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Im Mai 2022 fand die eidgenössische Abstimmung über die Änderung des Transplantationsgesetzes statt, mit der die erweiterte Widerspruchslösung eingeführt werden sollte.

Die Gegnerinnen und Gegner der erweiterten Widerspruchslösung waren breit zusammengewürfelt und liessen sich nicht klar auf dem politischen Spektrum verorten. Angeführt wurde das Komitee «Nein zur Organspende ohne explizite Zustimmung» von einem pensionierten Arzt und einer Hebamme. Der Arzt, Alex Frei, war ebenfalls Vorsitzender der Ärzte und Pflegefachpersonen gegen Organspende am Lebensende (ÄPOL) – einer Vereinigung, die sich grundsätzlich gegen Organspende an für tot erklärte Personen stellte. Die Hebamme, Susanne Clauss, ihres Zeichens Co-Präsidentin der SP Biel, wehrte sich lediglich gegen die Organentnahme an verstorbenen Personen, sofern von diesen keine explizite Einwilligung vorliegt. Unterstützung erhielten die beiden Personen von Philosophie-, Rechts- und Theologieprofessorinnen und -professoren sowie von bekannten Köpfen verschiedenster Parteien. So etwa von der Thurgauer SVP-Nationalrätin Verena Herzog, der Berner EVP-Nationalrätin Marianne Streiff-Feller, dem Urner FDP-Ständerat Josef Dittli sowie von den ehemaligen Parlamentarierinnen Verena Diener (glp, ZH) und Gret Haller (sp, BE). Nein-Parolen beschlossen schliesslich die EVP, die SVP und die EDU. Als Hauptargument gegen die Widerspruchslösung führten die Gegnerinnen und Gegner ins Feld, dass es immer Leute geben werde, die nicht wissen, dass ihnen auch ohne ihre explizite Zustimmung Organe entnommen werden können. Dies verletze deren Recht auf Selbstbestimmung und körperliche Unversehrtheit und sei unethisch. Zudem würden dadurch bei Nichtvorliegen des Willens der verstorbenen Person die Angehörigen unter Druck gesetzt, da deren Ablehnung als unsolidarisches Verhalten aufgefasst werden könnte.

Gerade anderer Ansicht waren die Befürworterinnen und Befürworter der erweiterten Widerspruchslösung. Sie erachteten die neue Regelung gar als Entlastung für die Angehörigen, gab etwa Reto Stocker, ein ehemaliger Leiter der chirurgischen Intensivstation des Universitätsspitals Zürich dem Tages-Anzeiger zu Protokoll. Zudem soll mit einer grossen und regelmässigen Informationskampagne sichergestellt werden, dass die Bevölkerung über die neue Regelung informiert wird und niemand wider Willen zum Organspender oder zur Organspenderin wird, versicherte Bundesrat Alain Berset an einer Medienkonferenz zur Abstimmungsvorlage. Zur Umsetzung der Vorlage werde der Bund ein neues sicheres und datenschutzkonformes Register schaffen, wo jede Person ihren Willen zur Organspende festhalten und laufend aktualisieren kann, so der Bundesrat. Mit der beschlossenen Regelung folge man vielen europäischen Ländern, die eine Widerspruchslösung mit oder ohne Einbezug von Angehörigen kennen und die im Schnitt eine höhere Organspenderate aufwiesen als Länder mit einer Zustimmungslösung, so der Bundesrat weiter. Von den Parteien gaben die SP, die Grünen, die Mitte, die GLP und die FDP die Ja-Parole aus.

Jedoch waren sich die Parteien intern nicht immer einig, was sich auch in abweichenden Kantonalsektionen zeigte. Während bei den Grünen und der SP fünf Kantonalsektionen die Nein-Parole oder Stimmfreigabe erteilten und sich die Mitte-Sektion des Kantons Schaffhausen gegen die Gesetzesänderung stellte, beschlossen die Junge EVP und die SVP Freiburg Stimmfreigabe und die SVP Jura gar die Ja-Parole. Dies stimmte auch mit der Einschätzung der Co-Leiterin des Contra-Komitees, Susanne Clauss, überein, welche Organspende denn auch als «en aucun cas [...] une question fondamentaliste ni de politique gauche-droite, mais [...] une question purement personnelle et éthique» erachtete. Insgesamt waren die Parteien im Abstimmungskampf denn auch weder auf der gegnerischen noch auf der befürwortenden Seite effektiv sichtbar.

Im Vorfeld der Abstimmung rezitierten die Medien häufig Zahlen zur Organspende in der Schweiz. Ende 2021 hätten 1'434 Personen auf ein Organ gewartet; jährlich würden ungefähr 450 Personen eines erhalten. Lediglich 16 Prozent der Schweizerinnen und Schweizer besässen eine Karte, auf der ihr Wille für oder gegen die Organspende ausgewiesen sei, dabei gingen gewisse Umfragen von einer Spendebereitschaft in der Bevölkerung von 80 Prozent aus. Diese Umfragen seien jedoch durch Swisstransplant in Auftrag gegeben worden, wurde die Gegnerschaft in den Medien zitiert. Eine im Auftrag des BFS durchgeführte Umfrage, die nicht nur nach der Entnahme von Organen, sondern auch nach derjenigen von Gewebe fragte, komme hingegen auf konservativere Ergebnisse, wonach sich lediglich etwa die Hälfte der Bevölkerung für oder eher für eine Spende aussprechen würde. Ebenfalls zweifelten die Gegnerinnen und Gegner daran, dass sich die Widerspruchslösung direkt und positiv auf die Organspenderate auswirken werde, wobei sie sich auf Aussagen der Nationalen Ethikkommission aus dem Jahr 2019 stützten. Dass die Organspenderate bei Ländern mit Widerspruchslösung nur in der Tendenz höher sei und es bei beiden Modellen Ausreisser gebe, bestätigten indes auch Bundesrat Alain Berset und die ehemalige Nationalrätin Yvonne Gilli (gp, SG) als Präsidentin des Dachverbands der Schweizer Ärztinnen und Ärzte (FMH), der den Wechsel zur Widerspruchslösung ebenfalls unterstützte. Auch weitere Faktoren wie etwa die Ressourcen in den Spitälern oder die Ausbildung des Fachpersonals beeinflussten die Organspendebereitschaft, war schliesslich auch im Abstimmungsbüchlein nachzulesen. Vereinzelt klärten Medienberichte auch über den Hirntot auf und erläuterten den Ablauf bei der Organentnahme. Häufiger liessen sie indes Organempfängerinnen und -empfänger, Personen auf der Warteliste für ein Organ oder Angehörige von Spendenden zu Wort kommen. Auch prominente Gegnerinnen und Gegner der Gesetzesrevision konnten überdies ihre Position darlegen. In seinem Abstimmungsmonitoring kam das fög denn auch zum Schluss, dass die Medienberichterstattung in der Tonalität erstaunlich ambivalent ausfiel, denn für gewöhnlich generierten dem fakultativen Referendum unterstellte Vorlagen ein positiveres Echo in den Medien. Ganz grundsätzlich war die Medienresonanz zur Abstimmungsvorlage gemäss fög gering – ebenso wie zu den beiden anderen zur Abstimmung stehenden Vorlagen (Frontex und Filmgesetz). Inserate für oder gegen die Änderung des Transplantationsgesetzes suchte man in den Printmedien mit wenigen Ausnahmen vergebens. Generell schienen die Meinungen zur Organspende auch bereits von Anfang an gemacht, denn die verschiedenen Wellen der Tamedia-Vorabstimmungsbefragungen registrierten kaum merkliche Verschiebungen beim Ja-Anteil, der zwischen 61 und 62 Prozent lag.

