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Jahresrückblick 2022: Gesundheit, Sozialhilfe, Sport

Zu Beginn des Jahres 2022 wurde befürchtet, dass die Covid-19-Pandemie auch in diesem Jahr das politische Geschehen der Schweiz dominieren würde: Mitte Januar erreichte die Anzahl laborbestätigter täglicher Neuansteckungen mit 48'000 Fällen bisher kaum denkbare Höhen – im Winter zuvor lagen die maximalen täglichen Neuansteckungen noch bei 10'500 Fällen. Die seit Anfang 2022 dominante Omikron-Variante war somit deutlich ansteckender als frühere Varianten – im Gegenzug erwies sie sich aber auch als weniger gefährlich: Trotz der viermal höheren Fallzahl blieben die Neuhospitalisierungen von Personen mit Covid-19-Infektionen deutlich unter den Vorjahreswerten. In der Folge nahm die Dominanz der Pandemie in der Schweizer Politik und in den Medien fast schlagartig ab, wie auch Abbildung 1 verdeutlicht. Wurde im Januar 2022 noch immer in 15 Prozent aller Zeitungsartikel über Covid-19 gesprochen, waren es im März noch 4 Prozent. Zwar wurde im Laufe des Jahres das Covid-19-Gesetz zum fünften Mal geändert und erneut verlängert, über die Frage der Impfstoff- und der Arzneimittelbeschaffung gestritten und versucht, in verschiedenen Bereichen Lehren aus den letzten zwei Jahren zu ziehen. Jedoch vermochten weder diese Diskussionen, die zwischenzeitlich gestiegenen Fallzahlen sowie ein weltweiter Ausbruch vermehrter Affenpocken-Infektionen das mediale Interesse an der Pandemie erneut nachhaltig zu steigern.

Stattdessen erhielten im Gesundheitsbereich wieder andere Themen vermehrte Aufmerksamkeit, vor allem im Rahmen von Volksabstimmungen und der Umsetzung von Abstimmungsentscheiden.
Einen direkten Erfolg durch ein direktdemokratisches Instrument erzielte das Komitee hinter der Volksinitiative «Kinder ohne Tabak». Die Stimmbürgerinnen und Stimmbürger hiessen diese Initiative am 13. Februar mit 56.7 Prozent gut. Das Volksbegehren ziel darauf ab, dass Kinder und Jugendliche nicht länger mit Tabakwerbung in Berührung kommen. Während das Initiativkomitee die Vorlage unter anderem damit begründete, dass durch das Werbeverbot dem Rauchen bei Jugendlichen Einhalt geboten werden könne, führten die Gegnerinnen und Gegner die Wirtschaftsfreiheit an. Zudem befürchtete die Gegnerschaft, dass in Zukunft weitere Produkte wie Fleisch oder Zucker mit einem vergleichbaren Werbeverbot belegt werden könnten. Der Bundesrat gab Ende August einen gemäss Medien sehr strikten Entwurf zur Umsetzung der Initiative in die Vernehmlassung. Während die Stimmbevölkerung Werbung für Tabakprodukte verbieten wollte, bewilligte das BAG ein Gesuch der Stadt Basel zur Durchführung von Cannabisstudien; die Städte Bern, Lausanne, Zürich und Genf lancierten ebenfalls entsprechende Studien. Zudem können Ärztinnen und Ärzte seit dem 1. August medizinischen Cannabis ohne Bewilligung durch das BAG verschreiben.

Teilweise erfolgreich waren im Jahr 2022 aber auch die Initiantinnen und Initianten der Organspende-Initiative. 2021 hatte das Parlament eine Änderung des Transplantationsgesetzes als indirekten Gegenvorschlag gutgeheissen, woraufhin das Initiativkomitee die Initiative bedingt zurückgezogen hatte. Im Januar kam das Referendum gegen die Gesetzesänderung zustande. Mit dem Gesetz beabsichtigten Bundesrat und Parlament die Einführung einer erweiterten Widerspruchslösung, wobei die Angehörigen der verstorbenen Person beim Spendeentscheid miteinbezogen werden müssen. Auch wenn es sich dabei um eine Abschwächung der Initiativforderung handelte, ging die Änderung dem Referendumskomitee zu weit; es äusserte ethische und rechtliche Bedenken. Die Stimmbevölkerung nahm die Gesetzesänderung am 15. Mai allerdings deutlich mit 60.2 Prozent an. Damit gewichtete sie die von den Befürwortenden hervorgehobene Dringlichkeit, die Spenderquote zu erhöhen und etwas gegen die langen Wartezeiten auf ein Spenderorgan zu unternehmen, stärker als die Argumente des Referendumskomitees. In den Wochen vor dem Abstimmungssonntag wurde die Vorlage vermehrt von den Zeitungen aufgegriffen, wie Abbildung 1 der APS-Zeitungsanalyse verdeutlicht.

Nach dem deutlichen Ja an der Urne im November 2021 unterbreitete der Bundesrat dem Parlament im Mai 2022 seine Botschaft zur Umsetzung eines ersten Teils der Pflegeinitiative. Dieser entspricht dem indirekten Gegenvorschlag, den die Legislative ursprünglich als Alternative zur Volksinitiative ausgearbeitet hatte. Ohne grosse Änderungen stimmten die beiden Kammern der Gesetzesrevision zu.

Noch immer stark von der Covid-19-Pandemie geprägt waren die Diskussionen zu den Spitälern. Da die Überlastung der Spitäler und insbesondere der Intensivstationen während der Pandemie eine der Hauptsorgen dargestellt hatte, diskutierten die Medien 2022 ausführlich darüber, wie es möglich sei, die Intensivstationen auszubauen. Vier Standesinitiativen forderten zudem vom Bund eine Entschädigung für die Ertragsausfälle der Krankenhäuser während der ersten Pandemiewelle, der Nationalrat gab ihnen indes keine Folge.

Von einer neuen Krise betroffen war die Medikamentenversorgung. Die Versorgungssicherheit wurde als kritisch erachtet, was die Medien auf den Brexit, die Opioidkrise in den USA sowie auf den Ukrainekrieg zurückführten. Der Bundesrat gab in der Folge das Pflichtlager für Opioide frei. Das Parlament hiess überdies verschiedene Motionen für eine Zulassung von Medizinprodukten nach aussereuropäischen Regulierungssystemen gut, um so die Medikamentenversorgung auch mittelfristig sicherzustellen (Mo. 20.3211, Mo. 20.3370). Kein Gehör fand hingegen eine Standesinitiative aus dem Kanton Aargau zur Sicherung der Landesversorgung mit essenziellen Wirkstoffen, Medikamenten und medizinischen Produkten, durch ausreichende Lagerhaltung, Produktion in Europa und durch die Vereinfachung der Registrierung in der Schweiz.

Im Bereich des Sports war das Jahr 2022 durch mehrere Grossanlässe geprägt, die nicht nur in sportlicher, sondern auch in politischer Hinsicht für Gesprächsstoff sorgten. Die Olympischen Winterspiele in Peking Anfang Jahr und die Fussball-Weltmeisterschaft der Männer in Katar zum Jahresende standen aufgrund von Menschenrechtsverletzungen an den Austragungsstätten in den Schlagzeilen. Skandale gab es aber nicht nur in der internationalen Sportwelt, sondern auch hierzulande, wo Vorwürfe bezüglich Missständen im Synchronschwimmen erhoben wurden und die 1. Liga-Frauen-Fussballmannschaft des FC Affoltern nach einem Belästigungsskandal praktisch geschlossen den Rücktritt erklärte. Erfreut zeigten sich die Medien hingegen über eine Meldung im Vorfeld der Fussball-Europameisterschaft der Frauen, dass die Erfolgsprämien durch die Credit Suisse und die Gelder für Bilder- und Namensrechte durch den SFV für die Spielerinnen und Spieler der Nationalmannschaft der Frauen und Männer künftig gleich hoch ausfallen sollen. Sinnbildlich für den wachsenden Stellenwert des Frauenfussballs stand ferner eine Erklärung des Nationalrats in der Wintersession 2022, wonach er die Kandidatur zur Austragung der Fussball-Europameisterschaft der Frauen 2025 in der Schweiz unterstütze. Trotz dieser verschiedenen Diskussionen im Sportbereich hielt sich die Berichterstattung dazu verglichen mit derjenigen zu gesundheitspolitischen Themen in Grenzen (vgl. Abbildung 1). Dies trifft auch auf die Medienaufmerksamkeit für die Sozialhilfe zu, die sich über das gesamte Jahr hinweg unverändert auf sehr tiefem Niveau bewegte.

