripartite Kommission einzusetzen, welche sich aus Delegierten der Arbeitgeberverbände, der Arbeitnehmerorganisationen und des Staates zusammensetzt. Diesen Kommissionen fällt die Aufgabe zu, die Entwicklung des Arbeitsmarkts zu beobachten, Missbräuche festzustellen und gegebenenfalls den politischen Behörden Massnahmen vorzuschlagen (erleichterte Allgemeinverbindlichkeitserklärung eines Gesamtarbeitsvertrages oder Erlass eines Normalarbeitsvertrages mit verbindlichen Mindestlöhnen für die betreffende Branche). Die tripartite Kommission des Bundes übernimmt die Rolle der Koordination. Diese flankierenden Massnahmen werden allerdings erst am 1. Juli 2004 in Kraft treten.

tripartite Kommission des Bundes Lohndumping

Die Begleitmassnahmen zum bilateralen Abkommen mit der EU über den freien Personenverkehr sehen im Fall von missbräuchlicher Unterschreitung der ortsüblichen Lohn- und Arbeitsbedingungen dreigliedrige Kommissionen (Sozialpartner plus Behörden) zu deren Feststellung vor. Da damit eine gesetzliche Grundlage für derartige Gespräche geschaffen wurde, stimmte auch der Nationalrat der Ratifizierung des Abkommens Nr. 144 der Internationalen Arbeitsorganisation (ILO) zu, welches tripartite Beratungen zur Förderung der Durchführung internationaler Arbeitsnormen festschreibt.

tripartite Beratungen

Der Nationalrat korrigierte die etwas wirtschaftslastigen Beschlüsse des Ständerates und entschied mit 114 zu 57 Stimmen, dass eine Intervention der tripartiten Kommission möglich wird, wenn die Löhne „wiederholt in missbräuchlicher Weise“ unterboten werden. In der Frage den Quoren sprach er sich jedoch für die Variante des Bundesrates (je 30%) aus. Dafür votierten neben den Vertretern des links-grünen Lagers auch die Abgeordneten der CVP und der LPS. Zustimmung fand der Ständerat hingegen mit seinem Willen, bei Normalarbeitsverträgen lediglich die Löhne, nicht aber die Arbeitszeiten der Missbrauchsbekämpfung zu unterstellen sowie bei den neu eingeführten Bestimmungen über die Unterkunft und die Sozialabgaben. In den beiden strittigen Punkten (Definition des Lohndumpings, Quoren für die Allgemeinverbindlichkeit von GAV im Missbrauchsfall) schloss sich der Ständerat in der Herbstsession – allerdings erst nach einer Zwischenrunde – der grossen Kammer an, worauf die Vorlage (nach Bereinigung weiterer kleinerer Differenzen) definitiv verabschiedet werden konnte.

Minimale Arbeits- und Lohnbedingungen (Flankierende Massnahmen zu den Bilateralen I, BRG 99.028-8)
Dossier: Die Bilateralen Verträge I und die sektoriellen Verhandlungen mit der EU 1993 bis 1998

Dem Ständerat lag ein Antrag seiner Kommission vor, welche die vom Bundesrat vorgeschlagenen Kriterien deutlich verschärfen wollte. So sollten die tripartiten Kommissionen nur mit Normalarbeitsverträgen oder der Allgemeinverbindlichkeitserklärung von GAV intervenieren können, wenn die branchenüblichen Löhne „deutlich und mehrfach in rechtsmissbräuchlicher Weise“ unterschritten werden. Für diese sehr restriktive Definition – insbesondere erlaubt der Begriff „rechtsmissbräuchlich“ einen viel geringeren Ermessensspielraum als „missbräuchlich“ – setzten sich vor allem bürgerliche Abgeordnete aus der Ostschweiz (Forster, fdp, SG und Schmid, cvp, AI) ein. Bekämpft wurde sie von den Vertretern der Linken sowie vom Tessiner Freisinnigen Marty, der argumentierte, die Verschärfung sei nicht nur juristisch unhaltbar, sondern auch eine unnötige Provokation an die Adresse der Gewerkschaften. Schliesslich setzte sich ein Kompromissantrag durch, wonach eingegriffen werden kann, wenn die branchenüblichen Löhne „deutlich und mehrfach in missbräuchlicher Weise“ unterboten werden. Beim Entsendegesetz brachte Ständerat Jenny (svp, GL) zwei zusätzliche Bestimmungen durch. Danach dürfen die Abzüge für Unterkunft und Verpflegung das ortsübliche Mass nicht überschreiten; der Bundesrat wird zudem ermächtigt, von ausländischen Arbeitgebern den Nachweis zu verlangen, dass sie die gesetzlich vorgegebenen Sozialabgaben entrichten. Die Quoren in den tripartiten Kommissionen führten ebenfalls zu längeren Diskussionen. Auf Antrag von Merz (fdp, AR) beschloss das Plenum schliesslich – gegen den Willen der Linken und von Bundesrat Couchepin – mit 21 zu 20 Stimmen, dass auch im Missbrauchsfall eine Ausdehnung des GAV nur vorgenommen werden kann, wenn 30% der Arbeitgeber, die 50% der Arbeitnehmer einer Branche beschäftigen, zustimmen. In der Gesamtabstimmung wurden die flankierenden Massnahmen einstimmig angenommen.

