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Aufgrund der hohen Anzahl von Verkehrsunfällen unter Alkoholeinfluss reichte Ständerätin Weber (ldu, ZH) eine Motion ein, mit welcher der Bundesrat beauftragt werden soll, die Blutalkoholgrenze für die Beurteilung des Fahrens in angetrunkenem Zustand von 0.8 auf 0.5 Promille zu senken.

Vorstösse gegen Fahren in angetrunkenem Zustand (Mo. 91.3289; Mo. 91.3325; Mo. 92.3102; Mo. 92.3399)

Politisch Verantwortliche der vom Drogenelend besonders betroffenen Städte sowie Drogenfachleute reagierten mit Unverständnis und Enttäuschung auf die in der Fragestunde der Wintersession 1991 erfolgte Ankündigung Cottis, bei den geplanten Versuchen Heroin nicht zulassen zu wollen. Als Alternative nannte der Vorsteher des EDI Morphin, welches als anerkanntes Medikament problemlos und in guter Qualität erhältlich sei. Er begründete seinen Entscheid mit den Bedenken, durch eine ärztlich verordnete Heroinabgabe könnte das BetmG ausgehöhlt werden. Seine Kritiker hielten ihm entgegen, die Versuche seien ja gerade geplant worden, um Erfahrungen im Hinblick auf eine Änderung der Betäubungsmittelgesetzgebung zu sammeln; Heroin von diesem Versuch auszuschliessen, bedeute, dass wirkliche Erkenntnisse nun gar nicht mehr möglich seien. Sie wiesen auch darauf hin, dass die Kantone für Versuche mit Morphin nicht der Zustimmung des Bundes bedurft hätten; da Morphin im Rahmen der kantonalen Gesundheitsgesetze mit Einwilligung der Kantonsärzte verschrieben werden kann, sei dies ein Schritt in die falsche Richtung, nämlich hin zu einem noch grösseren Föderalismus, wodurch die gravierenden regionalen Unterschiede noch verschärft würden.

Massnahmenpaket zur Drogenpolitik: Ärztlich kontrollierter Zugang zu Heroin (1991–1997)
Dossier: Bundesbeschluss über die ärztliche Verschreibung von Heroin

Die Jugendlichen in der Schweiz sind laut einer repräsentativen Umfrage zurückhaltender geworden beim Konsum legaler und illegaler Drogen. Der Anteil der Minderjährigen mit Rauschgifterfahrung hat seit 1986 nicht zugenommen; der Prozentsatz der jungen Zigarettenraucher und Alkoholkonsumenten ist sogar rückläufig.

Statistik zum Konsum legaler und illegaler Drogen von Jugendlichen (1991)

Bund, Kantone und private Organisationen schlossen sich zu einer Pressekampagne zusammen, mit welcher Jugendliche über die Gefahren von Alkohol und Nikotin aufgeklärt werden sollten. Als erste Aktion wurde landesweit ein Jugendmagazin verteilt, welches zur Lektüre und Diskussion über Tabak und Alkohol anregen und den gesunden Lebensstil des Nicht-Rauchens propagieren will.

Pressekampagne über die Gefahren von Alkohol und Nikotin (1991)
Dossier: «Zwillingsinitiativen», indirekter Gegenvorschlag und andere Präventionsmassnahmen zwischen 1990 und 2000

In der Vernehmlassung stiessen die bundesrätlichen Vorschläge auf viel Kritik. Die bürgerlichen Parteien, die Arbeitgeberorganisationen, der Gewerbeverband, die betroffene Tabak- und Alkoholindustrie, die von der Werbung profitierenden Medien, Agenturen und Kinos, aber auch Sportverbände und kulturelle Organisationen, welche weitgehend vom Sponsoring leben, lehnten die bundesrätlichen Vorschläge zum Teil ganz vehement ab. Unterstützung fand der Bundesrat hingegen bei der SP, den Grünen, den Gewerkschaften sowie den Organisationen für Gesundheit und Konsumentenschutz. Dem Initiativkomitee ging der Gegenvorschlag hingegen zu wenig weit, weshalb es beschloss, sein Begehren nicht zurückzuziehen.

