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  • Schmid-Federer, Barbara (cvp/pdc, ZH) NR/CN
  • Berset, Alain (sp/ps) BR EDI / CF DFI

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In der Wintersession 2021 kam die Motion der SGK-NR zur Zulassungssteuerung bei psychologischen Psychotherapeuten und Psychotherapeutinnen in den Ständerat. Josef Dittli (fdp, UR), Sprecher der SGK-SR, erklärte, dass die Kommission das Geschäft mit 11 zu 0 Stimmen (bei 1 Enthaltung) zur Annahme empfehle. Die Kommission erachte die Kontrolle der steigenden Kosten und der potenziellen Mengenausweitungen des Leistungsangebots von psychologischen Psychotherapeutinnen und Psychotherapeuten als erforderlich. Durch die Motion könnten die Versorgungsqualität und eine angemessene Entwicklung gewährleistet werden. Dieser Meinung war auch Gesundheitsminister Alain Berset, der die Motion zur Annahme empfahl. Stillschweigend kam das Stöckli dieser Aufforderung nach.

Zulassungssteuerung von psychologischen Psychotherapeuten und Psychotherapeutinnen (Mo. 20.3914)

Im September 2021 reichte die SGK-SR eine Motion mit dem Titel «Für eine nachhaltige Finanzierung von Public-Health-Projekten des Nationalen Konzepts ‹Seltene Krankheiten›» ein. Damit forderte sie die Schaffung einer gesetzlichen Grundlage, welche die Umsetzung des Nationalen Konzepts «Seltene Krankheiten» durch die involvierten Organisationen des Gesundheitswesens auf einer nachhaltigen Basis gewährleisten soll. Es sollen Instrumente zur Finanzierung unter anderem der Koordination und des Aufbaus von Angeboten in diesem Bereich oder zur Qualitätsförderung, Dokumentation und Beratung bereitgestellt werden. Zudem soll die gesetzliche Grundlage auch der langfristigen Finanzierung eines schweizweiten Registers für seltene Krankheiten dienen. Der Bundesrat soll die Ausarbeitung der Vorlage mit den Kantonen koordinieren.
In der Wintersession 2021 kam das Geschäft in den Ständerat. Marina Carobbio Guscetti (sp, TI) stellte die Kommissionsmotion vor und verwies dabei auf einen Bericht in Erfüllung eines Postulats der SGK-NR (Mo. 18.3040), welcher die Herausforderungen und Handlungsoptionen des Nationalen Konzepts «Seltene Krankheiten» aufzeige. Mit der vorliegenden Motion wolle man nun diese Herausforderungen angehen. Bundesrat Alain Berset empfahl die Motion zur Annahme und betonte, seltene Krankheiten seien nur bei einzelner Betrachtung selten, zusammen als Gruppe kämen sie jedoch so häufig vor wie etwa Diabetes. Der Ständerat nahm die Motion in der Folge stillschweigend an.

Für eine nachhaltige Finanzierung von Public-Health-Projekten des Nationalen Konzepts "Seltene Krankheiten" (Mo. 21.3978)

In der Wintersession 2021 nahm sich der Ständerat einer Motion Feller (fdp, VD) an, welche im Kampf gegen Covid-19 die Durchführung serologischer Tests in Apotheken forderte. Für die SGK-SR berichtete Josef Dittli (fdp, UR), dass sich die Situation seit dem Einreichen des Vorstosses verändert habe und die entsprechenden Tests mittlerweile in Schweizer Apotheken angeboten würden. Die Forderung der Motion sei daher bereits erfüllt respektive überholt. Daher empfehle die Kommission die Ablehnung des Geschäfts. Gesundheitsminister Berset kam in seiner Wortmeldung zum gleichen Schluss. In der Folge lehnte das Stöckli den Vorstoss stillschweigend ab.

Kampf gegen die Verbreitung des Coronavirus. Apotheken sollen serologische Tests durchführen können (Mo. 20.3249)

Wie sie gleich nach der ersten Abstimmung über das Covid-19-Gesetz angekündigt hatten, ergriffen die Freunde der Verfassung, das Netzwerk Impfentscheid und das Aktionsbündnis Urkantone auch das Referendum gegen die zweite Revision des Covid-19-Gesetzes, unterstützt wurden sie dabei von der Jungen SVP. Innert drei Wochen – mehr Zeit hatte das Referendumskomitee nach der erfolglosen Abstimmung über das Covid-19-Gesetz nicht zur Verfügung – sammelten sie 187'239 Unterschriften. 5'401 Unterschriften wiesen dabei bereits eine Stimmrechtsbescheinigung auf, für weitere 75'526 Unterschriften liess die Bundeskanzlei eine entsprechende Prüfung vornehmen – aufgrund des Covid-19-Gesetzes war es zu diesem Zeitpunkt möglich, auch unbescheinigte Unterschriften einzureichen. In der Folge bestätigte die Bundeskanzlei das Zustandekommen des Referendums mit 74'469 gültigen Unterschriften. Diese hohe Anzahl Unterschriften in so kurzer Zeit sorgte in der Presse für einige Anerkennung bezüglich der Organisationsfähigkeit und des breiten Netzwerks des Komitees, die NZZ sprach etwa von einem (erneuten) «Achtungserfolg». Die Medien wiesen aber auch auf die hohen Kosten und die entsprechenden finanziellen Mittel hin, welche für das Zustandekommen des Referendums nötig gewesen seien.

Ins Zentrum gegen die zweite Revision des Covid-19-Gesetzes stellte das Referendumskomitee vier Argumente: Als besonders kritisch erachtete es erstens das Covid-19-Zertifikat, welches zu einer «Zweiklassengesellschaft» und zur Diskriminierung von 2 Mio. Menschen führe. Teilweise wurde das Zertifikat gar mit der Rassentrennung des Apartheids-Regimes Südafrikas verglichen. Zweitens kritisierten die Gegnerinnen und Gegner der Reform die Befreiung der Geimpften – nicht aber der Ungeimpften – von der Quarantänepflicht, womit Letztere diskriminiert würden. Bei beiden Massnahmen werde ignoriert, dass auch Geimpfte ansteckend sein und sich selbst anstecken könnten. Drittens erkannte das Komitee in den Regelungen zur Kontaktrückverfolgung eine Möglichkeit zur Massenüberwachung der Bevölkerung. Und schliesslich kritisierte es viertens die weitreichenden zusätzlichen Kompetenzen, welche die Revision für den Bundesrat mit sich bringe und welche die Gefahr einer Diktatur verstärkten. Insgesamt seien dies «radikale und extreme Umkehrungen in unserer Gesellschaft», welche man mit dem Referendum verhindern wolle.

Früh zeichnete sich ab, dass diesmal auch die SVP das Referendum unterstützen würde. Hatte sie bei der Juni-Abstimmung aufgrund der breiten wirtschaftlichen Unterstützungsmassnahmen noch Stimmfreigabe erteilt, standen die Wirtschaftshilfen in dieser Revision deutlich weniger im Zentrum. Zudem mache ein Engagement gegen das Gesetz für die SVP Sinn, zumal es in keiner Partei mehr Personen gebe, welche die offizielle Corona-Politik des Bundes ablehnten, hob die Weltwoche hervor. Ende August 2021 fasste die Delegiertenversammlung der SVP mit 181 zu 23 Stimmen (bei 4 Enthaltungen) die Nein-Parole zum Gesetz deutlich. In der Folge sprachen sich zwar mit Aargau und Glarus zwei Kantonalsektionen für das Gesetz aus, ansonsten zeigte sich die Partei aber deutlich geeinter als noch bei der Juni-Abstimmung, als 16 Kantonalparteien von der nationalen Parole abgewichen waren.

Daneben machten vor allem ein linkes Komitee «Geimpfte gegen das Covid-Gesetz» und dessen prominenteste Vertreterin, die Schriftstellerin Sibylle Berg, von sich reden. Das Komitee kritisierte einerseits, dass mit dem Zertifikat Ungeimpften – aber etwa auch Sans-Papiers – der Zugang zum gesellschaftlichen Leben verweigert werde, und äusserte andererseits Datenschutzbedenken. Es werde eine «Infrastruktur für totale Überwachung geschaffen», wurde gar argumentiert. Jedoch warf die WOZ dem Komitee selbst mangelnde Transparenz vor, nachdem sie bei einer Inserateanfrage festgestellt hatte, dass das Inserat über den SVP-Werber Alexander Segert bezahlt worden war. Das Komitee selbst habe zugegeben, dass es nicht wisse, wer genau das Inserat finanziert habe, betonte die Zeitung.

Neben der SVP sprach sich von den nationalen Parteien nur die EDU gegen das Gesetz aus, jedoch gaben auch die Jungfreisinnigen des Kantons Thurgau, die Mitte-Partei des Kantons Neuenburg sowie die Schweizer Demokraten des Kantons Bern Nein-Parolen aus. Unterstützt wurden die Referendumsführenden erneut auch von der Organisation «Mass-Voll», was aufgrund ihres radikaleren Stils vereinzelt zu Spannungen führte.

Anders als bei der Juni-Abstimmung setzten die Befürworterinnen und Befürworter der zweiten Revision diesmal weniger stark auf das Wirtschaftsargument. Vielmehr stand zu Beginn der Diskussionen um die Vorlage – kurz vor und während der Sommerferien – vor allem die gefährdete Reisefreiheit im Zentrum der Kritik. So bedarf das Schweizer Zertifikat zur Anerkennung durch die EU einer gesetzlichen Grundlage, welche mit Ablehnung der Revision nicht mehr vorhanden wäre, erklärte etwa EDI-Sprecher Markus Binder. Ein freiwilliger Einsatz des Zertifikats für Reisen sei somit nicht möglich, genauso wenig wie ein erneutes dringliches Gesetz zur Schaffung einer solchen rechtlichen Grundlage. Somit müsste das Parlament den ordentlichen Weg der Gesetzgebung beschreiten, wobei unklar sei, wie lange sich dies hinziehen würde.
Als weiteres zentrales Argument warnten die Befürwortenden des Gesetzes vor dem «Schliessungshammer» (NZZ), der ohne Zertifikat drohe. Denn ohne das Zertifikat habe der Bundesrat keine «weicheren» Optionen und müsse bei einem erneuten Anstieg der Fallzahlen und vor allem der Spitalauslastung wieder mit einem Lockdown reagieren, wurde befürchtet. Somit könne sich das Nein der Gegnerinnen und Gegner zum Eigentor entwickeln, indem sie dadurch weniger Freiheiten hätten als vor dem Referendum.
Insbesondere in Kultur-, Gastro- und Hotelleriekreisen hob man schliesslich die zentrale Bedeutung des Zertifikats sowie des Schutzschirms für Grossveranstaltungen hervor, die beide nur aufgrund der Revision des Covid-19-Gesetzes möglich waren. Man habe bisher stark unter der Pandemie gelitten, könne nun aber aufgrund des Zertifikats die Lokale und Veranstaltungen wieder stärker auslasten. Gerade auch dank des Schutzschirms für Grossveranstaltungen sei überhaupt erst wieder an eine Planung für Grossanlässe zu denken.

Die Befürwortenden bildeten ein breites Spektrum der Schweizer Politiklandschaft ab: Von den nationalen Parteien sprachen sich EVP, FDP, GLP, Grüne, Mitte, PdA und SP für das Gesetz aus, ebenso wie Economiesuisse, der Gewerbeverband, der SGB, Travailsuisse sowie verschiedene Tourismus-Organisationen. Auch Swiss Olympic sprach sich mit Verweis auf die Wichtigkeit des Zertifikats für den Sport für das Gesetz aus.

Bei der medialen Berichterstattung über mögliche Folgen eines Neins standen vor allem Unsicherheiten im Vordergrund. Klar war, dass die Regelungen aus der zweiten Revision des Covid-19-Gesetzes bei einem Nein an der Urne bis ein Jahr nach ihrer Verabschiedung vom Parlament in Kraft bleiben würden – konkret somit bis zum 19. März 2022. Jedoch waren die meisten Regelungen des Covid-19-Gesetzes bis Ende 2021 begrenzt, einige zentrale Aspekte, wie zum Beispiel der Schutzschirm für die Grossveranstaltungen, aber auch Regelungen bezüglich der Arbeitslosenversicherung könnten aber noch bis Mitte 2022 oder gar Ende 2023 in Kraft bleiben. Denkbar war überdies eine Verlängerung des Covid-19-Gesetzes. Ob dies nötig sein würde, war von der Entwicklung der Pandemie abhängig: Womöglich wäre die Pandemie bereits vor Auslaufen der entsprechenden Regelungen vorbei, so dass die Unterstützungsmassnahmen für die Wirtschaft oder das Covid-19-Zertifikat gar nicht mehr vonnöten wären, spekulierten die Medien. Auch was bei einem Nein bis im März 2022 genau passieren würde, war unklar. So könnte das Covid-19-Zertifikat zwar rechtlich den Winter hindurch weiterhin in Kraft bleiben, ob dies politisch jedoch durchsetzbar wäre, war gemäss Presse fraglich. Schliesslich fragte man sich auch, ob eine durch das Epidemiegesetz begründete Einlasskontrolle das fehlende Zertifikat ersetzen könne. Diese Vermutungen unterband Bundesrat Berset jedoch, indem er klarstellte, dass zwar eine Zulasskontrolle für Geimpfte und Ungeimpfte aufgrund des Epidemiengesetzes rechtlich weiterhin möglich wäre, das dafür nötige Kontrollinstrument mit dem Zertifikat jedoch verloren ginge und es somit wenn nötig nur noch Einschränkungen für alle – Geimpfte und Ungeimpfte – gebe.