Minimale Arbeits- und Lohnbedingungen (Flankierende Massnahmen zu den Bilateralen I, BRG 99.028-8)
Dossier: Die Bilateralen Verträge I und die sektoriellen Verhandlungen mit der EU 1993 bis 1998

Gleich wie im Vorjahr der Ständerat stimmte auch die grosse Kammer der Ratifizierung des bereits 1949 verabschiedeten Übereinkommens Nr. 98 der Internationalen Arbeitsorganisation (ILO) zu, welches zu den sieben fundamentalen Abkommen dieser Institution zählt und das Recht auf Vereinigungsfreiheit und auf Kollektivverhandlungen beschlägt. Mit dem neuen Datenschutzgesetz, welches bei einem Stellenwechsel diskriminierende Mitteilungen des früheren Arbeitgebers wegen gewerkschaftlicher Tätigkeit untersagt, erfüllt die Schweiz die Vorgaben der ILO, weshalb nach geltender Praxis (Landesrecht muss vor Gutheissung durch das Parlament angepasst sein) einer Ratifizierung nichts mehr im Wege stand.

Übereinkommen Nr. 182 zur Beseitigung der schlimmsten Formen der Kinderarbeit Art. 82 des Militärgesetzes anpassen

In seiner Botschaft ans Parlament schwächte der Bundesrat den umstrittenen Terminus ab und sprach bei den Normalarbeitsverträgen und der Allgemeinverbindlichkeit nur noch von wiederholte Missbräuchen. Den Arbeitgebern kam er insofern entgegen, als er nicht alle Regelungen der GAV zur Allgemeinverbindlichkeitserklärung freigeben wollte, sondern nur jene über den Lohn und die Arbeitszeit. Bei den Quoren hielt er an seinem ersten Vorschlag fest. Damit war ein Kompromiss erreicht, der es den Sozialpartnern ermöglichte, ohne Gesichtsverlust und ohne Referendumsdrohung auf das bilaterale Abkommen über den freien Personenverkehr einzutreten.

Minimale Arbeits- und Lohnbedingungen (Flankierende Massnahmen zu den Bilateralen I, BRG 99.028-8)
Dossier: Die Bilateralen Verträge I und die sektoriellen Verhandlungen mit der EU 1993 bis 1998

Nur wenige Tage nach dem Scheitern der tripartiten Gespräche gab der Bundesrat seine eigenen Vorschläge in eine kurze Vernehmlassung. Neben den unbestrittenen Massnahmen schlug er bei der erleichterten Allgemeinverbindlichkeitserklärung vor, die Quoren von 50 auf 30 Prozent zu senken (30% der Arbeitgeber, welche mindestens 30% der Arbeitnehmenden beschäftigen) und – über die Löhne hinausgehend – weitere Arbeitsbedingungen wie Ferien und Arbeitszeiten mit einzubeziehen. Die Allgemeinverbindlichkeitserklärung sollte allerdings nur erfolgen können, wenn „erhebliche und wiederholte“ Missbräuche vorliegen. Damit waren die Sozialpartner erneut nicht einverstanden. Der Arbeitgeberverband monierte, der Vorschlag führe zu einer Überregulierung im Arbeitsmarkt; die Gewerkschaften befanden, das Wort „erhebliche“ sei zu restriktiv.

Minimale Arbeits- und Lohnbedingungen (Flankierende Massnahmen zu den Bilateralen I, BRG 99.028-8)
Dossier: Die Bilateralen Verträge I und die sektoriellen Verhandlungen mit der EU 1993 bis 1998

Bei den flankierenden Massnahmen zum bilateralen Vertrag mit der EU über den freien Personenverkehr bewährten sich tripartite Gespräche (Sozialpartner plus Bundesbehörden) relativ gut; die Begleitmassnahmen zum Abkommen sehen zur Feststellung von missbräuchlicher Unterschreitung der ortsüblichen Lohn- und Arbeitsbedingungen explizit dreigliedrige Kommissionen vor. Da damit eine gesetzliche Grundlage für derartige Gespräche geschaffen war, legte der Bundesrat dem Parlament das Abkommen der Internationalen Arbeitsorganisation (ILO) aus dem Jahr 1976 vor, welches tripartite Beratungen für alle die ILO betreffenden Fragen verlangt. Der Ständerat stimmte der Ratifizierung des Abkommens einstimmig zu.

