Suche zurücksetzen
Themenübergreifendes Suchen:

Inhalte

  • Bevölkerung und Arbeit
  • Kollektive Arbeitsbeziehungen

Akteure

Prozesse

188 Resultate
Als PDF speichern Weitere Informationen zur Suche finden Sie hier

Typisch für die Entwicklung der letzten Jahre, wo starre GAV zunehmend durch flexible Rahmenübereinkommen ersetzt werden, gestalteten sich die Bemühungen in der graphischen Branche. Den Ende April 1999 auslaufenden GAV zu erneuern, erwies sich als ziemlich schwierig. Während die Gewerkschaften einen neuen GAV mit verbindlichen Vorgaben verlangten, waren die Arbeitgeber nur zum Abschluss einer flexiblen Rahmenvereinbarung bereit. Ihnen schwebte als Vorbild eines neuen Vertrages das Abkommen in der Maschinenindustrie vor. Erste Gespräche verliefen denn auch ziemlich ergebnislos.

Druckereien und Grafische Branche (1994-1998)
Dossier: GAVs und kollektive Arbeitsstretikgeiten 1990-2000

In der zweiten Lesung des Nationalrates verlangte eine rechtsbürgerliche Minderheit unter Fischer (svp, AG) erneut Streichen, unterlag aber 107 zu 50 Stimmen noch deutlicher als in der ersten Abstimmung. Gegenüber der Mehrheit der Kommission, welche dem Ständerat zustimmen wollte, setzte sich ein Antrag Loretan (cvp, VS) durch, der zwar der kleinen Kammer folgen (Zulässigkeit anstatt Gewährleistung), den Begriff der Verhältnismässigkeit aber nicht übernehmen wollte, da dies ohnehin eine Maxime öffentlichen Handelns und in Abs. 2 von Art. 28 bereits enthalten sei, welcher stipuliert, dass Arbeitsstreitigkeiten nach Möglichkeit durch Verhandlung beizulegen sind. Ohne den Begriff «Schicksalsartikel» überstrapazieren zu wollen, wies er doch darauf hin, dass eine allzu starre Haltung gegenüber der linken Minderheit im Parlament zu einem Scheitern der gesamten Revision führen könnte. Die Ratslinke, welche erneut beantragt hatte, dem Bundesrat zuzustimmen resp. das Recht auf Streik noch pointierter zu fassen (Einzelantrag Rennwald, sp, JU) verstand den Wink und zog ihre Anträge zurück, um nicht das Streikrecht generell zu gefährden, worauf der Antrag Loretan mit 96 zu 62 Stimmen angenommen wurde. Nach diesen deutlichen Mehrheitsverhältnissen in der grossen Kammer stimmte der Ständerat der letzten Version des Nationalrates zu, unterstrich aber noch einmal deutlich, dass sich damit nichts an der bestehenden Rechtslage, wie sie das Bundesgericht in mehreren Leitentscheiden definiert hat, ändert. Politische und sogenannte «wilde» Streiks seien auch in Zukunft verboten. «Wilde» Streiks sind solche, die gegen Gesamtarbeitsverträge verstossen; ein «politischer» Streik war der «Frauenstreik» von 1991.

Streikrecht in der revidierten Bundesverfassung (BRG 96.091)
Dossier: Totalrevision der Bundesverfassung 2/2: BRG 96.091 (1996 bis 2000)