Somit war die Annahme des Transplantationsgesetzes an der Urne denn auch nicht überraschend. Bei einer tiefen Wahlbeteiligung von 40.3 Prozent sprach sich die Stimmbevölkerung am 15. Mai 2022 mit 60.2 Prozent Ja-Stimmen für die erweiterte Widerspruchslösung aus. Lediglich die Stimmenden der beiden Appenzell, von Schaffhausen und Schwyz lehnten die Änderung knapp ab. Weitaus die höchsten Ja-Anteile fanden sich in den Westschweizer Kantonen (durchschnittlich 76.4%) gefolgt vom Tessin (65.5%) – der Sprachgraben zeigte sich bei dieser Vorlage überaus deutlich (Durchschnitt Deutschschweizer Kantone: 53.3%). Der am deutlichsten befürwortende Deutschschweizer Kanton, Basel-Stadt (60.9% Ja), sagte noch immer mit mehr als 10 Prozentpunkten weniger deutlich Ja als der am wenigsten stark zustimmende Kanton der Romandie (Wallis: 72.4% Ja). Somit sprachen sich auch die katholischen Kantone Freiburg, Jura und Wallis klar für die Gesetzesänderung aus, obwohl sich die katholische Kirche für ein Nein eingesetzt hatte. Nicht der Katholizismus, sondern das unterschiedliche Verhältnis der Sprachregionen zum Staat hätten also die Meinungen beeinflusst, folgerte der Tages-Anzeiger kurz nach der Abstimmung. Auf der anderen Seite des Zustimmungsspektrums führte der Vorsteher des Ausserrhodener Gesundheitsdepartementes das Nein in seinem Kanton auf eine besonders ausgeprägte Naturverbundenheit seiner Einwohnerinnen und Einwohner zurück, die sich auch in einer Präferenz für Naturheilkunde gegenüber gewissen schulmedizinischen Angeboten äussere. Tatsächlich bestätigte die VOX-Nachbefragung, dass die Frage, wie stark jemand der Schulmedizin, dem Spitalpersonal, der Wissenschaft und dem BAG vertraut, mit der Zustimmung zur Revision zusammenhängt. Ebenso sprachen sich Personen mit hohem Vertrauen in Freikirchen besonders häufig gegen die Gesetzesänderung aus. Und obwohl der Abstimmungskampf in Abwesenheit der Parteien geführt worden war, erwies sich die politisch-ideologische Selbsteinstufung einer Person durchaus als relevant für deren Stimmentscheid. So legten links stehende Personen besonders häufig ein Ja ein, während sich der Ja-Anteil mit zunehmender Ausrichtung auf die rechte Seite des politischen Spektrums verringerte. Insgesamt folgten jedoch alle Parteisympathisierenden mehrheitlich der Parole ihrer Partei. Das Recht auf einen unversehrten Körper sei zentral und der Staat solle sich nicht in die Organspende einmischen, lauteten gemäss VOX-Umfrage die zentralen Argumente für ein Nein. Auf der anderen Seite zeigten sich die Befürwortenden überzeugt, dass es in der Schweiz momentan zu wenig Organspenden gebe und sich mit dieser staatlich geförderten Regelung Leben retten liessen. Zudem entlaste sie Angehörige, da diese nicht mehr stellvertretend für die verstorbene Person entscheiden müssten.


Abstimmung vom 15. Mai 2022

Änderung des Bundesgesetzes über die Transplantation von Organen, Geweben und Zellen (Transplantationsgesetz)
Beteiligung: 40.3%
Ja: 1'319'276 Stimmen (60.2%)
Nein: 872'119 Stimmen (39.8%)

Parolen:
-Ja: SP (2*), FDP, Grüne (3*), GLP, Mitte (1*); Konsumentenforum, FMH
-Nein: EDU, EVP, SVP (2*); Schweizerische Bischofskonferenz, NZZ
* in Klammern Anzahl abweichender Kantonalsektionen

Sogleich nach dem Urnengang stellten die Medien die Frage, wie es nun weitergehe. So informierten etwa die Zeitungen am Tag nach der Abstimmung darüber, was man tun müsse, wenn man sich dazu entschliesse, (keine) Organe spenden zu wollen, wann die Umstellung auf die erweiterte Widerspruchslösung erfolge und was dazu noch erforderlich sei. Einiges, meinte etwa der Tages-Anzeiger zu letzterer Frage, denn für ein neues und sicheres Spenderegister sei «eine elektronische Identität [nötig], die es in der Schweiz noch nicht gibt. Zudem müssen sechs Millionen Erwachsene informiert werden.» Im Vorfeld der Abstimmung war nicht zuletzt auch das bestehende Register von Swisstransplant in Kritik geraten; wegen einer durch die SRF-Sendung «Kassensturz» Anfang Jahr bekannt gewordenen Sicherheitslücke hatte eine beliebige Drittperson eine andere als Organspender oder Organspenderin erfassen können. Da sich dieser Fehler nicht so rasch beheben liess, war eine Neuregistrierung für oder gegen die Organspende im bestehenden Register von Swisstransplant gerade während des Abstimmungskampfes, als sich vermutlich einige Menschen mit der Frage der eigenen Organspendebereitschaft befassten, nicht möglich. Mit einer E-ID gebe es keine solche Sicherheitslücke, kommentierten IT-Experten gegenüber dem Tages-Anzeiger. Der Bundesrat hingegen liess zum Zeitpunkt der Abstimmung noch offen, ob die von ihm zu präsentierende Lösung eine E-ID erfordere. Nur ein Jahr zuvor hatte die Bevölkerung eine Gesetzesvorlage zur Einführung einer elektronischen Identität an der Urne wuchtig verworfen. Obwohl der Bundesrat daraufhin ein neues E-ID-Gesetz vorzulegen plante, prüfe man zum Zeitpunkt auch andere sichere und datenschutzkonforme Eintragungsarten, so der Bundesrat. Sowohl ablehnende als auch befürwortende Politikerinnen und Politiker forderten vom Bundesrat nach dem Abstimmungsausgang eine umfassende Informationskampagne auf verschiedenen Kanälen. So müsse sichergestellt werden, dass auch Personen ohne ausreichende Sprach- und Lesekenntnisse ausführlich über die Widerspruchslösung informiert würden, forderte etwa SVP-Nationalrätin Verena Herzog als Mitglied des Nein-Komitees. Flavia Wasserfallen (sp, BE), Co-Präsidentin de Unterstützungskomitees, gab darüber hinaus zu bedenken, dass die digitalen Fähigkeiten innerhalb der Bevölkerung variierten und somit sowohl die Information der Behörden als auch ein Eintrag ins Spenderegister über den Postweg möglich sein müssten. Beim BAG sah man dies hingegen anders: Es werde lediglich ein Online-Register geben, allerdings soll es möglich sein, die Eintragung via Vertretungsvollmacht etwa vom Hausarzt oder der Hausärztin vornehmen zu lassen. Ebenfalls klar schien bereits, dass Swisstransplant einen Leistungsauftrag erhalten werde, um das Register des Bundes zu führen, worüber sich die Gegnerschaft der Gesetzesänderung nicht erfreut zeigte. Gemäss Aussagen des BAG kurz nach der Abstimmung werde die Umstellung frühestens Mitte 2024 erfolgen.