Im Abstimmungskampf dominierten anfangs die Gegnerinnen und Gegner der Revision deutlich. Sie nahmen ihren Schwung aus dem «Achtungserfolg», den sie mit über 40 Prozent Nein-Stimmen bei der Juni-Abstimmung und dem grossen Sammelerfolg bei den Unterschriften erzielt hatten, mit. Die Gegnerschaft der Revision begann demnach früh, Flyer, Inserate und Plakate zu publizieren – immer wieder sprachen die Medien von 50 Tonnen Werbematerial, welches die Gegnerschaft für den Abstimmungskampf produzierte. Gleichzeitig warben sie auf Youtube und Telegram für ein Nein zur Änderung des Gesetzes und gingen letztlich gemäss Zeitungsberichten gar von Haustür zu Haustür. Überdies verschafften sie sich mit fast wöchentlichen Demonstrationen Aufmerksamkeit – insbesondere die sogenannten Freiheitstrychler wurden bald zum Symbol des Protests gegen die bundesrätlichen Massnahmen – und eine Möglichkeit, ein breites Netzwerk zu erreichen, wie die Medien betonten. Lange Zeit waren denn sowohl in den Medien als auch werbetechnisch fast ausschliesslich die Gegnerinnen und Gegner zu sehen und zu hören. Organisiert wurde ihre Kampagne von der PR-Firma von Alexander Segert, der zuvor bereits mit verschiedenen umstrittenen Kampagnen für die SVP aufgefallen war. In einem Crowdfunding hatte das Contra-Komitee gemäss eigenen Angaben in wenigen Tagen CHF 300'000 eingenommen, die Medien berichteten aber auch über hohe Einzelbeträge von vermögenden Personen.

Bereits Mitte August wurden die Befürworterinnen und Befürworter der Revision für ihr fehlendes Engagement im Abstimmungskampf kritisiert. Als Mitte Oktober noch immer nichts von einer koordinierten überparteilichen Pro-Kampagne zu sehen war, wurden die Medien langsam ungeduldig. Sie befürchteten, dass sich die Befürwortenden ob der hohen Rate an Geimpften und später auch der Vorumfragen, die auf eine Zustimmung zwischen 61 Prozent (1. & 2. Welle SRG) und 69 Prozent (3. Welle Tamedia) hindeuteten, in falscher Sicherheit wiegten. So sei es deutlich schwieriger, «eine schweigende Mehrheit zu mobilisieren […] als eine laute Minderheit» (NZZ). Sie zeigten aber auch Verständnis für die Probleme der befürwortenden Parteien: Diese hätten kaum Geld zur Verfügung, zumal die Wirtschaftsverbände kein Geld für eine Kampagne aufwenden wollten. «Weil lange rein gar nichts ging», wie er erklärte, gründete der Zürcher FDP-Lokalpolitiker Peter Metzinger ein zivilgesellschaftliches Pro-Komitee. Sein Komitee verfügte nur über wenig Geld, bekam aber nach einer Weile «einen Zustupf im überschaubaren Rahmen» von der Economiesuisse, wie Michael Wiesner, Kommunikationsleiter von Economiesuisse, erklärte.
Mitte Oktober folgte dann zwar eine gemeinsame Pressekonferenz der Parteipräsidentinnen und -präsidenten von EVP, FDP, GLP, Grünen, Mitte und SP, in dem sie das Gesetz als Schlüssel zur Freiheit und als pragmatisches Mittel, um aus der Krise zu kommen, präsentierten. Die Medien erkannten in der nüchternen Kommunikationsweise zwar durchaus eine Notwendigkeit – man hatte weder das Geld noch die Zeit für eine emotionale Kampagne –, erachteten diese ob der lauten und emotionalen Gegnerschaft aber auch als sinnvolle Taktik. In der Folge lancierten verschiedene Parteien und Verbände Aufrufe und Appelle für eine Annahme der Revision, etwa über die sozialen Medien.
Eine eigene Kampagne lancierte schliesslich die sogenannte Tourismus-Allianz unter der Führung des Schweizer Tourismus-Verbands, die für ein Ja zur Gesetzesrevision als Basis für grenzüberschreitenden Tourismus und für EU-kompatible Nachweise warb. Aufmerksamkeit erzielte auch Andreas Kyriacou, Präsident der Freidenker-Vereinigung, der anfangs nur ein Plakat mit dem Slogan «Impfen statt Schimpfen» und der Unterschrift «Freiheitsimpfler» veröffentlichte. Dieses fand rasch Verbreitung in den sozialen Medien und generierte Spenden, dank denen es in der Folge in über 100 Gemeinden aufgehängt wurde.

Je näher der Abstimmungssonntag rückte, desto nervöser wurden sowohl das Pro- als auch das Contra-Lager, wie die Medien ausführlich berichteten. So beklagten sich etwa beide Seiten über fehlende Akzeptanz und Diskussionsbereitschaft der anderen Seite. Immer wieder war in den Medien von einer «Spaltung der Gesellschaft» die Rede. Die Gegnerschaft monierte einerseits die fehlende Nennung der Zertifikate im Gesetzestitel – was auf die nachträgliche Ergänzung der Regelungen zum Covid-19-Zertifikat durch das Parlament zurückzuführen war – und reichte gemäss NZZ am Sonntag 750 – häufig identische – Abstimmungsbeschwerden bei den Kantonen ein. Andererseits kritisierten die Gegnerinnen und Gegner, dass sie mehrfach unter fadenscheinigen Begründungen davon abgehalten worden seien, ihre Plakate aufzuhängen, oder dass diese gezielt heruntergerissen worden seien.
Die Befürworterinnen und Befürworter monierten hingegen insbesondere den rauen Ton der Gegnerschaft, der sich zudem verstärkt habe und schliesslich gar in Todesdrohungen gegen einen Politiker ausgeartet seien. Insbesondere die Mahnung des Berner Sicherheitsdirektors Reto Nause (BE, mitte) kurz vor dem Urnengang warf in den Medien grosse Wellen: «Wir erwarten einen unruhigen Abstimmungssonntag. Was, wenn die Gegner des Covid-Gesetzes das demokratische Verdikt nicht akzeptieren?», fragte er rhetorisch. So sei von vereinzelten Personen im Internet bereits zur Bewaffnung aufgerufen worden. Auf beiden Seiten berichteten die Medien überdies von Stimmen, die sich vor Ungereimtheiten bei der Abstimmung durch die andere Seite fürchteten – etwa versperrte Abstimmungslokale oder Manipulation der brieflichen Stimmen. Umgehend beteuerten jedoch verschiedene Mitglieder der Gegnerschaft, etwa der Sprecher des Aktionsbündnisses Urschweiz und Organisator der Contra-Kampagne, Josef Ender, oder die Präsidentin der Jungen SVP Zürich, Camille Lothe, dass es keine Hinweise auf Manipulation der Stimmabgabe oder der Auszählung gebe.
Die Medien sprachen ob diesen Vorwürfen von einer Gefahr für die Demokratie: Dass eine Seite die Einhaltung der demokratischen Regeln in Frage stelle, habe es so noch nie gegeben und sei brandgefährlich, war der Tenor. Der emeritierte Politikwissenschaftsprofessor Wolf Linder versuchte hingegen, die Geschehnisse zu relativieren: So würden «keine Parteien oder signifikanten politischen Kräfte die Verlässlichkeit unserer Abstimmungsergebnisse ernsthaft hinterfragen», daher solle man diesen Einzelmeinungen nicht zu viel Gewicht beimessen. Gar etwas Positives konnte Stefan Schmid von CH Media der aufgeheizten Situation abgewinnen: Sie steigere die erwartete Beteiligung an der Abstimmung. Die Pandemie habe denn auch die Gesellschaft nicht gespalten, sondern nur entsprechende Unterschiede sichtbarer gemacht. «Wichtig ist jetzt freilich, dass sich nach geschlagener Schlacht Siegerinnen und Verlierer, wie das hierzulande üblich ist, die Hand reichen und das Sägemehl von der Schulter klopfen», betonte er. Andere Kommentatorinnen und Kommentatoren zweifelten jedoch daran, ob dies allen Gegnerinnen und Gegner bei einer allfälligen Niederlage gelingen würde.

Neben den Kampagnen von Befürwortenden und Gegnerschaft wurde die Abstimmung zur zweiten Revision des Covid-19-Gesetzes auch stark von den äusseren Umständen, allen voran von der Entwicklung der Pandemie beeinflusst. So begannen Mitte Oktober 2021 die Covid-19-Fallzahlen in der Schweiz, vor allem aber auch im benachbarten Ausland, wieder zu stiegen. Teile Deutschlands reagierten beispielsweise bereits im September 2021 mit einer Verschärfung der 3G-Regel hin zu einer 2G-Regel, bei der nur noch Geimpfte oder Genesene, nicht aber Getestete Zulass zu öffentlichen Innenräumen erhielten. Eine solche Verschärfung blieb in der Schweiz lange Zeit kaum vorstellbar und wurde von verschiedenen Sprechenden deutlich zurückgewiesen. Trotz der steigenden Fallzahlen verzichtete der Bundesrat vor der Abstimmung weitgehend auf Verschärfungen der Corona-Regelungen, was bei den Medien die Vermutung weckte, er wolle die Chancen des Gesetzes im Referendum nicht schmälern. Hingegen gab die Regierung Ende Oktober bekannt, verschiedene Regelungen des Covid-19-Gesetzes verlängern zu wollen – wie es die Kritikerinnen und Kritiker bereits in der Kampagne zur ersten Abstimmung befürchtet hatten. Darüber hinaus sprach der Bundesrat etwa zeitgleich eine Empfehlung für eine Auffrischungsimpfung für über 65-Jährige aus und nährte damit auch die Befürchtungen der Gegnerschaft, wonach zukünftig immer wieder neue Impfungen nötig sein würden. Schliesslich startete der Bundesrat drei Wochen vor dem Urnengang mit einer nationalen Impfwoche einen letzten Versuch, die Schweizer Impfquote vor dem Winter zu erhöhen. Dabei setzte er CHF 100 Mio. ein und startete eine umfassende Werbekampagne für die Impfung. In den Inseratespalten publizierte er denn auch ähnlich viele Inserate zur Impfwoche und zur Impfung wie die Gegnerschaft gegen die Revision des Covid-19-Gesetzes.
In der Woche vor dem Abstimmungssonntag wurde schliesslich bekannt, was vielerseits befürchtet worden war: In der Zwischenzeit war eine neue Virusvariante, Omikron, festgestellt worden, die deutlich ansteckender zu sein schien als die bisher vorherrschende Deltavariante. Unklar war auch, wie die vorhandenen Impfungen gegen die neue Variante wirken würden. Dies versetzte die Schweiz gemäss NZZ endgültig in einen «Schwebezustand, epidemiologisch und politisch gesehen».

Am Abstimmungssonntag folgte dann ein «klares Verdikt einer leisen Mehrheit», wie die AZ das Abstimmungsresultat betitelte: Mit 62.0 Prozent Ja-Stimmen und zwei ablehnenden Kantonen – in Appenzell Innerrhoden und Schwyz sagte die Mehrheit der Stimmenden Nein zur Revision – war die Zustimmung zum Gesetz gegenüber der ersten Abstimmung im Juni (60.2%) gar noch angestiegen. Zahlreiche Gemeinden und sechs Kantone (AR, GL, NW, OW, TG, UR) waren verglichen mit der Juni-Abstimmung neu ins Ja-Lager gewechselt. Die Medien hoben die hohe Stimmbeteiligung von 65.7 Prozent hervor und interpretierten das Ergebnis der Abstimmung als Vertrauensbeweis in die bundesrätliche Politik. Sie betonten aber wie bereits im Juni auch, dass dies keine Blankovollmacht für den Bundesrat darstelle. Die SVP wollte das Resultat denn auch nicht als Einladung für Massnahmenverschärfungen verstanden wissen. Gesundheitsminister Berset forderte die Gegnerinnen und Gegner auf, das Abstimmungsresultat zu akzeptieren: Zur Schweiz gehöre es, dass man sich nach der Abstimmung zusammenraufe. «Wir dürfen nicht endlos streiten.» Zu grossen Streitereien kam es denn in der Folge nicht mehr: Der befürchtete Grossaufmarsch blieb aus, nur vereinzelte Protestierende fanden sich auf dem Bundesplatz ein. Die meisten Sprechenden der Gegnerschaft akzeptierten das Ergebnis, lediglich «Mass-Voll» liess verlauten, dass das Resultat wegen «beispiellosen Unregelmässigkeiten [...] nicht legitim und für uns nicht bindend» sei.