Hart umkämpft war auch die Aushandlung eines neuen GAV in der Maschinenindustrie, der rund 130 000 Arbeitnehmer betrifft. Die Gewerkschaft SMUV hatte ursprünglich eine Reduktion der Arbeitszeit auf 36 Stunden pro Woche verlangt, dann aber ihre Forderung auf schrittweise Arbeitszeitverkürzung von 40 auf 38 Stunden bis ins Jahr 2001 reduziert. Der Abschluss wurde dadurch erschwert, dass die involvierten Gewerkschaften (SMUV für die Arbeiter, CMV/LFSA sowie VSAM/SKV für die Angestellten) nicht am gleichen Strick zogen. Angesichts der gespaltenen Haltung der Arbeitnehmervertreter setzten sich schliesslich die Arbeitgeber in der umstrittenen Frage der Arbeitszeit durch. Als Gegenleistung zu einer Aufwertung der Berufs- und Weiterbildung, zu verbesserten Mitwirkungsmöglichkeiten und zu geringfügigen Verbesserungen bei der Ferienregelung wurde die 40-Stunden-Woche generell beibehalten, jedoch flexibel ausgestaltet und mit einem Langzeitkonto für Arbeitszeit ausgestattet, das es den Arbeitnehmern gestatten soll, Überzeit für Ferien, Ausbildung oder Frühpensionierung in Anspruch zu nehmen. Die SMUV-Delegierten wiesen den neuen GAV vorerst einstimmig als zu wenig weit gehend zurück. Nachdem die Delegiertenversammlung des VSAM den GAV aber sehr deutlich angenommen hatte, schwenkte der SMUV – wenn auch zähneknirschend – ein, um im Gewerkschaftslager nicht isoliert zu werden. Dank dem Einlenken des SMUV konnte der neue GAV auf den 1. Juli in Kraft gesetzt werden.

Maschinenindustrie Arbeitszeit flexibel ausgestaltet

Im Ständerat veränderten sich in der Folge die Mehrheiten zugunsten einer Aufnahme des Streikrechts, allerdings in abgeschwächter Form. Eine Minderheit, zusammengesetzt aus einzelnen Abgeordneten der SVP, FDP und CVP verlangte nach wie vor Streichung, unterlag aber mit 23 zu 15 Stimmen. Eine Zustimmung zum Bundesrat, wie sie die beiden SP-Parlamentarier Aeby (FR) und Gentil (JU) beantragten, wurde allerdings mit 32 zu 4 Stimmen noch klarer zurückgewiesen. Schliesslich obsiegte ein Antrag Inderkum (cvp, UR), wonach Streik und Aussperrung zulässig sind (also nicht mehr «gewährleistet» wie in der bundesrätlichen Fassung), wenn sie Arbeitsbeziehungen betreffen, verhältnismässig sind und keinen Verpflichtungen entgegenstehen, den Arbeitsfrieden zu wahren oder Schlichtungsverhandlungen zu führen. Keine Aufnahme fand der von der Kommission eingebrachte Zusatz, Streiks und Aussperrungen müssten von Arbeitnehmer- und Arbeitgeberorganisationen getragen werden.

Streikrecht in der revidierten Bundesverfassung (BRG 96.091)
Dossier: Totalrevision der Bundesverfassung 2/2: BRG 96.091 (1996 bis 2000)

Dem Nationalrat lag ebenfalls ein rechtsbürgerlicher Streichungsantrag vor, der mit 91 zu 67 Stimmen verworfen wurde. Ein weiterer Antrag, der weitgehend die gleichen Abgeordneten wie der Streichungsantrag auf sich vereinigte, wollte das Recht auf Streik nicht gewährleisten, sondern nur erklären, Streiks seien unter den im Bundesratsentwurf genannten Bedingungen zulässig. Diese Verwässerung des Grundsatzes passte der Linken nicht, weshalb sie einen Antrag Rechsteiner (sp, SG) und einen Eventualantrag Rennwald (sp, JU) einreichte, welche – zumindest auf Verfassungsebene – das Streikrecht ohne Einschränkungen festschreiben wollten; gemäss Rennwald sollte allenfalls der Gesetzgeber jene öffentlichen Dienste bezeichnen, in denen das Streikrecht eingeschränkt ist. Zu Beginn der Eintretensdebatte erklärte Jutzet (sp, FR) im Namen seiner Fraktion, für die Sozialdemokraten sei die Verankerung des Streikrechts «eine Bedingung sine qua non»; ohne Streikrecht könne die SP die neue Verfassung nicht akzeptieren. Nach mehreren Eventualabstimmungen, in denen sowohl die Anträge der Linken wie der Rechten abgelehnt wurden, setzte sich schliesslich die Zustimmung zum Bundesrat durch.

