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Ende November 2018 unterbreitete der Bundesrat dem Parlament seinen Entwurf zur Änderung des HMG. Hintergrund der geplanten Gesetzesänderung waren zwei Verordnungen der EU, mit welchen die Union auf die Verbesserung der Qualität und Sicherheit der Medizinprodukte, die Harmonisierung des Vollzugs innerhalb der EU und die Stärkung der Patientensicherheit abzielte. Damit reagierte die EU auf «verschiedene Zwischenfälle[…] mit mangelhaften Medizinprodukten». Die Schweiz, welche eine zur EU gleichwertige Regulierung für Medizinprodukte aufweist und mit ihr ein Abkommen über die gegenseitige Anerkennung von Konformitätsbewertungen besitzt, solle zum Erhalt der Äquivalenz der Regelungen nachziehen und die Sicherheit und Qualität ebendieser Produkte ebenfalls erhöhen, erläuterte die Regierung. Die geplanten Anpassungen sollten im Rahmen des Masterplans «Massnahmen des Bundes zur Stärkung der biomedizinischen Forschung und Technologie» vorgenommen werden, wobei neben dem HMG auch das HFG von den Anpassungen betroffen war. Da die neuen Regulierungen mit höheren Anforderungen an Swissmedic, welche für die Marktüberwachung zuständig ist, verbunden war, sah der Bundesrat auch einen jährlichen Finanzierungsbeitrag von CHF Mio. 11.5 an Swissmedic vor.

Heilmittelgesetz. Neue Medizinprodukte-Regulierung (BRG 18.081)

Nachdem der Ständerat während der Herbstsession 2017 die Motion zum vereinfachten Parallelimport von Arzneimitteln der Abgabekategorie E sowie Lebensmitteln und Gebrauchsgegenständen angenommen hatte, prüfte die SGK-NR im Frühjahr 2018 das Anliegen. Sie kam zum Schluss, dass eine Inkohärenz zwischen dem Motionstitel und dem Auftragstext an den Bundesrat vorliege. Es würden die Regulierungen des Heilmittelrechts mit denjenigen des Lebensmittelrechts durcheinandergebracht, was zu Unsicherheiten führe. Daher legte die SGK-NR noch einmal die Kriterien dar, die zur Produkteinstufung von Lebensmitteln respektive Arzneimitteln angewandt würden: Für Lebensmittel existiere eine abschliessende Liste mit zulässigen gesundheitsbezogenen Angaben (Health Claims), welche «im Anhang 4 der Verordnung des EDI betreffend die Information über Lebensmittel (LIV) aufgeführt» seien und grösstenteils denjenigen der EU entsprächen. Nicht aufgeführte Health Claims erforderten eine vom verantwortlichen Bundesamt erteilte Bewilligung. Ein Produkt werde hingegen als Arzneimittel bezeichnet, falls es mit einer Heilsanpreisung – unter anderem zur Verhütung, Behandlung oder Heilung von Krankheiten – betitelt werde. Medikamente der Abgabekategorie E würden ein geringes Risikopotential aufweisen und seien ohne Verschreibungspflicht und Fachberatung erhältlich. Dank dem revidierten Heilmittelgesetz könnten sie zudem auch in der Schweiz verkauft werden, wenn eine einfache Meldung an Swissmedic gemacht worden sei. Einstimmig empfahl die Kommission die Vorlage zur Ablehnung. Es wurden dabei zweierlei Stimmen laut. Zum einen wurde darauf hingewiesen, dass mittels der laufenden Revision der Ausführungsverordnungen zum revidierten Heilmittelgesetz auf die Anliegen der WAK-SR eingegangen werden könne. Zum anderen unterstrichen gewisse Kommissionsmitglieder den erforderlichen Handlungsbedarf zwar, waren jedoch der Meinung, dass die in der Motion aufgeführten Mittel nicht hinreichend seien. Mit der Ablehnung der Motion halte man sich die Möglichkeit offen, «selbst gesetzgeberisch tätig zu werden», falls die laufenden Anpassungen nicht die gewünschten Ergebnisse erzielen sollten. Als der Nationalrat die Motion in der Frühjahrssession 2018 behandelte, folgte er der Empfehlung seiner Kommission und lehnte den Vorstoss stillschweigend ab.

Abbau von Handelshemmnissen bezüglich in der EU zugelassene Health Claims

Mittels Motion wollte die ständerätliche Kommission für Wirtschaft und Abgaben (WAK-SR) den Bundesrat beauftragen, eine Gesetzesänderung für den Parallelimport von Lebensmitteln und Gebrauchsgegenständen sowie von Arzneimitteln der Abgabekategorie E vorzunehmen. Diese betrifft Pharmazeutika, welche ohne Fachberatung abgegeben werden dürfen. Durch die Abschaffung von Vorgaben bezüglich des Umetikettierens der Medikamente – darunter fallen auch die Deklaration der Zulassungsnummer und der Abgabekategorie auf der Packung – soll das Einführen der Arzneimittel der Kategorie E erleichtert werden. Eine Alternativoption bestünde darin, gänzlich von der Zulassungspflicht abzusehen. In seiner Stellungnahme erklärte der Bundesrat, dass das Zulassungsverfahren im Zusammenhang mit der im Vorjahr verabschiedeten Revision des Heilmittelgesetzes bereits vereinfacht worden sei. Zudem sei eine Neugestaltung der Abgabekategorien geplant. Da die Aufhebung der Zulassungspflicht für Arzneimittel der Abgabekategorie E jedoch eine Gesetzesrevision mit sich ziehen und folglich dem europäischen Recht nicht mehr entsprechen würde, empfahl er, diese Motion abzulehnen. Im Namen seiner Ratskollegen erklärte sich Alain Berset in der Ständeratsdebatte allerdings dazu bereit, andere Mittel zu überprüfen, die einer Vereinfachung des Parallelimports von Medikamenten der ebengenannten Kategorie dienen könnten. Dabei gelte es zu beachten, dass die denkbaren Massnahmen mit den entsprechenden Vorschriften der Europäischen Union kompatibel seien und sich im Einklang mit den Entwicklungen des revidierten Heilmittelgesetzes befänden. Mit dem Argument, die Aufhebung von Handelshemmnissen würde den überhöhten Importpreisen und der Schweiz als „Hochpreisinsel" entgegenwirken, stimmte der Ständerat im September 2017 entgegen der bundesrätlichen Empfehlung der Motion nach einer kurzen Debatte mit 36 zu 7 Stimmen (bei 0 Enthaltungen) zu.