Jahresrückblick 2022: Gesundheit, Sozialhilfe, Sport
Dossier: Jahresrückblick 2022

Die sozialdemokratische Fraktion wollte mittels einer während der Covid-19-Pandemie im Herbst 2020 eingereichten Motion erreichen, dass dem Personal von Krankenhäusern sowie vergleichbaren stationären und ambulanten Einrichtungen, welche Covid-19-Patientinnen und -Patienten behandeln, eine einmalige Corona-Prämie von CHF 4'000 zugestanden wird. Das Geschäft kam anlässlich der Herbstsession 2022 in den Nationalrat. Dort setzte sich Barbara Gysi (sp, SG) für das Anliegen ihrer Fraktion ein: Die Prämie sei angesichts der grossen Belastung und der unternommenen Anstrengungen und Überstunden der Betroffenen, mit denen sie die Gesundheitsversorgung während der Covid-19-Pandemie gewährleistet hatten, gerechtfertigt. Weiter betonte sie die Wichtigkeit der Wertschätzung des Gesundheitspersonals. Bundesrat Guy Parmelin anerkannte zwar den Beitrag, den das Gesundheitspersonal während der Pandemie geleistet hatte, gab aber zu bedenken, dass sich viele Arbeitnehmende aus unterschiedlichen Berufen in dieser Zeit speziell engagiert hätten. Eine Corona-Prämie sei nicht angebracht, weil diese einer Bevorzugung einer bestimmten Gruppe gleichkäme. Zudem wies der Wirtschaftsminister auf die Pflegeinitiative hin, mit deren Annahme sich die Stimmbevölkerung für eine Verbesserung der Situation von qualifizierten Arbeitskräften im Gesundheitswesen ausgesprochen habe. Der Bundesrat empfahl die Motion daher zur Ablehnung. Mit 118 zu 64 Stimmen folgte der Nationalrat dieser Empfehlung. Während sich die Fraktionen der SP und der Grünen geschlossen für den Vorstoss aussprachen, lehnten ihn die anderen Fraktionen geschlossen ab.

Corona-Prämie (Mo. 20.4307)

Mittels eines Postulats wollte Philippe Nantermod (fdp, VS) den Bundesrat dazu auffordern, einen Bericht zu Gefälligkeitszeugnissen durch Ärztinnen und Ärzte und zu entsprechenden Bekämpfungsmassnahmen zu erstellen. Ebenfalls Teil des Berichts soll eine Statistik zu nachgewiesenen Betrugsfällen sein. Nachdem der Vorstoss im Juni 2022 von Katharina Prelicz-Huber (gp, ZH) und Baptiste Hurni (sp, NE) bekämpft worden war, nahm sich der Nationalrat in der Herbstsession 2022 dem Geschäft an. Der Postulant begründete seinen Vorstoss damit, dass zwar niemand die Notwendigkeit des Schutzes der Arbeitnehmenden im Krankheitsfall in Frage stelle, dass es aber auch zu Missbräuchen komme. Diese führten zu grossem Schaden bei den Unternehmen, wobei insbesondere KMU hart getroffen würden. Leidtragende seien neben den Arbeitgebenden auch die anderen Mitarbeitenden. Bekämpferin Prelicz-Huber ihrerseits gab zu bedenken, dass die Ärztinnen und Ärzte durch das Postulat unter Generalverdacht gestellt würden, obwohl sie keinen Vorteil aus einem Gefälligkeitsgutachten zögen. Mit dem Eid des Hippokrates würden sich die Ärztinnen und Ärzte verpflichten, «sowohl für die psychische als auch für die physische Genesung der Patienten und Patientinnen alles zu tun». Ärztinnen und Ärzte seien «ein Ort der Zuflucht», es gehe nicht an, dass Patientinnen und Patienten den Eindruck bekommen, dass ihr Arzt oder ihre Ärztin von den Arbeitgebenden unter Druck gesetzt würden. Gesundheitsminister Berset erklärte, der Bundesrat halte die Forderung des Postulats für berechtigt. Er wies jedoch darauf hin, dass das Erstellen von Statistiken durch das Arztgeheimnis relativ schwierig sein dürfte. Der Nationalrat nahm das Postulat mit 126 zu 55 Stimmen (bei 8 Enthaltungen) an. Während sich die Fraktionen der SP und der Grünen gegen den Vorstoss aussprachen, stimmten die bürgerlichen Fraktionen und die GLP dafür.

Welche Massnahmen gegen Gefälligkeitszeugnisse von Ärztinnen und Ärzten? (Po. 19.4194)

Die Stärkung der digitalen Kompetenzen von Gesundheitsfachpersonen war Gegenstand einer Motion Silberschmidt (fdp, ZH), die im März 2022 eingereicht wurde. Damit wollte der Motionär die Vermittlung der notwendigen digitalen Kompetenzen für die berufliche Tätigkeit während der Aus-, Weiter- und Fortbildung von Gesundheitsfachpersonen erreichen. Konkret zielte er dabei nicht nur auf die Nutzung digitaler Instrumente, sondern auch auf die damit in Zusammenhang stehenden Kompetenzen bezüglich Wissensaneignung, interprofessioneller Zusammenarbeit, Kommunikation, Diagnostik sowie Monitoring der Patientenschaft ab. Da Andreas Glarner (svp, AG) die Motion im Sommer 2022 bekämpft hatte, beschäftigte sich der Nationalrat in der darauffolgenden Herbstsession mit dem Vorstoss. Vor seinen Ratskolleginnen und -kollegen führte Silberschmidt aus, dass mit der digitalen Transformation die Vereinfachung der Administration erreicht und die Qualität der Behandlung gefördert werden solle. Damit dies jedoch gelinge, bedürfe es der Mitarbeit der im Gesundheitswesen tätigen Menschen. Während die Digitalisierung im Gesundheitsberufegesetz zwar angetönt werde, fehle von ihr im Medizinalberufegesetz und im Psychologieberufegesetz jegliche Spur. Andreas Glarner war indes der Ansicht, dass zu zügig und zu weitreichend vorwärtsgegangen und dadurch das Personal überfordert werde. Pflegende «möchten nicht das iPad, sondern lieber die Hand des Patienten halten». Rückendeckung erhielt Silberschmidt aber von Gesundheitsminister Berset. Im Namen des Gesamtbundesrates unterstützte dieser die Motion. Denkbar sei etwa eine einheitliche Formulierung im Gesundheitsberufegesetz, im Medizinalberufegesetz und im Psychologieberufegesetz, weil dadurch ein gemeinsames Verständnis geschaffen werde, das alle Gesundheitsberufe teilten. Mit 136 zu 50 Stimmen nahm der Nationalrat die Motion an, wobei alle 50 Gegenstimmen aus dem Lager der geschlossen stimmenden SVP-Fraktion stammten.