Streikrecht in der revidierten Bundesverfassung (BRG 96.091)
Dossier: Totalrevision der Bundesverfassung 2/2: BRG 96.091 (1996 bis 2000)

Ganz knapp, mit 79 zu 78 Stimmen, nahm der Nationalrat eine parlamentarischen Initiative Thanei (sp, ZH) an, welche eine höhere Streitwertgrenze für kostenlose Verfahren bei Streitigkeiten aus dem Arbeitsverhältnis verlangt. Nach geltender Ordnung aus dem Jahr 1984 sind Verfahren bis zu einem Streitwert von 20 000 Fr. kostenlos. Die Grenze soll nun – gewissermassen teuerungsberichtigt – auf 30 000 Fr. angehoben werden. Der Rat war mit Thanei der Ansicht, dass das Recht zu prozessieren nicht von den finanziellen Möglichkeiten abhängig gemacht werden dürfe.

Streitwertgrenze für kostenlose Verfahren

Diskussionslos nahm der Nationalrat eine parlamentarische Initiative Eymann (lp, BS) an, welche verlangt, dass im Obligationenrecht (Art. 357b OR) festgehalten wird, dass beim Vollzug von gesamtarbeitsvertraglichen Bestimmungen die Sozialpartner Vertragsverletzungen in Zusammenhang mit dem Abschluss, dem Inhalt und der Beendigung des Arbeitsverhältnisses nicht, wie nach geltendem Recht, nur feststellen, sondern neu in eigener Kompetenz korrigieren können. Der Initiant begründete sein Anliegen damit, dass eine Kompetenzerweiterung der Sozialpartner komplizierte Instanzenwege und die Anrufung ordentlicher Gerichte erübrigen würde.

Vertragsverletzungen Kompetenzerweiterung der Sozialpartner

Als Erstrat behandelte der Ständerat eine mögliche Verankerung des Streikrechts im Grundrechtskatalog der nachgeführten Bundesverfassung (Art. 28 Abs. 3). Der Bundesrat hatte vorgeschlagen, das Recht auf Streik und Aussperrung als Derivate der Koalitionsfreiheit zu gewährleisten, aber nur wenn sie die Arbeitsbeziehungen betreffen und keinen Verpflichtungen zur Wahrung des Arbeitsfriedens und zum Führen von Schlichtungsverhandlungen entgegenstehen, womit politisch motivierte Streiks weiterhin keinen Verfassungsschutz geniessen sollten. Er sah auch gesetzliche Ausnahmen des Streikrechts, etwa für Beamte, vor (Abs. 4). Die Mehrheit in der kleinen Kammer hielt dem entgegen, dass dieses Recht zwar durch Leitentscheide des Bundesgerichtes gewährleistet sei, dass ihm aber kein Grundrechtscharakter zukomme; ein Verfassungsrecht auf Streik bedeute einen Bruch mit der traditionellen Werthaltung in der Schweiz und mache Kampfmassnahmen gleichsam salonfähig, was die nach wie vor bestehende Sozialpartnerschaft gefährde. Die Minderheit replizierte erfolglos, das Streikrecht sei bereits heute Bestandteil der geltenden Rechtsordnung, weshalb es durchaus dem Nachführungsauftrag entspreche, dies nun verfassungsrechtlich zu verankern. Der Rat lehnte die Aufnahme des Streikrechts mit 24 zu 16 Stimmen ab.

Streikrecht in der revidierten Bundesverfassung (BRG 96.091)
Dossier: Totalrevision der Bundesverfassung 2/2: BRG 96.091 (1996 bis 2000)

Aufgrund der Durchsicht der Medienmeldungen konnte für das Berichtsjahr keine Arbeitsniederlegung ausgemacht werden, welche den Kriterien des BIGA und der internationalen Arbeitsorganisationen (Streik = Arbeitsniederlegung während mindestens einem Arbeitstag) genügten. Als grösste Demonstration von Arbeitnehmern während der Arbeitszeit fanden gesamtschweizerisch Kundgebungen von rund 8000 Arbeitnehmern des Baugewerbes Ende November statt.