Abbau von Handelshemmnissen bezüglich in der EU zugelassene Health Claims

Anfang 2017 publizierte der Bundesrat seine Botschaft zur Medicrime-Konvention, einem internationalen Übereinkommen zur Bekämpfung des illegalen Arzneimittelhandels. Die Übernahme dieser Norm bedeutete eine Änderung des HMG sowie der StPO und hatte zum Ziel, den internationalen Informationsaustausch zu verbessern, letztlich zum Gesundheitsschutz der Patientinnen und Patienten. Der Bundesrat wollte sich im Zuge dieser Anpassungen auch offen halten, Massnahmen für den schweizerischen Arzneimittelmarkt einzuführen. Namentlich sollten auf den Medikamentenpackungen Sicherheitsmerkmale angebracht werden, um die Echtheit der Heilmittel überprüfen zu können. Dazu gehörte im Weiteren auch die mögliche Verpflichtung der Hersteller, die Packungen mit Siegeln zu versehen, damit geprüft werden kann, ob sie bereits einmal geöffnet wurden. Bezüglich illegalen Medikamentenhandels ging der Bundesrat von jährlich bis zu 20'000 Arzneimittelsendungen in die Schweiz aus. Dieser eigentliche Schwarzmarkt würde hauptsächlich im Internet stattfinden, über das Ausland abgewickelt und bringe hohe Gewinne ein. Daraus würden erhebliche gesundheitliche Risiken erwachsen, da unklar ist, ob die Dosierung und die Zusammensetzung der Bestandteile korrekt sind.
Die Schweiz hatte das Abkommen bereits im Oktober 2011 unterzeichnet, in der EU war es per Anfang 2016 in Kraft getreten. Mit dieser Botschaft galt es, dem Parlament die Genehmigung und Umsetzung der damit nötig werdenden Anpassungen in der Bundesgesetzgebung zu beantragen.

Es handelte sich dabei um eine wenig umstrittene Angelegenheit. Kommissionssprecherin Keller-Sutter (fdp, SG) beschränkte sich in ihrem Votum an den Ständerat, der sich zuerst mit der Vorlage befasste, vor allem auf die vorzunehmenden Gesetzesänderungen, die jedoch marginal waren. Die hiesige Gesetzgebung erfülle die wichtigsten Anforderungen der Medicrime-Konvention bereits weitgehend und die vom Bundesrat beantragten Neuerungen seien in der SGK mehrheitlich unbestritten gewesen. Der Ständerat sah keine Hindernisse und verabschiedete das Paket mit nur einer Enthaltung einstimmig.

Medicrime-Konvention. Genehmigung und Umsetzung

Im Mai 2017 hat der Nationalrat ein Postulat Mazzone (gp, GE) angenommen. Die Grüne warnte mit ihrem Vorstoss vor Aluminiumsalzen, die in Deodorants vorkommen und auf einige Körperzellen eine toxische Wirkung entfalten können. Sie stützte sich in ihrer Argumentation auf eine Studie der Universität Genf. Zu drei Punkten bat die Postulantin den Bundesrat, Stellung zu nehmen: Zunächst sollten die zu diesem Thema veröffentlichten Studien analysiert werden, um Massnahmen des Bundes prüfen zu können. Dann müsse in die Wege geleitet werden, dass eine rechtliche Grundlage geschaffen werde, um die Hersteller verpflichten zu können, auf ihren Produkten Warnhinweise zu platzieren. Damit sollten Konsumentinnen und Konsumenten auf die gesundheitsschädigenden Eigenschaften solcher Produkte aufmerksam gemacht werden können. Als letzte und einschneidendste vorgeschlagene Massnahme sollte geprüft werden, ob ein schweizweites Verbot für Aluminiumsalze enthaltende Deodorants angezeigt sei.
Der Bundesrat zeigte sich offen gegenüber dem Anliegen, denn die Sicherheit der sich auf dem Markt befindlichen Produkte sei wichtig. Nachdem das Postulat nach der Einreichung im Vorjahr von Nationalrat Imark (svp, SO) noch bekämpft worden war, gelangte es auf die Agenda der Frühjahrssession 2017. Dort kochte die Stimmung hoch – unerwartet, wie Bundesrat Berset selbst in seiner Ansprache feststellte. Er habe sich nicht vorstellen können, dass eine derart emotionale Debatte über Aluminiumsalze geführt werden würde, was ihn sogleich leicht ins Schwitzen gebracht habe. Jedenfalls sprach er sich für die Annahme des Postulates aus, weil es wichtig sei, einen Standpunkt für die Schweiz zu finden, und es auch im Sinne einer Information der Öffentlichkeit angezeigt sei, diese Thematik vertieft zu betrachten. Ein Bericht dürfe hier durchaus drin liegen. Damit entgegnete er Imarks vehementes Anrennen gegen die Annahme des Postulates. Es sei – so der Solothurner – schlicht nicht nötig, dass die Schweiz hier vorpresche und Verbote erlasse, während zahlreiche Behörden der EU und die Kosmetikindustrie keine Hinweise auf medizinische Risiken durch diesen Inhaltsstoff erkannt hätten. Die Ratslinke warf Imark vor, dass er ausblende, dass es mit dem Postulat zunächst nur um eine Bestandsaufnahme gehen würde. Nach einer hitzigen Debatte setzte sich eine Mehrheit von 126 gegen 58 Stimmen, letztere stammten bis auf eine alle aus der SVP-Fraktion, für die Annahme des Postulates durch.