Stärkung der digitalen Kompetenzen von Gesundheitsfachpersonen (Mo. 22.3163)
Dossier: Digitalisierung im Gesundheitswesen

Jörg Mäder (glp, ZH) störte sich im September 2020 daran, dass Spitäler Ärztinnen oder Ärzten Vergütungen für mengenmässige Ziele zukommen lassen – sowohl internen Ärztinnen und Ärzten bei Durchführung von Behandlungen als auch externen bei Vermittlung von Patientinnen und Patienten. Da Studien gezeigt hätten, dass mengenbezogene Entschädigungen bei der Ärzteschaft die Anzahl Eingriffe erhöhe – auch die Expertengruppe hatte diesen Aspekt hervorgehoben –, sollen solche Spitäler zukünftig von der Spitalliste gestrichen werden, forderte Mäder in einer Motion. Im September 2022 behandelte der Nationalrat das Anliegen. Obwohl Gesundheitsminister Berset erklärt hatte, dass das Anliegen in einer zwischenzeitlich verabschiedeten Verordnungsänderung umgesetzt worden sei, nahm der Nationalrat die Motion mit 112 zu 75 Stimmen (bei 4 Enthaltungen) an.

Keine mengenbezogenen Lohnanreize für Spitalärzte

Der Ständerat beschäftigte sich in der Herbstsession 2022 als Zweitrat mit einer Motion Herzog (svp, TG) zur Stärkung der Kinder- und Jugendmedizin. Als Kommissionssprecherin der SGK-SR, die den Vorstoss im Vorfeld mit 7 zu 3 Stimmen angenommen hatte, setzte sich Maya Graf (gp, BL) für das Geschäft ein. Sie hob Defizite in der Versorgung im Bereich der Kinder- und Jugendmedizin hervor, weswegen diese nun mittels Massnahmen gestärkt werden müsse. Zwar anerkannte die Baselbieterin die bisher schon begonnenen Arbeiten zur Schliessung der bestehenden Datenlücken. Um den Defiziten nachhaltig begegnen zu können, seien jedoch vertiefte und periodische Analysen erforderlich. Eine Minderheit Hegglin (mitte, ZG) war indes der Ansicht, dass seit dem Einreichejahr 2019 bereits Vieles unternommen worden sei – etwa durch verschiedene Obsan-Studien –, und deshalb kein zusätzlicher Handlungsbedarf angezeigt sei. Ebenfalls dieser Meinung war Gesundheitsminister Berset. Er erläuterte, dass im Kompetenzbereich des Bundes bereits sehr viel erreicht worden sei und man gegen die Aufgabenverteilung zwischen Bund und Kantonen verstossen müsste, wolle man darüber hinausgehen. Nichtsdestotrotz folgte der Ständerat der Kommissionsmehrheit und nahm die Motion mit 23 zu 19 Stimmen (bei 1 Enthaltung) an.

Stärkung der Kinder- und Jugendmedizin. Versorgungsforschung und Massnahmenplanung zur Sicherstellung der Behandlung von Kindern und Jugendlichen (Mo. 19.4134)

In der Herbstsession 2022 beschäftigte sich der Ständerat mit dem vom Bundesrat vorgeschlagenen Bundesgesetz über die Förderung der Ausbildung im Bereich der Pflege, mittels welchem ein erster Teil der Pflegeinitiative umgesetzt werden soll. Die SGK-SR war im Vorfeld einstimmig auf das Bundesgesetz eingetreten und hatte in ihrer Detailberatung lediglich Korrekturen formeller Natur beschlossen. Während der Ratsdebatte strich Marina Carobbio Guscetti (sp, TI) für die Kommission hervor, dass rascher Handlungsbedarf angezeigt sei. Der Pflegefachkräftemangel sei bereits vor der Covid-19-Pandemie prekär gewesen, habe sich durch die Pandemie allerdings noch verschärft. Ein zügiges Vorgehen ohne grosse Änderungen begrüsste etwa auch Bundesrat Alain Berset. Dabei argumentierte er mit der Pflicht, den Volkswillen zu befolgen, und der Tatsache, dass sich das Parlament in Form des indirekten Gegenvorschlags zur Pflegeinitiative bereits mit der Vorlage auseinandergesetzt habe. In der Folge trat der Ständerat denn auch einstimmig auf das Bundesratsgeschäft ein und hielt sich in der Detailberatung an die Anträge der Kommission. Johanna Gapany (fdp, FR) zog ihren Minderheitsantrag, der verlangte, dass bei der praktischen Ausbildung innovative Methoden zum Zuge kommen sollen dürfen, um möglichst schnell genügend Personal auszubilden, zurück, da diese Forderung auf Verordnungsebene umgesetzt werden könne. Einstimmig stimmte der Ständerat dem Bundesgesetz und den drei Bundesbeschlüssen in der Gesamtabstimmung zu.

Förderung der Ausbildung im Bereich der Pflege (BRG 20.040)
Dossier: Die Pflegeinitiative und ihre Umsetzung

Als Reaktion auf die während der Covid-19-Pandemie nötigen Triage-Entscheidungen verlangte Maya Graf (gp, BL) im März 2022 in einer Motion die Schaffung einer rechtlichen Grundlage für solche Entscheidungen. Triage-Entscheidungen beinhalteten die Beschlussfassung, wem bei Ressourcenknappheit im intensivmedizinischen Bereich eine Behandlung zukommen soll, und tangierten damit das «Recht auf Leben», erklärte die Motionärin. Insbesondere müsse in diesen Situationen eine Diskriminierung von Personen mit Behinderungen verhindert werden. Zwar habe die Schweizerische Akademie der medizinischen Wissenschaften ihre Richtlinien Ende 2020 angepasst, jedoch dürfe eine solch wichtige Frage nicht von Privaten entschieden werden, sondern brauche eine rechtliche Grundlage. Der Bundesrat erachtete die rechtliche Grundlage in dieser Frage mit dem Recht auf Leben, dem Rechtsgleichheitsgebot und dem Diskriminierungsverbot als gegeben. Die Schaffung einer allfälligen Triage-Richtlinie liege zudem in der Handlungskompetenz der Kantone. In der Sommersession 2022 wies der Ständerat die Motion auf Antrag von Philippe Bauer (fdp, NE) seiner Kommission zur Vorberatung zu.

Rechtsgrundlage für Triage-Entscheidungen beim Zugang zu intensivmedizinischen Behandlungen (Mo. 22.3246)

In der Sommersession 2022 schrieben die beiden Parlamentskammern eine Motion Heim (sp, SO) zur Transparenz bei Entschädigungen und Honoraren für Ärzte und Ärztinnen in leitender Funktion ab. Im Rahmen des bundesrätlichen Berichts über Motionen und Postulate der eidgenössischen Räte im Jahr 2021 erklärte die Landesregierung, dass zur Thematik verschiedene Berichte verfasst wurden – etwa in Erfüllung der Postulate 09.4239, 10.3753 und 13.4012. Weiter sei in der Evaluation der KVG-Revision im Bereich der Spitalfinanzierung auf die Spitalplanung eingegangen worden und der Stärkung der Planung werde in einer Änderung der KVV vom Juni 2021 Rechnung getragen.