Jährliche BIGA Berichte zu Streiks und Arbeitskonflikte (1993-1999)
Dossier: GAVs und kollektive Arbeitsstretikgeiten 1990-2000

Bei einer Analyse der Lohnverhandlungen zwischen den Unterzeichnern der wichtigsten Gesamtarbeitsverträge (GAV) wurden in den letzten Jahren immer stärker neue Tendenzen erkennbar. Wichtigstes Merkmal war, dass die traditionellen Lohnanpassungsmechanismen zunehmend in Frage gestellt wurden. Insbesondere automatische Indexklauseln, bei denen die Nominallöhne automatisch an die Entwicklung des Landesindexes der Konsumentenpreise angepasst werden, waren bei den in den letzten Jahren abgeschlossenen GAV immer seltener zu finden. Gemäss einer Studie des BFS gab es im Berichtsjahr nur noch einen einzigen GAV mit dieser Klausel, die jedoch nicht zur Anwendung kam. Immer seltener wird auch die Teuerung vollständig ausgeglichen (siehe oben, Löhne). Bemerkenswert ist auch die Entwicklung im Bereich der Arbeitszeit: Zwar blieb die Zahl der jährlich zu leistenden Arbeitsstunden in den letzten Jahren generell konstant, doch sehen immer mehr GAV eine Flexibilisierung der Arbeitszeit vor. Von den 35 untersuchten GAV verfügten deren 23 über Bestimmungen zur Deregulierung der Arbeitszeit.

Allgemeine Lohnverhandlungen (1993-1999)
Dossier: GAVs und kollektive Arbeitsstretikgeiten 1990-2000

Prägnant formulierten auch die Gewerkschaft Bau und Industrie (GBI) sowie der Christliche Bau- und Holzarbeiterverband (CHB) ihre Vorstellungen im Hinblick auf die Verhandlungen über einen neuen Landesmantelvertrag für das Schweizer Bauhauptgewerbe. Sie schlugen eine spürbare Senkung der jährlichen Arbeitszeit, Aufhebung der Stunden zugunsten von Monatslöhnen, die Umwandlung der Überstunden in eine Zeitgutschrift anstatt einer Auszahlung sowie Frühpensionierungen vor, bissen damit bei den Arbeitgebern allerdings vor allem in der Frage der Arbeitszeitverkürzung auf Granit. Die Gewerkschaften erhielten letztlich nur eine Verkürzung der Arbeitszeit von 13 Stunden pro Jahr und eine Lohnanpassung von 30 Fr. pro Monat in der Zone Stadt (Genf, Basel, Zürich und Bern). Im Gegenzug mussten sie den Arbeitgebern eine grössere Flexibilisierung der Arbeitszeit zugestehen. Die Gewerkschaften schlossen den neuen Landesmantelvertrag allerdings nur für ein Jahr ab, da sie - auf eine verbesserte Wirtschaftslage hoffend - für 1999 einen neuen GAV mit den Arbeitgebern aushandeln möchten. Einzige wirkliche Neuerung war die Möglichkeit, ab dem 60. Altersjahr die Arbeitszeit auf 50% zu reduzieren und dafür 90% des Normallohnes zu erhalten.

Baugewerbe (1993-1999)
Dossier: GAVs und kollektive Arbeitsstretikgeiten 1990-2000

Am 19. Juli jährte sich der Abschluss des legendären "Friedensabkommens" in der Maschinenindustrie zum 60. Mal. Während noch zehn Jahre zuvor das Jubiläum an einer gemeinsamen Veranstaltung von politischen Behörden, Arbeitgebern, Gewerkschaften und Medien gefeiert worden war, wurde im Berichtsjahr - auf dem Hintergrund der Neuverhandlungen des Gesamtarbeitsvertrags in der Maschinen- und Metallindustrie - der pionierhaften Leistung separat und mit durchaus kämpferischen Tönen gedacht. Der SMUV erklärte, er halte zwar an der Sozialpartnerschaft fest, wolle aber wieder "streikfähig" werden. Ähnlich Äusserungen machte auch der Verband schweizerischer Angestelltenvereine der Maschinen- und Elektroindustrie (VSAM), der bei einer weiteren Aushöhlung der GAV durch die Arbeitgeber Kampfmassnahmen ebenfalls nicht mehr ausschloss. Der Direktor des Arbeitgeberverbandes der Schweizer Maschinenindustrie (ASM) erklärte seinerseits, man strebe weiterhin eine gute Zusammenarbeit mit den Gewerkschaften an, wolle aber nicht um jeden Preis an einem Neuabschluss des GAV festhalten. Angesichts der Tatsache, dass die Produktivität in der Maschinenindustrie innert sechs Jahren um rund 20% zugenommen hat, was sich auch in einem Rückgang der Zahl der Beschäftigten von 400 000 auf 340 000 zeigte, forderte der SMUV eine zehnprozentige Arbeitsverkürzung ohne Lohnabbau.