Achtung, Gefahr! Aluminiumsalze in Deodorants (Po. 16.3762)

Die letzte Detailberatung des Heilmittelgesetzes im Ständerat fand in der Frühjahrssession 2016 statt. Die SGK-SR machte zwar Schritte auf die nationalrätlichen Beschlüsse zu, jedoch nicht vollumfänglich. Ihr folgte das Ratsplenum mit dem Einlenken auf die Version der grossen Kammer bezüglich des Unterlagenschutzes von 15 Jahren und bezüglich der Zulassungsformalitäten. Bei den Rezepten und bei den Rabatten sowie geldwerten Vorteilen war die Kommission zweigeteilt. Bezüglich Verschreibungspflicht wollte die Mehrheit der Kommission an der eigenen Fassung festhalten und keine genaueren Anforderungen an die Rezepte stellen, eine Minderheit Stöckli (sp, BE) wollte den Patientinnen und Patienten in Übereinstimmung mit dem Nationalrat ermöglichen, auf Rezepte verzichten zu können. Das Plenum folgte jedoch der Kommissionsmehrheit und blieb bei der eigenen Version, womit bereits klar wurde, dass eine Einigungskonferenz nötig werden würde. Die Beschlussfassung bezüglich der Preisgestaltung war somit nicht mehr alleiniger Knackpunkt in der HMG-Debatte. Eine gleich zusammengesetzte Minderheit Stöckli wollte auch diesbezüglich dem Nationalrat folgen, während die SGK-Mehrheit wiederum auf der ständerätlichen Version beharrte und sich letztlich durchsetzte. Zwar war in der Debatte ein Entgegenkommen, auch seitens des Bundesrates, zu spüren, bei der Abstimmung lenkte das Ratsplenum jedoch nicht ein. Mehrheitssprecher Eberle (svp, TG) warnte vor einem Eingriff in die Wirtschaftsfreiheit, wenn alle Heilmittel in die Norm aufgenommen würden. Dadurch würde es – seiner Ansicht nach – eher zu Verteuerungen der Produkte kommen als zu einer Kostenoptimierung. Die «epische» Diskussion (Eberle) führte somit noch nicht zu einer Einigung.

Heilmittelgesetz

Die Volkskammer sah das Heilmittelgesetz in der Wintersession 2015 prinzipiell noch mit vier grösseren Differenzen konfrontiert. Offen waren noch die Modalitäten zum Unterlagenschutz, die Zulassungskriterien für Arzneimittel, die Rahmenbedingungen beziehungsweise die Vorgaben zur Rezeptpflicht beim Medikamenten-Versandhandel sowie die Handhabung von Rabatten und Verbilligungen bei den Arzneimitteln. Zuerst befasste man sich mit dem Unterlagenschutz respektive mit dem vom Nationalrat wiederholt bekräftigten Modell der Marktexklusivität. SP-Fraktionssprecherin Carobbio (sp, TI) erkannte in der letzten Fassung des Ständerates eine Kompromissvariante, die einen generellen Unterlagenschutz von 12 Jahren und 15 Jahren für pädiatrischen Anwendungen beinhaltete. Mit einem Minderheitsantrag regte sie nun an, dass der Nationalrat generell auf die Linie der Ständekammer umschwenken soll. Nach Ansicht der Minderheit müsse die Entwicklung neuer Medikamente im Bereich seltener Krankheiten – weil dies ein so wichtiges Segment sei – honoriert werden. Auch die Kommissionsmehrheit beharrte inzwischen nicht mehr auf der Marktexklusivität, sondern schlug ebenfalls vor, auf das Konzept des Unterlagenschutzes zu setzen. Im Gegensatz zum Ständerat sah die Kommission jedoch mehrheitlich keinen Sinn in einer Differenzierung bei den seltenen Krankheiten nach spezifischen Kinderkrankheiten. Sie wollte den Unterlagenschutz stattdessen mit 13 zu 9 Stimmen generell auf 15 Jahre gewähren. Der Mehrheitsantrag fand dann auch Anklang im Plenum, mit 127 zu 51 Stimmen wurde er angenommen und damit, trotz kleiner Differenz zum Ständerat, ein wichtiger Schritt in Richtung Einigung gemacht. Alle Fraktionen stimmten geschlossen, bei einigen Absenzen. SP und Grüne unterlagen in dieser Frage der bürgerlichen Ratsmehrheit.
Bezüglich der vereinfachten Zulassung auf den hiesigen Markt in Abhängigkeit einer Zulassung in Ländern mit vergleichbarem Gesundheitssystem (EU/EFTA) beantragte die Kommission zwar eine Änderung gegenüber dem Ständerat, ihr Sprecher de Courten (svp, BL) präzisierte jedoch, dass es sich dabei bloss um ein sprachliches Detail handle. Diese kleine Formalität wurde vom Plenum nicht beanstandet. Somit waren es dann die Beratung zur Verschreibungspflicht im Versandhandel sowie zur Form der Rezepte, die im Nationalrat für Gesprächsstoff sorgten. Bei Ersterem lenkte der Nationalrat auf Antrag der SGK-NR ein und verzichtete darauf, dass die Rezepte beim Versandhandel bereits bei der Bestellung vorliegen müssen. Auch bezüglich Medikamentenrezepten folgte der Nationalrat mit 144 zu 42 Stimmen der Kommission, die anders als die kleine Kammer weiterhin Minimalanforderungen stellen wollte. Eine zusätzliche Differenz, die gegenüber dem Ständerat noch geschaffen wurde, betraf die Form des Rezeptes, das nun Eigentum der Patientinnen und Patienten werden sollte. Man wollte damit sicherstellen, dass die Arzneimittel überall bezogen werden können (Wahlfreiheit) und die Rezepte nicht auf elektronischem Weg an eine bestimmte Verkaufsstelle übermittelt werden. Blieb noch die Lösungssuche betreffend die geldwerten Vorteile, die Regelungen für Rabatte und Rückvergütungen, die von Kommissionssprecher de Courten als «Pièce de Résistance» bezeichnet wurden. Zur Debatte standen immer noch ein Verbot der Annahme geldwerter Vorteile für alle Heilmittel, die Anwendung der vollumfänglichen Weitergabe aller gewährten Rabatte nur auf kassenpflichtige Arzneimittel und, letztlich, eine Begriffsdefinition («Heilmittel» vs. «Arzneimittel»). Mit einem Gegenantrag wollte Balthasar Glättli (gp, ZH) eine frühere Fassung des Nationalrats wieder erwägen, blieb jedoch chancenlos. Schliesslich entschied sich der Nationalrat erneut dafür, die Regeln sowohl für Arzneimittel als auch für Heilmittel verschreibende Personen obligatorisch zu machen. Zwei Anpassungen im KVG wurden infolge des gefassten Beschlusses zum Umgang mit Preisreduktionen ebenfalls vorgenommen.
Die Ständekammer hatte es in der Folge in der Hand, bezüglich der letzten offenen Punkte eine baldige Entscheidfindung herbeizuführen; ansonsten würde eine Einigungskonferenz notwendig.