Zwillingsinitiativen für ein Tabak- und Alkoholwerbeverbot und indirekter Gegenvorschlag (BRG 92.031)
Dossier: «Zwillingsinitiativen», indirekter Gegenvorschlag und andere Präventionsmassnahmen zwischen 1990 und 2000

Eine von 70 Abgeordneten aus allen Parteien mitunterzeichnete Motion Neukomm (sp, BE) verlangte von der Regierung, unabhängig von den anstehenden Teilrevisionen unverzüglich eine Totalrevision des BetmG einzuleiten und dem Parlament baldmöglichst den Entwurf zu einem Gesetz zu unterbreiten, das schwergewichtig eine gesamtschweizerische einheitliche Suchtprävention anstrebt und den Süchtigen vermehrt als Kranken und nicht primär als Kriminellen behandelt. Da Bundespräsident Cotti unter Hinweis auf das Massnahmenpaket glaubhaft machen konnte, dass die Politik des Bundes bereits in diese Richtung gehe – wobei er noch einmal betonte, dass sich nach Ansicht der Regierung im jetzigen Zeitpunkt eine Gesamtrevision des BetmG nicht aufdränge –, wurde die Motion diskussionslos nur in der Postulatsform überwiesen.

Forderung nach einer Totalrevision des BetMG (Mo. 91.3030)

Auch das Parlament vermochte hier keine anderen Zeichen zu setzen. Im Juni 1989 hatte der Berner LdU-Nationalrat Günter bereits einmal eine Motion für eine ärztlich kontrollierte Abgabe von Heroin eingereicht, die in der Herbstsession desselben Jahres im Rat bekämpft und nun, da seit zwei Jahren hängig, abgeschrieben wurde. Günter reichte daraufhin seine Motion im gleichen Wortlaut noch einmal ein. Aber nicht nur die Form, auch das Schicksal der beiden Vorstösse war identisch: Obgleich sich der Bundesrat erneut einer Entgegennahme in Form eines Postulates nicht widersetzte, musste die Diskussion wegen Opposition der Nationalräte Steffen (sd, ZH) und Scherrer (ap, BE) ausgesetzt werden. Die Motion wurde nach dem Ausscheiden Günters aus dem Rat abgeschrieben.

Ärztlich kontrollierte Heroinabgabe (Mo. 91.3192)
Dossier: Bundesbeschluss über die ärztliche Verschreibung von Heroin

Der Bundesrat will den «Zwillingsinitativen» zur Verminderung der Alkohol- und Tabakprobleme mit einem indirekten Gegenvorschlag auf Gesetzesebene entgegentreten und gab seinen Entwurf für eine Verschärfung der Werbeeinschränkungen für Tabakwaren und alkoholische Getränke im künftigen Lebensmittelgesetz und im Alkoholgesetz in die Vernehmlassung. Wegen der erwiesenermassen gesundheitsschädlichen Wirkung von Raucherwaren schlug er ein totales Werbeverbot für dieses Produkt in den inländischen Printmedien, auf Plakatwänden und in den Kinos vor. Aus Gründen der Machbarkeit – und weil ohnehin schon viele EG-Staaten ein generelles Verbot der Tabakwerbung kennen oder vorbereiten – verzichtete er auf eine Ausdehnung des Geltungsbereichs auf ausländische Medien. Die sachbezogene Information über Raucherwaren und alkoholische Getränke in den Verkaufsstellen soll weiterhin erlaubt sein. Da Alkohol nur im Abusus gesundheitsschädigend ist, kann nach Auffassung des Bundesrates die rein beschreibende Alkoholwerbung in den Printmedien beibehalten werden, nicht aber die allein zum Konsum animierende Reklame in den Kinos oder auf Plakaten.