Im Oktober 2022 gab Swisstransplant bekannt, dass das eigene Spenderegister wegen der Sicherheitsbedenken per sofort eingestellt werde. Die Spitäler kritisierten diesen Entscheid. Für sie verkomplizierten sich dadurch die Abklärungen bis zum neuen Bundesregister. Unterdessen hatte der Bund den Zeitplan zu dessen Inbetriebnahme bereits etwas nach hinten verschoben: Das eigene Register werde «frühestens ab 2025 eingeführt», so das BAG.

Organspende-Initiative und indirekter Gegenvorschlag (BRG 20.090)
Dossier: Transplantation von Organen, Geweben und Zellen

Die Bundeskanzlei erklärte am 14. März 2022 das Zustandekommen des Referendums zur Gesetzesänderung über die Transplantation von Organen, Geweben und Zellen. Am 20. Januar 2022 waren insgesamt 70'230 Unterschriften eingereicht worden, wovon die Bundeskanzlei 55'614 berücksichtigte. Von den berücksichtigten Unterschriften waren 55'357 gültig.

Organspende-Initiative und indirekter Gegenvorschlag (BRG 20.090)
Dossier: Transplantation von Organen, Geweben und Zellen

Jahresrückblick 2021: Covid-19-Pandemie

Auch 2021 hielt die Covid-19-Pandemie Politik und Gesellschaft in Atem. Im Vergleich zum Vorjahr waren insbesondere zwei Aspekte neu: Zum einen verfügte der Bund dank Zulassung und Zugänglichkeit der Covid-19-Impfungen und dem darauf beruhenden Covid-19-Zertifikat über zwei neue Massnahmen zur Bekämpfung der Pandemie. Zum anderen erhielt die Stimmbevölkerung die Möglichkeit, sich gleich zweimal an der Urne zu dem im Covid-19-Gesetz geregelten Teil der Covid-19-Massnahmen zu äussern. Insbesondere die Diskussionen um das Covid-19-Zertifikat führten dabei laut Medien zu einer aufgeheizten Stimmung in der Bevölkerung. Nicht nur deshalb behielt die Pandemie im Jahr 2021 ihre überragende Stellung in der öffentlichen Diskussion: Fast 18 Prozent aller von der APS-Zeitungsanalyse gezählten Artikel hatten im Jahr 2021 Covid-19 zum Thema, im Vorjahr waren es 20 Prozent (vgl. Abbildung 2 der APS-Zeitungsanalyse 2021 im Anhang). Dabei folgte die Anzahl Zeitungsberichte im Laufe des Jahres grob den laborbestätigten Covid-19-Fallzahlen, wie Abbildung 1 verdeutlicht.

Die seit Jahresbeginn verfügbare Covid-19-Impfung stellte Bund und Kantone vor viele praktische Probleme und logistische Herausforderungen. So kam es zu grossen Unterschieden in der Impfgeschwindigkeit zwischen den Kantonen sowie zu Verzögerungen durch ausbleibende Impfstofflieferungen, was nicht selten auch zu Kritik an Bund und Kantonen führte. Ab Mitte April begann jedoch das Impftempo anzuziehen, so dass Ende Juli die Hälfte der Gesamtbevölkerung doppelt geimpft war. In der Folge nahm die Anzahl Personen, die sich wöchentlich impfen liessen, jedoch deutlich ab, weswegen der Bund in der ersten Novemberhälfte eine nationale Impfwoche mit verschiedenen Aktionen in Kantonen und Gemeinden zur Erhöhung der Impfmotivation durchführte. Die Impfwoche wurde durch eine breite Werbekampagne – aber auch durch Misstöne und Störaktionen – begleitet, verzeichnete aber nur einen geringen Erfolg: Bis Ende November betrug der Anteil doppelt Geimpfter 66 Prozent – ein im europäischen Vergleich tiefer Wert. Da sich abzuzeichnen begann, dass sich die Schutzwirkung der Impfung nach sechs Monaten vor allem bei der älteren Generation abschwächt – Impfdurchbrüche begannen sich zu häufen –, lancierte der Bund bereits Ende Oktober die sogenannte Booster-Impfung für Personen, die seit mehr als sechs Monaten doppelt geimpft waren. Mitte Dezember wurde diese Frist dann auf vier Monate gesenkt, was prompt zu Kritik aus einigen Kantonen führte, die befürchteten, der starken Nachfrage nach Auffrischimpfungen nicht nachkommen zu können.

Zu Beginn des Jahres kam das vom Verein «Freunde der Verfassung» ergriffene Referendum gegen das im September 2020 vom Parlament verabschiedete Covid-19-Gesetz zustande, was die Richtung der Diskussionen im Themenbereich «Covid-19» für den Rest des Jahres vorgab. Die Gegnerinnen und Gegner des Covid-19-Gesetzes wehrten sich dagegen, dass die ausserordentlichen Kompetenzen des Bundesrates während der Pandemie mit dem Gesetz rückwirkend legitimiert und bis Ende 2021 verlängert werden sollten. Sie störten sich zudem an der Verknüpfung von Unterstützungsmassnahmen für die Wirtschaft mit zusätzlichen Ermächtigungen für den Bundesrat im selben Covid-19-Gesetz. Thema im Rahmen des Abstimmungskampfes war auch immer wieder die Skepsis gegenüber den in Rekordzeit entwickelten Impfstoffen, zumal die Gegnerinnen und Gegner eine Impfpflicht fürchteten – auch wenn dieser Aspekt nicht im Covid-19-Gesetz geregelt war. Am 13. Juni 2021 sprachen sich die Stimmbürgerinnen und Stimmbürger mit 60.2 Prozent Ja-Stimmen für das Covid-19-Gesetz aus, das entsprechend bis zu seiner Ablauffrist Ende 2021 in Kraft bleiben sollte. Der Abstimmung waren zwar teilweise gehässige Diskussionen, aber nur ein vergleichsweise schwacher Abstimmungskampf vorausgegangen. Das Abstimmungsresultat zeigte deutliche Unterschiede in der Zustimmung zwischen den kleineren deutschsprachigen Kantonen der Inner- und Ostschweiz, in denen sich jeweils eine Mehrheit gegen das Gesetz aussprach, und den anderen, mehrheitlich zustimmenden Kantonen auf.

Noch bevor das Covid-19-Gesetz im Juni 2021 zur Abstimmung gelangt war, hatte es das Parlament in der Frühjahrssession bereits ein zweites Mal revidiert und befand sich in der Sommersession gar an der dritten Revision. Mit den Revisionen verlängerte das Parlament bestehende Massnahmen, sprach weitere Kredite zur Unterstützung der Betroffenen – insbesondere in der Form von Kurzarbeitsentschädigungen und Erwerbsersatz – und baute zentrale Regelungen aus, etwa im Bereich der Härtefallmassnahmen. Gleichzeitig schuf das Parlament im Rahmen der zweiten Revision des Covid-19-Gesetzes auch die gesetzliche Grundlage für das sogenannte Covid-19-Zertifikat (3G-Regel): Dieser individuelle Nachweis einer Impfung, einer Genesung oder eines negativen Covid-19-Tests sollte es verschiedenen Veranstalterinnen und Veranstaltern zukünftig ermöglichen, auf weiterführende Massnahmen wie Abstandsregeln, beschränkte Personenzahl oder Maskenpflicht zu verzichten. Koordiniert mit der EU sollte das Zertifikat überdies eine geordnete Reisetätigkeit zumindest zwischen den Schengen-Staaten ermöglichen.