Heilmittelgesetz

Der Ständerat beugte sich in der Herbstsession 2015 wieder über das Heilmittelgesetz (HMG). Zunächst stand die Marktexklusivität respektive der Unterlagenschutz zur Debatte. Mit knapper Mehrheit von 6 zu 5 Stimmen wollte die ständerätliche Gesundheitskommission bei der vorherigen Fassung der eigenen Kammer bleiben, sprich keine Marktexklusivität gewähren. Dagegen brachte Felix Gutzwiller (fdp, ZH) einen Einzelantrag vor, mit dem er auf die Fassung des Nationalrates einschwenken wollte. Mit der Zusicherung von Marktexklusivität könne man am besten Anreize schaffen, damit Arzneimittel für seltene Krankheiten entwickelt würden, gerade weil solche kommerziell einige Zeit lang nicht interessant seien, argumentierte er. Seitens der SGK-SR war man jedoch mehrheitlich der Meinung, dass ein Unterlagenschutz zielführender sei, weil man nicht auf Abschottung und in diesem Sinne auch nicht auf Verhinderung von Innovation setzen wolle. Pascale Bruderer (sp, AG) sah im Festhalten aber auch einen Weg, um noch länger über die bestmögliche Lösung diskutieren zu können. Bundesrat Berset setzte sich ebenfalls für den Unterlagenschutz ein, schliesslich entsprach dieser auch der vom Bundesrat ursprünglich vorgesehenen Lösung. Mit 25 zu 16 Stimmen (bei 2 Enthaltungen) folgte das Plenum diesem Antrag und damit auch der Kommissionsmehrheit. Eine weitere Differenz zum Nationalrat wurde bezüglich der Zulassungskriterien aufrechterhalten, wobei es um die erleichterte Inumlaufbringung von in EU- oder EFTA-Staaten bereits zugelassenen Produkten auf den schweizerischen Markt ging. Hier verabschiedete die kleine Kammer eine revidierte Fassung des betreffenden Artikels und schlug damit auch einen Antrag des Bundesrates aus, die Bestimmung gänzlich fallen zu lassen. Auf die Linie des Nationalrates schwenkte man hingegen bezüglich der Modalitäten zur Verschreibung von Arzneimitteln ein: Der Ständerat nahm keine Vorgaben diesbezüglich in das Gesetz auf. Ein Minderheitsantrag Stöckli (sp, BE), der im Grunde verhindern wollte, dass hierzu 26 kantonale Normen etabliert würden, und stattdessen den Bund verpflichten wollte, entsprechende Kriterien aufzustellen, war mit 10 zu 29 Stimmen chancenlos.
Eine leidenschaftliche Debatte entwickelte sich bezüglich der Rezeptpflicht für den Versandhandel mit Medikamenten, genauer gesagt bezüglich dem Zeitpunkt, wann eine Versandapotheke das betreffende Rezept zur Kenntnis nehmen muss: Ist eine Vorlage des Rezepts vor dem Versand der verschreibungspflichtigen Arzneimittel nötig oder kann auch eine nachträgliche Vorlage des Rezeptes zulässig sein? Die Mehrheit der SGK wollte die strengere nationalrätliche Fassung unterstützen und eine vorgängige Rezeptabgabe vorsehen. Anders eine Minderheit Eberle (svp, TG), die die frühere ständerätliche Version aufrechterhalten wollte, wonach nur in bestimmten Fällen ein Rezept vorliegen muss. Zwar soll für verschreibungspflichtige Arzneimittel weiterhin in jedem Fall ein Rezept vorhanden sein, aber rezeptfreie Produkte, hierzu sind auch diverse Ergänzungsmittel wie Gesundheitsbäder oder Tees zu zählen, sollen keine Rezepte nötig machen. Eine Rezeptpflicht führe hier nicht nur zu zusätzlichen Kosten, sondern verhindere auch einen fairen Wettbewerb zwischen Versandapotheken und herkömmlichen Anbietern. Die Ständekammer teilte mehrheitlich die letztere Position und hielt mit 29 zu 16 Stimmen an der flexibleren Variante fest und schuf damit wiederum eine Differenz zum Nationalrat. Ebenso beharrte der Ständerat auf seiner Haltung in allen Fragen zu Rabattierung und den Modalitäten zur Integrität, Transparenz und Offenlegung. Diese sollten unbedingt auf alle Heilmittel angewendet werden und nicht, wie vom Nationalrat beschlossen, lediglich auf verschreibungspflichtige Arzneimittel. Denn der Missbrauch sei bei den Medizinalprodukten genauso gross, schätzte Stöckli (sp, BE). Auch in diesem Punkt eröffne ein Festhalten die Möglichkeit, dieser wichtigen Frage noch einmal vertieft nachzugehen, erklärte Felix Gutzwiller (fdp, ZH).
Somit war im Gesamtpaket des Heilmittelgesetzes Vieles noch offen, als der Ständerat das Projekt an den Nationalrat zurückgab.