Transparenz bei Entschädigungen und Honoraren für Ärzte und Ärtinnen in leitender Funktion (Mo. 18.3107)

Anfang Juni 2022 griff die Tageszeitung Blick in mehreren Artikeln den Hausärztinnen- und -ärztemangel auf. Am Beispiel der Walliser Gemeinde Grächen, welche eine Ärztin aus El Salvador engagierte, und am Beispiel des Gruppenpraxen-Geschäftsmodells wurden Möglichkeiten vorgestellt, wie man dem Problem begegnen könnte. Wenn eine Firma eine Gruppenpraxis kaufe und führe, sei dies sowohl für die Patientenschaft als auch für die Ärzteschaft gewinnbringend, so der Blick. Patientinnen und Patienten hätten nach wie vor einen eigenen Arzt oder eine eigene Ärztin und würden bei dessen oder deren Abwesenheit durch eine stellvertretende Person aus der gleichen Praxis betreut, die schon über das Patientendossier verfügt. Ärztinnen und Ärzte wiederum könnten in Praxen arbeiten, ohne unternehmerisch tätig sein und das entsprechende Risiko tragen zu müssen. Zudem würden die administrativen Arbeiten von der Firmenzentrale übernommen. Somit könnten sich die Ärztinnen und Ärzte vollständig auf ihre Patientinnen und Patienten konzentrieren.
Thema war ein möglicher Mangel in der Hausarztmedizin zeitgleich auch im Kanton Aargau, wo bedingt durch strengere Zulassungsvorschriften vonseiten des Bundes eine Verschärfung der Unterversorgung befürchtet wurde. Konkret war es seit Anfang 2022 nur noch Ärztinnen und Ärzten gestattet, eine eigene Praxis zu eröffnen, falls diese eine Arbeitstätigkeit von drei oder mehr Jahren in einer schweizerischen Weiterbildungsstätte vorweisen konnten. Die Sorgen aus dem Aargau wurden auf nationaler Ebene geteilt, weshalb die SGK-NR im Mai 2022 eine parlamentarische Initiative (Pa.Iv. 22.431) zum Thema einreichte.

Hausärztemangel

Um einen ersten Teil der im vergangenen November angenommenen Pflegeinitiative umzusetzen, unterbreitete der Bundesrat dem Parlament Ende Mai 2022 seine Botschaft zur Ausbildungsförderung im Pflegebereich. Dabei griff er den indirekten Gegenvorschlag zur Volksinitiative wieder auf, welcher zum einen eine Ausbildungsoffensive und zum anderen die Möglichkeit für Pflegefachpersonen, gewisse Leistungen direkt mit den Sozialversicherungen abzurechnen, vorsah.
Bezüglich Ersterem hielt der Bundesrat fest, dass gerade aufgrund der hohen Auslandsabhängigkeit und der Rekrutierungsschwierigkeiten von diplomierten Pflegefachpersonen Handlungsbedarf angezeigt sei. Zudem werde der Bedarf aufgrund der alternden Bevölkerung und der damit verbundenen höheren Pflegekomplexität sogar noch weiter steigen. Die vorgesehene Ausbildungsoffensive umfasste drei Punkte: Die finanzielle Unterstützung von Gesundheitseinrichtungen, die sich an der praktischen Ausbildung diplomierter Pflegefachpersonen beteiligen, die finanzielle Unterstützung von Personen in Ausbildung an einer Fachhochschule oder einer höheren Fachschule sowie die Erhöhung der Ausbildungsplätze an höheren Fachschulen und Fachhochschulen. Mit Ausnahme der Ausbildungsplätze an Fachhochschulen, deren Finanzierung über direkte Beiträge des Bundes geplant ist, soll die Unterstützung durch die Kantone erfolgen, welche wiederum vom Bund teilweise dafür entschädigt werden. In drei Bundesbeschlüssen sollen dafür insgesamt CHF 502 Mio. gesprochen werden.
Was die direkte Abrechnung mit den Sozialversicherungen anbelangt, so stehe die bessere Berücksichtigung der «spezifischen Kompetenzen der Pflegefachpersonen» sowie die Stärkung ihrer Funktion in der Gesundheitsversorgung im Zentrum, so dass sie selbständiger arbeiten könnten. Um einen ungerechtfertigten Anstieg der Gesundheitskosten zu vermeiden, sei zudem ein Kontrollmechanismus vorgesehen. Zur Umsetzung dieser Forderung der Volksinitiative plante der Bundesrat Änderungen im KVG, wobei ihm selbst die Aufgabe zukommen sollte, die betroffenen Pflegeleistungen zu bestimmen.
Da die Vorschläge zur Ausbildungsoffensive und der direkten Abrechnung mit den Sozialversicherungen bereits Teil des indirekten Gegenvorschlags waren, sah der Bundesrat von einer erneuten Vernehmlassung ab. Der Umsetzung der weiteren Forderungen der Volksinitiative – einer angemessenen Abgeltung, anforderungsgerechten Arbeitsbedingungen und beruflichen Entwicklungsmöglichkeiten – werde in einem zweiten Schritt Rechnung getragen, weil es diesbezüglich noch einige Fragen zu klären gelte.

Förderung der Ausbildung im Bereich der Pflege (BRG 20.040)
Dossier: Die Pflegeinitiative und ihre Umsetzung

Eine Stärkung der Ausbildung von Ärztinnen und Ärzten in der Schweiz war Ziel einer im Mai 2020 eingereichten Motion Barrile (sp, ZH). Konkret forderte der Motionär den Bundesrat dazu auf, die notwendigen Schritte einzuleiten, um die Anzahl Ärztinnen und Ärzte, die hierzulande ausgebildet werden, zu erhöhen. Dazu gehörten unter anderem die Überarbeitung des Zulassungsverfahrens zum Studium, die Erhöhung der Anzahl Studienplätze sowie die Stärkung von Weiterbildungen und Fortbildungen. Der Vorstoss kam im Mai 2022 in den Nationalrat. Nachdem Barrile sein Anliegen vorgestellt hatte, erklärte Bundesrat Guy Parmelin, dass die Regierung zwar die Meinung teile, dass genügend qualifizierte Personen im Gesundheitswesen ausgebildet werden müssen, dass sie eine Änderung des Zulassungsverfahrens jedoch nicht als zielführend erachte. Parmelin verwies weiter auf das Sonderprogramm «Erhöhung der Anzahl Abschlüsse in Humanmedizin» und fasste zusammen, dass der Bundesrat der Auffassung sei, dass die essenziellen Massnahmen zur Erhöhung der Anzahl ausgebildeter Ärztinnen und Ärzte bereits ergriffen worden seien. Daher empfehle er die Motion zur Ablehnung. Diesen Worten folgte die grosse Kammer denn auch mit 98 zu 84 Stimmen (bei 6 Enthaltungen). Während die befürwortenden Stimmen in erster Linie aus den Reihen der SP-, Grünen- und GLP-Fraktion stammten, sprach sich das bürgerliche Lager grossmehrheitlich gegen das Geschäft aus.

Stärkung der Ausbildung von Ärztinnen und Ärzten in der Schweiz (Mo. 20.3394)

Anlässlich der Frühjahrssession 2022 befasste sich der Ständerat mit einer Motion der BDP-Fraktion, welche die Einführung medizinischer Qualitätsindikatoren im ambulanten Pflegebereich zum Gegenstand hatte. Peter Hegglin (mitte, ZG) führte als Sprecher der SGK-SR aus, dass sich die Kommission der Zentralität des Anliegens bewusst sei, dass in diesem Bereich allerdings schon einiges unternommen werde. Dazu gehörten etwa die Erarbeitung von Qualitätsindikatoren durch die GDK und die Spitex-Verbände oder die Aufnahme der Stärkung solcher Indikatoren in das KVG, welche durch die Verabschiedung von Artikel 58 erfolgt sei. Weiter dürfe der zunehmende administrative Aufwand, der auf das Pflegepersonal zukomme, nicht auf Kosten der direkten Pflege der Patientenschaft gehen. Daher spreche sich die Kommission gegen das Geschäft aus. Gesundheitsminister Berset schloss sich dem Argumentarium Hegglins an und empfahl die Motion zur Ablehnung. Stillschweigend kam die kleine Kammer diesem Antrag nach.