In der Folge knüpfte der Bundesrat seine Öffnungsstrategie, das sogenannte Drei-Phasen-Modell, an den Impfstatus der Bürgerinnen und Bürger: Bevor nicht zumindest alle impfwilligen und besonders gefährdeten Personen geimpft waren, verzichtete der Bundesrat trotz zahlreicher entsprechender Forderungen – etwa auch einer Erklärung des Nationalrates – auf Öffnungen. Nach Erreichen dieses Etappenziels sollten zwar erste Öffnungsschritte möglich sein, auch dann wollte die Regierung jedoch vorerst zurückhaltend bleiben. Breite Lockerung bis hin zu einer vollständigen Aufhebung aller verbliebenen Massnahmen sollten folglich erst möglich werden, nachdem alle impfwilligen erwachsenen Personen geimpft sind.

Unmittelbar nach der Juni-Abstimmung über das Covid-19-Gesetz ergriffen die «Freunde der Verfassung» zusammen mit anderen Organisationen auch das Referendum gegen die zweite Revision des Covid-19-Gesetzes vom März 2021, über das am 28. November 2021 abgestimmt wurde. In diesem zweiten Referendum ging es den Gegnerinnen und Gegnern neben allgemeineren Punkten in erster Linie um die Covid-19-Zertifikate. Weil der nichtgeimpfte Teil der Gesellschaft nur nach einem vorgängigen negativen Covid-19-Test am gesellschaftlichen Leben teilnehmen könne – in der Zwischenzeit waren zum Beispiel Restaurantbesuche nur noch mit gültigem Zertifikat möglich –, führe diese Massnahme zu einer Spaltung der Gesellschaft und zu einer Diskriminierung der Ungeimpften, argumentierten die Gegnerinnen und Gegner. Zusätzliche Virulenz erhielt dieses Argument, als der Bundesrat im September entschied, die Covid-19-Tests für Personen ohne Symptome zukünftig kostenpflichtig zu machen.

Im Vorfeld dieser zweiten Abstimmung wurden die Debatten um die Covid-19-Massnahmen und gleichzeitig um das Covid-19-Gesetz immer gehässiger. Immer häufiger drückten Massnahmengegnerinnen und -gegner ihren Unmut in Demonstrationen aus, wobei es teilweise auch zu Ausschreitungen kam. Die Medien sorgten sich in der Folge um die Kohäsion der Schweiz, machten dafür aber grösstenteils die Gegnerschaft der Massnahmen verantwortlich. Die Gegnerinnen und Gegner fühlten sich hingegen unfair behandelt, zum Beispiel durch den Titel der Covid-19-Gesetzesrevision, der nur die wirtschaftlichen Aspekte, nicht aber das Zertifikat ansprach. Zudem fürchtete sich ein Teil der Gegnerinnen und Gegner im Vorfeld vor Ungereimtheiten bei der Abstimmung und kündigte an, ein ablehnendes Abstimmungsergebnis nicht akzeptieren zu wollen. Diese Aussage stiess in den Medien auf grosse Aufmerksamkeit. Verschiedene Kommentatorinnen und Kommentatoren sahen in den Geschehnissen während der Abstimmungskampagnen über das Covid-19-Gesetz einen Beweis für die Spaltung der Gesellschaft, die durch die Abstimmungen noch befeuert werde.

Ende November 2021 fand schliesslich die Abstimmung über die zweite Revision des Covid-19-Gesetzes statt. Bei einer hohen Stimmbeteiligung von 65.3 Prozent sprachen sich 62 Prozent der Stimmbürgerinnen und Stimmbürger – und damit nur 0.2 Prozent weniger als noch im Juni – für Annahme der zweiten Revision des Covid-19-Gesetzes aus. Dabei hatten sich die Unterschiede zwischen den Regionen etwas ausgeglichen – ablehnende Mehrheiten gab es nun nur noch in den Kantonen Appenzell-Innerrhoden und Schwyz. Nach dem Abstimmungsentscheid glätteten sich die Wogen zumindest gegen aussen wieder etwas, auch wenn sich die Gegnerinnen und Gegner des Covid-19-Gesetzes nur teilweise versöhnt zeigten.

Trotz dem zweifachen klaren Ja zum Covid-19-Gesetz schloss das zweite Pandemiejahr mit vielen Unsicherheiten. Kurz vor dem Novemberabstimmungstermin waren die Fallzahlen im nahen Ausland, insbesondere in Deutschland und Österreich, drastisch angestiegen, so dass die beiden Staaten neue Einschränkungen erliessen. Gerade die Einschränkung des Zertifikats auf Geimpfte und Genesene (2G) stiess dabei auch in der Schweiz auf einiges mediales Interesse, zumal sich nun auch in der Schweiz eine fünfte Welle abzeichnete. Zusätzliche Unsicherheit schuf auch die Ende November neu entdeckte Virusvariante «Omikron», die angeblich deutlich ansteckender sein soll als die bisher vorherrschende Delta-Variante. Bis Ende 2021 konnte denn auch nicht abschliessend geklärt werden, wie gut die bestehenden Impfungen gegen die neue Variante wirken würden. Geäussert wurde aber auch die Hoffnung, dass die neue Variante zwar ansteckender, aber für das Individuum weniger gefährlich sein könnte.

Vor diesem Hintergrund behandelte und verabschiedete das Parlament in der Wintersession die vierte Revision des Covid-19-Gesetzes, die eine Verlängerung zahlreicher Massnahmen vorsah, um der Pandemie auch in ihrem dritten Jahr angemessen begegnen zu können. Obwohl die meisten Massnahmen ursprünglich bis Ende 2021 befristet waren, drehten sich die Diskussionen weniger um die Verlängerung an sich, sondern um die Frage, ob die Massnahmen neu auf Ende Juni oder Ende Dezember 2022 befristet werden sollten – das Parlament entschied sich für Letzteres. Zudem legten National- und Ständerat fest, dass der Bund per sofort die Testkosten für Antigen-Schnelltests und Speichel-PCR-Pooltests wieder übernehmen muss. Damit könne womöglich die Anzahl durchgeführter Tests erhöht werden, wurde argumentiert. Gleichzeitig würde dies auch den Zugang zum Zertifikat für Ungeimpfte wieder erleichtern – sofern die 3G-Regel nicht durch eine 2G-Regel ersetzt würde, wie es der Bundesrat als mögliche Massnahme in die Vernehmlassung gegeben hatte. Zuvor hatte das Parlament verschiedene Anträge von Mitgliedern der SVP-Fraktion, 1G oder 2G zu verbieten, abgelehnt. Kurz vor Weihnachten entschied der Bundesrat schliesslich, die Massnahmen im Kampf gegen Covid-19 – insbesondere gegen die sich immer stärker ausbreitende Omikron-Variante – zu verschärfen: Er setzte für Innenräumen wie Restaurants oder Kinos neu die 2G-Regel in Kraft – Zutritt erhielten also nur noch Geimpfte oder Genesene – und verhängte erneut eine Homeoffice-Pflicht.