"Friedensabkommens" in der Maschinenindustrie mit durchaus kämpferischen Tönen (1997)
Dossier: GAVs und kollektive Arbeitsstretikgeiten 1990-2000

Seit dem 1. Juli 1996 herrscht ein vertragsloser Zustand in Hotellerie und Gastgewerbe. Während einige Hoteliers und Restaurateure diesen Umstand dazu benutzten, mit Änderungskündigungen die Lohnschraube anzuziehen, Ferien zu streichen oder die Arbeitszeiten zu erhöhen, konnte die zuständige Gewerkschaft Union Helvetia den Arbeitgebern keine Konzessionen in bezug auf den 13. Monatslohn, der fünften Ferienwoche und der Bemessung der Mindestlöhne entlocken.

Gastgewerbe (1995-1998)
Dossier: GAVs und kollektive Arbeitsstretikgeiten 1990-2000

Ein vertragsloser Zustand zeichnete sich auch im Pressewesen ab. Ungeachtet des Protests der Journalisten-Verbände kündigte der Arbeitgeberverband der Schweizer Presse an, den im Frühjahr 1996 unterzeichneten GAV auf Ende 1998 aufkündigen zu wollen. Als Begründung wurde angeführt, der GAV nehme auf die lokal-, regional- und gattungsbedingte Vielfalt der Medienlandschaft keine Rücksicht, weshalb er für die Verleger unpraktikabel sei. Zur Weiterführung seiner Beziehungen zu den Arbeitnehmern denkt der Presseverband, der Arbeitgeberverband und Vorort beitreten will, vor allem an Rahmenverträge mit Minimalbestimmungen. Diese sollen den einzelnen Verlagshäusern entsprechenden Spielraum bieten.

Deutschschweizer und Tessiner Pressewesen (1993, 1997)
Dossier: GAVs und kollektive Arbeitsstretikgeiten 1990-2000

Nachdem die ständerätliche Verfassungskommission in einer ersten Phase - wenn auch gegenüber dem Bundesratsvorschlag in abgeschwächter Form - sowohl ein Recht auf Streik wie auf Aussperrung in die neue Verfassung aufnehmen wollte, strich sie es einige Monate später dennoch. Nur wenige Tage darauf beschloss die Verfassungskommission des Nationalrates mit deutlicher Mehrheit (22 zu 10 Stimmen bei 4 Enthaltungen), diese beiden Massnahmen als Grundrechte in die Verfassung aufzunehmen.

Streikrecht in der revidierten Bundesverfassung (BRG 96.091)
Dossier: Totalrevision der Bundesverfassung 2/2: BRG 96.091 (1996 bis 2000)

Auch wenn ein GAV die Gleichbehandlung aller Arbeitskräfte einer Branche vorschreibt, gibt er den nicht gewerkschaftlich Organisierten kein Forderungsrecht gegen ihren Arbeitgeber. Das Bundesgericht bekräftigte in diesem Sinn seine bisherige Rechtsprechung. Eine Abkehr von der langjährigen Gerichtspraxis hatte eine Verkäuferin gefordert, deren Lohn das im GAV für den Genfer Detailhandel vorgesehene Lohnminimum unterschritt. Bei der Ziviljustiz scheiterte sie daran, dass ihr der GAV als Nicht-Gewerkschafterin keinen Rechtsanspruch gegen das Unternehmen verschafft. Die Lausanner Richter befanden, uf die GAV-Abmachungen könnten nur Gewerkschaftsmitglieder pochen, deren Verband einen Vertrag mit dem Verband ihres Arbeitgebers geschlossen haben.

nicht gewerkschaftlich Organisierten

Zu einem erfolgreichen Ende kamen die Verhandlungen zwischen den Journalisten und den Verlegern. Der neue GAV bringt eine leichte, teuerungsorientierte Erhöhung aller Mindestansätze. Der automatische Teuerungsausgleich findet nicht mehr statt, er wird durch jährliche Verhandlungen ersetzt. Die Festsetzung der wöchentlichen Arbeitszeit ist Sache der Unternehmungen. Den Tessiner Verlegern wurde die Kompetenz für Sonderregelungen eingeräumt, doch müssen diese den Rahmenbedingungen Rechnung tragen. Ebenfalls unterzeichnet wurde ein neuer GAV in der Uhrenindustrie, der bis ins Jahr 2001 den Arbeitsfrieden in dieser Branche erhalten soll. Er bringt eine Erhöhung der Ferienzeit und das Recht auf eine schrittweise Pensionierung (Reduzierung der Arbeitszeit bis zu 20% zwei Jahre vor Erreichen des Pensionsalters). Weitere Neuerungen sind die Erhöhung der Familienzulagen, ein unbezahlter Weiterbildungsurlaub mit Anrecht auf Weiterbeschäftigung sowie der explizite Schutz gegen sexuelle Belästigungen.