Abstimmung vom 28. November 2021

Beteiligung: 65.7%
Ja: 2'222'594 Stimmen (62.0%)
Nein: 1'361'084 Stimmen (38.0%)

Parolen:
- Ja: EVP, FDP, GLP, GPS, Mitte*, PdA, SPS; Economiesuisse, Gemeindeverband, KdK, SGB, SGV*, SSV, TravailSuisse, VöV, Schweizer Tourismusverband, Hotelleriesuisse, Verband Seilbahnen Schweiz, Swissmem, Freidenker-Vereinigung
- Nein: EDU, SVP*; «Freunde der Verfassung», Aktionsbündnis «Urkantone für eine vernünftige Corona-Politik», Netzwerk Impfentscheid, «Mass-Voll»
- Stimmfreigabe: SD*; GastroSuisse, Piratenpartei
* verschiedene abweichende Kantonalsektionen: Ja: SVP AG, SVP GL; Nein: Mitte NE, SD BE; Stimmfreigabe: SGV AG


Anhand der Gemeindeergebnisse zeigte sich in der Folge, dass die Opposition in der Innerschweiz im Vergleich zum Juni abgenommen hatte, in der Westschweiz hingegen angestiegen war. Gemäss der Vox-Nachabstimmungsbefragung hätten sich die Lager jedoch weiter polarisiert: Die SVP-Sympathisierenden hätten klarer Nein, diejenigen der FDP- und GLP klarer Ja gesagt als noch im Juni 2021. Mehrheitlich Nein gestimmt hatten neben den Sympathisantinnen und Sympathisanten der SVP auch Personen, die sich selbst auf der Links-Rechts-Achse als «rechtsaussen» einstufen, sowie Personen mit traditioneller Werthaltung und solche mit tiefem oder mittlerem Vertrauen in den Bundesrat. Als Hauptgrund für ihre Ablehnung der Gesetzesänderung nannten sie die empfundene Bevormundung durch die Behörden und entsprechend die fehlenden Freiheiten (zusammen 17%), ebenso übten viele Kritik an der indirekt wahrgenommenen Impfpflicht (10%). Die Befürwortenden hingegen wollten mit Annahme der Änderung vor allem die Corona-Politik des Bundesrates unterstützen (36%).

Zweite Revision des Covid-19-Gesetzes (Änderung und Zusatzkredit; BRG 21.016)
Dossier: Covid-19-Gesetz und Revisionen

Mittels einer im Juni 2021 eingereichten Motion verlangte Erich Ettlin (mitte, OW) die rasche digitale Transformation des Gesundheitswesens. Dies solle geschehen, indem unter anderem eine Taskforce zur nationalen Steuerung aufgestellt und in Zusammenarbeit mit relevanten Akteuren eine über das EPD hinausreichende Digital-Strategie entwickelt würde. Weiter gelte es, Leitplanken zu schaffen und das Wissen von Hochschulen und Industrie zu nutzen, das «once-only-Prinzip» – also die einmalige Datenerfassung – umzusetzen sowie die regulatorischen Grundlagen zu schaffen, um Gesundheitsdaten in sämtlichen Bereichen des Gesundheitssystems papierlos abzuwickeln. In der Ständeratsdebatte Ende September 2021 erklärte der Motionär, dass durch eine vollständige Digitalisierung des Gesundheitswesens ungefähr CHF Mrd. 8 pro Jahr eingespart werden könnten. Die aktuellen Ansätze würden jedoch nicht funktionieren. Aufgrund der Covid-19-Pandemie sei ersichtlich geworden, dass Staaten mit zentraler und guter digitaler Aufstellung wie Dänemark und Estland im Vorteil seien. Es brauche in der Schweiz ebenfalls eine «zentrale Hand», um vorwärtszukommen. Ettlin erhielt dabei Rückendeckung von Damian Müller (fdp, LU), der das EPD kritisierte. Gesundheitsminister Berset hingegen sprach sich gegen das Anliegen Ettlins aus, da die verfassungsrechtlichen Grundlagen dafür nicht gegeben seien. Die Steuerung der Digitalisierung des Gesundheitswesens falle nicht in den Aufgabenbereich der nationalen Ebene, vielmehr seien die Kantone und die Tarifpartner dafür zuständig. Weiter sei die digitale Transformation zwar noch nicht abgeschlossen, die Covid-19-Pandemie habe allerdings einen gewaltigen Sprung ermöglicht. Zur Veranschaulichung, was bereits im betroffenen Bereich unternommen werde, nannte Berset etwa die Umsetzung des überwiesenen Postulats Humbel (mitte, AG; Po. 15.4225) oder die Gesundheitsstrategie 2030 des Bundesrates. Nichtsdestotrotz nahm der Ständerat die Motion mit 39 Stimmen (bei 1 Enthaltung) ohne Gegenstimmen an.

Digitale Transformation im Gesundheitswesen. Rückstand endlich aufholen! (Mo. 21.3957)
Dossier: Digitalisierung im Gesundheitswesen

Mittels Motion forderte Maya Graf (sp, BL) den Bundesrat dazu auf, mit einer Änderung an der KLV sicherzustellen, dass Demenzkranke eine an ihre Situation angepasste Versorgung bezüglich Pflegeleistungen erhalten. In der Vergangenheit habe sich herausgestellt, dass viele Leistungen, auf welche die Betroffenen angewiesen seien, nicht in den durch die KLV definierten Bereich fielen. Zwar decke das KVG etwa das Waschen und die Nahrungseingabe durch Pflegefachpersonen ab, nicht aber «die Anleitung und Überwachung bei Körperpflege und Nahrungsaufnahme», die bei an Demenz erkrankten Menschen gegebenenfalls eher nötig wäre. Weiter gehe aus der Evaluation der Nationalen Demenzstrategie 2014–2019 hervor, dass die Finanzierung von Pflegeleistungen im Bereich Demenz «nach wie vor» nicht garantiert sei. In der Herbstsession 2021 veranschaulichte Manuela Weichelt-Picard (al, ZG), welche das Geschäft nach der Wahl Grafs in den Ständerat übernommen hatte, die Lebenssituation einer demenzkranken Frau anhand eines fiktiven Beispiels. Da diese weiterhin zuhause wohnen möchte, sei sie auf gewisse Unterstützung durch Gesundheitsfachpersonen angewiesen. Die von ihr benötigten Leistungen würden jedoch nicht von der OKP übernommen, da sie nicht in das KVG eingeschlossen sind. Gesundheitsminister Berset war hingegen der Ansicht, dass diesbezüglich bereits Einiges unternommen werde – unter anderem sei in der Zwischenzeit ein Artikel der KLV in Kraft getreten, welcher die Verbesserung der Harmonisierung und Unterscheidung zwischen Pflege- und Betreuungsleistungen betreffe. Daher empfehle der Bundesrat die Ablehnung des Geschäfts. Die Mehrheit der grossen Kammer liess sich von diesen Worten jedoch nicht überzeugen. Mit 136 zu 46 Stimmen (bei 10 Enthaltungen) nahm der Nationalrat die Motion an, wobei 44 ablehnende Stimmen aus dem Lager der SVP-Fraktion stammten.

19.4194

Mittels Motion verlangte Ruth Humbel (mitte, AG) im September 2019 die Schaffung gesetzlicher Grundlagen, auf deren Grundlage das Spritzen von Hyaluronsäure und Botox nur noch durch Ärzte und Ärztinnen mit entsprechender Ausbildung und Haftpflichtversicherung erlaubt sein soll. Vermehrt würden solche Injektionen in Kosmetikstudios durch Kosmetiker und Kosmetikerinnen sowie weiteren medizinisch nicht adäquat ausgebildeten Personen vorgenommen. Dabei komme es manchmal zu Komplikationen, mit welchen sich das Gesundheitssystem konfrontiert sehe, was wiederum auch Kosten für die Krankenkasse und somit für die Prämienzahlenden nach sich ziehe. Swissmedic untersage es medizinisch nicht ausgebildeten Personen zwar, Substanzen, die über dreissig Tage im Körper bleiben, zu spritzen, auf dem Schweizer Markt existierten allerdings gar keine Hyaluronsäure-Produkte, die eine Verbleibdauer von weniger als dreissig Tage im menschlichen Körper aufwiesen. Die Injektionen erfolgten demnach vorschriftswidrig. Auch deshalb verlangte die Motionärin die Schaffung klarer Regeln, welche eine ausschliessliche Durchführungserlaubnis für die Ärzteschaft und Massnahmen für Zuwiderhandlungen festhielten.
Der Bundesrat präzisierte in seiner Stellungnahme die bereits bestehende Kompetenz, diese Substanzen zu spritzen. Namentlich seien dies neben der Ärzteschaft auch Kosmetikerinnen und Kosmetiker, falls sie über eine entsprechende Ausbildung verfügten, und die Behandlung unter Kontrolle und Verantwortung eines Arztes oder einer Ärztin geschehe. Die MepV-Revision, welche Ende Mai 2020 in Kraft trete, enthalte diesbezüglich Konkretisierungen. Der Bundesrat erachte den Schutz der Patientenschaft daher als ausreichend, weshalb er die Motion zur Ablehnung empfehle.
Das Geschäft kam in der Herbstsession 2021 in den Nationalrat. Dort erläuterte Ruth Humbel ihr Anliegen und Gesundheitsminister Berset vertrat den bundesrätlichen Standpunkt. Die grosse Kammer nahm die Motion knapp mit 96 zu 92 Stimmen (bei 4 Enthaltungen) an. Die Ja-Stimmen stammten fast ausschliesslich aus den Fraktionen der SP, Mitte und der Grünen, während sich die Fraktionen der GLP, SVP und FDP gegen das Geschäft aussprachen.

Das Spritzen von Hyaluronsäure und Botox gehört in die Hand von Ärztinnen und Ärzten (Mo. 19.4167)

Die Motion Humbel (mitte, AG) zur Schaffung eines gesetzlichen Vertrauensschutzes für Fehlermeldesysteme in Spitälern stand während der Herbstsession 2021 auf der Traktandenliste des Ständerats. Brigitte Häberli-Koller (mitte, TG) erläuterte als Sprecherin der SGK-SR, dass sich die Kommission einstimmig für das Geschäft ausspreche. Durch einen entsprechenden Schutz der Mitarbeitenden könnten die Lernkultur in den Krankenhäusern gefördert und die Behandlungsqualität verbessert werden. Nichtsdestotrotz gelte es neben dem Schutz der Mitarbeitenden auch die Rechte der von Schadensfällen betroffenen Personen zu berücksichtigen. Gesundheitsminister Berset zeigte sich zwar grundsätzlich mit dem Inhalt des Vorstosses einverstanden, empfahl dem Stöckli allerdings trotzdem die Ablehnung der Motion, da den Gesundheitsfachpersonen dadurch eine totale Immunität zugestanden werde, was zu weit gehe. Wie bereits der Nationalrat nahm auch der Ständerat die Motion einstimmig mit 34 Stimmen an.

Lernsysteme in Spitälern zur Vermeidung von Fehlern müssen geschützt werden (Mo. 18.4210)

Mittels eines Postulats ersuchte Baptiste Hurni (sp, NE) den Bundesrat, einen Bericht zum psychischen Gesundheitszustand der Schweizerinnen und Schweizer zu erstellen. Das Geschäft wurde in der Sommersession 2021 von Therese Schläpfer (svp, ZH) bekämpft. Sie war der Ansicht, dass das Erteilen von psychologischen Ratschlägen nicht in den Aufgabenbereich des Bundes falle und die psychischen Folgen der Pandemie nicht durch die Pandemie, sondern durch die vom Bundesrat getroffenen Massnahmen verursacht worden seien. Der Nationalrat behandelte den Vorstoss im darauffolgenden September. Hurni erklärte, dass sich die Covid-19-Pandemie und die damit verbundenen Massnahmen wie die Lockdowns oder die sozialen und kulturellen Einschränkungen gemäss Ärzteschaft negativ auf die psychische Gesundheit der Bevölkerung ausgewirkt hätten. In besonderem Masse gelte dies für diejenigen Personen, die bereits vor der Pandemie gefährdet gewesen seien. Da es bisher aber an soliden und verlässlichen Daten fehle, die nötig seien, um im Bedarfsfall angemessene Massnahmen zu ergreifen, solle der Bund diesbezüglich eine ausführliche Studie erstellen. Gesundheitsminister Berset unterstrich die Notwendigkeit verlässlicher Informationen, aufgrund derer Entscheidungen getroffen werden könnten. Im Namen des Gesamtbundesrats erklärte er sich dazu bereit, dem vom Postulanten geforderte Anliegen auf Basis der Arbeit einer bereits existierenden Arbeitsgruppe und einer Studie, welche vom BAG in Auftrag gegeben worden war, Rechnung zu tragen. Daher empfahl er das Postulat zur Annahme. Die grosse Kammer kam dieser Aufforderung mit 101 zu 78 Stimmen (bei 4 Enthaltungen) nach. Während die Fraktionen der SP, GLP, Grünen und der Mitte geschlossen oder grossmehrheitlich für das Postulat stimmten, sprachen sich die FDP- und SVP-Fraktionen geschlossen respektive mit einer Ausnahme gegen das Postulat aus.