Jahresrückblick 2021: Covid-19-Pandemie
Dossier: Jahresrückblick 2021

Wie sie gleich nach der ersten Abstimmung über das Covid-19-Gesetz angekündigt hatten, ergriffen die Freunde der Verfassung, das Netzwerk Impfentscheid und das Aktionsbündnis Urkantone auch das Referendum gegen die zweite Revision des Covid-19-Gesetzes, unterstützt wurden sie dabei von der Jungen SVP. Innert drei Wochen – mehr Zeit hatte das Referendumskomitee nach der erfolglosen Abstimmung über das Covid-19-Gesetz nicht zur Verfügung – sammelten sie 187'239 Unterschriften. 5'401 Unterschriften wiesen dabei bereits eine Stimmrechtsbescheinigung auf, für weitere 75'526 Unterschriften liess die Bundeskanzlei eine entsprechende Prüfung vornehmen – aufgrund des Covid-19-Gesetzes war es zu diesem Zeitpunkt möglich, auch unbescheinigte Unterschriften einzureichen. In der Folge bestätigte die Bundeskanzlei das Zustandekommen des Referendums mit 74'469 gültigen Unterschriften. Diese hohe Anzahl Unterschriften in so kurzer Zeit sorgte in der Presse für einige Anerkennung bezüglich der Organisationsfähigkeit und des breiten Netzwerks des Komitees, die NZZ sprach etwa von einem (erneuten) «Achtungserfolg». Die Medien wiesen aber auch auf die hohen Kosten und die entsprechenden finanziellen Mittel hin, welche für das Zustandekommen des Referendums nötig gewesen seien.

Ins Zentrum gegen die zweite Revision des Covid-19-Gesetzes stellte das Referendumskomitee vier Argumente: Als besonders kritisch erachtete es erstens das Covid-19-Zertifikat, welches zu einer «Zweiklassengesellschaft» und zur Diskriminierung von 2 Mio. Menschen führe. Teilweise wurde das Zertifikat gar mit der Rassentrennung des Apartheids-Regimes Südafrikas verglichen. Zweitens kritisierten die Gegnerinnen und Gegner der Reform die Befreiung der Geimpften – nicht aber der Ungeimpften – von der Quarantänepflicht, womit Letztere diskriminiert würden. Bei beiden Massnahmen werde ignoriert, dass auch Geimpfte ansteckend sein und sich selbst anstecken könnten. Drittens erkannte das Komitee in den Regelungen zur Kontaktrückverfolgung eine Möglichkeit zur Massenüberwachung der Bevölkerung. Und schliesslich kritisierte es viertens die weitreichenden zusätzlichen Kompetenzen, welche die Revision für den Bundesrat mit sich bringe und welche die Gefahr einer Diktatur verstärkten. Insgesamt seien dies «radikale und extreme Umkehrungen in unserer Gesellschaft», welche man mit dem Referendum verhindern wolle.

Früh zeichnete sich ab, dass diesmal auch die SVP das Referendum unterstützen würde. Hatte sie bei der Juni-Abstimmung aufgrund der breiten wirtschaftlichen Unterstützungsmassnahmen noch Stimmfreigabe erteilt, standen die Wirtschaftshilfen in dieser Revision deutlich weniger im Zentrum. Zudem mache ein Engagement gegen das Gesetz für die SVP Sinn, zumal es in keiner Partei mehr Personen gebe, welche die offizielle Corona-Politik des Bundes ablehnten, hob die Weltwoche hervor. Ende August 2021 fasste die Delegiertenversammlung der SVP mit 181 zu 23 Stimmen (bei 4 Enthaltungen) die Nein-Parole zum Gesetz deutlich. In der Folge sprachen sich zwar mit Aargau und Glarus zwei Kantonalsektionen für das Gesetz aus, ansonsten zeigte sich die Partei aber deutlich geeinter als noch bei der Juni-Abstimmung, als 16 Kantonalparteien von der nationalen Parole abgewichen waren.

Daneben machten vor allem ein linkes Komitee «Geimpfte gegen das Covid-Gesetz» und dessen prominenteste Vertreterin, die Schriftstellerin Sibylle Berg, von sich reden. Das Komitee kritisierte einerseits, dass mit dem Zertifikat Ungeimpften – aber etwa auch Sans-Papiers – der Zugang zum gesellschaftlichen Leben verweigert werde, und äusserte andererseits Datenschutzbedenken. Es werde eine «Infrastruktur für totale Überwachung geschaffen», wurde gar argumentiert. Jedoch warf die WOZ dem Komitee selbst mangelnde Transparenz vor, nachdem sie bei einer Inserateanfrage festgestellt hatte, dass das Inserat über den SVP-Werber Alexander Segert bezahlt worden war. Das Komitee selbst habe zugegeben, dass es nicht wisse, wer genau das Inserat finanziert habe, betonte die Zeitung.

Neben der SVP sprach sich von den nationalen Parteien nur die EDU gegen das Gesetz aus, jedoch gaben auch die Jungfreisinnigen des Kantons Thurgau, die Mitte-Partei des Kantons Neuenburg sowie die Schweizer Demokraten des Kantons Bern Nein-Parolen aus. Unterstützt wurden die Referendumsführenden erneut auch von der Organisation «Mass-Voll», was aufgrund ihres radikaleren Stils vereinzelt zu Spannungen führte.

Anders als bei der Juni-Abstimmung setzten die Befürworterinnen und Befürworter der zweiten Revision diesmal weniger stark auf das Wirtschaftsargument. Vielmehr stand zu Beginn der Diskussionen um die Vorlage – kurz vor und während der Sommerferien – vor allem die gefährdete Reisefreiheit im Zentrum der Kritik. So bedarf das Schweizer Zertifikat zur Anerkennung durch die EU einer gesetzlichen Grundlage, welche mit Ablehnung der Revision nicht mehr vorhanden wäre, erklärte etwa EDI-Sprecher Markus Binder. Ein freiwilliger Einsatz des Zertifikats für Reisen sei somit nicht möglich, genauso wenig wie ein erneutes dringliches Gesetz zur Schaffung einer solchen rechtlichen Grundlage. Somit müsste das Parlament den ordentlichen Weg der Gesetzgebung beschreiten, wobei unklar sei, wie lange sich dies hinziehen würde.
Als weiteres zentrales Argument warnten die Befürwortenden des Gesetzes vor dem «Schliessungshammer» (NZZ), der ohne Zertifikat drohe. Denn ohne das Zertifikat habe der Bundesrat keine «weicheren» Optionen und müsse bei einem erneuten Anstieg der Fallzahlen und vor allem der Spitalauslastung wieder mit einem Lockdown reagieren, wurde befürchtet. Somit könne sich das Nein der Gegnerinnen und Gegner zum Eigentor entwickeln, indem sie dadurch weniger Freiheiten hätten als vor dem Referendum.
Insbesondere in Kultur-, Gastro- und Hotelleriekreisen hob man schliesslich die zentrale Bedeutung des Zertifikats sowie des Schutzschirms für Grossveranstaltungen hervor, die beide nur aufgrund der Revision des Covid-19-Gesetzes möglich waren. Man habe bisher stark unter der Pandemie gelitten, könne nun aber aufgrund des Zertifikats die Lokale und Veranstaltungen wieder stärker auslasten. Gerade auch dank des Schutzschirms für Grossveranstaltungen sei überhaupt erst wieder an eine Planung für Grossanlässe zu denken.