Heilmittelgesetz

Das Heilmittelgesetz sollte die eidgenössischen Räte noch länger beschäftigen, denn auch während drei Sessionen im Jahr 2015 konnte noch keine Einigung erzielt werden. Im Mai war es – wieder in einer Sondersession – der Nationalrat, der das Geschäft voranzubringen versuchte. Ein Blick auf die Vorarbeit der SGK-NR gab jedoch Anlass zu Zweifeln, dass es zu einer speditiven Entscheidfindung kommen würde. Zahlreiche Kommissionsanträge auf Änderungen gegenüber der vom Ständerat verabschiedeten Version, auf Festhalten an der eigenen Fassung, Minderheitsanträge, aber auch Anträge auf Einlenken lagen vor.
Kommissionssprecher de Courten (svp, BL) fasste eingangs Debatte die Ausgangslage zusammen: Der Ständerat habe sich eher in Richtung des bundesrätlichen Entwurfs zurückbewegt, während die SGK-NR tendenziell dem eigenen Text treu bleiben wolle. So sei – und dies war der Antrag der Kommissionsmehrheit – bei den Punkten der Zulassung, der Forschungsanreize und der transparenten Marktregulierung wieder die eigene Fassung zu beschliessen. Bezüglich der Forschungsanreize zeigten Erfahrungen anderer Länder positive Effekte: Mit einer Gewährung von Marktexklusivität sollten Pharmafirmen motiviert werden, zu forschen und neue Arzneimittel auf den Markt zu bringen. Ebenso wollte der Nationalrat in seiner Erstfassung die in der EU bereits zugelassenen Medikamente vereinfacht auf den Schweizer Markt bringen können; einstimmig beantragte hierzu die Kommission ein Umstossen des ständerätlichen Beschlusses. Weitere Differenzen schuf die Kommission bezüglich der grundsätzlichen Abgabe von Arzneimittelrezepten durch Ärztinnen und Ärzte: Die Patientinnen und Patienten sollten selbst bestimmen können, wo sie die Medikamente beziehen wollen, weshalb Rezepte nicht direkt an die Verkaufsstellen geschickt werden sollten. Ebenso sollten Rezepte grundsätzlich auch bei Bestellungen von Versandapotheken vorhanden sein. Die Kommission wollte auch daran festhalten, dass sich eine Stiftung um die Publikation von Arzneimittelinformationen kümmern soll. Dem Ständerat hingegen folgen wollte man bezüglich der Einführung einer Antibiotikadatenbank in der Veterinärmedizin sowie bezüglich eines Verbots für die Ausfuhr von Medikamenten, die für Hinrichtungen verwendet werden können.
Die Debatte im Plenum entfachte sich als Erstes an der Marktexklusivität, wobei es um die Inumlaufbringung neuer Arzneimittel ging. Die Kommission wollte mehrheitlich erneut den Unterlagenschutz für Arzneimittel für seltene Krankheiten streichen und stattdessen auf Marktexklusivität setzen, während der Ständerat sich für den Unterlagenschutz ausgesprochen und dessen Frist gar verlängert hatte. Thomas Weibel (glp, ZH) erklärte den Unterschied aus Sicht der Minderheit: Bei Marktexklusivität dürften nur Medikamente auf den Markt gebracht werden, die «sicherer und wirksamer [sind] als das bereits zugelassene Präparat». Dadurch gebe es kaum Forschungsanreize in Bereichen, in denen es bereits Medikamente gebe. Eine Minderheit Carobbio (sp, TI) wollte darum der kleinen Kammer mit dem Argument folgen, dass dadurch eine Monopolisierung der Herstellung verhindert würde. Unterstützt wurde sie von der grünliberalen und der sozialdemokratischen Fraktion sowie von Gesundheitsminister Berset. Jedoch entschied sich das Ratsplenum gegen den Unterlagenschutz und schuf damit die erste Differenz zum Ständerat – mit 108 zu 80 Stimmen obsiegte der Kommissionsantrag. Ebenso beharrten die Nationalrätinnen und Nationalräte darauf, dass in der EU bereits seit einigen Jahren zugelassene Arzneimittel auch in der Schweiz vereinfacht in Umlauf gebracht werden können. Damit hielt man an der eigenen Fassung fest, wenn auch mit einem leicht abgeänderten Text. Ein Ausfuhrverbot von Medikamenten, die für illegale Zwecke verwendet werden oder als Zusatzstoff für Hinrichtungen eingesetzt werden können, wurde von einer Minderheit Borer (svp, SO) bekämpft. Es gehe hierbei jedoch nicht um Hinrichtungen – die Minderheit befürworte diese keineswegs. Vielmehr beträfe die Bestimmung Medikamente, die in vielen Bereichen der Human- und Veterinärmedizin verwendet würden. Das Plenum folgte in dieser Frage jedoch der Kommissionsmehrheit und dem Ständerat: Mit 108 zu 78 Stimmen sprach sich der Nationalrat gegen den Willen der SVP- und der FDP-Liberalen-Fraktion für das Exportverbot aus. Bezüglich Verschreibungspflicht und Rezept-Ausstellung hielt der Nationalrat an seinen Bestimmungen fest.
Lange diskutierte der Nationalrat in der Folge über die Marktaufsicht und die Frage der Integrität der Heilmittel abgebenden Personen, aber auch über das Ziel, Korruption im Bereich des Arznei- und Heilmittelmarktes zu verhindern. Ignazio Cassis (fdp, TI) führte in seinem Beitrag aus, dass es darum gehe, zu bestimmen, über welche Preismechanismen das BAG respektive die Regierung eine Kontrolle ausüben solle: nur über Arzneimittel oder über alle Heilmittel, die eben auch weitere medizinische Produkte wie Spitalbetten, Spritzen, Pflaster und anderes medizinisches Material umfassten. Aus Sicht des Ständerates, des Bundesrates sowie von Minderheiten Cassis, Gilli (gp, SG) und in leicht abweichender Formulierung von einer Minderheit de Courten (svp, BL) solle der Markt für Letzteres die Preise definieren, während das Heilmittelinstitut Swissmedic eine Aufsichtsrolle über die Arzneimittelpreise wahrnehmen solle. Die Anträge wurden gegeneinander ausgemehrt und letztlich blieb derjenige Gillis stehen. Demnach dürfen Arzneimittel, welche mit Rabatten gehandelt oder verkauft werden, keinen Einfluss auf die Wahl der Therapie haben. Zudem müssen Rabatte ganz oder teilweise an den Kostenträger weitergegeben und zur Verbesserung der Behandlung eingesetzt werden.
In weiteren Anpassungen betreffend andere Gesetze und Übergangsbestimmungen folgte der Nationalrat mehrheitlich dem Ständerat oder modifizierte dessen Beschlüsse leicht.