Wie steht es um den psychischen Gesundheitszustand der Schweizerinnen und Schweizer? (Po. 21.3234)

Mittels einer im Jahr 2019 eingereichten Motion wollte Christian Lohr (mitte, TG) den Bundesrat zur Ausarbeitung einer nationalen Strategie für Kinder- und Jugendgesundheit auffordern. Im September 2021 diskutierte der Nationalrat das Geschäft. Der Motionär erklärte, dass viele Gesundheitsrisiken und psychische Störungen bereits im Kinder- und Jugendalter entstünden. Die Schweiz verfüge zwar über ein gut funktionierendes Gesundheitssystem, trotzdem seien die Chancen von Kindern und Jugendlichen, «ihr volles Gesundheitspotential» ausschöpfen zu können, nicht gleichmässig verteilt. Die Gesundheitsförderung und Prävention sei in keiner anderen Lebensphase so effektiv, nachhaltig und wirtschaftlich effizient wie im Kinder- und Jugendalter. Die geforderte Strategie würde unter anderem zu einer besseren Koordination von bereits realisierten Massnahmen und zur Schliessung von Datenlücken beitragen. Da die Gesundheit nicht allein durch die Gesundheitspolitik, sondern auch durch die Rahmenbedingungen, die Betreuung und das Umfeld der Kinder und Jugendlichen bestimmt werde, gelte es zudem, diese Politikbereiche in die Strategie miteinzubeziehen. Gesundheitsminister Alain Berset erklärte, dass mit dem Nationalen Gesundheitsbericht 2020 bereits ein Fahrplan für dieses Thema bestehe. Weiter gab er zu bedenken, dass eine neue Strategie mit einem erheblichen Ressourcenaufwand und nur einem geringen Mehrwert einhergehen würde. Daher empfehle der Bundesrat, den Vorstoss abzulehnen. Ungeachtet dieser Worte nahm die grosse Kammer die Motion mit 110 zu 77 Stimmen an. Dabei stammten die Ja-Stimmen aus dem Lager der SP-, GLP-, Mitte- und Grünen-Fraktionen, die FDP- und SVP-Fraktionen lehnten das Geschäft hingegen ab.

Nationale Strategie für Kinder und Gesundheit (Mo. 19.4070)

Mittels einer im September 2019 eingereichten Motion forderte Benjamin Roduit (mitte, VS) eine Schweizer Kohortenstudie zur Untersuchung der Gesundheit von Kindern und Jugendlichen. Während der Behandlung des Geschäfts durch den Nationalrat in der Herbstsession 2021 erläuterte der Walliser sein Anliegen. Im Rahmen einer Kohortenstudie solle eine grosse Anzahl Kinder und Jugendlicher über einen längeren Zeitraum hinweg beobachtet werden. Dabei sollen Faktoren untersucht werden, die einen Einfluss auf das Risiko der Entwicklung von Krankheiten haben. Eine solche Kohortenstudie diene als wichtiges Referenzinstrument für die Forschung im Bereich der öffentlichen Gesundheit. Kenne man die Gesundheit von Kindern und Jugendlichen, könnten im Gesundheitswesen langfristig erhebliche Einsparungen erzielt werden. Eine solche Studie fehle allerdings bislang, so würden beispielsweise im Rahmen der vom Bundesrat häufig zitierten «Health Behaviour in School-aged Children»-Studien jedes Mal andere Kinder untersucht. Bundesrat Alain Berset gab zu, dass es in diesem Bereich Lücken gebe. Dennoch empfahl er die Motion zur Ablehnung, da das angestrebte Ziel auf anderen Wegen erreicht werden könne. Dabei verwies er auf das Postulat Roduit über «Die Auswirkungen von Covid-19 auf die Gesundheit von Kindern und Jugendlichen» und auf den Nationalen Gesundheitsbericht 2020. Mit 106 zu 80 Stimmen (bei 1 Enthaltung) nahm der Nationalrat die Motion an. Während sich die Fraktionen der SP, Grünen, GLP und Mitte geschlossen bzw. grossmehrheitlich für die Motion aussprachen, lehnten die SVP- und die FDP-Fraktion den Vorstoss geschlossen ab.

Schweizer Kohortenstudie zur Untersuchung der Gesundheit von Kindern und Jugendlichen (Mo. 19.4069)

Eine grössere Versorgungssicherheit bei Impfstoffen wollte Bea Heim (sp, SO) mittels einer Motion erreichen, die sie im September 2019 – und somit noch vor der Covid-19-Pandemie – einreichte. Der Fokus soll dabei auf Impfstoffe gelegt werden, bei denen ein Risiko für Versorgungsengpässe bestehe. Weiter forderte die Motionärin einen zentralen Einkauf, mehrjährige Lieferverträge und garantierte Mengen sowie die Beschleunigung der Zulassung EMA-geprüfter Impfstoffe. Der Vorstoss wurde gut zwei Jahre nach dessen Einreichung im Nationalrat diskutiert. Angelo Barrile (sp, ZH), welcher die Motion nach dem Ausscheiden Heims aus der grossen Kammer übernommen hatte, veranschaulichte am Beispiel des Mangels an Impfungen gegen Starrkrampf und Keuchhusten, was es bedeutet, wenn es zu einem Lieferengpass kommt. Es sei an der Ärzteschaft gewesen, über die Verteilung des verfügbaren Impfstoffes zu entscheiden, wobei die Empfehlung herausgegeben worden sei, werdende Eltern zu bevorzugen und Seniorinnen und Senioren zu vertrösten. So etwas dürfe in der Schweiz nicht wieder geschehen, erklärte Barrile. Gesundheitsminister Berset führte aus, dass die Situation nun eine ganz andere sei als noch bei der Stellungnahme des Bundesrates im November 2019. Trotzdem beantrage die Landesregierung weiterhin die Ablehnung des Geschäfts. Grund dafür sei, dass sich eine ganze Reihe an Massnahmen bereits in Umsetzung befinde. So diskutiere man in Zusammenarbeit mit dem BWL und Swissmedic zwanzig Massnahmen zur Verbesserung der Versorgung. Bei einer der geplanten Massnahmen handle es sich um den zentralen Einkauf, welcher allerdings nicht alleine, sondern zusammen mit anderen Massnahmen beurteilt werden müsse. Die Corona-Pandemie habe zudem gezeigt, dass der zentrale Einkauf im Krisenfall etwas sei, das funktioniert. Was das vereinfachte Zulassungsverfahren betreffe, so schliesse dieses seit Inkrafttreten der letzten Änderung des Heilmittelgesetzes auch Impfstoffe mit ein, womit diese Forderung bereits adressiert werde. Eine Evaluation der Wirksamkeit der ergriffenen Massnahmen erfolge auf Ende 2020. Ebenfalls für die Ablehnung der Motion spreche der Bundesratsbeschluss vom Mai 2021 zur Ausarbeitung einer Strategie zur langfristigen Sicherung der Versorgung der Schweiz mit Impfstoffen, mit der das EDI und das WBF beauftragt worden seien. Der Nationalrat liess sich vom Bundesrat jedoch nicht überzeugen und nahm die Motion mit 137 zu 44 Stimmen (bei 8 Enthaltungen) an. Dabei stammten alle ablehnenden Stimmen aus der SVP-Fraktion.

Versorgungssicherheit bei Impfstoffen (Mo. 19.4131)

Ende September 2019 reichte Verena Herzog (svp, TG) eine Motion mit dem Titel «Stärkung der Kinder- und Jugendmedizin. Versorgungsforschung und Massnahmenplanung zur Sicherstellung der Behandlung von Kindern und Jugendlichen» ein. Die Motion enthielt drei Forderungen: Erstens verlangte sie einen periodisch zu erteilenden Forschungsauftrag durch den Bund, der sich auf das Versorgungsangebot in der Kinder- und Jugendmedizin bezieht. Zweitens forderte sie vom BAG das periodische Verfassen eines Berichts, wie sich der Versorgungsstand in der Kinder- und Jugendmedizin entwickelt. Dabei soll die Situation im ambulanten und im stationären Bereich für die einzelnen Kantone einerseits betreffend Grundversorgenden und andererseits betreffend allen weiteren Fachdisziplinen dargelegt werden. Drittens soll der Bund den Kantonen im Bereich seiner Zuständigkeiten beim Ergreifen von Massnahmen, die darauf abzielen, die Unterversorgung mittelfristig zu verringern und langfristig zu beseitigen, unter die Arme greifen. Herzog begründete die Notwendigkeit ihres Geschäfts damit, dass zurzeit eine «akute Unterversorgung» im Bereich der Kindermedizin existiere, die sich in Zukunft verschärfen werde. Mit der geforderten Versorgungsforschung würden Bund und Kantonen die erforderlichen Grundlagen erhalten, um in ihren jeweiligen Zuständigkeitsbereichen adäquate Massnahmen zu beschliessen. Die Motion wurde in der Herbstsession 2021 vom Nationalrat behandelt. Herzog konfrontierte den Bundesrat in ihrem Votum damit, dass, anders als von der Regierung in ihrer Stellungnahme dargestellt, die Anliegen der Motion bislang nicht oder höchstens teilweise erfüllt seien. Gesundheitsminister Berset wiederum hielt daran fest, dass man sich zwar den Herausforderungen in der Kinder- und Jugendmedizin bewusst sei, dass die Ziele des Vorstosses jedoch bereits erreicht worden seien oder in verschiedenen Projekten – beispielsweise im Mandat zum Ärztemonitoring 2021–2025 – umgesetzt würden. Zudem falle die medizinische Versorgung in den Zuständigkeitsbereich der Kantone. Daher empfahl der Bundesrat, die Motion abzulehnen. Trotz dieser Einwände nahm die grosse Kammer den Vorstoss mit 148 zu 26 Stimmen (bei 2 Enthaltungen) an. Die ablehnenden Stimmen stammten grösstenteils von Mitgliedern der FDP.Liberalen-Fraktion.

Stärkung der Kinder- und Jugendmedizin. Versorgungsforschung und Massnahmenplanung zur Sicherstellung der Behandlung von Kindern und Jugendlichen (Mo. 19.4134)

Als Zweitrat befasste sich der Ständerat in der Herbstsession 2021 mit einer Motion Graf (sp, BL) zur One-Health-Strategie mit systemischer Erforschung der Verbreitung von Antibiotikaresistenzen. Als Kommissionssprecherin ergriff die Motionärin gleich selbst das Wort. Die SGK-SR spreche sich mit 8 zu 0 Stimmen (bei 3 Enthaltungen) für das Geschäft aus, da es sich bei der Wirksamkeitsbewahrung von Antibiotika und beim Vorbeugen von Resistenzen um eine essenzielle gesundheitspolitische Aufgabe handle. In diesem Kontext strich die Baselbieterin die Bedeutung der Zusammenhänge zwischen Mensch, Tier, Pflanzen und der gemeinsamen Umwelt im Rahmen des One Health-Ansatzes hervor. Antibiotikaresistenzen würden zwar bereits in mehreren Forschungsprojekten aufgegriffen, Untersuchungen, welche dem besseren Verständnis der komplexen systematischen Zusammenhänge dienten, fehlten indes bislang. Gesundheitsminister Berset unterstützte die Motion. Er hob den politischen Ansatz des Vorstosses hervor, mit dem die Gesundheit von Mensch und Tier zusammengebracht werden soll. Seit 2013 umfasse das EDI nicht nur das BAG, sondern auch das BLV, wodurch Synergien geschaffen worden seien. Mit der Unterstützung des Parlaments wolle man den eingeschlagenen Weg gerne weiterverfolgen. Im Anschluss an diese Wortmeldung nahm der Ständerat die Motion stillschweigend an.

One Health Strategie mit systemischer Erforschung der Verbreitung von Antibiotika-Resistenzen (Mo. 19.3861)

Im Zusammenhang mit der parlamentarischen Initiative Wehrli (fdp, VD; Pa.Iv. 19.463) reichte eine Mehrheit der WBK-NR im Januar 2021 ein Postulat ein, mit dem sie den Bundesrat dazu aufforderte, eine Auslegeordnung zu den bestehenden nationalen und kantonalen Angeboten zu «Jugend und Ernährung», zu deren Finanzierung sowie zu deren Zielgruppen vorzunehmen. Im Bericht sollen zudem Angebotslücken identifiziert und Massnahmen dargelegt werden, welche einer verbesserten Koordination und Kommunikation der Angebote dienen könnten. Das Geschäft kam in der Sommersession 2021 in den Nationalrat, wo Kommissionssprecherin Sandra Locher Benguerel (sp, GR) die Relevanz gesunder Ernährung betonte. Gerade bei der Koordination der vielen bereits existierenden Angebote sah sie Handlungsbedarf. So erhoffte sie sich durch eine verstärkte Koordination unter anderem eine Erhöhung der Wirksamkeit der Massnahmen, das Erreichen von jungen Menschen «möglichst aller Bevölkerungsgruppen», die Nutzung von Synergien und eine erhöhte Sichtbarkeit der Angebote. Eine Kommissionsminderheit rund um Alois Huber (svp, AG) zeigte sich indes nicht einverstanden mit dem Postulat. Huber war der Ansicht, es existiere bereits ein breites Angebot an Möglichkeiten, um sich Informationen über eine gesunde Ernährung einzuholen. Was hingegen nicht vorhanden sei, sei der Wille zur Umsetzung durch die Bevölkerung. Daher würden allfällige Anstrengungen seitens des Bundes, der Kantone, Gemeinden und Stiftungen auch keine Wirkung zeigen. Gesundheitsminister Berset lehnte das Postulat im Namen des Bundesrates ebenfalls ab. Für junge Personen bestehe bereits ein vielfältiges und bekanntes Angebot im Bereich Lebensmittel, das leicht zugänglich sei. In diesem Zusammenhang nannte er etwa die Schweizer Ernährungsstrategie 2017–2024, kantonale Aktionsprogramme zu Ernährung und Bewegung sowie die Stiftung Gesundheitsförderung Schweiz. Der verlangte Bericht schaffe daher keinen Mehrwert, befürchtete er. Nichtsdestotrotz nahm die grosse Kammer das Postulat mit 108 zu 63 Stimmen (bei 4 Enthaltungen) an.