Qualitätssicherung in der Pflege. Qualitätsindikatoren auch in der ambulanten Pflege überwachen (Mo. 19.4055)

Jahresrückblick 2021: Gesundheit, Sozialhilfe, Sport

Auch im Jahr 2021 bestimmte die Covid-19-Pandemie massgeblich den Takt in der Schweizer Gesundheitspolitik. Unabhängig davon gaben hingegen insbesondere Geschäfte im Zusammenhang mit verschiedenen Volksinitiativen zu reden.

Am prominentesten diskutiert wurde in den Medien die Pflegeinitiative, wie beispielsweise Abbildung 1 der APS-Zeitungsanalyse (im Anhang) zeigt – noch nie in den letzten vier Jahren wurde anteilsmässig häufiger über das Thema «Pflege» diskutiert als im Jahr 2021 (vgl. Abbildung 2). Die Pflegeinitiative zielte auf eine Verbesserung des Pflegendenstatus ab und wollte durch eine genügende Anzahl diplomierter Pflegefachpersonen den «Zugang aller zu einer ausreichenden Pflege von hoher Qualität» sicherstellen. Ende November 2021 nahm eine Mehrheit der Stimmbürgerinnen und Stimmbürger die Vorlage an (61.0%). Mit Ausnahme eines Kantons sagten ferner alle Stände Ja und hörten damit nicht auf ihre Vertreterinnen und Vertreter in Bundesbern, welche die Initiative zur Ablehnung empfohlen hatten. Stattdessen wollten Regierung und Parlament den in der Initiative dargelegten Problemen mittels eines von der SGK-NR ausgearbeiteten indirekten Gegenvorschlags auf Gesetzesebene begegnen. Dieser hätte neben einer Ausbildungsoffensive auch eine Kompetenzerweiterung bezüglich selbständiger Abrechnung von Pflegeleistungen vorgesehen. In den Medien wurde der Abstimmungserfolg des Initiativkomitees unter anderem – aber nicht ausschliesslich – mit der Covid-19-Pandemie erklärt.

2021 ebenfalls auf der Traktandenliste des Parlaments stand die Organspende-Initiative und der dazu vom Bundesrat lancierte indirekte Gegenvorschlag. Einigkeit herrschte darüber, dass der Status quo der Zustimmungslösung nicht zufriedenstellend sei. Das Volksbegehren, welches beabsichtigte, dass neu alle Menschen automatisch zu Organspenderinnen und -spendern werden sollten, falls sie sich nicht explizit dagegen ausgesprochen hatten, ging jedoch sowohl dem Bundesrat als auch den beiden Kammern zu weit. Die Landesregierung forderte daher in ihrem Gegenvorschlag eine erweiterte Zustimmungslösung, bei der die Meinung der Angehörigen ebenfalls berücksichtigt wird. Nachdem der Nationalrat das Volksbegehren zunächst (denkbar knapp) zur Annahme empfohlen hatte, folgte er in der Herbstsession dem Ständerat, der sich einstimmig gegen die Initiative ausgesprochen hatte. Der indirekte Gegenvorschlag hingegen war weitgehend unbestritten und wurde von beiden Räten grossmehrheitlich für eine gute Lösung befunden, worauf das Initiativkomitee die Initiative bedingt zurückzog.

Die dritte Volksinitiative, mit der sich das Parlament 2021 im Gesundheitsbereich beschäftigte, war die Volksinitiative «Ja zum Schutz der Kinder und Jugendlichen vor Tabakwerbung», welche ein lückenloses Tabakwerbeverbot zum Inhalt hat. Auch dieses Volksbegehren ging National- und Ständerat zu weit, weshalb sie die Initiative zur Ablehnung empfahlen. Parallel dazu befasste sich das Parlament mit einem neuen Tabakproduktegesetz, das im Herbst 2021 verabschiedet wurde und unter anderem ebenfalls Bestimmungen zu Tabakwerbung beinhaltete. Die beiden Kammern präsentierten die Gesetzesrevision als indirekten Gegenvorschlag zur Volksinitiative.

Als Folge der ersten Welle der Covid-19-Pandemie im Vorjahr beklagten viele Spitäler finanzielle Einbussen. Die Kantone Schaffhausen, Aargau, Tessin und Basel-Stadt reagierten 2021 mit vier Standesinitiativen, mittels welcher sie den Bund dazu auffordern wollten, für die Ertragsausfälle, die in Zusammenhang mit dem vom Bundesrat angeordneten Verbot «nicht dringend angezeigte[r] medizinische[r] Eingriffe und Therapien» entstanden waren, aufzukommen. Der Ständerat gab den Geschäften in der Wintersession 2021 mit 21 zu 19 Stimmen (bei 2 Enthaltungen) keine Folge.

Verglichen mit dem Vorjahr, als die Medien sehr ausführlich über die Sportpolitik berichteten (vgl. Abbildung 2), erhielt dieses Thema im Jahr 2021 nur beschränkt Beachtung. Erneut medial diskutiert wurden unter anderem die finanziellen Schwierigkeiten der Sportvereine, deren Unterstützung auch vom Ausgang der Abstimmung über die zweite Revision des Covid-19-Gesetzes abhing.
Im Parlament wurde insbesondere die Frage diskutiert, wie eine Mitsprache der Bevölkerung bei der Organisation und der finanziellen Unterstützung Olympischer Spiele ermöglicht werden kann. Diesbezüglich zeigte sich der Nationalrat offener als der Ständerat, als er in der Sommersession ein entsprechendes Postulat der WBK-NR annahm und einer parlamentarischen Initiative Semadeni (sp, GR) Folge gab. Letztere schickte der Ständerat in der darauffolgenden Session allerdings bachab. Das Parlament diskutierte des Weiteren über die Finanzhilfen an Sportanlagen von nationaler Bedeutung 2022–2027 (NASAK 5), wobei der Ständerat den bundesrätlichen Entwurf in der Herbstsession guthiess und der Nationalrat ihm in der Wintersession folgte.

Im Bereich Sozialhilfe beugte sich die kleine Kammer in der Frühjahrssession 2021 über eine Motion Carobbio Guscetti (sp, TI), welche darauf abzielte, Sofortmassnahmen gegen das durch die Covid-19-Pandemie verursachte Armutsrisiko zu ergreifen. Das Geschäft fand jedoch bei den Kantonsvertreterinnen und -vertretern keine Mehrheit. Medial thematisiert wurden unter anderem die möglichen Folgen der Pandemie für die Sozialhilfe sowie ein Urteil des EGMR, in welchem der Kanton Genf bezüglich seines Bettelverbotes kritisiert wurde.

Jahresrückblick 2021: Gesundheit, Sozialhilfe, Sport
Dossier: Jahresrückblick 2021

Mittels Postulat wollte Laurence Fehlmann Rielle (sp, GE) den Bundesrat mit der Unterbreitung von Vorschlägen betrauen, die darauf abzielen, die Promotion für alkoholische Getränke, insbesondere bei den Jungen, einzuschränken. Die Postulantin argumentierte mit dem in Studien mehrfach aufgezeigten Zusammenhang zwischen Alkoholwerbung und Alkoholkonsum bei Jugendlichen und jungen Erwachsenen. Zudem habe die Covid-19-Pandemie einen beachtlichen Einfluss auf das psychische Wohlbefinden dieser Altersgruppe. «Eine schlechte psychische Gesundheit» gehe wiederum mit dem Risiko eines «problematische[n] Konsum[s] von psychotropen Stoffen» einher. Ebenfalls bedenklich sei das Marketing in den sozialen Medien, auf welchen Jugendliche ständig mit Werbung in Berührung kämen. Der Bundesrat befürwortete zwar das Anliegen, war jedoch der Ansicht, dass zurzeit neue gesetzliche Bestimmungen im Bereich der Alkoholwerbung nicht angebracht seien. Vielmehr wolle sich die Landesregierung dafür einsetzen, dass die Bestimmungen zur Alkoholwerbung im AlkG und im LMG vollzogen würden. Der Bundesrat erklärte sich jedoch bereit, eine Evaluation zu den geltenden Bestimmungen von Alkohol-Werbung im Internet und den damit verbundenen Herausforderungen vorzunehmen, und beantragte aus diesem Grund die Annahme des Postulats. Nachdem das Geschäft im Oktober 2021 von Andreas Glarner (svp, AG) bekämpft worden war, kam es in der Wintersession 2021 in den Nationalrat. Dort wurde das Postulat mit 95 zu 88 Stimmen (bei 2 Enthaltungen) abgelehnt. Während sich die Fraktionen der SP, GLP und der Grünen für den Vorstoss aussprachen, nahm das bürgerliche Lager grossmehrheitlich eine ablehnende Position ein.