Zwillingsinitiativen für ein Tabak- und Alkoholwerbeverbot und indirekter Gegenvorschlag (BRG 92.031)
Dossier: «Zwillingsinitiativen», indirekter Gegenvorschlag und andere Präventionsmassnahmen zwischen 1990 und 2000

Zum Massnahmenpaket des Bundesrates gehörte auch die Ankündigung, die Ratifikation von drei internationalen Betäubungsmittelabkommen vorantreiben zu wollen. Es handelt sich dabei um das Psychotropenabkommen von 1971, das speziell synthetische Drogen wie Halluzinogene und Tranquillizer umfasst; dann um das Zusatzprotokoll von 1972 zum sogenannten Einheitsübereinkommen von 1961, dem ersten UNO-Betäubungsmittelabkommen; und schliesslich um die Wiener Konvention von 1988 gegen den illegalen Handel mit Betäubungsmitteln und psychotropen Stoffen. Ende Jahr wurde bekannt, die bereits ausgearbeitete Ratifizierungsvorlage müsse wegen starkem Widerstand in der Bundesverwaltung noch einmal in eine interne Vernehmlassung gehen, die Verabschiedung der Botschaft werde sich deshalb um mindestens ein halbes Jahr verzögern. Auf Opposition stiess vor allem die Absicht Cottis, die Wiener Konvention von 1988, die ganz auf der Linie der repressiven amerikanischen Politik des «Drogenkriegs» liegt, vorbehaltlos unterzeichnen zu wollen. Damit würde jede weitere Diskussion über eine Liberalisierung in der schweizerischen Drogenpolitik verhindert.

Ratifikation von internationalen Betäubungsmittelabkommen (BRG 94.059)
Dossier: Revision Betäubungsmittelgesetz (BetmG) 2001-2004

Der einzig neue Ansatzpunkt schien die Bereitschaft des Bundesrates zu sein, die Auswirkungen einer diversifizierten Drogenabgabe an Abhängige zu prüfen. Allgemein wurde dies als Zustimmung des Bundes zu den vor allem in den Städten Basel, Bern und Zürich seit längerem geforderten gezielten Versuchen mit der medizinisch kontrollierten Abgabe von Heroin verstanden, welche ein Gutachten des EJPD vom Vorjahr als rechtlich nicht ganz unbedenklich, aber doch zulässig eingestuft hatte. Im Kanton Bern und in der Stadt Zürich gaben die Legislativen bereits grünes Licht für derartige Versuche.

Massnahmenpaket zur Drogenpolitik: Ärztlich kontrollierter Zugang zu Heroin (1991–1997)
Dossier: Bundesbeschluss über die ärztliche Verschreibung von Heroin

Der Nationalrat überwies ein Postulat Zwygart (evp, BE) mit dem Ziel eines vermehrten Schutzes der Jugend vor Tabakmissbrauch. Der Postulant regte insbesondere ein Verbot des Verkaufs von Tabakwaren und der Verteilung von Gratismustern an Jugendliche sowie Massnahmen gegen die unkontrollierte Abgabe von Tabakwaren an Automaten an.

Postulat zum Schutz der Jugend vor Tabakmissbrauch (Po. 90.960)
Dossier: «Zwillingsinitiativen», indirekter Gegenvorschlag und andere Präventionsmassnahmen zwischen 1990 und 2000

Auch der Bundesrat ist allerdings der Ansicht, dass Drogensüchtige in erster Linie als Kranke und nicht als Kriminelle zu gelten haben. Eine Arbeitsgruppe sollte deshalb prüfen, ob bei Erstvergehen nicht Therapie vor Strafe gesetzt werden könnte, was faktisch eine partielle Entkriminalisierung des Konsums bedeuten würde. Auch das Parlament scheint eine mildere Bestrafung der Drogenkonsumenten anzustreben. Beide Kammern stimmten einer Änderung des Strafgesetzbuches zu, wonach bei behandlungswilligen Drogenabhängigen inskünftig eine bereits ausgesprochene Strafe zugunsten der Behandlung aufgehoben werden kann. Gleichzeitig wurde das Militärstrafgesetz in dem Sinn revidiert, dass der Konsum geringer Drogenmengen im Militärdienst nur noch disziplinarisch bestraft und nicht mehr zivilrechtlich geahndet wird.