Heilmittelgesetz

Ein Postulat Heim (sp, SO) (Po. 09.4009) forderte den Bundesrat auf, eine engere Zusammenarbeit mit der EU im Arzneimittelbereich anzustreben und dazu einen Bericht auszuarbeiten, der die Erarbeitung eines automatischen Informationsaustausches im Heilmittelbereich, einer verstärkten und vereinfachten Zusammenarbeit im Heilmittelbereich sowie die Prüfung von weiteren Möglichkeiten zur Zusammenarbeit bei der Zulassung von Arzneimitteln und die Vor- und Nachteile bei einer Acquisübernahme enthalte. In die gleiche Richtung zielte eine Motion der SVP, welche die Zusammenarbeit zwischen den Heilmittelbehörden der EU und der Schweiz verbessern wollte und dazu den Abschluss eines Memorandum of Understanding/Confidentiality Agreement zum Informationsaustausch forderte. Der Nationalrat überwies sowohl das Postulat als auch die Motion.

engere Zusammenarbeit mit der EU

Bundesrätin Dreifuss machte sehr rasch Gebrauch von der neuen Kompetenz, die Zulassung von Leistungserbringern im ambulanten Bereich beschränken zu können. Bereits im Juli kündigte sie an, sie wolle mit einer Verordnungsänderung den Kantonen baldmöglichst die Möglichkeit zu einer dreijährigen Zulassungsbeschränkung für Ärzte und andere Leistungserbringer im ambulanten Bereich (Apotheker und Physiotherapeuten) geben; bei genügender Versorgungsdichte könnte sogar ein Zulassungsstopp verfügt werden. Die zügige Umsetzung erfolgte in erster Linie aus Angst vor einer Ärzteschwemme aus dem EU-Raum. Die Schweiz kann nach Inkrafttreten der bilateralen Verträge einreisenden Medizinalpersonen aus der EU zwar die Eröffnung einer eigenen Praxis während zwei Jahren verbieten und während fünf weiteren Jahren eine Inländerbevorzugung geltend machen; dieser Abwehrmechanismus gilt aber nicht für die mehr als 2000 bereits heute in Schweizer Spitälern beschäftigten Ärzte und Ärztinnen aus EU-Staaten. In der Vernehmlassung stiess die „Bedürfnisklausel“ jedoch auf breite Ablehnung. Insbesondere die Kantone wehrten sich dagegen, selber aktiv zu werden und verlangten eine Bundeskompetenz.

Dreijährige Zulassungsbeschränkung für Ärzte und andere Leistungserbringer im ambulanten Bereich im Jahr 2000
Dossier: Zulassungsbeschränkung für Ärztinnen und Ärzte (seit 1998)

Nach dem Willen seiner Regierung sollte Basel-Stadt ein kantonales Gesetz über die biomedizinische Forschung am Menschen erhalten. Gemäss dem Entwurf sollten alle Versuche mit Menschen bewilligungspflichtig sein und von einer Ethikkommission abgesegnet werden. Damit wollte die Basler Regierung einerseits den Schutz des Menschen verbessern, anderseits den Forschungsstandort Basel stärken, da die Pharmaindustrie, welche ohnehin die strengen Normen der USA, der EU und Japans übernehmen muss, darauf angewiesen ist, dass in der Schweiz durchgeführte Prüfungsverfahren für die ethische Unbedenklichkeit von Forschungsvorhaben möglichst bald auch im Ausland anerkannt werden. Wegen grundsätzlicher Bedenken, sowohl von liberaler wie von grüner Seite, vor allem aber mit Verweis auf die anstehende Gesetzgebungsarbeit des Bundes trat der grosse Rat aber auf die Vorlage gar nicht ein.

Basel-Stadt Gesetz über die biomedizinische Forschung am Menschen trat nicht ein 

Der Kompetenzartikel der revidierten Bundesverfassung zur Sozialhilfe (Art. 115) gab vor allem wegen des Titels Anlass zu einigen Diskussionen. Während der Ständerat dem Bundesrat zu folgen bereit war, der «Unterstützung Bedürftiger» vorgeschlagen hatte, wollte der Nationalrat dies in erster Lesung sowohl im Titel wie im Text in «Unterstützung von Personen in Notlagen» umwandeln, obgleich sowohl die Berichterstatterin wie Bundesrat Koller warnten, diese Änderung könne zu einer Schlechterstellung der betroffenen Personen führen. Der Begriff der Notlage sei in Art. 12 BV näher ausgeführt, wobei es sich dort nur um ein für ein menschenwürdiges Leben notwendiges Existenzminimum handle. Hier nun aber sei die eigentliche Sozialhilfe angesprochen, für deren Ausrichtung tiefere Schwellen gelten. Als der Ständerat auf der Formulierung des Bundesrates beharrte, stimmte der Nationalrat stillschweigend zu.

Eine SP-Minderheit stellte den Antrag, zwei weitere Absätze des Inhalts einzufügen, dass der Bund Bestimmungen über den Mindestgehalt der Leistungen erlassen und Grundsätze über den Rechtsschutz aufstellen sowie die Sozialhilfe der Kantone mit finanziellen Beiträgen unterstützen kann. Damit sollten wesentliche Punkte einer parlamentarischen Initiative der Kommission für soziale Sicherheit und Gesundheit auf Verfassungsstufe erhoben werden. Diese war 1993 vom Nationalrat gutgeheissen und zur Ausarbeitung an die Kommission übertragen worden; diese hatte den Text so umformuliert, dass er in die revidierte Verfassung gepasst hätte. Nach Meinung der bürgerlichen Ratsmehrheit würde dies über die eigentliche Nachführung hinausgehen, weshalb der Antrag mit 79 zu 49 Stimmen abgelehnt wurde.