Journalisten (1995-1996)
Dossier: GAVs und kollektive Arbeitsstretikgeiten 1990-2000

Der "Krisenartikel" in der Maschinenindustrie bleibt bis 1998 in Kraft. Dies entschied das von der Gewerkschaft SMUV angerufene Schiedsgericht.

Maschienen- und Metallindustrie; "Krisenartikel" (1993-1996)
Dossier: GAVs und kollektive Arbeitsstretikgeiten 1990-2000

Immer öfter werden die Lohnforderungen auch mit der Erhaltung von Arbeitsplätzen verquickt. In der Bauwirtschaft, wo seit 1992 rund 60 000 Arbeitsplätze gestrichen wurden, schlossen die Gewerkschaften und die Unternehmer ein "Bündnis für die Arbeit". Der Pakt anerkennt den Grundsatz, dass die Kaufkraft erhalten und damit die Deflationsgefahr gebannt werden soll. Die Gewerkschaften stimmten zu, keine über den Teuerungsausgleich hinausgehende Forderungen zu stellen. Dafür sieht die Übereinkunft vor, mittels Arbeitszeitverkürzungen und vorzeitigen Pensionierungen Arbeitsplätze zu sichern. Wirtschaftspolitisch verlangte die gemeinsame Arbeitnehmer- und Arbeitgeberplattform, dass die grossen Infrastrukturbauten rasch angegangen werden. In der chemischen Industrie verlangten die Gewerkschaften eine Lohnsteigerung von rund zwei Prozent, zeigten sich aber auch bereit, auf diesen Zuwachs zu verzichten, wenn mittels Arbeitszeitverkürzungen Stellen gesichert werden könnten. In drei Branchen der Metallverarbeitung einigten sich die Sozialpartner im Interesse der Arbeitsplatzerhaltung auf eine Lohn-Nullrunde; im Carosseriebereich wurde eine ähnliche Entscheidung getroffen.

Allgemeine Lohnverhandlungen (1993-1999)
Dossier: GAVs und kollektive Arbeitsstretikgeiten 1990-2000

Die auf den 30. Juni des Berichtsjahres erfolgte vorzeitige Kündigung des GAV im Gastgewerbe hatte für die Beschäftigten zum Teil einschneidende Folgen. Die Union Helvetia, welche mit diesem Schritt den 1992 vereinbarten, jedoch vielerorts nicht gewährten jährlichen Teuerungsausgleich durchsetzen wollte, musste sich den Vorwurf gefallen lassen, dem Gastgewerbepersonal damit einen Bärendienst erwiesen zu haben. Besonders strukturschwächere Gastronomiebetriebe nutzen den vertragslosen Zustand, um ihren Angestellten neue Verträge mit deutlich schlechteren Arbeitsbedingungen aufzuzwingen, obgleich der Schweizer Hotelier-verein und der Arbeitgeberverband Gastrosuisse ihre Mitglieder ermahnt hatten, die Situation nicht über Gebühr auszunutzen.

Gastgewerbe (1995-1998)
Dossier: GAVs und kollektive Arbeitsstretikgeiten 1990-2000

Ein weiterer Versuch, in der Basler Chemie einen neuen GAV auzuhandeln, scheiterte anfangs Jahr. Über das von den Arbeitgebern vorgeschlagene Drei-Stufen-Modell kam keine Einigung zustande, weil sich die Gewerkschaften nicht damit einverstanden erklären konnten, in der ersten Verhandlungsstufe nicht dabei zu sein. Die Arbeitgeber ihrerseits wichen von ihrem Modell nicht ab, auch dann nicht, als 3000 Gewerkschafter aus der ganzen Schweiz in Basel gegen die Aushöhlung der GAV demonstrierten. Nachdem die Arbeitgeber gedroht hatten, zu Einzelverträgen überzugehen, waren es schliesslich die Gewerkschaften, die nachgeben und zugestehen mussten, dass die Lohnverhandlungen künftig in einem ersten Schritt unter Ausschluss der Gewerkschaften geführt werden.