Mildere Bestrafung der Drogenkonsumenten (1991)

Das Massnahmenpaket des Bundesrates vermochte weder die Verfechter einer harten noch die Vertreter einer liberalen Drogenpolitik zu überzeugen. Hauptpunkt der Kritik war, dass sich der Bundesrat nicht imstande gezeigt habe, eine klare Linie einzunehmen. Einerseits, so wurde bedauert, erteile die Regierung mit ihrer Weigerung, das BetmG im Sinn einer Entkriminalisierung zu revidieren, all jenen eine Absage, die neue Wege bei der Bewältigung des Drogenelends suchten; andererseits sei er aber offenbar auch nicht gewillt, das bestehende Gesetz voll anzuwenden und entziehe so jenen Behörden den Boden unter den Füssen, welche sich von der harten Repression eine Lösung des Drogenproblems erhofften; anstatt zur längst notwendigen Klärung trage der Bundesrat so zur Verfestigung der Orientierungslosigkeit bei und zementiere eine Drogenpolitik des ständigen Zögerns, deren vorprogrammiertes Scheitern eigentlich allen klar sein müsste.

Massnahmenpaket zur Drogenpolitik: Ärztlich kontrollierter Zugang zu Heroin (1991–1997)
Dossier: Bundesbeschluss über die ärztliche Verschreibung von Heroin

Im Februar 1991 verabschiedete der Bundesrat das längst erwartete Massnahmenpaket zur Drogenpolitik, mit dem er ein deutlich stärkeres Engagement des Bundes zur Verminderung der Drogenprobleme in der Schweiz signalisieren wollte. Dabei hielt sich die Landesregierung aber weiterhin an die Aufgabenteilung zwischen Bund und Kantonen gemäss geltendem Betäubungsmittelgesetz (BetmG), wonach die Kantone für Aufklärung, Beratung und Betreuung zuständig sind und dem Bund nur Unterstützungs- und Koordinationsaufgaben zukommen. Um diese Funktionen inskünftig besser wahrnehmen zu können, erhöhte der Bundesrat die finanziellen Mittel in diesem Bereich von CHF 200'000 auf CHF 8.5 Mio. für 1992 und CHF 8.7 Mio. für 1993; der für Drogenfragen zuständige Personaletat des BAG wurde von 1.6 auf 10 Stellen angehoben. Mit seinem Massnahmenpaket setzte sich der Bundesrat zum Ziel, bis 1993 eine Stabilisierung der Anzahl Drogenabhängiger und bis 1996 eine Reduktion um 20 Prozent zu erreichen.

Prävention, Ausbildung, Therapie und Forschung bilden die Hauptpunkte der bundesrätlichen Strategie. So beschloss die Landesregierung, ab Herbst eine gesamtschweizerische Medienkampagne durchzuführen, um einerseits das allgemeine Verständnis für die Ursachen und Probleme der Drogensucht, für die Prävention, die Therapie und die Betreuung zu fördern, andererseits zielgruppenspezifisch die potentiell Gefährdeten, insbesondere die Jugendlichen direkt anzusprechen. Als zweiter Schwerpunkt will der Bundesrat Ausbildungsprogramme der Kantone für Fachpersonal im präventiven Bereich oder zur Betreuung und Behandlung von Drogenabhängigen unterstützen. Bei den Forschungsaktivitäten wurde das Hauptgewicht auf Begleitforschung gelegt. So soll zum Beispiel abgeklärt werden, ob Präventionsmassnahmen die in sie gesteckten Erwartungen erfüllen. Auch wurde vorgesehen, die medizinisch verordnete Abgabe von Betäubungsmitteln an Abhängige sowie die sogenannten Fixerräume im Rahmen von wissenschaftlich abgestützten Pilotprojekten auf ihre Zweckmässigkeit hin zu untersuchen.

Entgegen den Empfehlungen, welche die Subkommission «Drogenfragen» der Eidgenössischen Betäubungsmittelkommission 1989 abgegeben hatte, und denen sich in der Folge 15 Kantone, vier Parteien (FDP, GPS, LdU, SPS) sowie die Landeskirchen anschlossen, konnte sich der Bundesrat zu keiner Entkriminalisierung des Drogenkonsums durchringen. Bundespräsident Cotti betonte, es sei nicht primär die von der Romandie und dem Tessin verfochtene harte Haltung, die den Bundesrat zu einem Verzicht auf eine Revision des BetmG bewogen habe, sondern der Umstand, dass auch die Nachbarländer ausnahmslos den Konsum und Kleinhandel bestraften und die Empfehlungen der internationalen Organisationen in die gleiche Richtung zielten.