Grundrechte und Sozialstaatlichkeit in der revidierten Bundesverfassung (BRG 96.091)
Dossier: Totalrevision der Bundesverfassung 2/2: BRG 96.091 (1996 bis 2000)

Bei der Verfassungsrevision trug der Bundesrat in seinen Vorschlägen der neueren Rechtssprechung des Bundesgerichtes und den Aufforderungen einer Nationalratskommission Rechnung und beantragte, in Art. 12 unter dem Titel «Recht auf Existenzsicherung» das 1995 von Lausanne bestätigte ungeschrieben Verfassungsrecht aufzunehmen, wonach jede Person in Not Anspruch auf Hilfe und Betreuung sowie die Mittel hat, die für ein menschenwürdiges Dasein unerlässlich sind. Der Ständerat wandelte den Titel in ein «Recht auf Hilfe in Notlagen» ab und relativierte den Anspruch mit dem Zusatz, dass jemand nur dann Anspruch auf diese Unterstützung hat, wenn er «in Not gerät und nicht in der Lage ist, für sich zu sorgen». Damit sollte deutlich gemacht werden, dass es sich um ein Recht auf Existenzminimum handelt, keinesfalls aber um die Einführung eines Anspruchs auf konkret zu beziffernde Leistungen im Sinn eines garantierten Mindesteinkommens. Aeby (sp, FR) beantragte vergeblich, bei der Formulierung des Bundesrates zu bleiben, da ein Abweichen davon als Zeichen dafür gewertet werden könnte, dass man in diesem Bereich der Grundrechte eine weniger absolute Garantie anstrebe als etwa beim Recht auf Ehe oder beim Recht auf Gewissensfreiheit. Trotz Unterstützung des Bundesrates, der die gleiche Sicht der Dinge vertrat, unterlag Aeby deutlich mit 29 zu 6 Stimmen. Im Nationalrat obsiegte die Version des Ständerates mit 101 zu 61 Stimmen klar gegen einen links-grünen Antrag, der – mit Ausnahme des Titels – dem Vorschlag des Bundesrates folgen, die vorgesehenen Leistungen aber unter dem über das eigentliche Existenzminimum hinausgehenden Begriff der Sozialhilfe subsummieren wollte.

Grundrechte und Sozialstaatlichkeit in der revidierten Bundesverfassung (BRG 96.091)
Dossier: Totalrevision der Bundesverfassung 2/2: BRG 96.091 (1996 bis 2000)

Die Absicht der Interkantonalen Kontrollstelle für Heilmittel (IKS), aus Gründen der Europakompatibilität einen Teil der homöopathischen Mittel der Rezeptpflicht zu unterstellen, stiess bei den ausgebildeten Homöopathen und Naturärzten auf heftigen Widerstand. Für sie käme die neue Regelung einer einschneidenden Behinderung ihrer beruflichen Tätigkeit gleich, da wesentliche Elemente ihrer Medikamentenpalette (Nosoden und Organpräparate) nur mehr von ausgebildeten Ärzten verschrieben werden dürften. 14 Interessenverbände der Homöopathie und des naturnahen Heilens sammelten deshalb gemeinsam über 250'000 Unterschriften für eine Petition, welche sie im April bei der IKS einreichten. Diese kam den Bedenken der Homöopathen entgegen und befreite die Nosoden und Organpräparate ab einer gewissen Verdünnung wieder von der vorgesehenen Rezeptpflicht.

homöopathischen Mittel der Rezeptpflicht zu unterstellen

Nachdem in den achtziger Jahren verschiedene kantonale Armutsstudien - ausgehend von unterschiedlichen Definitionen der Armutsgrenze - vorgelegt worden waren, präsentierte die Universität Bern erstmals eine gesamtschweizerische Studie, welche sich sowohl am soziokulturellen wie am subjektiven Armutskonzept orientierte. Das soziokulturelle Existenzminimum rechnet nicht mit der blossen physischen Daseinssicherung, sondern bezieht Komponenten der Teilhabe am Sozialleben mit ein. Es lässt sich nur in Relation zum Wohlstandsniveau der betrachteten Gesellschaft (oder Region) zu einem bestimmten Zeitpunkt ermitteln. Subjektive Armutskonzepte stellen nicht auf die Einschätzung von Experten ab, sondern von allen Gesellschaftsmitgliedern, Betroffene eingeschlossen. Untersucht wurden die Ressourcen der einzelnen Haushalte, aber auch Wohnqualität, Arbeit und Ausbildung, Gesundheit, private Netzwerke und subjektives Wohlbefinden.

Die Armutsgrenze wird in der Schweiz je nach Gesichtspunkt und gesetzlicher Regelung unterschiedlich festgesetzt. Die Schweizerische Konferenz für Sozialhilfe (Skos) setzt sie für Einpersonenhaushalte bei 980 Fr. (nach Abgabe der Zwangsausgaben Steuern, Sozial- und Krankenversicherung, Alimente, Schuldzinsen und Wohnkostenanteil) fest; als Grenze für die Anspruchsberechtigung auf Ergänzungsleistungen (EL) gelten 1285 Fr., ebenfalls nach Abzug der Zwangsausgaben. Je nachdem, von welcher Armutsgrenze ausgegangen wird, lebten in der Schweiz im Erhebungsjahr 1992 zwischen 390 000 (5,6% der Wohnbevölkerung) und 860 000 (9,8%) Personen, die als "arm" zu gelten haben. Subjektiv nehmen aber längst nicht alle Betroffenen ihre Situation als Armut wahr.