Alkoholkonsum. Die Jungen sind der Werbung stark ausgesetzt! (Po. 21.3817)

Mittels Motion verlangte Ruth Humbel (mitte, AG) im September 2019 die Schaffung gesetzlicher Grundlagen, auf deren Grundlage das Spritzen von Hyaluronsäure und Botox nur noch durch Ärzte und Ärztinnen mit entsprechender Ausbildung und Haftpflichtversicherung erlaubt sein soll. Vermehrt würden solche Injektionen in Kosmetikstudios durch Kosmetiker und Kosmetikerinnen sowie weiteren medizinisch nicht adäquat ausgebildeten Personen vorgenommen. Dabei komme es manchmal zu Komplikationen, mit welchen sich das Gesundheitssystem konfrontiert sehe, was wiederum auch Kosten für die Krankenkasse und somit für die Prämienzahlenden nach sich ziehe. Swissmedic untersage es medizinisch nicht ausgebildeten Personen zwar, Substanzen, die über dreissig Tage im Körper bleiben, zu spritzen, auf dem Schweizer Markt existierten allerdings gar keine Hyaluronsäure-Produkte, die eine Verbleibdauer von weniger als dreissig Tage im menschlichen Körper aufwiesen. Die Injektionen erfolgten demnach vorschriftswidrig. Auch deshalb verlangte die Motionärin die Schaffung klarer Regeln, welche eine ausschliessliche Durchführungserlaubnis für die Ärzteschaft und Massnahmen für Zuwiderhandlungen festhielten.
Der Bundesrat präzisierte in seiner Stellungnahme die bereits bestehende Kompetenz, diese Substanzen zu spritzen. Namentlich seien dies neben der Ärzteschaft auch Kosmetikerinnen und Kosmetiker, falls sie über eine entsprechende Ausbildung verfügten, und die Behandlung unter Kontrolle und Verantwortung eines Arztes oder einer Ärztin geschehe. Die MepV-Revision, welche Ende Mai 2020 in Kraft trete, enthalte diesbezüglich Konkretisierungen. Der Bundesrat erachte den Schutz der Patientenschaft daher als ausreichend, weshalb er die Motion zur Ablehnung empfehle.
Das Geschäft kam in der Herbstsession 2021 in den Nationalrat. Dort erläuterte Ruth Humbel ihr Anliegen und Gesundheitsminister Berset vertrat den bundesrätlichen Standpunkt. Die grosse Kammer nahm die Motion knapp mit 96 zu 92 Stimmen (bei 4 Enthaltungen) an. Die Ja-Stimmen stammten fast ausschliesslich aus den Fraktionen der SP, Mitte und der Grünen, während sich die Fraktionen der GLP, SVP und FDP gegen das Geschäft aussprachen.

Das Spritzen von Hyaluronsäure und Botox gehört in die Hand von Ärztinnen und Ärzten (Mo. 19.4167)

In der Herbstsession 2021 behandelte der Nationalrat eine Motion zur Einführung einer «nurse to patient ratio» zur Verbesserung der Pflegequalität und zur Reduktion der Pflegekosten, die 2019 von der BDP-Fraktion eingereicht worden war. Der Bundesrat beantragte die Ablehnung des Geschäfts, da das Verhältnis von Pflegefachkräften zur Patientenschaft durch die Komplexität der vorliegenden Krankheiten und die Strukturen der Versorgungssysteme bestimmt werde. Allerdings zeigte sich die Landesregierung bereit, im Zusammenhang mit der Beantwortung eines Postulats Marchand-Balet (cvp, VS; Po. 18.3602) die Frage bezüglich eines Personalschlüssels und der damit in Verbindung stehenden Qualität und Patientensicherheit aufzugreifen. Entgegen der bundesrätlichen Empfehlung nahm der Nationalrat die Motion jedoch mit 106 zu 79 Stimmen (bei 1 Enthaltung) an, wobei die Nein-Stimmen mit einer Ausnahme alle aus den Fraktionen der SVP und der FDP.Liberalen stammten.

Einführung einer "nurse to patient ratio" in der Pflege. Eine qualitative und wirtschaftliche Notwendigkeit (Mo. 19.4053)

Im Herbst 2019 reichte die BDP-Fraktion eine Motion ein, mit der sie den Bundesrat beauftragen wollte, die medizinischen Qualitätsindikatoren im ambulanten Pflegebereich auf die gleiche Weise zu überwachen und zu veröffentlichen wie die Indikatoren für den stationären Pflegebereich, wo dies mit den nach Artikel 59a des KVG erhobenen Daten erfolge. Diese beinhalten unter anderem Angaben zur Wirksamkeit, Angemessenheit und Sicherheit von Leistungen. Die Fraktion begründete ihren Vorstoss mit der demographischen Entwicklung, die nicht nur die Gesundheitskosten und die AHV beeinflusse, sondern auch die Pflege und die damit verbundene Patientensicherheit. Die entsprechenden Daten würden durch die Leistungserbringenden bereits erhoben. In seiner Stellungnahme gab der Bundesrat bekannt, dass bei der ambulanten Pflege zwar Handlungsbedarf bestehe, dass die zuständigen Bundesstellen die Angelegenheit jedoch bereits in Angriff genommen hätten. Deshalb spreche sich die Landesregierung gegen den Vorstoss aus. Die Motion kam in der Herbstsession 2021 in den Nationalrat, wo sie mit 187 zu 1 Stimme (bei 1 Enthaltung) angenommen wurde.

Qualitätssicherung in der Pflege. Qualitätsindikatoren auch in der ambulanten Pflege überwachen (Mo. 19.4055)