Massnahmenpaket zur Drogenpolitik: Ärztlich kontrollierter Zugang zu Heroin (1991–1997)
Dossier: Bundesbeschluss über die ärztliche Verschreibung von Heroin

In Zürich konnten sich 1990 erstmals die Stimmbürger in einer Abstimmung zur Drogenpolitik äussern. Das Resultat zeigte deutlich die zwiespältigen Gefühle der Bevölkerung gegenüber dem Drogenelend. Nur eine Minderheit von rund 37 Prozent sprach sich für die Schaffung von drei Fixerräumen aus, aber 54.4 Prozent der Stimmenden befürworteten ein umfangreiches Paket sozialer Hilfsmassnahmen. Die unterschiedlichen Ergebnisse mehrerer Umfragen zeigten, dass es sehr schwierig ist, allgemeingültige Aussagen über die Haltung der Bevölkerung zu einer eventuellen Entkriminalisierung des Drogenkonsums zu machen.

Abstimmung in Zürich zur Drogenpolitik (1990)

Klar zum Ausdruck kam, dass die Parlamentarier ein stärkeres Engagement des Bundes bei der Prävention wünschen. So wurde eine zu Beginn des Jahres von Nationalrat Rychen (svp, BE) und 106 Mitunterzeichnern eingereichte Motion (Mo. 90.313) mit dem Auftrag, eine breitangelegte nationale Kampagne gegen den Drogenmissbrauch nach dem Vorbild der AIDS-Kampagne einzuleiten, rasch und diskussionslos von beiden Räten überwiesen.

Bereits im Herbst stellte das BAG seine diesbezüglichen Vorstellungen vor. Danach soll der Bund nach der Weiterbildungsoffensive nun eine «Drogenoffensive» starten, ein auf CHF 45 Mio. veranschlagtes Fünfjahresprogramm im Bereich der Primärprävention. Gleichzeitig regte das Amt an, eine Dokumentations- und Informationsstelle einzurichten, wie dies im BetmG auch vorgesehen ist, und ein Nationales Forschungsprogramm (NFP) über Drogenfragen auszuschreiben.

Nationale Kampagne gegen den Drogenmissbrauch (Mo. 90.313)

In diesem Klima der allgemeinen Verunsicherung wäre ein klärendes Wort des Bundesrates besonders nötig gewesen. Doch darauf wartete man bis Ende 1990 vergeblich, obgleich die Landesregierung bereits im Mai anlässlich einer Klausurtagung von der Auswertung der Vernehmlassung zum Drogenbericht Kenntnis nahm und Bundesrat Cotti verschiedentlich eine baldige Stellungnahme versprach. Als Hauptgrund für diese Verzögerung wurde der Umstand angesehen, dass die Vernehmlassung zwar eine deutliche Mehrheit für die Entkriminalisierung des Drogenkonsums ergeben hatte – 15 Kantone und fünf Parteien (FDP, GB, GP, LdU und SP) waren dafür –, dass sich aber die welschen Kantone und der Tessin vehement dagegen aussprachen und sich zwei der vier Bundesratsparteien (CVP und SVP) ebenfalls deutlich reserviert zeigten.

Massnahmenpaket zur Drogenpolitik: Ärztlich kontrollierter Zugang zu Heroin (1991–1997)
Dossier: Bundesbeschluss über die ärztliche Verschreibung von Heroin

Wie auch immer Drogenpolitik in der Schweiz gehandhabt wird, so gerät sie ins Kreuzfeuer divergierender Standpunkte. Für die einen, in erster Linie die Vertreter der Autopartei und einen Teil der SVP, ist sie zu verständnisvoll und permissiv. Für die anderen, Sozialarbeiter und Politiker aus dem links-grünen Spektrum, ist sie zu stur und unmenschlich. Besonders deutlich wurde dies in den zum Teil sehr emotional geführten Diskussionen um die Fixerräume in den grossen Städten der deutschen Schweiz. Aber auch der Graben zwischen der Deutschschweiz und der Romandie vertiefte sich weiter, da sich die welschen Kantonen nach wie vor strikte weigerten, ihren Drogensüchtigen eine nicht repressive Infrastruktur anzubieten, wodurch diese in die Städte mit offener Szene – vorab Zürich und Bern – auswichen und so dort die Probleme noch verschärften.