Die Studie ermittelte neben der Anzahl der als arm einzustufenden Personen jene Bevölkerungsgruppen, die für Armut relativ anfällig sind. 60% der Armen in der Schweiz sind weniger als 40 Jahre alt. Die Auswertung nach Haushaltstypen wies eine besonders hohe Armutsquote bei Alleinerziehenden, geschiedenen Frauen und allein lebenden Männern aus. Junge, kinderreiche Familien gehören überdurchschnittlich häufig zur armen Bevölkerung. Signifikant unterdurchschnittliche Armutsquoten weisen Angestellte (im Unterschied zu Selbständigerwerbenden) und Altersrentner auf. Eine besonders hohe Armutsquote findet sich im Kanton Tessin und in der Romandie sowie unter der ausländischen Bevölkerung. Verdeckte Armut machte die Untersuchung vor allem dort aus, wo Anspruchsberechtigte keine EL oder Sozialhilfe beziehen, weil sie aus nicht genau zu ermittelnden Gründen den Gang zum Sozialamt scheuen bzw. über ihre Rechte nicht informiert sind. Über 50% der bezugsberechtigten Erwerbstätigen und rund ein Drittel der bezugsberechtigten Rentner beziehen weder Sozialhilfe noch EL. Eine Erhöhung der Bezugsquote könnte die real existierende Armut lindern.

gesamtschweizerische Studie Armutsgrenze Verdeckte Armut

Angesichts der zunehmenden Armut und der finanziellen Engpässe der öffentlichen Hand sprachen sich die kantonalen Fürsorgedirektoren für ein koordinierteres Vorgehen aus. In einem Thesenpapier, das noch weiter diskutiert werden soll, schlugen sie die definitive verfassungsmässige Verankerung der Ergänzungsleistungen sowie normierte Bedarfsleistungen für Familien mit Kindern oder Alleinerziehende ohne existenzsicherndes Einkommen vor. Bei der Sozialhilfe möchten die Fürsorgedirektoren vermehrt auf «Massarbeit» setzen, also wirklich nur noch dort helfend eingreifen, wo die Bedürfnisse klar ausgewiesen sind und keine Aussicht auf Lösung durch Eigenverantwortung besteht. Fachleute warnten allerdings davor, diese «Massarbeit», die dann nur mehr die Ärmsten berücksichtigen würde, auf die Spitze zu treiben. Insbesondere seien die Folgekosten, die etwa aufgrund der ungenügenden Sozialisierung der Kinder Minderbemittelter zu erwarten wären, nicht abschätzbar und möglicherweise bedeutend höher als jene für die gesellschaftliche Stützung der Eltern. Um dem wachsenden sozialpolitischen Druck zu begegnen, schlossen sich die Sozialämter von 14 Städten zu einer Konferenz zusammen. Sie forderten eine Koordinationsstelle für Sozialpolitik auf Bundesebene, die Harmonisierung der materiellen Standards in der Sozialhilfe und ein Recht auf Existenzsicherung in der Bundesverfassung.

Koordinierteres Vorgehen der Kantone im Kampf gegen die Armut (1995)

Der Bundesrat beauftragte das EDI, bis Ende 1994 eine Verordnung auszuarbeiten, mit welcher die Eurokompatibilität der Medizinprodukte sichergestellt werden soll. Im Gegensatz zu Arzneimitteln fehlen in der Schweiz Vorschriften für Medizinprodukte weitgehend. Zu dieser Produktegruppe gehören Herzschrittmacher, künstliche Gelenke, Implantate, Spritzen, chirurgische Instrumente, Röntgenapparate, Kontaktlinsen und Kondome. In den EWR-Staaten müssen ab 1. Januar 1995 die EU-Richtlinien über Medizinprodukte angewendet werden, weshalb ohne autonomen Nachvollzug die Gefahr bestünde, dass die Schweiz zum Absatzmarkt für im EWR nicht mehr handelsfähige Produkte würde.

Verordnung zur Schaffung einer Eurokompatibilität der Medizinprodukte (1994)

Der Nationalrat überwies diskussionslos ein Postulat Comby (fdp, VS), welches den Bundesrat ersucht, zwei konkrete Massnahmen im Kampf gegen die neue Armut zu prüfen. Einerseits sollen die Bundesbeiträge zur Finanzierung und Verbilligung der Krankenkassenprämien für Menschen, die in Armut leben, substantiell erhöht werden, anderseits sollen den Kantonen, die zugunsten von Personen und Familien in äusserst schwierigen Verhältnissen Zuschüsse zu den Ergänzungsleistungen zur AHV/IV gewähren, Subventionen ausgerichtet werden.

Postulat für zwei konkrete Massnahmen gegen die neue Armut (Po. 92.3148)

Ein neues Gesetz soll die Ein- und Ausfuhr von Heilmitteln regeln. Der Bundesrat beauftragte das EDI, bis Mitte 1992 einen EG-konformen Gesetzesentwurf über die Grenzkontrolle für Medikamente auszuarbeiten. Arzneimittel sind bezüglich Registrierung und Handel der Interkantonalen Kontrollstelle für Heilmittel (IKS) unterstellt; vom Ausland eingeführte Medikamente werden dabei mangels Überprüfung an der Grenze nur unvolllständig erfasst. Eine Ausfuhrkontrolle soll verhindern, dass Heilmittel, die hier verboten oder zurückgezogen worden sind, in die Dritte Welt ausgeführt werden.

Bundesgesetz über die Organisation der Grenzkontrolle für Heilmittel

Die Förderung preisgünstigen Wohnungsbaus war denn auch ein zentrales Anliegen der CVP, die im Sommer ein Positionspapier zur «Armut im Wohlstand» veröffentlichte. Sie verlangte zudem, der Bund solle sein Engagement bei den Ergänzungsleistungen zur AHV/IV ausbauen, damit die Kantone die dadurch freiwerdenden Mittel zur Existenzsicherung derjeniger Menschen einsetzen könnten, die keinen Anspruch auf Ergänzungsleistungen haben, wie ausgesteuerte Arbeitslose oder Alleinerziehende. Die CVP fand auch die Einführung eines garantierten Mindesteinkommens (GME) prüfenswert. Da die Armut in der Schweiz primär die Frauen betrifft, erachtete sie die Durchsetzung der Lohngleichheit als vordringliches Postulat.

Positionspapier der CVP zur «Armut im Wohlstand» (1990)