Jugend und gesunde Ernährung durch verstärkte Koordination und Kommunikation stärken (Po. 21.3005)

Die WBK-NR reichte im April 2021 mit 14 zu 8 Stimmen (bei 2 Enthaltungen) ein Postulat mit dem Titel «Psychische Gesundheit unserer Jugend stärken» ein. Konkret forderte sie die Erstellung eines dringlichen Berichts zu den Auswirkungen der Coronakrise auf die psychische Gesundheit ebengenannter Gruppe, zu Massnahmen zu deren Wahrung sowie zur Sicherstellung der entsprechenden Versorgung von Kindern und Jugendlichen. Anlässlich der Sommersession 2021 nahm sich der Nationalrat des Geschäfts an. Kommissionssprecherin Sandra Locher Benguerel (sp, GR) erklärte, eine Mehrheit der Kommission erachte es als zentral, einen bis anhin fehlenden Gesamtüberblick über die vorliegende Lage in der Schweiz zu schaffen. Fachkäfte und -gremien würden immer wieder Besorgnis über die psychische Gesundheit von Kindern und Jugendlichen bekunden. Nadja Umbricht Pieren (svp, BE) führte indes für die Kommissionsminderheit aus, dass sie es zwar nicht verneine, dass es sich um eine anspruchsvolle Zeit für die betroffene Altersgruppe handle. Dennoch gehe sie davon aus, dass sich der Grossteil der Personen schnell wieder erholen werde. Bei Kindern und Jugendlichen, bei welchen dies nicht der Fall sei, sei die Krankheit allenfalls durch die Pandemie ausgelöst, nicht aber verursacht worden. Sie sehe daher keine Notwendigkeit für einen Bericht. Anderer Meinung war Gesundheitsminister Berset. Er betonte, der Bundesrat habe in seinen Corona-Massnahmen ein besonderes Augenmerk auf die Gesundheit und Entwicklung von Kindern, Jugendlichen und jungen Erwachsenen gelegt. Nach der ersten Welle sei es beispielsweise nicht mehr zu Schulschliessungen gekommen und man habe die finanzielle Unterstützung für Angebote wie denjenigen von Pro Juventute ausgebaut. Trotz dieses Fokus sei es im Interesse des Bundesrates, zu wissen, was passiert sei und auf welche Weise sich dies korrigieren lasse. Damit wolle die Landesregierung auch der Kritik begegnen, die ihr gegenüber – teilweise politisch motiviert – geäussert worden sei. Folglich beantrage der Bundesrat die Annahme des Postulats. Die grosse Kammer kam diesem Antrag mit 116 zu 59 Stimmen (bei 4 Enthaltungen) nach.

Psychische Gesundheit unserer Jugend stärken (Po. 21.3457)

Aufgrund des von den «Freunden der Verfassung» ergriffenen Referendums stimmte die Schweizer Stimmbevölkerung im Juni 2021 über das Covid-19-Gesetz ab. Dieses enthielt einerseits die Regelungen zu den Unterstützungsmassnahmen für die Unternehmen und die Bevölkerung (u.a. Härtefallhilfen, Covid-Erwerbsersatz, Kurzarbeitsentschädigung), andererseits Ermächtigungen für den Bundesrat, zeitlich begrenzt von bestehenden Gesetzen abzuweichen. Während der erste Teil auch bei den Gegnerinnen und Gegnern unumstritten war, kritisierten sie den zweiten Teil stark. Dieser Teil enthielt beispielsweise Regelungen zur Einschränkungen von Behandlungen in den Spitälern, zur Abweichungen von gesetzlichen Fristen, zur elektronischen Durchführungen von Generalversammlungen von Unternehmen oder zu Einschränkungen im Asylbereich. Das Covid-19-Gesetz war nun insofern speziell, als Gesetze üblicherweise erst nach Ablauf der Referendumsfrist in Kraft treten. Da das Gesetz jedoch von einer Mehrheit der Mitglieder beider Kammern dringlich erklärt worden war, war es gleich nach Annahme im Parlament im September 2020 in Kraft getreten – was die Abstimmung darüber gemäss Tages-Anzeiger zu einer «demokratiepolitische[n] Kuriosität» machte. Zusätzlich speziell war, dass das Covid-19-Gesetz zum Zeitpunkt der Abstimmung vom Parlament bereits zweimal revidiert worden war – einmal in der Wintersession 2020 und einmal in der Frühjahrssession 2021. Da das Gesetz mit den Corona-bedingten Veränderungen Schritt halten müsse, seien verschiedene Teile des Gesetzes zum Zeitpunkt der Abstimmung gar nicht mehr in Kraft, betonte der Tages-Anzeiger. Zudem würde das Gesetz bei einer allfälligen Ablehnung an der Urne nicht per sofort ausser Kraft treten, sondern ein Jahr nach seiner Inkraftsetzung, also am 25. September 2021. Die meisten Regelungen des Gesetzes sind auf Ende 2021 befristet, lediglich einzelne dieser Regelungen würden bis Ende 2023 (etwa Regelungen zur Kurzarbeit) oder gar bis Ende 2031 (Regelungen zu den Covid-Krediten) gültig bleiben.

Der Abstimmungskampf zum Referendum gegen das Covid-19-Gesetz war nun geprägt von der Frage, worüber am 13. Juni 2021 genau abgestimmt wird. So betonten die Gegnerinnen und Gegner des Gesetzes im Abstimmungsbüchlein, dass mit dem Referendum sichergestellt werden solle, dass die Stimmbürgerinnen und Stimmbürger «die höchste Instanz im Land» bleiben. Mit der Ablehnung des Covid-19-Gesetzes solle man zeigen, «dass Krisenmanagement gegen das Volk in der Schweiz nicht geht». So befürchteten sie, dass der Bundesrat das Notrecht durch das Gesetz unnötig verlängern würde und man durch eine Annahme des Gesetzes die bisherige bundesrätliche Corona-Politik legitimiere. Andreas Glarner (svp, AG) etwa argumentierte, dass man dem Bundesrat damit einen Blankocheck für weitere Einschränkungen gebe und sprach sich damit gegen das Gesetz aus – die SVP selbst entschied sich in der Folge für Stimmfreigabe. Gegen diese Argumentationen wehrten sich die Befürworterinnen und Befürworter des Gesetzes, da sie in ihren Augen am Covid-19-Gesetz vorbeizielten. So würden die Gegnerinnen und Gegner insbesondere die Corona-Massnahmen des Bundesrates kritisieren, etwa die Schliessung der Restaurants oder Läden, die jedoch nicht im Covid-19-Gesetz geregelt seien, sondern im 2013 von der Stimmbürgerschaft angenommenen Epidemiengesetz. Diese Bestimmungen würden somit durch eine Ablehnung des Gesetzes auch nicht aufgehoben. Der Kampf gegen das Gesetz stelle gemäss den Befürwortenden folglich bloss eine Art «Stellvertreterkrieg» dar, in dem sich die Gegnerinnen und Gegner ein Misstrauensvotum gegen die bundesrätliche Covid-Politik oder einen Denkzettel an den Bundesrat wünschten.
Die Gegnerschaft kritisierte aber durchaus auch verschiedene Aspekte des Gesetzes selbst: So fürchteten sie eine Diskriminierung oder gar einen Verlust der Grundrechte von ungeimpften Personen aufgrund des Covid-19-Zertifikats, da mit diesem eine Zweiklassengesellschaft, ja gar eine «neue Form der Apartheid», geschaffen werde. Zudem diene das Contact Tracing über die SwissCovidApp zur Massenüberwachung, wie die beiden Co-Präsidenten der «Freunde der Verfassung», Marion Russek und Werner Boxler, in der Weltwoche betonten. Das anfängliche Argument, wonach es aufgrund des Gesetzes zu einer verkürzten Prüfung von Impfstoffen kommen könnte, liess das Komitee nach einer Weile fallen – der Bundesrat hatte erklärt, dass es in der betreffenden Regelung einzig um Arzneimittel, nicht aber um Impfstoffe gehe.
Neben einzelnen Bestimmungen kritisierte die Gegnerschaft aber auch die Verbindung der Unterstützungsmassnahmen mit den zusätzlichen Ermächtigungen für den Bundesrat, da man den Stimmbürgerinnen und Stimmbürgern damit die Möglichkeit nehme, Ersteren zuzustimmen und Letztere abzulehnen. Gleichzeitig betonten sie, dass eine Ablehnung des Covid-19-Gesetzes an der Urne nicht das Ende der Unterstützungsmassnahmen bedeute – was das Hauptargument der Befürworterinnen und Befürworter darstellte. So könne das Parlament die Unterstützungsmassnahmen durch die Annahme einer Motion von Pirmin Schwander (svp, SZ; Mo. 21.3402) innert kürzester Frist in ein eigenes Gesetz giessen. Diese Argumentation teilten die Befürwortenden nicht, vielmehr warnten sie vor drastischen Folgen durch die Ablehnung des Gesetzes: Das vorzeitige Ende der Unterstützungsmassnahmen der Wirtschaft führe nämlich zu einem starken Anstieg der Konkurse, der Arbeitslosigkeit und der Sozialhilfequote. Zwar könne das Parlament allenfalls ein neues Gesetz beschliessen, dabei müsse es sich aber um ein ordentliches Gesetz handeln – ein weiteres dringliches Gesetz sei nicht möglich –, erklärte der Bundesrat. Ein solches könne aber unter anderem aufgrund der Referendumsfrist nicht vor dem 25. September 2021 in Kraft gesetzt werden. Somit käme es bei einer Ablehnung des Covid-19-Gesetzes zu einem Unterbruch der Unterstützungsmassnahmen. Auch der Bundesrat betonte zur Lancierung seines Abstimmungskampfes an einer Pressekonferenz, bei der unter anderem Gesundheitsminister Berset und Bundespräsident Parmelin sowie KdK-Präsident Rathgeb (GR, fdp) anwesend waren, dass das Covid-19-Gesetz die einzige rechtliche Grundlage zur Unterstützung der Betroffenen sei und dessen Ablehnung grosse Unsicherheiten bei Unternehmen und Arbeitnehmenden auslösen würde. Christian Rathgeb verwies auf die zentrale Bedeutung des Gesetzes für die Kantone und mahnte vor einem Bauchentscheid: «Die Menschen brauchen jetzt nicht einen Denkzettel, sondern konkrete finanzielle Unterstützung.»
Die Befürworterinnen und Befürworter wehrten sich auch gegen den Diktatur-Vorwurf der Gegnerschaft an den Bundesrat. So werde das Notrechtregime durch das Covid-19-Gesetz nicht verlängert, sondern wie von der Verfassung verlangt in ordentliches Recht überführt – das entsprechend auch vom Parlament verabschiedet worden sei. «Alles läuft, wie es die Verfassung vorsieht – auch wenn die «Freunde der Verfassung» das nicht wahrhaben wollen», betonte etwa die NZZ. «Wenn dies die Basis für eine Diktatur sein soll, wird es eine ebenso lächerliche wie grosszügige Diktatur sein – eine Diktatur, in der es für fast jeden Zweck Milliardenhilfen gibt und für jeden LKW-Fahrer eine Toilette», verteidigte dieselbe Zeitung das Gesetz mit Verweis auf eine spezifische Regelung im Covid-19-Gesetz zum Toilettenzugang von LKW-Fahrerinnen und -Fahrern.

Zu breiteren medialen Diskussionen im Abstimmungskampf führte auch das Abstimmungsbüchlein: Die Gegnerinnen und Gegner des Gesetzes kritisierten, dass hier das ursprüngliche Covid-19-Gesetz aufgeführt worden war, obwohl dieses in der Zwischenzeit bereits mehrfach revidiert worden war. Dies sei aber insofern korrekt, als das Referendum zum ursprünglichen Gesetz gefasst worden sei – auch wenn die Ablehnung des Gesetzes auch die Revisionen ausser Kraft setzen würde, war der mediale Konsens in dieser Frage. Ansonsten stand das Referendum zum Covid-19-Gesetz deutlich im Schatten der gleichzeitig stattfindenden Abstimmungen zum CO2-Gesetz, zur Trinkwasser- und zur Pestizidinitiative sowie zum kaum beworbenen Bundesgesetz über polizeiliche Massnahmen zur Bekämpfung von Terrorismus. Die Studie des fög zählte etwa eine vergleichsweise geringe Anzahl Zeitungsartikel zum Covid-19-Gesetz, deren Tonalität leicht positiv war. Auch in den Inseratespalten schnitt das Covid-19-Gesetz unterdurchschnittlich ab, wie die Studie von Année Politique Suisse zeigte. Die Vorumfragen der SRG (67% Ja respektive 64% Ja) und von Tamedia (66%, 67%, 69%) liessen schliesslich kaum Zweifel an einer Annahme des Gesetzes aufkommen.