Ende September 2019 reichte Verena Herzog (svp, TG) eine Motion mit dem Titel «Stärkung der Kinder- und Jugendmedizin. Versorgungsforschung und Massnahmenplanung zur Sicherstellung der Behandlung von Kindern und Jugendlichen» ein. Die Motion enthielt drei Forderungen: Erstens verlangte sie einen periodisch zu erteilenden Forschungsauftrag durch den Bund, der sich auf das Versorgungsangebot in der Kinder- und Jugendmedizin bezieht. Zweitens forderte sie vom BAG das periodische Verfassen eines Berichts, wie sich der Versorgungsstand in der Kinder- und Jugendmedizin entwickelt. Dabei soll die Situation im ambulanten und im stationären Bereich für die einzelnen Kantone einerseits betreffend Grundversorgenden und andererseits betreffend allen weiteren Fachdisziplinen dargelegt werden. Drittens soll der Bund den Kantonen im Bereich seiner Zuständigkeiten beim Ergreifen von Massnahmen, die darauf abzielen, die Unterversorgung mittelfristig zu verringern und langfristig zu beseitigen, unter die Arme greifen. Herzog begründete die Notwendigkeit ihres Geschäfts damit, dass zurzeit eine «akute Unterversorgung» im Bereich der Kindermedizin existiere, die sich in Zukunft verschärfen werde. Mit der geforderten Versorgungsforschung würden Bund und Kantonen die erforderlichen Grundlagen erhalten, um in ihren jeweiligen Zuständigkeitsbereichen adäquate Massnahmen zu beschliessen. Die Motion wurde in der Herbstsession 2021 vom Nationalrat behandelt. Herzog konfrontierte den Bundesrat in ihrem Votum damit, dass, anders als von der Regierung in ihrer Stellungnahme dargestellt, die Anliegen der Motion bislang nicht oder höchstens teilweise erfüllt seien. Gesundheitsminister Berset wiederum hielt daran fest, dass man sich zwar den Herausforderungen in der Kinder- und Jugendmedizin bewusst sei, dass die Ziele des Vorstosses jedoch bereits erreicht worden seien oder in verschiedenen Projekten – beispielsweise im Mandat zum Ärztemonitoring 2021–2025 – umgesetzt würden. Zudem falle die medizinische Versorgung in den Zuständigkeitsbereich der Kantone. Daher empfahl der Bundesrat, die Motion abzulehnen. Trotz dieser Einwände nahm die grosse Kammer den Vorstoss mit 148 zu 26 Stimmen (bei 2 Enthaltungen) an. Die ablehnenden Stimmen stammten grösstenteils von Mitgliedern der FDP.Liberalen-Fraktion.

Stärkung der Kinder- und Jugendmedizin. Versorgungsforschung und Massnahmenplanung zur Sicherstellung der Behandlung von Kindern und Jugendlichen (Mo. 19.4134)

Nachdem das Parlament den indirekten Gegenvorschlag zur Pflegeinitiative in der Frühjahrssession verabschiedet hatte, musste der Ständerat in der Sommersession 2021 noch über die Volksinitiative selbst befinden – der Nationalrat hatte seine ablehnende Empfehlung bereits in der Wintersession 2019 gefällt. Kommissionssprecher Erich Ettlin (mitte, OW) fasste noch einmal die Anliegen des Initiativkomitees zusammen und legte dar, inwiefern diese Forderungen im Gegenvorschlag aufgenommen worden waren. Er sei der Ansicht, dass man dem Initiativkomitee bereits «weit entgegengekommen» sei, weshalb die SGK-SR die Initiative zur Ablehnung empfehle. Marina Carobbio Guscetti (sp, TI) erklärte als Mitglied des Initiativkomitees, dass zwar die beiden Punkte zur Ausbildungsoffensive und zur Vergütung gewisser Pflegeleistungen durch die OKP ohne die Notwendigkeit einer ärztlichen Anordnung in den indirekten Gegenvorschlag integriert worden seien, dass aber mit den verbesserten Arbeitsbedingungen ein zentraler Aspekt der Initiative im Gegenvorschlag fehle. Es sei daher noch offen, ob das Initiativkomitee die Initiative zurückziehen werde. Für Gesundheitsminister Berset stand die Relevanz der Pflegebranche ausser Frage, er gab allerdings unter anderem zu bedenken, dass es nicht ideal sei, Details in die Verfassung zu schreiben, die einen Effekt auf bestimmte Berufsgruppen hätten. Vielmehr seien dazu andere Mittel und Wege nötig. Mit 28 zu 14 Stimmen empfahl das Stöckli die Initiative daraufhin den Stimmbürgerinnen und Stimmbürgern zur Ablehnung. In den beiden Schlussabstimmungen, welche noch in der gleichen Session stattfanden, sprachen sich die grosse Kammer mit 116 zu 74 Stimmen (bei 6 Enthaltungen) und die kleine Kammer mit 30 zu 14 Stimmen für den Bundesbeschluss auf Empfehlung zur Ablehnung aus.

Für eine starke Pflege (Pflegeinitiative). Volksinitiative und indirekter Gegenvorschlag (BRG 18.079 & Pa.Iv. 19.401)
Dossier: Die Pflegeinitiative und ihre Umsetzung

In Erfüllung eines Postulats der SGK-NR zur rechtlichen Gleichstellung der öffentlichen und privaten Spitex publizierte der Bundesrat im Mai 2021 einen Bericht. Während Erstere einen gemeinnützigen Zweck verfolgten, seien Letztere gewinnorientiert, erklärte er darin. Der Bericht befasste sich in der Folge mit potenziellen Ungleichbehandlungen zwischen den beiden Spitextypen bezüglich OKP, Subventionen nach dem AHVG, Mehrwertsteuer und direkten Steuern sowie bezüglich Anstellungsbedingungen und eventuellen Verpflichtungen zu Aus- und Weiterbildung bei den Gesundheitsberufen: Hinsichtlich der Zulassung von Leistungserbringenden und Qualitätsanforderungen im Rahmen der OKP lassen sich die Anforderungen zwischen den beiden Organisationsarten nicht unterscheiden. Keine Ungleichbehandlung liegt auch in den Bereichen Anstellungsbedingungen und mögliche Aus- und Weiterbildungsverpflichtungen vor. Über eine Subventionsberechtigung in puncto Finanzhilfevergabe an Altersorganisationen verfügen hingegen nur gemeinnützige Organisationen. Aufgrund der kantonalen Restfinanzierung existiere im Zusammenhang mit der Finanzierung von Pflegeleistungen bei Krankheit möglicherweise eine Ungleichheit, welche jedoch erkannt wurde und zu deren Lösung Gespräche in Gang gesetzt wurden. Bedingt durch die unterschiedlichen Zwecke zwischen der öffentlichen und der privaten Spitex bestehe zudem eine Ungleichbehandlung bei der Mehrwertsteuer und bei den direkten Steuern, die allerdings beabsichtigt sei.

Im Bericht zu den Motionen und Postulate der gesetzgebenden Räte im Jahre 2021 beantragte die Landesregierung die Abschreibung des Postulats, da sie dieses durch den Bericht als erfüllt betrachtete. Der Nationalrat kam dieser Aufforderung im Sommer 2022 nach.

Rechtliche Gleichstellung der öffentlichen und privaten Spitex (Po. 16.3909)
Dossier: Rechte und Pflichten diverser Spitex-Organisationen

Die Einigungskonferenz zum indirekten Gegenvorschlag zur Pflegeinitiative empfahl dem Parlament mit 23 zu 0 Stimmen (bei 2 Enthaltungen) bei der noch offenen Differenz zur selbständigen Erbringung und Abrechnung von Pflegeleistungen dem vom Ständerat ausgearbeiteten Kompromiss zu folgen. Dies taten die beiden Kammern in der Frühjahrssession 2021 denn auch mit 175 zu 2 Stimmen (bei 2 Enthaltungen) respektive ohne Gegenstimme mit 42 Stimmen (ohne Enthaltungen). In der Schlussabstimmung stimmte die grosse Kammer dem Geschäft mit 194 zu 1 Stimme zu, die kleine Kammer mit 43 zu 0 Stimmen (bei 1 Enthaltung). Der einzige Parlamentarier, der sich gegen den Gegenvorschlag aussprach, war Nationalrat Philippe Nantermod (fdp, VS).