Drogenpolitik im Kreuzfeuer (1990)

Immer häufiger ertönt auch der Ruf nach ärztlich kontrolliertem Zugang zu Heroin. Sowohl die Basler Regierung als auch die neue Zürcher Stadtexekutive befürworteten die versuchsweise Abgabe, um damit die Verelendung der Konsumenten und die Beschaffungskriminalität einzudämmen. Zur Abklärung des Spielraums, den das geltende BetmG hier bietet, gab das BAG beim EJPD ein Gutachten in Auftrag. Dieses kam zum Schluss, eine Heroinabgabe in grösserem Rahmen wäre nicht zulässig, doch könnte sie in einem limitierten Versuch toleriert werden.

Ärztlich kontrollierter Zugang zu Heroin (1990–1997)
Dossier: Bundesbeschluss über die ärztliche Verschreibung von Heroin

Die Grundlage für den bundesrätlichen Gegenvorschlag wird das von der kleinen Kammer als Erstrat verabschiedete revidierte Lebensmittelgesetz bieten, welches dem Bundesrat die Möglichkeit gibt, Tabak- und Alkoholwerbung insbesondere zum Schutz der Jugendlichen einzuschränken. Die vom Bundesrat vorgeschlagene unverbindliche Kann-Formulierung war dabei allerdings recht umstritten.

Zwillingsinitiativen für ein Tabak- und Alkoholwerbeverbot und indirekter Gegenvorschlag (BRG 92.031)
Dossier: «Zwillingsinitiativen», indirekter Gegenvorschlag und andere Präventionsmassnahmen zwischen 1990 und 2000

Auch das Parlament konnte sich in dieser Frage zu keiner eindeutigen Stellungnahme durchringen. Die parlamentarische Initiative Rechsteiner (sp, SG; Pa.Iv. 87.232), welche die Straffreiheit des Drogenkonsums verlangte, hatte im Nationalrat zwar keine Chance, doch verabschiedete der Rat im Anschluss an dieses Geschäft eine Kommissionsmotion, mit welcher der Bundesrat beauftragt wurde, raschmöglichst eine Revision des Betäubungsmittelgesetzes (BetmG) vorzubereiten, ohne dass dabei aber die Stossrichtung präzisiert wurde. Bereits zuvor hatte die grosse Kammer ein Postulat Fierz (gp, BE; Po. 89.693) überwiesen, welches den Bundesrat auffordert, die Folgekosten des Drogenverbots beziffern zu lassen. Auf einer Informationstagung in Rüschlikon wurde dargelegt, dass die Entkriminalisierung des Drogenkonsums auch ökonomisch sinnvoll wäre, da die Repression und die mit dem illegalen Konsum verbundenen Folgekosten die Schweiz rund CHF 500 Mio. jährlich kosten. Der Ständerat seinerseits überwies klar eine Motion Bühler (fdp, LU; Mo. 90.411), welche ebenfalls auf eine Revision des BetmG drängt. In beiden Fällen hatte der Bundesrat Umwandlung in ein Postulat beantragt.

Vorstösse zur Revision des Betäubungsmittelgesetzes (1990)

Mit einer breit angelegten Kampagne wollen das BAG und die Verbindung der Schweizer Arzte (FMH) möglichst vielen Rauchern und Raucherinnen in der Schweiz den Ausstieg aus ihrer Sucht erleichtern. National- und Ständerat nahmen Kenntnis von der Petition des Raucher-Clubs, welche sich gegen derartige Präventionskampagnen wandte, gaben ihr aber diskussionslos keine Folge. Einen kleinen Erfolg konnten die Raucher insofern verbuchen, als das Bundesgericht in einer Versicherungsstreitfrage entschied, Nikotin sei keine Droge im Rechtssinn, könne also nicht zu einer Einschränkung des Versicherungsschutzes gemäss Art. 33 des Bundesgesetzes über den Versicherungsvertrag (VVG) führen.