In der Zwischenzeit hatten die EDU, die «Freunde der Verfassung», das Aktionsbündnis «Urkantone für eine vernünftige Corona-Politik» sowie die Gruppe «Mass-voll» die Nein-Parole ausgegeben. Die SVP hatte unter grossem medialen Interesse bereits im März 2021 entschieden, Stimmfreigabe zu erteilen, da sie «die negativen Folgen einer Ablehnung [als] grösser [erachtete] als die einer Zustimmung». Verschiedene Kantonalsektionen wichen jedoch von dieser Parole ab, so sprachen sich die Sektionen der Kantone Bern, Luzern, Waadt und Wallis für eine Annahme und die Sektionen der Kantone Appenzell-Innerrhoden, Basel-Landschaft, Schwyz und Zürich sowie die Junge SVP für eine Ablehnung aus. Ansonsten traf das Covid-19-Gesetz weitgehend auf Unterstützung, etwa durch sämtliche anderen grösseren Parteien (EVP, FDP, GLP, GPS, Mitte, SP) und zahlreiche grösseren Verbände wie Economiesuisse, SGB und Travailsuisse, aber auch durch den SGV oder GastroSuisse.

Am Abstimmungssonntag sollte sich das Bild aus den Vorumfragen bestätigen: Mit 60.2 Prozent bei einer Stimmbeteiligung von 59.7 Prozent sprachen sich die Stimmbürgerinnen und Stimmbürger für das Covid-19-Gesetz aus. Zwar war kein Ständemehr nötig, dennoch verdeutlichte die Ablehnung der Vorlage in den Kantonen Uri (45.1%), Schwyz (40.9%), Nidwalden (48.6%), Obwalden (43.3%), Glarus (49.1%), Appenzell Ausserrhoden (47.0%), Appenzell Innerrhoden (39.2%) und Thurgau (49.9%) die Unterschiede zwischen den Regionen: So lag die Zustimmung in der Romandie mit 65.5 Prozent und in der italienischsprachigen Schweiz mit 68.8 Prozent beispielsweise deutlich höher als in der Deutschschweiz (58.3 Prozent).
Die Medien waren sich nicht sicher, wie dieses Resultat zu interpretieren war. Einerseits wurde von einem «Achtungserfolg der Gegner» (AZ) gesprochen – insbesondere da diese nicht von einer grossen Partei unterstützt worden seien (TdG) –, andererseits sei die Abstimmung zuvor als «Plebiszit über die generelle Corona-Politik des Bundesrates» angepriesen worden, weshalb das Resultat nun als Bestätigung ebendieser durch die Stimmbürgerschaft verstanden werden könne (NZZ). Einig war man sich jedoch mehrheitlich, dass dies nicht als Blankocheck für den Bundesrat verstanden werden dürfe – zugleich forderte unter anderem die SVP weitere Lockerungen der Corona-Massnahmen.


Abstimmung vom 13. Juni 2021

Beteiligung: 59.7%
Ja: 1'936'344 Stimmen (60.2%)
Nein: 1'280'128 Stimmen (39.8%)

Parolen:
- Ja: EVP, FDP, GLP, GPS, KVP, Mitte, PdA, SPS; Economiesuisse, Gemeindeverband, KdK, SAV, SGB, SGV, SSV, TravailSuisse, VPOD, GastroSuisse
- Nein: EDU; «Freunde der Verfassung», Aktionsbündnis «Urkantone für eine vernünftige Corona-Politik», «Mass-voll»
- Stimmfreigabe: SD, SVP*
* verschiedene abweichende Kantonalsektionen: Ja: SVP BE, SVP LU, SVP NE, SVP VD, SVP VS; Nein: SVP AI, SVP BL, SVP SZ, SVP ZH, JSVP CH


Die Nachabstimmungsbefragung von gfs.bern zeigte einige Wochen später, dass die Vorlage von Personen unter 40 Jahren, von Sympathisantinnen und Sympathisanten der SVP sowie von Personen mit geringem bis mittlerem Vertrauen in den Bundesrat mehrheitlich abgelehnt worden war. Als Hauptgrund für ihre Ablehnung nannten die Befragten das Missbrauchspotenzial des Gesetzes (15% der Antworten), während die Befürwortenden vor allem auf die Notwendigkeit einer Gesetzesgrundlage (16%) sowie der finanziellen Unterstützung (12%) verwiesen.

Noch am Abstimmungssonntag kündigten die Junge SVP und die «Freunde der Verfassung» überdies bereits ein Referendum zur zweiten Revision des Covid-19-Gesetzes und damit hauptsächlich zum Covid-19-Zertifikat an. Die zweite Revision war Mitte März 2021 vom Parlament verabschiedet worden, weshalb die Referendumsfrist nur noch drei Wochen andauerte. Die beiden Komitees zeigten sich überzeugt, dass man die nötigen 50'000 Unterschriften innert dieser kurzen Frist zusammenbekommen werde.

Bundesgesetz über die gesetzlichen Grundlagen für Verordnungen des Bundesrates zur Bewältigung der Covid 19-Epidemie (Covid-19-Gesetz; BRG 20.058)
Dossier: Covid-19-Gesetz und Revisionen

Im November 2020 reichte die WBK-NR ein Postulat ein, mit dem sie die Stärkung der Nationalen Strategie Sucht durch einen Einbezug der Cyberabhängigkeit forderte, wobei die Bereiche Bildung, Prävention, Behandlung und Risikoverminderung berücksichtigt werden sollen. Der Bundesrat erklärte in seiner schriftlichen Stellungnahme, dass die Erarbeitung eines Massnahmenpakets, welches nur eine Suchtform zum Gegenstand habe, einem «suchtformübergreifenden Ansatz», wie er bei der Nationalen Strategie Sucht angedacht sei, zuwiderlaufe. Anstatt jeder Suchtform individuell zu begegnen, bedürfe es einer spezifischen Prävention pro Altersgruppe und Lebenswelten. Zudem setze sich der Bund bereits mit dem Thema «Cyberabhängigkeit» auseinander. Ein Beispiel dafür sei die Expertengruppe «Onlinesucht», die anlässlich der Postulate Forster-Vannini (fdp, SG; Po. 09.3521) und Schmid-Federer (cvp, ZH; Po. 09.3579) ins Leben gerufen worden sei. Folglich lehne er das Postulat ab. Dieser Antrag war im Nationalrat jedoch nicht erfolgreich. Diskussionslos nahm die grosse Kammer das Geschäft in der Sommersession 2021 mit 123 zu 60 Stimmen (bei 2 Enthaltungen) an, nachdem dieses im Rahmen der Eintretensdebatte des Bundesratsgeschäfts 20.069 diskutiert worden war.

Stärkung der Nationalen Strategie Sucht durch den Einbezug der Cyberabhängigkeit (Po. 20.4343)

Nachdem das Parlament den indirekten Gegenvorschlag zur Pflegeinitiative in der Frühjahrssession verabschiedet hatte, musste der Ständerat in der Sommersession 2021 noch über die Volksinitiative selbst befinden – der Nationalrat hatte seine ablehnende Empfehlung bereits in der Wintersession 2019 gefällt. Kommissionssprecher Erich Ettlin (mitte, OW) fasste noch einmal die Anliegen des Initiativkomitees zusammen und legte dar, inwiefern diese Forderungen im Gegenvorschlag aufgenommen worden waren. Er sei der Ansicht, dass man dem Initiativkomitee bereits «weit entgegengekommen» sei, weshalb die SGK-SR die Initiative zur Ablehnung empfehle. Marina Carobbio Guscetti (sp, TI) erklärte als Mitglied des Initiativkomitees, dass zwar die beiden Punkte zur Ausbildungsoffensive und zur Vergütung gewisser Pflegeleistungen durch die OKP ohne die Notwendigkeit einer ärztlichen Anordnung in den indirekten Gegenvorschlag integriert worden seien, dass aber mit den verbesserten Arbeitsbedingungen ein zentraler Aspekt der Initiative im Gegenvorschlag fehle. Es sei daher noch offen, ob das Initiativkomitee die Initiative zurückziehen werde. Für Gesundheitsminister Berset stand die Relevanz der Pflegebranche ausser Frage, er gab allerdings unter anderem zu bedenken, dass es nicht ideal sei, Details in die Verfassung zu schreiben, die einen Effekt auf bestimmte Berufsgruppen hätten. Vielmehr seien dazu andere Mittel und Wege nötig. Mit 28 zu 14 Stimmen empfahl das Stöckli die Initiative daraufhin den Stimmbürgerinnen und Stimmbürgern zur Ablehnung. In den beiden Schlussabstimmungen, welche noch in der gleichen Session stattfanden, sprachen sich die grosse Kammer mit 116 zu 74 Stimmen (bei 6 Enthaltungen) und die kleine Kammer mit 30 zu 14 Stimmen für den Bundesbeschluss auf Empfehlung zur Ablehnung aus.

Für eine starke Pflege (Pflegeinitiative). Volksinitiative und indirekter Gegenvorschlag (BRG 18.079 & Pa.Iv. 19.401)
Dossier: Die Pflegeinitiative und ihre Umsetzung

Während der Sondersession im Mai 2021 stand eine Motion Roduit (mitte, VS), die das Trinken von Wasser und natürlichen Fruchtsäften fördern wollte, auf der Traktandenliste des Nationalrates. Der Motionär argumentierte, es sei gerade die junge Bevölkerung, die vorwiegend zuckerhaltige Getränke und nur wenig Obst und Gemüse zu sich nehme. Sie solle folglich besonders angesprochen werden. Sein Geschäft gelte es neben gesundheitlichen, wirtschaftlichen, sozialen und politischen Gründen auch der Umwelt zuliebe anzunehmen. Die zurzeit in diesem Themenbereich vorgesehenen Massnahmen liessen gemäss Roduit zu wünschen übrig. So griffen mehrere Projekte, die im Zusammenhang mit der Schweizer Ernährungsstrategie 2017–2024 realisiert würden, nur unzureichend und seien schlecht verbreitet. Es bedürfe stattdessen der Verbreitung und Unterstützung konkreter Projekte. Als Beispiel führte Roduit die Installation von Wasserbrunnen in Schulen auf. Gesundheitsminister Berset erachtete die Motion hingegen als überflüssig. Er erklärte, dass bereits einiges unternommen worden sei und man sich mit diesen Entwicklungen auf dem richtigen Weg befinde. Der Konsum von Fruchtsäften entspreche ungefähr der empfohlenen Menge und sollte angesichts der Tatsache, dass Saft ebenfalls über Zucker und Kalorien verfügt, nicht erhöht werden. Daher empfehle der Bundesrat, das Geschäft abzulehnen. Diesem Votum folgte die grosse Kammer mit 92 zu 80 Stimmen (bei 8 Enthaltungen).

Trinken von Wasser und natürlichen Fruchtsäften fördern (Mo. 19.3623)

In der Sondersession Anfang Mai 2021 befasste sich der Nationalrat mit einer Motion Heim (sp, SO), welche den Bundesrat dazu auffordern wollte, gemeinsam mit den medizinischen Fachgesellschaften sicherzustellen, dass den vernachlässigten Aspekten, welche die Diagnose, Indikation, Therapie, Forschung und Prävention im Bereich der geschlechtsspezifischen Medizin betreffen, angemessen begegnet wird. Nach dem Ausscheiden Heims aus der grossen Kammer war das Geschäft von Martina Munz (sp, SH) übernommen worden. Munz erläuterte in der Ratsdebatte, dass es geschlechtsspezifische Unterschiede bezüglich «Prävalenz, Manifestation und Verlauf von Krankheiten» gebe. Trotzdem kämen Frauen in der medizinischen Forschung zu kurz, da nach wie vor der Mann als «Prototyp» gelte. Dies habe beispielsweise zur Folge, dass Frauen bei einem Herzinfarkt über «ein signifikant höheres Todesrisiko» verfügten, weil sie oftmals andere Symptome aufwiesen. Gesundheitsminister Berset bat die Volkskammer, die Motion abzulehnen. Einerseits sei nicht in erster Linie der Bund für die Umsetzung der entsprechenden Massnahmen zuständig, vielmehr liege diese im Verantwortungsbereich der medizinischen Fachgesellschaften und der Forschung. Andererseits beinhalte das Geschäft einen Strauss an heterogenen Themen, was ein formales Problem darstelle. Diesem Votum kam der Nationalrat mit 95 zu 79 Stimmen (bei 5 Enthaltungen) nach.