Chemie-Branche (1995-1998)
Dossier: GAVs und kollektive Arbeitsstretikgeiten 1990-2000

Der neue GAV für das Kabinenpersonal brachte der Swissair 7 Mio Fr. Einsparungen und den Betroffenen sichere Löhne für drei Jahre. Der Grossteil der Einsparungen wird durch die Flexibilisierung der Einsatzbedingungen der Flight Attendants erreicht. Im Gegenzug zu diesen Zugeständnissen des Verbandes des Kabinenpersonals (Kapers) war die Swissair bereit, den neuen Vertrag trotz der angespannten Wirtschaftslage für drei Jahre von 1997 bis 1999 ohne Kündigungsmöglichkeit abzuschliessen. Damit sind das Lohnsystem und auch die Lohnhöhen für die zu 90% in der Kapers organisierten rund 3500 Flight Attendants garantiert.

Swissair (1996)
Dossier: GAVs und kollektive Arbeitsstretikgeiten 1990-2000

Die "Swissfashion", der Arbeitgeberverband der Bekleidungsindustrie, kündigte auf Ende 1996 erstmals den seit 1946 bestehenden, immer wieder erneuerten GAV. Offensichtlicher Grund für die Kündigung war die Weigerung der Arbeitnehmervertreter, dem Gesuch der Tessiner Arbeitgeber um eine sofortige Vertragsverschlechterung zuzustimmen. Die Arbeitgeber hatten für alle Betriebe im Tessin den generellen Verzicht auf 50% des 13. Monatslohns, die Streichung von drei Tagen Ferien und keine Lohnanpassungen für 1997 verlangt.

Bekleidungsindustrie

Ende Juni sorgte Arbeitgeber-Präsident Guido Richterich für Aufregung. Anlässlich der Mitgliederversammlung des Zentralverbandes schweizerischer Arbeitgeber-Organisationen rief er einmal mehr zu einem "Stopp beim Sozialausbau" auf und wandte sich gegen die Aufnahme von Sozialzielen in die revidierte Bundesverfassung und gegen die Ratifizierung der Europäischen Sozialcharta. Bedeutend mehr aufhorchen als dieser fast schon stereotype Positionsbezug liess seine deutliche Absage an die Sozialpartnerschaft: Angesichts der mit den Auffassungen der Arbeitgeber unvereinbaren Forderungen der SP und der Gewerkschaften könne es - ausser allenfalls auf Betriebs- oder Branchenebene - keine gemeinsamen Lösungen geben.

Arbeitgeber Absage an die Sozialpartnerschaft (1996)
Dossier: GAVs und kollektive Arbeitsstretikgeiten 1990-2000

Richterich musste sich daraufhin nicht nur von den Sozialdemokraten und den Gewerkschaften den Vorwurf gefallen lassen, seine Vorstellungen seien letztlich wirtschaftsfeindlich, da sie über kurz oder lang einen den Haupttrümpfe der Schweizer Wirtschaft, nämlich den sozialen Frieden gefährden könnten. Auch Bundesrat Villiger mahnte - ohne Richterich namentlich zu erwähnen -, es sei immer eine Stärke der Schweiz gewesen, Differenzen im Geiste der Sozialpartnerschaft zu besprechen, wodurch meistens auch konsensfähige Lösungen gefunden worden seien. In einem Aufruf stützte der Gesamtbundesrat den Finanzminister und zeigte sich besorgt über die abnehmende Gesprächsbereitschaft der verschiedenen Gruppen des Landes. Die heutigen Probleme könnten nur über einen konstruktiven Dialog gelöst werden. Letztlich seien die politisch Verantwortlichen aller Stufen sowie die Sozialpartner gemeinsam für den Ausgleich und den Zusammenhalt in der Schweiz verantwortlich.

Arbeitgeber Absage an die Sozialpartnerschaft (1996)
Dossier: GAVs und kollektive Arbeitsstretikgeiten 1990-2000