Die Befürwortenden bildeten ein breites Spektrum der Schweizer Politiklandschaft ab: Von den nationalen Parteien sprachen sich EVP, FDP, GLP, Grüne, Mitte, PdA und SP für das Gesetz aus, ebenso wie Economiesuisse, der Gewerbeverband, der SGB, Travailsuisse sowie verschiedene Tourismus-Organisationen. Auch Swiss Olympic sprach sich mit Verweis auf die Wichtigkeit des Zertifikats für den Sport für das Gesetz aus.

Bei der medialen Berichterstattung über mögliche Folgen eines Neins standen vor allem Unsicherheiten im Vordergrund. Klar war, dass die Regelungen aus der zweiten Revision des Covid-19-Gesetzes bei einem Nein an der Urne bis ein Jahr nach ihrer Verabschiedung vom Parlament in Kraft bleiben würden – konkret somit bis zum 19. März 2022. Jedoch waren die meisten Regelungen des Covid-19-Gesetzes bis Ende 2021 begrenzt, einige zentrale Aspekte, wie zum Beispiel der Schutzschirm für die Grossveranstaltungen, aber auch Regelungen bezüglich der Arbeitslosenversicherung könnten aber noch bis Mitte 2022 oder gar Ende 2023 in Kraft bleiben. Denkbar war überdies eine Verlängerung des Covid-19-Gesetzes. Ob dies nötig sein würde, war von der Entwicklung der Pandemie abhängig: Womöglich wäre die Pandemie bereits vor Auslaufen der entsprechenden Regelungen vorbei, so dass die Unterstützungsmassnahmen für die Wirtschaft oder das Covid-19-Zertifikat gar nicht mehr vonnöten wären, spekulierten die Medien. Auch was bei einem Nein bis im März 2022 genau passieren würde, war unklar. So könnte das Covid-19-Zertifikat zwar rechtlich den Winter hindurch weiterhin in Kraft bleiben, ob dies politisch jedoch durchsetzbar wäre, war gemäss Presse fraglich. Schliesslich fragte man sich auch, ob eine durch das Epidemiegesetz begründete Einlasskontrolle das fehlende Zertifikat ersetzen könne. Diese Vermutungen unterband Bundesrat Berset jedoch, indem er klarstellte, dass zwar eine Zulasskontrolle für Geimpfte und Ungeimpfte aufgrund des Epidemiengesetzes rechtlich weiterhin möglich wäre, das dafür nötige Kontrollinstrument mit dem Zertifikat jedoch verloren ginge und es somit wenn nötig nur noch Einschränkungen für alle – Geimpfte und Ungeimpfte – gebe.

Im Abstimmungskampf dominierten anfangs die Gegnerinnen und Gegner der Revision deutlich. Sie nahmen ihren Schwung aus dem «Achtungserfolg», den sie mit über 40 Prozent Nein-Stimmen bei der Juni-Abstimmung und dem grossen Sammelerfolg bei den Unterschriften erzielt hatten, mit. Die Gegnerschaft der Revision begann demnach früh, Flyer, Inserate und Plakate zu publizieren – immer wieder sprachen die Medien von 50 Tonnen Werbematerial, welches die Gegnerschaft für den Abstimmungskampf produzierte. Gleichzeitig warben sie auf Youtube und Telegram für ein Nein zur Änderung des Gesetzes und gingen letztlich gemäss Zeitungsberichten gar von Haustür zu Haustür. Überdies verschafften sie sich mit fast wöchentlichen Demonstrationen Aufmerksamkeit – insbesondere die sogenannten Freiheitstrychler wurden bald zum Symbol des Protests gegen die bundesrätlichen Massnahmen – und eine Möglichkeit, ein breites Netzwerk zu erreichen, wie die Medien betonten. Lange Zeit waren denn sowohl in den Medien als auch werbetechnisch fast ausschliesslich die Gegnerinnen und Gegner zu sehen und zu hören. Organisiert wurde ihre Kampagne von der PR-Firma von Alexander Segert, der zuvor bereits mit verschiedenen umstrittenen Kampagnen für die SVP aufgefallen war. In einem Crowdfunding hatte das Contra-Komitee gemäss eigenen Angaben in wenigen Tagen CHF 300'000 eingenommen, die Medien berichteten aber auch über hohe Einzelbeträge von vermögenden Personen.

Bereits Mitte August wurden die Befürworterinnen und Befürworter der Revision für ihr fehlendes Engagement im Abstimmungskampf kritisiert. Als Mitte Oktober noch immer nichts von einer koordinierten überparteilichen Pro-Kampagne zu sehen war, wurden die Medien langsam ungeduldig. Sie befürchteten, dass sich die Befürwortenden ob der hohen Rate an Geimpften und später auch der Vorumfragen, die auf eine Zustimmung zwischen 61 Prozent (1. & 2. Welle SRG) und 69 Prozent (3. Welle Tamedia) hindeuteten, in falscher Sicherheit wiegten. So sei es deutlich schwieriger, «eine schweigende Mehrheit zu mobilisieren […] als eine laute Minderheit» (NZZ). Sie zeigten aber auch Verständnis für die Probleme der befürwortenden Parteien: Diese hätten kaum Geld zur Verfügung, zumal die Wirtschaftsverbände kein Geld für eine Kampagne aufwenden wollten. «Weil lange rein gar nichts ging», wie er erklärte, gründete der Zürcher FDP-Lokalpolitiker Peter Metzinger ein zivilgesellschaftliches Pro-Komitee. Sein Komitee verfügte nur über wenig Geld, bekam aber nach einer Weile «einen Zustupf im überschaubaren Rahmen» von der Economiesuisse, wie Michael Wiesner, Kommunikationsleiter von Economiesuisse, erklärte.
Mitte Oktober folgte dann zwar eine gemeinsame Pressekonferenz der Parteipräsidentinnen und -präsidenten von EVP, FDP, GLP, Grünen, Mitte und SP, in dem sie das Gesetz als Schlüssel zur Freiheit und als pragmatisches Mittel, um aus der Krise zu kommen, präsentierten. Die Medien erkannten in der nüchternen Kommunikationsweise zwar durchaus eine Notwendigkeit – man hatte weder das Geld noch die Zeit für eine emotionale Kampagne –, erachteten diese ob der lauten und emotionalen Gegnerschaft aber auch als sinnvolle Taktik. In der Folge lancierten verschiedene Parteien und Verbände Aufrufe und Appelle für eine Annahme der Revision, etwa über die sozialen Medien.
Eine eigene Kampagne lancierte schliesslich die sogenannte Tourismus-Allianz unter der Führung des Schweizer Tourismus-Verbands, die für ein Ja zur Gesetzesrevision als Basis für grenzüberschreitenden Tourismus und für EU-kompatible Nachweise warb. Aufmerksamkeit erzielte auch Andreas Kyriacou, Präsident der Freidenker-Vereinigung, der anfangs nur ein Plakat mit dem Slogan «Impfen statt Schimpfen» und der Unterschrift «Freiheitsimpfler» veröffentlichte. Dieses fand rasch Verbreitung in den sozialen Medien und generierte Spenden, dank denen es in der Folge in über 100 Gemeinden aufgehängt wurde.