Homo mensura. Der Mann, das Mass in Forschung und Medizin? (Mo. 19.3577)

In der Frühjahrssession 2021 beschäftigte sich der Nationalrat mit einem Postulat Reynard (sp, VS), welches die Prüfung einer möglichen Anpassung des UVG forderte, um das Burnoutsyndrom als Berufskrankheit anzuerkennen und dessen Prävention zu fördern. Reynard hatte das Postulat als eine Art Kompromiss eingereicht, nachdem seine parlamentarische Initiative «Das Burnoutsyndrom als Berufskrankheit anerkennen» abgelehnt worden war. In seiner eingereichten Begründung wie auch während der Ratsdebatte führte der Postulant aus, dass neuste Zahlen zeigten, dass seit 2012 ein Anstieg der Absenzen am Arbeitsplatz aufgrund psychischer Probleme um 50 Prozent zu verzeichnen sei. Das UVG decke das Burnoutsyndrom jedoch nicht ab, weil dieses nicht als Berufskrankheit anerkannt werde. Somit befänden sich Personen, die am Syndrom litten, in einer «nicht wirklich anerkannt[en]» Situation und könnten häufig lediglich von einer beschränkten finanziellen Absicherung durch die OKP ausgehen. Oft würden sie als depressiv eingestuft, was aber nicht einer Burnout-Erkrankung entspreche. Wie bereits von mehreren europäischen Ländern festgestellt und in deren Gesetzgebung angepasst, bestehe vielmehr ein Zusammenhang mit den am Arbeitsplatz vorherrschenden Bedingungen. Der Bundesrat beantragte die Annahme des Postulats.
Ursprünglich war die Behandlung des Geschäfts bereits für die Wintersession 2020 vorgesehen gewesen, das Anliegen war jedoch von Diana Gutjahr (svp, TG) bekämpft worden. Als es sodann in der Frühjahressession 2021 behandelt wurde, argumentierte Gutjahr, dass ein Burnout nicht kausal auf eine berufliche Tätigkeit zurückgeführt werden könne. Es handle sich gewöhnlich um eine «multifaktoriell verursachte Krankheit». Eine Ableitung psychischer Probleme von der Arbeitstätigkeit komme einem «Misstrauensvotum den Arbeitgebern» und -geberinnen gleich. Gesundheitsminister Berset hingegen unterstützte das Geschäft. Beim Burnout handle es sich um eine ständig zunehmende Realität. Es sei daher zentral, über eine Reflexionsgrundlage zu verfügen, welche es einem erlaube zu sehen, ob – und falls ja, wo – Handlungsbedarf bestehe. Eine Mehrheit der grossen Kammer schienen die Worte Gutjahrs allerdings mehr zu überzeugen. Mit 96 zu 87 Stimmen (bei 2 Enthaltungen) stimmte der Nationalrat gegen das Postulat, wobei die bürgerlichen Fraktionen mehrheitlich respektive geschlossen (SVP) eine ablehnende Haltung einnahmen, während sich die Ratslinke und die GLP-Fraktion für das Begehren aussprachen.

Das Burnoutsyndrom als Berufskrankheit anerkennen und die Prävention fördern (Po. 20.3976)

Das elektronische Patientendossier (EPD) soll Vertragsbestandteil bei alternativen Versicherungsmodellen sein können – dies verlangte Lorenz Hess (mitte, BE) mit einer im März 2019 eingereichten Motion. Alternative Versicherungsmodelle weisen eine eingeschränkte Wahlfreiheit bezüglich Leistungserbringenden auf, bringen im Gegenzug aber einen Prämienrabatt mit sich. Hess erhoffte sich von seinem Vorstoss eine Förderung des EPD. Im März 2021 beugte sich der Nationalrat über das Geschäft. Gesundheitsminister Berset hob während der Ratsdebatte hervor, dass dem Bundesrat bewusst sei, dass Massnahmen ergriffen werden müssten, um das EPD zu verbreiten. Seit der Einreichung der Motion sei allerdings einiges geschehen, das in die Richtung der gestellten Forderung gehe. Dabei ging der Gesundheitsminister auf eine angenommene Motion der SGK-NR (Mo. 19.3955), welche die Abschaffung der doppelten Freiwilligkeit zum Gegenstand hat, und auf ein angenommenes Postulat Wehrli (fdp, VD; Po. 18.4328) bezüglich Massnahmen zur Förderung der Verwendung des EPD ein. Es gelte nun, den Bericht in Erfüllung von Letzterem abzuwarten. Trotz dieser Worte nahm die grosse Kammer die Motion mit 118 zu 66 Stimmen (bei 1 Enthaltung) an. Mit Ausnahme einer Ja-Stimme aus der SP-Fraktion respektive einer Nein-Stimme aus dem Mitte-Lager stimmten die Fraktionen der GLP, SVP, FDP und der Mitte geschlossen für die Motion, diejenigen der Grünen und der SP hingegen geschlossen dagegen.

Elektronisches Patientendossier. Verbreitung mit alternativen Versicherungsmodellen fördern (Mo. 19.3130)
Dossier: Digitalisierung im Gesundheitswesen

In der Frühjahrssession 2021 stand die Behandlung einer Motion der SGK-NR, welche im Zusammenhang mit dem elektronischen Patientendossier den Anschluss sämtlicher am Behandlungsprozess beteiligter Gesundheitsfachpersonen an «eine[...] zertifizierte[...] Gemeinschaft oder Stammgemeinschaft» zum Gegenstand hatte, auf der Traktandenliste des Ständerats. Für die SGK-SR erläuterte Damian Müller (fdp, LU), dass sich diese der zustimmenden Haltung ihrer Schwesterkommission und des Nationalrats anschliesse und sich im Sinne der Digitalisierung des schweizerischen Gesundheitswesens für eine zügigere Einführung des elektronischen Patientendossiers ausspreche. Der Bundesrat habe 2019 das Geschäft zwar noch zur Ablehnung empfohlen, der Kontext habe sich jedoch nicht zuletzt auch aufgrund der Covid-19-Pandemie stark gewandelt, legte Gesundheitsminister Berset die Haltung der Landesregierung dar. Folglich würde sich der Bundesrat im Falle einer Annahme der Motion für eine rasche Umsetzung ebendieser einsetzen. Mit 34 zu 0 Stimmen (bei 2 Enthaltungen) stimmte die kleine Kammer dem Anliegen zu.

Elektronisches Patientendossier. Für alle am Behandlungsprozess beteiligten Gesundheitsfachpersonen (Mo. 19.3955)
Dossier: Digitalisierung im Gesundheitswesen

Die grosse Erleichterung erfolgte am 19. Dezember 2020, als Swissmedic dem ersten Covid-19-Impfstoff – dem Impfstoff Comirnaty von Pfizer/BioNTech – die Zulassung für Personen ab 16 Jahren gewährte. Eine erste Lieferung von 100’000 Impfdosen (von bisher bei Pfizer/BioNTech bestellten 3 Mio. Impfdosen) sollte die Schweiz noch im Dezember 2020 erhalten, erklärte das BAG in seiner Medienmitteilung. Nach Lagerung der Impfdosen durch die Armeeapotheke – die Impfdosen müssen bei minus 70 Grad gelagert werden – werden diese auf die Kantone verteilt, wo sie einige Tage im Kühlschrank aufbewahrt werden können. Die Kantone konnten in der Folge bereits mit der Impfung besonders gefährdeter Personen beginnen, während die schweizweite Impfung priorisierter Personengruppen am 4. Januar 2021 startete. Gleichzeitig mit dieser Ankündigung lancierte das BAG eine breit angelegte Informationskampagne zur Covid-19-Impfung.

Nur zwei Tag nach dieser ersten Aufhellung wurden die Covid-19-Wolken aber bereits wieder düsterer. Als Reaktion auf die Entdeckung zweier neuen, womöglich deutlich ansteckenderen Varianten des Coronavirus in Südafrika und Grossbritannien verhängte der Bundesrat am 21. Dezember ein Einreiseverbot für Ausländerinnen und Ausländer, die von diesen Ländern aus in die Schweiz reisen wollten, und stellte überdies den Flugverkehr von und nach Südafrika und Grossbritannien ein. Personen, die seit dem 14. Dezember aus den beiden Staaten in die Schweiz eingereist waren, mussten sich für zehn Tage in Quarantäne begeben. Damit beabsichtigte die Landesregierung, die weitere Ausbreitung dieser Virusmutationen zu erschweren. Am 24. Dezember gab das BAG bekannt, die neue Covid-19-Variante aus Grossbritannien erstmals in zwei Proben festgestellt zu haben, weitere drei Tage später konnte auch die Variante aus Südafrika erstmals nachgewiesen werden.

Nachdem der Bundesrat am 18. Dezember 2020 nationale Massnahmen beschlossen hatte, gab er am 30. Dezember bekannt, er sehe trotz der «besorgniserregenden» Situation – begründet durch das «hohe Ansteckungsniveau» über Weihnachten und das Auftreten der zwei neuen Virusvarianten – von einer weiteren Verschärfung der Massnahmen ab, da die aktuell geltenden Vorkehrungen angemessen seien. Wichtig sei es jedoch, die über die Feiertage reduzierte Zahl an Covid-Tests nun wieder zu erhöhen.

Auch zwei Wochen später war die Zahl der Infektionen nicht stark angestiegen, jedoch fürchtete sich der Bundesrat vor einem raschen Wiederanstieg der Fallzahlen aufgrund der zwei neuen Virusvarianten, zumal die Zahl der Infektionen, Hospitalisierungen und Todesfälle weiterhin hoch war. Deshalb verlängerte er am 13. Januar 2021 die Schliessung der Restaurants, Kulturbetriebe, Sportanlagen und Freizeiteinrichtungen, die er im Dezember 2020 beschlossen hatte, bis Ende Februar 2021. Zudem verhängte er ab dem 18. Januar erneut eine Homeoffice-Pflicht soweit möglich und verhältnismässig, eine Schliessung der Läden für Güter des nicht-täglichen Bedarfs sowie eine Einschränkung privater Veranstaltungen und Menschenansammlungen.
Mit diesen Einschränkungen einhergehend lockerte die Regierung auch die Bestimmungen zum Erhalt von Härtefallhilfen, um die von den Schliessungen betroffenen Unternehmen zu unterstützen: Unter anderem sollten seit 1. November 2020 geschlossene Betriebe Härtefallhilfe erhalten, ohne einen Umsatzrückgang nachweisen zu müssen, zudem sollte der Umsatzrückgang im Jahr 2021 neu ebenfalls berücksichtigt werden. Die Regierung kündigte überdies an, dass im Februar 2021 beinahe alle Kantone mit der Auszahlung von Härtefallhilfen beginnen würden.
Gleichentags gab der Bundesrat auch die Finanzierung der Covid-19-Impfung bekannt: So würden die Krankenversicherungen unabhängig von der Franchise eine Pauschale von CHF 14.50 sowie CHF 5 für die Impfdosis vergüten, während der Bund die Differenz der vertraulichen Kosten der Impfung zu diesen CHF 5 bezahle und die Kantone den Selbstbehalt der Versicherten übernähmen.

Am 17. Januar 2021 gab der Bundesrat die Quarantäneanordnung für 90 Angehörige der Armee aufgrund der Ansteckung einer Person mit der britischen Corona-Variante, die von der WHO als «Delta-Variante» bezeichnet wurde, bekannt. Anders als bei den bisherigen Varianten mussten bei der Delta-Variante auch die Kontakte der Kontakte von Armeeangehörigen in Quarantäne. Einen Tag später startete die erste RS des Jahres 2021 mit 12'000 Rekrutinnen und Rekruten und 2'800 Kader. Für Aufmerksamkeit sorgten dabei insbesondere die 40 Prozent Rekrutinnen und Rekruten, die im Sinne eines gestaffelten Einrückens vorgängig von zuhause aus ein Lernprogramm absolvieren mussten. Später gab der Bundesrat bekannt, dass die Positivitätsrate bei den Eingerückten bei 4 Prozent (1. Staffel) respektive 3 Prozent (2. Staffel) lag.

Am 20. Januar 2021 nahm der Bundesrat in verschiedenen Bereichen eine Lagebeurteilung vor. So liess er sich von der EDK über die in den Kantonen beschlossenen Massnahmen in den Schulen informieren, wobei sich sowohl die EDK als auch die Science Task Force für die Fortführung des Präsenzunterrichts in Primar- und Sekundarschule I und II aussprachen. Sie wollten damit die negativen Auswirkungen von Fernunterricht auf die psychische Gesundheit und die Bildungsverläufe verhindern. Gleichentags setzte der Bundesrat auch die im Dezember 2020 beschlossenen Änderungen des Covid-19-Gesetzes im Bereich der Kurzarbeit um und hob dabei insbesondere die Karenzfrist auf, verlängerte die Bezugsdauer und vergrösserte den Pool der Anspruchsberechtigten. Darüber hinaus berichtete der Bundesrat, dass die Schweiz bisher rund 500'000 Impfdosen erhalten habe und bisher bei beinahe 170’000 geimpften Personen 42 Meldungen über vermutete unerwünschte Arzneimittelwirkungen eingegangen seien. Gemäss medizinischen Fachexperten seien davon 26 Fälle als nicht schwerwiegend und 16 Fälle als schwerwiegend eingestuft worden; in 5 Fällen sei es bei Personen zwischen 84 und 92 Jahren zu einem tödlichen Verlauf gekommen, wobei jedoch «in keinem Fall der konkrete Verdacht [bestehe], dass die Impfung die Ursache für den Todesfall war».

