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Die Kontroverse um die Revision des Arbeitsgesetzes, deren Kernpunkt die Lockerung des Nacht- und Sonntagsarbeitsverbots für Frauen in der Industrie ist, verlor auch im Berichtsjahr nichts von ihrer Heftigkeit. Während die Arbeitgeberorganisationen die Vorschläge zwar begrüssten, aber als zu wenig weit gehend bezeichneten, stiess der Entwurf bei den Gewerkschaften, in kirchlichen Kreisen und bei den Frauenorganisationen auf scharfe Ablehnung. Ahnlich gespalten waren die Bundesratsparteien. FDP und SVP zeigten sich mit der Lockerung grundsätzlich einverstanden, SP und CVP wollten hingegen an den geltenden Schutzmassnahmen festhalten.

Revision des Arbeitsgesetzes (Po. 90.580)
Dossier: Revision des Arbeitsgesetz (ArG)

Bis weit in die erste Jahreshälfte 1990 war die Arbeitsmarktlage durch eine beträchtliche Übernachfrage nach Arbeitskräften charakterisiert, die sich in einem überdurchschnittlichen Beschäftigungswachstum – 1,7% gegenüber dem ersten Quartal 1989 – manifestierte. Die Nachfrage überstieg das inländische Arbeitsangebot bei weitem und konnte wie in den Vorjahren nur durch die Rekrutierung ausländischer Arbeitskräfte einigermassen abgedeckt werden. Der Arbeitslosenbestand reduzierte sich auf ein äusserst tiefes Niveau und umfasste schliesslich zur Hauptsache nur mehr sehr schwer vermittelbare stellenlose Arbeitssuchende.

Die einsetzende konjunkturelle Verflachung widerspiegelte sich dann aber rasch in der Entwicklung der Arbeitsnachfrage. Seit dem zweiten Quartal schwächte sich das Wachstum der Beschäftigung wenn nicht deutlich, so doch sukzessive ab. Im 4. Quartal war die Beschäftigung in der Industrie gar leicht rückläufig, während im Dienstleistungssektor eine gegenüber 1989 leicht verminderte Zunahme anhielt. Gleichzeitig beschleunigte sich der im April erstmals festgestellte Rückgang der Zahl der offenen Stellen auf das Jahresende hin.. Von der beschleunigten Zunahme der Arbeitslosigkeit waren vor allem die Westschweizer Kantone Genf, Wallis, Neuenburg, Waadt und etwas abgeschwächter der Jura sowie der Kanton Tessin betroffen.

Seit dem zweiten Quartal schwächte sich das Wachstum der Beschäftigung wenn nicht deutlich, so doch sukzessive ab

Zu Beginn der achtziger Jahre beauftragte der Bundesrat den Schweizerischen Nationalfonds mit der Erarbeitung und Durchführung eines Nationalen Forschungsprogramms (NFP 15) "Arbeitswelt: Humanisierung und technologische Entwicklung". Insgesamt wurde ein Betrag von 5 Mio Fr. zur Verfügung gestellt, der zwischen 1983 und 1989 die Realisierung von 20 Forschungsprojekten in fünf Schwerpunktbereichen ermöglichte. In ihrem Schlussbericht kamen die Forscher zum Schluss, dass Schweizer und Schweizerinnen gerne arbeiten, und die Arbeit für sie bei aller Diskussion um den Wertwandel nach wie vor wichtig ist, dass aber ihre Loyalität einem Patron oder einer Organisation gegenüber nicht mehr so uneingeschränkt ist wie früher. Der Wunsch der Arbeitnehmer nach grösserer Zeitautonomie kam in den Untersuchungen klar zum Ausdruck, ebenfalls die Möglichkeit, durch die Einführung neuer Technologien diesem Bedürfnis vermehrt entgegenzukommen. Nur wenige Betriebe zeigten sich aber bisher gewillt, hier Pionierarbeit zu leisten. Insgesamt wurde deutlich, dass die gegenwärtigen Veränderungen in der Arbeitswelt nicht nur technisch-organisatorische Problemstellungen sind, sondern auch soziale Innovation und neue Denkmuster erfordern.

Nationalen Forschungsprogramms (NFP 15) "Arbeitswelt: Humanisierung und technologische Entwicklung". Wunsch der Arbeitnehmer nach grösserer Zeitautonomie

Wie die Beschäftigten ihre eigene Arbeit empfinden, was sie bei ihrer Arbeit stört und welche Aspekte des Berufslebens für sie am wichtigsten sind, ging aus einer vom Biga veröffentlichten Repräsentativbefragung hervor. Unter 60 möglichen Störfaktoren nannte jeder dritte Erwerbstätige Lärm und zu wenig Zeit für Familie und Freunde. Jeweils jeder vierte bis fünfte beklagte sich über schlechte Luft, Zugluft, unangenehme Temperatur, zu hohe körperliche Beanspruchung, dauerndes Stehen, zu viel Uberzeitarbeit, unpassende Arbeitszeiten, ferner auch über Zeitdruck, zu starke Anforderungen an die Konzentration, Verantwortungsdruck, Erfolgszwang und mangelnde Anerkennung. Von jedem sechsten bis siebten Arbeitnehmer wurden dauerndes Sitzen, ungenügende Beleuchtung, Schmutz, unbefriedigende Ferienregelung sowie Sonntagsarbeit bzw. Arbeit am Samstagnachmittag beanstandet.