Für eine starke Pflege (Pflegeinitiative). Volksinitiative und indirekter Gegenvorschlag (BRG 18.079 & Pa.Iv. 19.401)
Dossier: Die Pflegeinitiative und ihre Umsetzung

Fünf Tage nach der Nationalratsdebatte war es im März 2021 bereits wieder am Ständerat, die beiden noch offenen Differenzen bezüglich des Gegenvorschlags zur Pflegeinitiative zu debattieren. Erich Ettlin (mitte, OW) verkündete, es hätten im Nachgang der Behandlungen in der Wintersession 2020 vielversprechende Gespräche zwischen Vertreterinnen und Vertretern der beiden Kammern, des Initiativkomitees und der Arbeitgeberorganisationen stattgefunden, mit dem Ziel, eine Kompromisslösung zu finden. Vor dem Hintergrund dieser Gespräche schlug Ettlin im Namen der SGK-SR vor, bezüglich der Differenz zu den Ausbildungsbeiträgen dem Vorschlag des Nationalrates zuzustimmen und somit die Kantone zur Finanzierung entsprechender Beiträge in die Pflicht zu nehmen. Für die zweite Differenz, bei welcher es um die selbständige Erbringung von Pflegeleistungen und um die Abrechnung über die OKP ging, sah die Kommission eine Kompromisslösung vor. Sie hielt zwar daran fest, dass Vereinbarungen zwischen Leistungserbringenden und Versicherungen getroffen werden sollten, um eine Mengenausweitung zu verhindern. Anders als ursprünglich vorgesehen sollten die entsprechenden Verträge allerdings nicht zwischen einzelnen Leistungserbringenden und der OKP abgeschlossen werden, sondern landesweit zwischen ihren Verbänden. Ettlin erachtete die Vorlage in dieser Form als «einen griffigen und auch für die Initiantinnen vorteilhaften Gegenvorschlag». Marina Carobbio Guscetti (sp, TI) sicherte als Mitglied des Initiativkomitees dem vorliegenden Kompromiss ihre Unterstützung zu. Stillschweigend folgte der Ständerat in beiden Punkten seiner Kommission. Da immer noch eine Differenz vorhanden war, gelangte das Geschäft in die Einigungskonferenz.

Für eine starke Pflege (Pflegeinitiative). Volksinitiative und indirekter Gegenvorschlag (BRG 18.079 & Pa.Iv. 19.401)
Dossier: Die Pflegeinitiative und ihre Umsetzung

Im März 2021 nahm sich der Nationalrat einer Motion Carobbio (sp, TI) mit dem Titel «Die Schweiz muss mehr Ärztinnen und Ärzte ausbilden» an. Im Vorfeld der nationalrätlichen Behandlung hatte sich eine Mehrheit der SGK-NR gegen das Geschäft ausgesprochen. Als Sprecher dieser Mehrheit erklärte Lorenz Hess (mitte, BE) im Rat, dass in erster Linie die Kantone für die Weiterbildung und Zulassung der Ärzteschaft verantwortlich seien. Eine 2020 verabschiedete Änderung des KVG zur Zulassung von Leistungserbringenden ermögliche es den Kantonen zudem, die Verteilung der Ärztinnen und Ärzte und ihre Fachrichtungen mittels Festlegung von Höchstzahlen auf die verschiedenen Regionen zu verteilen. Bevor weitere Massnahmen ergriffen würden, sollte abgewartet werden, wie sich diese Gesetzesänderung auswirke. Zudem sei der Bund im Rahmen des Sonderprogramms zur Erhöhung der Anzahl Humanmedizinabschlüsse, auf welches in der BFI-Botschaft 2017-2020 eingegangen werde, bereits aktiv geworden. Auch hier gelte es, die Resultate abzuwarten.
Eine Minderheit um Yvonne Feri (sp, AG) befürwortete den Vorstoss hingegen. Sie hob den personellen Notstand im Gesundheitswesen und die Abhängigkeit vom Ausland hervor. Weiter unterstrich sie die Notwendigkeit, die Zulassungsbedingungen zum Medizinstudium zu überprüfen. Es bedürfe einer Erhöhung der Anzahl Medizinstudierender, der Stärkung der Ausbildung zum Facharzt oder Fachärztin und der Förderung der Weiterbildungsmöglichkeiten. Bundesrat Guy Parmelin anerkannte zwar die Wichtigkeit von gut ausgebildeten Gesundheitsfachkräften in der Schweiz. Nichtsdestotrotz war er der Ansicht, dass der Bund mit der von Hess angesprochenen BFI-Botschaft bereits die notwendigen Massnahmen getroffen habe, um die Zahl der Medizinstudierenden zu steigern. Ebenfalls erachtete er den Numerus Clausus als geeignetes Zulassungsverfahren zum Studium. Was die Qualität der postgradualen und kontinuierlichen Ausbildungen anbelange, werde deren Qualität durch vom Bund festgelegte Rahmenbedingungen bestimmt. Die konkrete Ausgestaltung liege allerdings bei den entsprechenden Organisationen und Institutionen. Vor diesem Hintergrund sehe der Bundesrat keinen Handlungsbedarf. Der Nationalrat lehnte die Motion knapp mit 98 zu 92 Stimmen ab. Die geschlossen stimmenden Fraktionen der SP, GLP und der Grünen unterlagen damit den Stimmen aus den restlichen Fraktionen.

Die Schweiz muss mehr Ärztinnen und Ärzte ausbilden

Der Nationalrat folgte in der Frühjahrssession 2021 der Mehrheit seiner vorberatenden SGK-NR, die – wie bereits zuvor der Ständerat und die SGK-SR – nicht bereit war, vom eigenen Standpunkt bezüglich der beiden verbleibenden Differenzen zum indirekten Gegenvorschlag der Pflegeinitiative abzurücken. Sinnbildlich dafür stand Manuela Weichelt-Picards (al, ZG) Aussage, wonach «[i]m Yoga [...] gerne gesagt [wird], dass man ein Mantra mindestens 108-mal wiederholen soll. Zum Glück haben wir das Parlamentsgesetz, das uns ein 108-maliges Pingpong nicht erlaubt».
Die erste noch bestehende Differenz hatte die Ausbildungsbeiträge durch die Kanton zum Inhalt. Verena Herzog (svp, TG) appellierte für eine zum Grossenteil aus SVP-Mitgliedern bestehende Minderheit, die Lebensunterhaltsbeiträge an angehende Pflegefachpersonen für die Kantone nicht verpflichtend, sondern – wie vom Ständerat vorgesehen – freiwillig zu gestalten. Dadurch würde der jeweiligen Situation der Kantone Rechnung getragen. Denn diese wären am besten dazu in der Lage, den eigenen Handlungsbedarf einzuschätzen. Barbara Gysi (sp, SG) hielt dem allerdings entgegen, dass ein drastischer Mangel an Pflegefachpersonen bestehe und viele interessierte Personen gerade durch diese Freiwilligkeit und den tiefen Ausbildungslohn von einer entsprechenden Ausbildung abgebracht würden. Es sei daher wichtig, an der Beitragspflicht festzuhalten. Mit 115 zu 72 Stimmen (bei 8 Enthaltungen) stimmte die grosse Kammer für den Antrag der Kommissionsmehrheit, die ebendiese Pflicht vorsah.
Der zweite Punkt, in dem die Volksvertreterinnen und -vertreter mit den Standesvertreterinnen und -vertrern uneinig waren, betraf die selbständige Abrechnung durch Pflegefachpersonen, Spitex-Organisationen und Pflegeheime mit der OKP. Anders als das Stöckli wollte der Nationalrat mit 109 zu 84 Stimmen (bei 1 Enthaltung) von einer im Vorfeld getroffene Vereinbarung mit den Versicherern bezüglich der entsprechenden Leistungen absehen. Die gleiche Kommissionsminderheit wie bei der ersten Differenz argumentierte vergeblich mit Mengenausweitungen, die ohne entsprechende Vereinbarung aufträten – ein Einwand, den Kommissionssprecherin Ruth Humbel (mitte, AG) nicht gelten liess, da mit der direkten Abrechnung auch eine Reduktion der Arztbesuche einhergehe und somit Arztkosten verringert werden könnten.

Für eine starke Pflege (Pflegeinitiative). Volksinitiative und indirekter Gegenvorschlag (BRG 18.079 & Pa.Iv. 19.401)
Dossier: Die Pflegeinitiative und ihre Umsetzung