Am 27. Januar 2021 gab der Bundesrat bekannt, dass er die Härtefallhilfe um CHF 2.5 Mrd. aufstocken wolle und dem Parlament die entsprechende Änderung des Covid-19-Gesetzes vorlegen werde. Für den Fall, dass sich der Kreditmarkt verschlechtern sollte, sei der Bundesrat überdies dabei, «zusammen mit den Banken eine Neuauflage eines Covid-Solidarbürgschaftssystems» zu planen. Wie bereits im Vorjahr schlug er überdies vor, dass der Bund auch für das Jahr 2021 die Kosten der KAE – der Bundesrat sprach von Kosten in der Höhe von CHF 6 Mrd. – übernehmen solle. Darüber hinaus wollte der Bundesrat die Taggeldbezugsdauer für Arbeitslose um drei Monate verlängern, um der schwierigen Arbeitsmarktsituation Rechnung zu tragen.

Ende Januar 2021 liess die Regierung verlauten, dass sie ab sofort die Covid-19-Testkosten für Personen ohne Symptome sowie die Impfkosten in Apotheken übernehmen werde. Zudem solle die Quarantäne zukünftig nur noch 10 Tage dauern, sofern sich die betroffene Person am siebten Tag einem Corona-Test unterziehe und der Test negativ ausfällt. Dieselbe Regelung galt neu auch für Personen in Reisequarantäne. Wenige Tage später verkündete die Regierung überdies die Unterzeichnung von drei neuen Verträgen für Impfstoffe (Curevac, Novavax, Moderna) über insgesamt 17 Mio. Impfdosen. Insgesamt sicherte sich der Bundesrat somit bis zu diesem Zeitpunkt fast 36 Mio. Impfdosen (zusätzlich Pfizer/BioNTech und AstraZeneca). Zugelassen waren von diesen jedoch erst die Impfstoffe von Moderna und Pfizer/BioNTech, während Swissmedic gleichzeitig bekannt gab, dass zur Zulassung von AstraZeneca weitere Daten benötigt würden. Mitte März 2021 folgte schliesslich ein weiterer Vertrag mit Pfizer über 3 Mio. Impfdosen.

Aufschluss über die finanzielle Situation im Jahr 2020 aufgrund der Pandemie lieferte Mitte Februar 2021 die provisorische Staatsrechnung 2020, die ein «rekordhohes Defizit» von CHF 15.8 Mrd. enthielt; bedingt durch tiefere Einnahmen und sehr hohe Ausgaben im vorangegangenen Jahr. Da auch im neuen Jahr im Voranschlag nicht geplante Corona-bedingte Ausgaben anfallen würden, verabschiedete der Bundesrat überdies acht Nachtragskredite zum Voranschlag 2021 über CHF 14.3 Mrd.

Am 17. Februar 2021 folgte schliesslich, was viele schon sehnsüchtig erwartet und lautstark gefordert hatten: Der Bundesrat stellte einen ersten, vorsichtigen Öffnungsschritt auf den 1. März 2021 in Aussicht, zumal die Fallzahlen in der Zwischenzeit stark gesunken waren. So sollten – nach Konsultation der Kantone – Läden, Museen und Lesesäle von Bibliotheken, die Aussenbereiche von Zoos, botanische Gärten sowie Sport- und Freizeitanlagen geöffnet und private Veranstaltungen im Freien mit bis zu 15 Personen erlaubt werden. Er folge damit einer risikobasierten und schrittweisen Öffnungsstrategie, bei der er voraussichtlich jeweils einmal im Monat einen Öffnungsschritt vornehmen wolle, erklärte der Bundesrat. Dabei würden jeweils die Möglichkeit zum Maskentragen sowie weitere situationsspezifische Aspekte (Anzahl Personen, Ort der Aktivität), aber auch die gesellschaftliche oder wirtschaftliche Belastung berücksichtigt. Nachdem die Regierung diesen ersten Öffnungsschritt eine Woche später bestätigt hatte, kündigte sie auch einen möglichen weiteren Öffnungsschritt auf den 22. März an, bei dem dann etwa auch Kultur- und Sportveranstaltungen mit Publikum sowie die Öffnung von Restaurantterrassen in Betracht gezogen werden sollten. Diese Öffnungsschritte sollten – nach Absprache mit den Kantonen – mit einer «massiven Ausweitung des Testens» kombiniert werden. Dabei sollten der Bevölkerung fünf gratis Selbsttests pro Person und Monat zur Verfügung gestellt werden und alle Testkosten in Apotheken und Testzentren, auch für symptomfreie Personen, übernommen werden. Zusammen mit der Möglichkeit für wiederholte Tests in Unternehmen und Schulen sollten diese Massnahmen schätzungsweise über CHF 1 Mrd. kosten.

Weitere erfreulichere Nachrichten folgten am 11. März 2021, als das SECO die Konjunkturprognose der Expertengruppe des Bundes veröffentlichte. Diese rechnete zwar noch mit einem BIP-Rückgang im 1. Quartal 2021, aber mit einer «zügigen Erholung» nach den Lockerungen der Corona-Massnahmen. Für das Jahr 2021 erwartete die Expertengruppe gar ein BIP-Wachstum um 3 Prozent und damit eine Überschreitung des Vorkrisenniveaus – allerdings nur bei einer Lockerung der Massnahmen ohne erneute zusätzliche Einschränkungen.

In der Frühjahrssession im März 2021 beriet das Parlament die zweite Revision des Covid-19-Gesetzes. Vor der Session stand dabei die Frage im Zentrum, ob ein verbindlicher Öffnungstermin ins Gesetz geschrieben werden soll. Die WAK-NR hatte dies zuvor beantragt, zumal sie den Verlauf der Öffnungen und der Beendigung der Corona-Massnahmen durch den Bundesrat als zu langsam erachtete. Weder im Nationalrat noch im Ständerat fand eine solche Massnahme jedoch eine Mehrheit. Im Parlament waren dann vor allem die Härtefallmassnahmen zentral, wobei sich der Ständerat mit seinem zurückhaltenderen Konzept durchsetzte: Wie bisher sollen demnach nur Härtefälle ausgeglichen, aber keine Entschädigung der durch die Pandemie entstandenen Schäden vorgenommen werden. Insgesamt erweiterte das Parlament die Finanzhilfen für die Unternehmen jedoch stark. Überdies erteilte es der Regierung den Auftrag, eine Regelung für die «Impf-, Test- und Genesungsnachweise», also für das sogenannte Covid-19-Zertifikat (3G), zu erlassen.

Kurz zuvor hatte die Bundeskanzlei schliesslich bekannt gegeben, dass das Referendum des Vereins «Freunde der Verfassung» zum Covid-19-Gesetz zustande gekommen war. Somit wird im Juni 2021 darüber abgestimmt, ob das Gesetz – wie vorgesehen – bis Ende 2021 in Kraft bleiben wird oder bereits im September 2021, ein Jahr nach Annahme des dringlich erklärten Gesetzes durch das Parlament, ausser Kraft treten wird.

Am 12. März 2021 startete der Bundesrat wie angekündigt die Konsultation zum zweiten Öffnungsschritt, obwohl die Fallzahlen seit Ende Februar wieder angestiegen waren und sich damit eine dritte Welle andeutete, wie der Bundesrat in seiner Medienmitteilung schrieb. Deshalb sei für den Bundesrat auch noch unklar, ob ein ausführlicher zweiter Öffnungsschritt wirklich angebracht sei. In der Tat beschränkte die Regierung den zweiten Öffnungsschritt in der Folge auf eine Lockerung der Einschränkung für Treffen im Familien- und Freundeskreis von fünf auf zehn Personen. Drei der vier Richtwerte für eine weitere Öffnung (14-Tages-Inzidenz, Positivitätsrate und Reproduktionszahl) seien denn im Moment nicht erfüllt, begründete der Bundesrat diesen Schritt – nur die Auslastung der Intensivplätze hatte zu diesem Zeitpunkt den Richtwert des Bundesrates noch nicht überschritten. Obwohl alle Kantone eine Öffnung der Restaurantterrassen auf den 22. März gefordert hatten und der Nationalrat diesbezüglich eine (nicht bindende) Erklärung abgegeben hatte, verzichtete der Bundesrat somit auch auf diese Lockerung.

Neben den Impfstoffen von Pfizer/BioNTech und Moderna erteilte Swissmedic am 22. März 2021 dem Impfstoff «COVID-19 Vaccine Janssen» von Johnson & Johnson die Zulassung. Die Schweiz hatte zu diesem Zeitpunkt jedoch noch keine Impfdosen von Johnson & Johnson bestellt, womit diese vorerst noch nicht verabreicht wurden. Jedoch wurde das Impfzertifikat von Personen, welchen dieser Impfstoff verabreicht wurde, ab sofort in der Schweiz akzeptiert. Keine Zulassungsgesuche hatten bisher CureVac und Novavax in der Schweiz eingereicht, obwohl der Bundesrat entsprechende Impfdosen bestellt hatte; das Zulassungsgesuch von AstraZeneca war zu diesem Zeitpunkt noch immer hängig.
Einige Tage nach der Zulassung des dritten Impfstoffs berieten die Bundesräte Parmelin und Berset mit der GDK, dem Präsidenten der KdK, Vertreterinnen und Vertretern der Swiss Science Task Force, der eidgenössischen Kommission für Impffragen sowie den Impfstofflieferanten Pfizer und Moderna die Umsetzung der Impfkampagne: In den nächsten drei Monaten sollen 8 Mio. Impfdosen geliefert werden. Ziel sei es, alle Impfwilligen (über 18 Jahren) bis Ende Juni 2021 mindestens einmal zu impfen. Erste Umfragen deuteten an, dass sich etwa die Hälfte der Bevölkerung impfen lassen möchte, ein Viertel unsicher sei und ein Viertel eine Impfung ablehne.

Seit einiger Zeit arbeitete der Bund auch an der Erstellung eines Impfzertifikats, wobei es am 23. März zu einem Rückschlag kam: Der EDÖB reichte nach Prüfung von entsprechenden Medienberichten Anzeige gegen die Betreiberin der Plattform www.meineimpfungen.ch wegen Datenschutzverletzungen ein. Die entsprechende Datenbearbeitung sei «geeignet», um die Persönlichkeitsrechte im Bereich der besonders schützenswerten Personendaten zur Gesundheit zu verletzten. In der Folge wurde der Betrieb der Seite per sofort eingestellt.

Ende März 2021 setzte der Bundesrat die vom Parlament in der Frühjahrssession 2021 beschlossenen Änderungen am Covid-19-Gesetz in der Härtefallverordnung um, insbesondere die Erhöhung der Höchstbeträge bei der Härtefallhilfe, die Verschiebung des relevanten Gründungszeitpunkts der Unternehmen für Zugang zu Härtefallhilfen, die Gewinnbeteiligung des Staates bei Unternehmen mit Härtefallhilfen und die Dauer des Dividendenverbots. Zudem lockerte er die Anspruchsvoraussetzungen auf Erwerbsersatz für Selbständigerwerbende in der Covid-19-Verordnung zum Erwerbsausfall, die Bedingungen für A-Fonds-perdu-Beiträge für die professionellen und semiprofessionellen Sportklubs in der Verordnung Mannschaftssport und den Zugang von Kulturunternehmen und Kulturschaffenden zu Ausfallentschädigungen in der Covid-19-Kulturverordnung. Bereits einige Tage zuvor hatte er überdies erneut das vereinfachte Verfahren für Kurzarbeit und die Aufhebung der Karenzzeit sowie das Aufgebot von Schutzdienstpflichtigen zur Bewältigung der Corona-Krise bis zum 30. Juni 2021 verlängert.

Anfang April 2021 kam es in einzelnen Schweizer Städten zu Demonstrationen und teilweise gar zu Ausschreitungen von Jugendlichen, insbesondere die sogenannte «Oster-Krawallnacht» in St. Gallen, bei der Jugendliche unter anderem die Polizei mit Molotow-Cocktails angriffen, führte zu grosser medialer Aufmerksamkeit. Die Politik und die Medien erklärten sich die Vorkomnisse in der Folge mit einer besonders grossen Corona-Müdigkeit bei den Jungen und ihrem Verdruss gegenüber den Corona-Massnahmen, aber auch mit dem grossen Druck, der allgemein auf ihnen laste. Doch nicht nur Jugendliche, auch Erwachsene versammelten sich immer häufiger, um gegen die Corona-Massnahmen zu protestieren. Zahlreiche Demonstrationen erhielten jedoch aufgrund von relativ strikten Vorgaben für Veranstaltungen keine Bewilligung und wurden deshalb abgesagt, verschoben oder unbewilligt durchgeführt.

Verlauf und Bekämpfung der Covid-19-Pandemie
Dossier: Covid-19 – Wirtschaftliche und finanzielle Folgen