Bundesgerichtsurteil zu Nikotin (1990)

Unter anderem aus Gründen der Europaverträglichkeit im Fernsehbereich wird der Bundesrat Volk und Ständen die Ablehnung der 1989 eingereichten Zwillings-Initiativen empfehlen, die ein striktes Werbeverbot für alkoholische Getränke und Tabakwaren verlangen. Da er aber die Suchtprävention sehr ernst nehme, teilte Bundesrat Cotti der Presse mit, werde er auf Gesetzesebene einen indirekten Gegenvorschlag ausarbeiten lassen. Ein totales Verbot komme dabei aber nicht in Frage. Aufgrund dieser Vorgaben war das Initiativkomitee nicht bereit, seine Begehren zurückzuziehen.

Zwillingsinitiativen für ein Tabak- und Alkoholwerbeverbot und indirekter Gegenvorschlag (BRG 92.031)
Dossier: «Zwillingsinitiativen», indirekter Gegenvorschlag und andere Präventionsmassnahmen zwischen 1990 und 2000

Die SP stimmte der Entkriminalisierung des Drogenkonsums zu und wünschte mehr Uberlebenshilfe für die Süchtigen, was auch die therapeutische Abgabe von Heroin miteinschliessen sollte. Sie erinnerte daran, dass im Nationalrat nach wie vor eine parlamentarische Initiative ihres Abgeordneten Rechsteiner (sp, SG; Pa.Iv. 87.232) hängig ist, welche sich für die Straffreiheit des Drogenkonsums, für eine Teilentkriminalisierung des Handels mit Cannabisprodukten sowie für eine Herabsetzung des Strafmasses einsetzt. Der Landesring sprach sich ebenfalls für eine Straffreiheit des Drogenkonsums aus und wiederholte seine bereits im Zusammenhang mit der Bekämpfung von AIDS gestellte Forderung nach ärztlich kontrollierter Abgabe von Heroin. In diesem Sinn hatte der Berner Nationalrat P. Günter (ldu, BE; Mo. 89.512) im Juni eine Motion im Parlament eingereicht. Die Grüne Partei verlangte ebenfalls die Entkriminalisierung des Konsums und einen kontrollierten, regelmässigen und legalen Zugang zu den Suchtmitteln.

Auffassungen der Parteien zum Umgang mit Drogensüchtigen (1989)
Dossier: Bundesbeschluss über die ärztliche Verschreibung von Heroin

In der anschliessenden Vernehmlassung in den Kantonen zeigte sich, dass der traditionelle «Röstigraben» nun auch von einen «Haschischgraben» überlagert wird. Während sich die deutschsprachigen Kantone – zum Teil zwar mit gewissen Vorbehalten in bezug auf die Straffreiheit beim Konsum von «harten» Drogen, vereinzelt aber auch mit weitergehenden Empfehlungen, z.B. der Abgabe von Heroin an Süchtige – für die im Drogenbericht enthaltenen Vorschläge aussprachen, lehnten die welschen Kantone und der Tessin jegliche Straffreiheit kategorisch ab. Interessant war dabei die Haltung der Zürcher Kantonsregierung, die sich für eine Liberalisierung bei den «weichen» Drogen aussprach, den Handel und Konsum von «harten» Drogen aber weiterhin unter Strafe stellen möchte und die Abgabe von Heroin an Süchtige ablehnte. Sie stellte sich damit in einen gewissen Widerspruch zum Zürcher Kantonsrat, der im September die Regierung aufgefordert hatte, eine Standesinitiative einzureichen, welche eine Liberalisierung des Betäubungsmittelgesetzes in dem Sinne verlangen sollte, dass der Handel und Konsum von Drogen geringer Gefährlichkeit und der Konsum sowie die Beschaffung der übrigen Drogen zum Eigengebrauch straffrei werden sollten.

Massnahmenpaket zur Drogenpolitik: Ärztlich kontrollierter Zugang zu Heroin (1991–1997)
Dossier: Bundesbeschluss über die ärztliche Verschreibung von Heroin