Je näher der Abstimmungssonntag rückte, desto nervöser wurden sowohl das Pro- als auch das Contra-Lager, wie die Medien ausführlich berichteten. So beklagten sich etwa beide Seiten über fehlende Akzeptanz und Diskussionsbereitschaft der anderen Seite. Immer wieder war in den Medien von einer «Spaltung der Gesellschaft» die Rede. Die Gegnerschaft monierte einerseits die fehlende Nennung der Zertifikate im Gesetzestitel – was auf die nachträgliche Ergänzung der Regelungen zum Covid-19-Zertifikat durch das Parlament zurückzuführen war – und reichte gemäss NZZ am Sonntag 750 – häufig identische – Abstimmungsbeschwerden bei den Kantonen ein. Andererseits kritisierten die Gegnerinnen und Gegner, dass sie mehrfach unter fadenscheinigen Begründungen davon abgehalten worden seien, ihre Plakate aufzuhängen, oder dass diese gezielt heruntergerissen worden seien.
Die Befürworterinnen und Befürworter monierten hingegen insbesondere den rauen Ton der Gegnerschaft, der sich zudem verstärkt habe und schliesslich gar in Todesdrohungen gegen einen Politiker ausgeartet seien. Insbesondere die Mahnung des Berner Sicherheitsdirektors Reto Nause (BE, mitte) kurz vor dem Urnengang warf in den Medien grosse Wellen: «Wir erwarten einen unruhigen Abstimmungssonntag. Was, wenn die Gegner des Covid-Gesetzes das demokratische Verdikt nicht akzeptieren?», fragte er rhetorisch. So sei von vereinzelten Personen im Internet bereits zur Bewaffnung aufgerufen worden. Auf beiden Seiten berichteten die Medien überdies von Stimmen, die sich vor Ungereimtheiten bei der Abstimmung durch die andere Seite fürchteten – etwa versperrte Abstimmungslokale oder Manipulation der brieflichen Stimmen. Umgehend beteuerten jedoch verschiedene Mitglieder der Gegnerschaft, etwa der Sprecher des Aktionsbündnisses Urschweiz und Organisator der Contra-Kampagne, Josef Ender, oder die Präsidentin der Jungen SVP Zürich, Camille Lothe, dass es keine Hinweise auf Manipulation der Stimmabgabe oder der Auszählung gebe.
Die Medien sprachen ob diesen Vorwürfen von einer Gefahr für die Demokratie: Dass eine Seite die Einhaltung der demokratischen Regeln in Frage stelle, habe es so noch nie gegeben und sei brandgefährlich, war der Tenor. Der emeritierte Politikwissenschaftsprofessor Wolf Linder versuchte hingegen, die Geschehnisse zu relativieren: So würden «keine Parteien oder signifikanten politischen Kräfte die Verlässlichkeit unserer Abstimmungsergebnisse ernsthaft hinterfragen», daher solle man diesen Einzelmeinungen nicht zu viel Gewicht beimessen. Gar etwas Positives konnte Stefan Schmid von CH Media der aufgeheizten Situation abgewinnen: Sie steigere die erwartete Beteiligung an der Abstimmung. Die Pandemie habe denn auch die Gesellschaft nicht gespalten, sondern nur entsprechende Unterschiede sichtbarer gemacht. «Wichtig ist jetzt freilich, dass sich nach geschlagener Schlacht Siegerinnen und Verlierer, wie das hierzulande üblich ist, die Hand reichen und das Sägemehl von der Schulter klopfen», betonte er. Andere Kommentatorinnen und Kommentatoren zweifelten jedoch daran, ob dies allen Gegnerinnen und Gegner bei einer allfälligen Niederlage gelingen würde.

Neben den Kampagnen von Befürwortenden und Gegnerschaft wurde die Abstimmung zur zweiten Revision des Covid-19-Gesetzes auch stark von den äusseren Umständen, allen voran von der Entwicklung der Pandemie beeinflusst. So begannen Mitte Oktober 2021 die Covid-19-Fallzahlen in der Schweiz, vor allem aber auch im benachbarten Ausland, wieder zu stiegen. Teile Deutschlands reagierten beispielsweise bereits im September 2021 mit einer Verschärfung der 3G-Regel hin zu einer 2G-Regel, bei der nur noch Geimpfte oder Genesene, nicht aber Getestete Zulass zu öffentlichen Innenräumen erhielten. Eine solche Verschärfung blieb in der Schweiz lange Zeit kaum vorstellbar und wurde von verschiedenen Sprechenden deutlich zurückgewiesen. Trotz der steigenden Fallzahlen verzichtete der Bundesrat vor der Abstimmung weitgehend auf Verschärfungen der Corona-Regelungen, was bei den Medien die Vermutung weckte, er wolle die Chancen des Gesetzes im Referendum nicht schmälern. Hingegen gab die Regierung Ende Oktober bekannt, verschiedene Regelungen des Covid-19-Gesetzes verlängern zu wollen – wie es die Kritikerinnen und Kritiker bereits in der Kampagne zur ersten Abstimmung befürchtet hatten. Darüber hinaus sprach der Bundesrat etwa zeitgleich eine Empfehlung für eine Auffrischungsimpfung für über 65-Jährige aus und nährte damit auch die Befürchtungen der Gegnerschaft, wonach zukünftig immer wieder neue Impfungen nötig sein würden. Schliesslich startete der Bundesrat drei Wochen vor dem Urnengang mit einer nationalen Impfwoche einen letzten Versuch, die Schweizer Impfquote vor dem Winter zu erhöhen. Dabei setzte er CHF 100 Mio. ein und startete eine umfassende Werbekampagne für die Impfung. In den Inseratespalten publizierte er denn auch ähnlich viele Inserate zur Impfwoche und zur Impfung wie die Gegnerschaft gegen die Revision des Covid-19-Gesetzes.
In der Woche vor dem Abstimmungssonntag wurde schliesslich bekannt, was vielerseits befürchtet worden war: In der Zwischenzeit war eine neue Virusvariante, Omikron, festgestellt worden, die deutlich ansteckender zu sein schien als die bisher vorherrschende Deltavariante. Unklar war auch, wie die vorhandenen Impfungen gegen die neue Variante wirken würden. Dies versetzte die Schweiz gemäss NZZ endgültig in einen «Schwebezustand, epidemiologisch und politisch gesehen».

Am Abstimmungssonntag folgte dann ein «klares Verdikt einer leisen Mehrheit», wie die AZ das Abstimmungsresultat betitelte: Mit 62.0 Prozent Ja-Stimmen und zwei ablehnenden Kantonen – in Appenzell Innerrhoden und Schwyz sagte die Mehrheit der Stimmenden Nein zur Revision – war die Zustimmung zum Gesetz gegenüber der ersten Abstimmung im Juni (60.2%) gar noch angestiegen. Zahlreiche Gemeinden und sechs Kantone (AR, GL, NW, OW, TG, UR) waren verglichen mit der Juni-Abstimmung neu ins Ja-Lager gewechselt. Die Medien hoben die hohe Stimmbeteiligung von 65.7 Prozent hervor und interpretierten das Ergebnis der Abstimmung als Vertrauensbeweis in die bundesrätliche Politik. Sie betonten aber wie bereits im Juni auch, dass dies keine Blankovollmacht für den Bundesrat darstelle. Die SVP wollte das Resultat denn auch nicht als Einladung für Massnahmenverschärfungen verstanden wissen. Gesundheitsminister Berset forderte die Gegnerinnen und Gegner auf, das Abstimmungsresultat zu akzeptieren: Zur Schweiz gehöre es, dass man sich nach der Abstimmung zusammenraufe. «Wir dürfen nicht endlos streiten.» Zu grossen Streitereien kam es denn in der Folge nicht mehr: Der befürchtete Grossaufmarsch blieb aus, nur vereinzelte Protestierende fanden sich auf dem Bundesplatz ein. Die meisten Sprechenden der Gegnerschaft akzeptierten das Ergebnis, lediglich «Mass-Voll» liess verlauten, dass das Resultat wegen «beispiellosen Unregelmässigkeiten [...] nicht legitim und für uns nicht bindend» sei.