Minimale Arbeits- und Lohnbedingungen (Flankierende Massnahmen zu den Bilateralen I, BRG 99.028-8)
Dossier: Die Bilateralen Verträge I und die sektoriellen Verhandlungen mit der EU 1993 bis 1998

Der Bundesrat beantragte dem Parlament, das Übereinkommen Nr. 98 der Internationalen Arbeitsorganisation (ILO) zu ratifizieren. Dabei handelt es sich um die von der ILO bereits 1949 ausgearbeitete Konvention über das Vereinigungsrecht und das Recht zu Kollektivverhandlungen, die zu den sieben sogenannt fundamentalen Übereinkommen der Organisation zählt. Die Schweiz konnte bisher dem Abkommen nicht beitreten, da die Gesetzgebung keine spezifischen Vorschriften gegen diskriminierende Akte vor Stellenantritt wegen gewerkschaftlicher Tätigkeit kannte. Diese Divergenz zur Konvention verschwand erst mit dem neuen Datenschutzgesetz, welches Arbeitnehmer gegen die Verbreitung von Informationen über ihre gewerkschaftlichen Tätigkeiten schützt. Der Ständerat stimmte der Ratifizierung einstimmig zu.

Übereinkommen der ILO Mindestalter für die Zulassung zur Beschäftigung auf 15 Jahre

In der zweiten Lesung des Nationalrates verlangte eine rechtsbürgerliche Minderheit unter Fischer (svp, AG) erneut Streichen, unterlag aber 107 zu 50 Stimmen noch deutlicher als in der ersten Abstimmung. Gegenüber der Mehrheit der Kommission, welche dem Ständerat zustimmen wollte, setzte sich ein Antrag Loretan (cvp, VS) durch, der zwar der kleinen Kammer folgen (Zulässigkeit anstatt Gewährleistung), den Begriff der Verhältnismässigkeit aber nicht übernehmen wollte, da dies ohnehin eine Maxime öffentlichen Handelns und in Abs. 2 von Art. 28 bereits enthalten sei, welcher stipuliert, dass Arbeitsstreitigkeiten nach Möglichkeit durch Verhandlung beizulegen sind. Ohne den Begriff «Schicksalsartikel» überstrapazieren zu wollen, wies er doch darauf hin, dass eine allzu starre Haltung gegenüber der linken Minderheit im Parlament zu einem Scheitern der gesamten Revision führen könnte. Die Ratslinke, welche erneut beantragt hatte, dem Bundesrat zuzustimmen resp. das Recht auf Streik noch pointierter zu fassen (Einzelantrag Rennwald, sp, JU) verstand den Wink und zog ihre Anträge zurück, um nicht das Streikrecht generell zu gefährden, worauf der Antrag Loretan mit 96 zu 62 Stimmen angenommen wurde. Nach diesen deutlichen Mehrheitsverhältnissen in der grossen Kammer stimmte der Ständerat der letzten Version des Nationalrates zu, unterstrich aber noch einmal deutlich, dass sich damit nichts an der bestehenden Rechtslage, wie sie das Bundesgericht in mehreren Leitentscheiden definiert hat, ändert. Politische und sogenannte «wilde» Streiks seien auch in Zukunft verboten. «Wilde» Streiks sind solche, die gegen Gesamtarbeitsverträge verstossen; ein «politischer» Streik war der «Frauenstreik» von 1991.

Streikrecht in der revidierten Bundesverfassung (BRG 96.091)
Dossier: Totalrevision der Bundesverfassung 2/2: BRG 96.091 (1996 bis 2000)

Im Ständerat veränderten sich in der Folge die Mehrheiten zugunsten einer Aufnahme des Streikrechts, allerdings in abgeschwächter Form. Eine Minderheit, zusammengesetzt aus einzelnen Abgeordneten der SVP, FDP und CVP verlangte nach wie vor Streichung, unterlag aber mit 23 zu 15 Stimmen. Eine Zustimmung zum Bundesrat, wie sie die beiden SP-Parlamentarier Aeby (FR) und Gentil (JU) beantragten, wurde allerdings mit 32 zu 4 Stimmen noch klarer zurückgewiesen. Schliesslich obsiegte ein Antrag Inderkum (cvp, UR), wonach Streik und Aussperrung zulässig sind (also nicht mehr «gewährleistet» wie in der bundesrätlichen Fassung), wenn sie Arbeitsbeziehungen betreffen, verhältnismässig sind und keinen Verpflichtungen entgegenstehen, den Arbeitsfrieden zu wahren oder Schlichtungsverhandlungen zu führen. Keine Aufnahme fand der von der Kommission eingebrachte Zusatz, Streiks und Aussperrungen müssten von Arbeitnehmer- und Arbeitgeberorganisationen getragen werden.