Bei der Beurteilung der eigenen Berufsarbeit überwogen indessen sehr deutlich die positiven Wertungen wie abwechslungsreich, interessant und persönlich befriedigend. Negative Beurteilungen wie abstumpfend oder eintönig wurden nur selten angegeben, etwas häufiger die Prädikate nervenaufreibend, stark ermüdend und anstrengend für die Augen. Als Faktoren des Berufslebens, auf welche die Befragten den grössten Wert legten, rangierten Anliegen wie interessanter Arbeitsinhalt, gute zwischenmenschliche Beziehungen, Schutz der Gesundheit und gute Arbeitsorganisation weit vor möglichst kurzer Arbeitszeit, guten Aufstiegschancen, viel Ferien, Mitbestimmung im Betrieb und sogar auch vor möglichst guter Besoldung.

Beurteilung der eigenen Berufsarbeit

Das Bundesgericht gab zwei Beschwerden der Gewerkschaften gegen vom Biga erteilte Sonderbewilligungen für Sonntagsarbeit ganz oder zumindest in wichtigen Punkten statt. Im Fall einer Spinnerei in Murg (SG) erachteten die Lausanner Richter die für die Einführung von Nacht- und Sonntagsarbeit geltend gemachten wirtschaftlichen Überlegungen als unzureichend und hob die Bewilligung auf. Einem Hersteller von Mikrochips in Marin (NE) gestand das Bundesgericht zwar zu, dass eine ununterbrochene siebentägige Produktionsweise technisch und ökonomisch unentbehrlich sei, doch verweigerte sie ihm den sonntäglichen Einsatz von Frauen, da die Herstellung integrierter Schaltungen keine frauenspezifische Arbeit darstelle und die Frau im Arbeitsgesetz gerade deshalb einen besonderen Schutz geniessen müsse, weil ihr nach traditionellem Rollenverständnis im Familienleben eine besondere Funktion zukomme. Die Richter anerkannten zwar, dass hier ein Widerspruch zum Gleichheitsartikel der Bundesverfassung bestehe, argumentierten aber, dass in diesem Bereich eine Berufung auf Art. 4 Abs. 2 BV erst dann.zulässig wäre, wenn alle Ungleichheiten zwischen Mann und Frau, insbesondere die Lohndifferenzen, beseitigt wären.

Bundesgericht

Der Bundesrat entschied bis Ende Jahr nicht in dieser Frage. Im Nationalrat darauf angesprochen, erinnerte er zwar daran, dass 97 der insgesamt 158 ILO-Mitgliedstaaten diese Konvention nicht unterzeichnet haben – darunter so bedeutende wie Australien, die USA, Kanada, Japan, Dänemark, Finnland, Schweden und Grossbritannien – versprach aber, keine voreiligen Schritte unternehmen und vor einer allfälligen Kündigung des Übereinkommens die Meinung der interessierten Kreise einholen zu wollen. Aus dem Biga war verschiedentlich zu vernehmen, der Bundesrat könnte seinen Entscheid über eine Aufkündigung des Abkommens beziehungsweise über eine Unterzeichnung des Zusatzprotokolls von der Haltung der EG-Staaten abhängig machen. Nachdem der EG-Kommissionspräsident Delors im Januar den Willen bekundet hatte, auch den Bereich der Nachtarbeit im Rahmen des europäischen Binnenmarktes einheitlich zu regeln, stellte sich die Frage, ob es nicht sinnvoller sei, mit den Revisionsarbeiten am Arbeitsgesetz so lange zuzuwarten, bis die angekündigte EG-Richtlinie vorliegt.

angekündigte EG-Richtlinie

Obgleich sich die sogenannt prekären Arbeitsformen (Teilzeit- und Temporärarbeit) bei den Arbeitnehmern steigender Beliebtheit erfreuen, stehen Sozialpolitiker und Gewerkschaften diesem Trend eher reserviert gegenüber, da sie für die Betroffenen Einbussen bei der Karriere und im Bereich der Sozialversicherungen – zum Beispiel durch Nichterreichen des Koordinationsabzugs bei der 2. Säule – befürchten. Auch das Bundesamt für Konjunkturfragen warnte davor, dass die Flexibilisierung der Arbeitszeit die in den Gesamtarbeitsverträgen verankerten Sicherheiten unterlaufen könnte, weil sich im Zuge der Individualisierung die vielen grundlegend verschiedenen Modelle nicht mehr für alle verbindlich regeln liessen.