Streikrecht in der revidierten Bundesverfassung (BRG 96.091)
Dossier: Totalrevision der Bundesverfassung 2/2: BRG 96.091 (1996 bis 2000)

Dem Nationalrat lag ebenfalls ein rechtsbürgerlicher Streichungsantrag vor, der mit 91 zu 67 Stimmen verworfen wurde. Ein weiterer Antrag, der weitgehend die gleichen Abgeordneten wie der Streichungsantrag auf sich vereinigte, wollte das Recht auf Streik nicht gewährleisten, sondern nur erklären, Streiks seien unter den im Bundesratsentwurf genannten Bedingungen zulässig. Diese Verwässerung des Grundsatzes passte der Linken nicht, weshalb sie einen Antrag Rechsteiner (sp, SG) und einen Eventualantrag Rennwald (sp, JU) einreichte, welche – zumindest auf Verfassungsebene – das Streikrecht ohne Einschränkungen festschreiben wollten; gemäss Rennwald sollte allenfalls der Gesetzgeber jene öffentlichen Dienste bezeichnen, in denen das Streikrecht eingeschränkt ist. Zu Beginn der Eintretensdebatte erklärte Jutzet (sp, FR) im Namen seiner Fraktion, für die Sozialdemokraten sei die Verankerung des Streikrechts «eine Bedingung sine qua non»; ohne Streikrecht könne die SP die neue Verfassung nicht akzeptieren. Nach mehreren Eventualabstimmungen, in denen sowohl die Anträge der Linken wie der Rechten abgelehnt wurden, setzte sich schliesslich die Zustimmung zum Bundesrat durch.

Streikrecht in der revidierten Bundesverfassung (BRG 96.091)
Dossier: Totalrevision der Bundesverfassung 2/2: BRG 96.091 (1996 bis 2000)

Als Erstrat behandelte der Ständerat eine mögliche Verankerung des Streikrechts im Grundrechtskatalog der nachgeführten Bundesverfassung (Art. 28 Abs. 3). Der Bundesrat hatte vorgeschlagen, das Recht auf Streik und Aussperrung als Derivate der Koalitionsfreiheit zu gewährleisten, aber nur wenn sie die Arbeitsbeziehungen betreffen und keinen Verpflichtungen zur Wahrung des Arbeitsfriedens und zum Führen von Schlichtungsverhandlungen entgegenstehen, womit politisch motivierte Streiks weiterhin keinen Verfassungsschutz geniessen sollten. Er sah auch gesetzliche Ausnahmen des Streikrechts, etwa für Beamte, vor (Abs. 4). Die Mehrheit in der kleinen Kammer hielt dem entgegen, dass dieses Recht zwar durch Leitentscheide des Bundesgerichtes gewährleistet sei, dass ihm aber kein Grundrechtscharakter zukomme; ein Verfassungsrecht auf Streik bedeute einen Bruch mit der traditionellen Werthaltung in der Schweiz und mache Kampfmassnahmen gleichsam salonfähig, was die nach wie vor bestehende Sozialpartnerschaft gefährde. Die Minderheit replizierte erfolglos, das Streikrecht sei bereits heute Bestandteil der geltenden Rechtsordnung, weshalb es durchaus dem Nachführungsauftrag entspreche, dies nun verfassungsrechtlich zu verankern. Der Rat lehnte die Aufnahme des Streikrechts mit 24 zu 16 Stimmen ab.

Streikrecht in der revidierten Bundesverfassung (BRG 96.091)
Dossier: Totalrevision der Bundesverfassung 2/2: BRG 96.091 (1996 bis 2000)

Nachdem die ständerätliche Verfassungskommission in einer ersten Phase - wenn auch gegenüber dem Bundesratsvorschlag in abgeschwächter Form - sowohl ein Recht auf Streik wie auf Aussperrung in die neue Verfassung aufnehmen wollte, strich sie es einige Monate später dennoch. Nur wenige Tage darauf beschloss die Verfassungskommission des Nationalrates mit deutlicher Mehrheit (22 zu 10 Stimmen bei 4 Enthaltungen), diese beiden Massnahmen als Grundrechte in die Verfassung aufzunehmen.

Streikrecht in der revidierten Bundesverfassung (BRG 96.091)
Dossier: Totalrevision der Bundesverfassung 2/2: BRG 96.091 (1996 bis 2000)