Auswirkungen der prekären Arbeitsformen auf die soziale Sicherheit
Dossier: Koordinationsabzug und Eintrittsschwelle BVG

Mit dem knappsten je registrierten Resultat seit der Einführung des Quorums von 100 000 Unterschriften kam die Volksinitiative der SD (ehemals NA) "für einen arbeitsfreien Bundesfeiertag" (" 1. August-Initiative") formell zustande. Von den Ende September nach völliger Ausschöpfung der Sammelfrist eingereichten 104 022 Unterschriften erklärte die Bundeskanzlei nach der Überprüfung 102 660 für gültig. In der Herbstsession stimmte der Nationalrat einer im Inhalt identischen parlamentarischen Initiative des Berner SD-Vertreters Ruf zu, nachdem ein analoger Vorstoss zwei Jahre zuvor noch klar abgelehnt worden war.

Volksinitiative "für einen arbeitsfreien Bundesfeiertag"

Im Juni kam etwas Bewegung in die starren Fronten, als die Internationale Arbeitsorganisation ILO ein Zusatzprotokoll zum Übereinkommen 89 verabschiedete, welches die Bedingungen für Ausnahmen vom Frauen-Nachtarbeitsverbot regelt. Die neuen Lockerungen werden dabei nur gewährt, wenn die Sozialpartner in einer Branche oder einem Beruf zustimmen; sie kann auch für einzelne Betriebe nach Konsultation der Sozialpartner von einer staatlichen Behörde bewilligt werden, sofern der Betrieb punkto Sicherheit, Gesundheitsschutz und Chancengleichheit für Frau und Mann die nötige Gewähr bietet; Schwangere und Wöchnerinnen sollen weiterhin einen besonderen Schutz geniessen. Für die Gewerkschaften schien sich hier ein gangbarer Kompromiss anzubahnen, umso mehr als die ILO gleichzeitig ein allgemeines Abkommen über die Nachtarbeit (Übereinkommen 171) annahm, in welchem die gesundheitliche Schädlichkeit der Nachtarbeit erneut bekräftigt und zu grösster Vorsicht bei der Erteilung von Ausnahmebewilligungen gemahnt wurde. Anders als ihre ausländischen Kollegen, die zuletzt Einlenken auf den Kompromissvorschlag beschlossen, verweigerten hingegen die schweizerischen Arbeitgeber dem Zusatzprotokoll ihre Zustimmung. In den folgenden Monaten drängten sie immer wieder darauf, die Schweiz solle das Abkommen 89 innerhalb der dafür vorgesehenen Frist (Ende Februar 1992) aufkündigen.

Zusatzprotokoll zum Übereinkommen 89 allgemeines Abkommen über die Nachtarbeit

Die mehrheitlich über Gesamtarbeitsverträge geregelte Wochenarbeitszeit sank seit 1985 um durchschnittlich 1,2 Stunden. 1990 lag sie im Mittel bei 42,2 Stunden, was gegenüber dem Vorjahr einer Reduktion um 0,2 Stunden entspricht. Die verarbeitende Produktion war dabei mit 41,6 Wochenstunden der Bereich mit der tiefsten Arbeitszeit. Im Dienstleistungssektor lag sie bei durchschnittlich 42,3 Stunden, und im Baugewerbe wurde im Schnitt während 43,5 Stunden gearbeitet. Weniger als 41 Stunden in der Woche arbeiteten die Arbeitnehmer im grafischen Gewerbe (40,5), in der Uhren- und Chemie-Industrie (40,8) sowie im Maschinen- und Fahrzeugbau (40,9). Im Vergleich dazu lagen die wöchentlichen Arbeitszeiten in der EG 1987 zwischen 35,7 und 41,2 Stunden.

Wochenarbeitszeit

Ende 1990 arbeiteten in der Schweiz 17,6% der Beschäftigten (ohne Landwirtschaft) teilzeitlich. Ein Jahr zuvor waren es 16,9% und 1985 gar erst 14,5%. Ungefähr die Hälfte der Teilzeitbeschäftigten leistete Ende 1990 ein Pensum zwischen 50 und 90%. Stark verbreitet ist die Teilzeitarbeit im Dienstleistungssektor, wo sich ihr Gewicht in den vergangenen fünf Jahren von 20,2 auf 24,4% erhöhte. In der Industrie und im verarbeitenden Gewerbe ist ihr Anteil wesentlich tiefer. Er legte im selben Zeitraum von 8,3 auf 9,6% zu. Dies hängt unter anderem mit dem Übergewicht der männlichen Arbeitskräfte im produzierenden Sektor zusammen. Bei den Männern belief sich der Prozentsatz der Teilzeitbeschäftigten Ende 1990 insgesamt auf lediglich 6,6%, bei den Frauen jedoch auf 36,6%.

Teilzeitarbeit