Abstimmung vom 28. November 2021

Beteiligung: 65.7%
Ja: 2'222'594 Stimmen (62.0%)
Nein: 1'361'084 Stimmen (38.0%)

Parolen:
- Ja: EVP, FDP, GLP, GPS, Mitte*, PdA, SPS; Economiesuisse, Gemeindeverband, KdK, SGB, SGV*, SSV, TravailSuisse, VöV, Schweizer Tourismusverband, Hotelleriesuisse, Verband Seilbahnen Schweiz, Swissmem, Freidenker-Vereinigung
- Nein: EDU, SVP*; «Freunde der Verfassung», Aktionsbündnis «Urkantone für eine vernünftige Corona-Politik», Netzwerk Impfentscheid, «Mass-Voll»
- Stimmfreigabe: SD*; GastroSuisse, Piratenpartei
* verschiedene abweichende Kantonalsektionen: Ja: SVP AG, SVP GL; Nein: Mitte NE, SD BE; Stimmfreigabe: SGV AG


Anhand der Gemeindeergebnisse zeigte sich in der Folge, dass die Opposition in der Innerschweiz im Vergleich zum Juni abgenommen hatte, in der Westschweiz hingegen angestiegen war. Gemäss der Vox-Nachabstimmungsbefragung hätten sich die Lager jedoch weiter polarisiert: Die SVP-Sympathisierenden hätten klarer Nein, diejenigen der FDP- und GLP klarer Ja gesagt als noch im Juni 2021. Mehrheitlich Nein gestimmt hatten neben den Sympathisantinnen und Sympathisanten der SVP auch Personen, die sich selbst auf der Links-Rechts-Achse als «rechtsaussen» einstufen, sowie Personen mit traditioneller Werthaltung und solche mit tiefem oder mittlerem Vertrauen in den Bundesrat. Als Hauptgrund für ihre Ablehnung der Gesetzesänderung nannten sie die empfundene Bevormundung durch die Behörden und entsprechend die fehlenden Freiheiten (zusammen 17%), ebenso übten viele Kritik an der indirekt wahrgenommenen Impfpflicht (10%). Die Befürwortenden hingegen wollten mit Annahme der Änderung vor allem die Corona-Politik des Bundesrates unterstützen (36%).

Zweite Revision des Covid-19-Gesetzes (Änderung und Zusatzkredit; BRG 21.016)
Dossier: Covid-19-Gesetz und Revisionen

Am 14. Oktober 2021 gab ein Komitee, unter anderem bestehend aus Personen aus dem Gesundheitsbereich, Juristinnen und Juristen, Theologinnen und Theologen sowie der EVP-Nationalrätin Marianne Streiff (evp, BE), die Lancierung eines Referendums zur Änderung des Transplantationsgesetzes bekannt. Das Komitee bekämpfte damit den indirekten Gegenvorschlag zur Organspende-Initiative, welcher eine erweiterte Widerspruchslösung bei der Entnahme von Organen vorsah. Das Referendumskomitee gab zu bedenken, dass durch dieses Gesetz vor allem die sozial Schwächsten benachteiligt würden. Zudem nehme der Druck auf die Angehörigen zu und es bestehe das Risiko, dass diese einer Organentnahme nur aufgrund der Angst, als gesellschaftlich unsolidarisch abgestempelt zu werden, zustimmen würden. Weiter sei die körperliche und geistige Unversehrtheit durch die Bundesverfassung garantiert. Durch die Widerspruchlösung müsse dieses Recht nun aber «speziell eingefordert werden». Im Januar 2022 gab der Bundesrat bekannt, dass die Abstimmung zur Gesetzesänderung am 15. Mai 2022 erfolgen soll, falls das diesbezüglich ergriffene Referendum zustande kommt.

Organspende-Initiative und indirekter Gegenvorschlag (BRG 20.090)
Dossier: Transplantation von Organen, Geweben und Zellen

Aufgrund des von den «Freunden der Verfassung» ergriffenen Referendums stimmte die Schweizer Stimmbevölkerung im Juni 2021 über das Covid-19-Gesetz ab. Dieses enthielt einerseits die Regelungen zu den Unterstützungsmassnahmen für die Unternehmen und die Bevölkerung (u.a. Härtefallhilfen, Covid-Erwerbsersatz, Kurzarbeitsentschädigung), andererseits Ermächtigungen für den Bundesrat, zeitlich begrenzt von bestehenden Gesetzen abzuweichen. Während der erste Teil auch bei den Gegnerinnen und Gegnern unumstritten war, kritisierten sie den zweiten Teil stark. Dieser Teil enthielt beispielsweise Regelungen zur Einschränkungen von Behandlungen in den Spitälern, zur Abweichungen von gesetzlichen Fristen, zur elektronischen Durchführungen von Generalversammlungen von Unternehmen oder zu Einschränkungen im Asylbereich. Das Covid-19-Gesetz war nun insofern speziell, als Gesetze üblicherweise erst nach Ablauf der Referendumsfrist in Kraft treten. Da das Gesetz jedoch von einer Mehrheit der Mitglieder beider Kammern dringlich erklärt worden war, war es gleich nach Annahme im Parlament im September 2020 in Kraft getreten – was die Abstimmung darüber gemäss Tages-Anzeiger zu einer «demokratiepolitische[n] Kuriosität» machte. Zusätzlich speziell war, dass das Covid-19-Gesetz zum Zeitpunkt der Abstimmung vom Parlament bereits zweimal revidiert worden war – einmal in der Wintersession 2020 und einmal in der Frühjahrssession 2021. Da das Gesetz mit den Corona-bedingten Veränderungen Schritt halten müsse, seien verschiedene Teile des Gesetzes zum Zeitpunkt der Abstimmung gar nicht mehr in Kraft, betonte der Tages-Anzeiger. Zudem würde das Gesetz bei einer allfälligen Ablehnung an der Urne nicht per sofort ausser Kraft treten, sondern ein Jahr nach seiner Inkraftsetzung, also am 25. September 2021. Die meisten Regelungen des Gesetzes sind auf Ende 2021 befristet, lediglich einzelne dieser Regelungen würden bis Ende 2023 (etwa Regelungen zur Kurzarbeit) oder gar bis Ende 2031 (Regelungen zu den Covid-Krediten) gültig bleiben.

Der Abstimmungskampf zum Referendum gegen das Covid-19-Gesetz war nun geprägt von der Frage, worüber am 13. Juni 2021 genau abgestimmt wird. So betonten die Gegnerinnen und Gegner des Gesetzes im Abstimmungsbüchlein, dass mit dem Referendum sichergestellt werden solle, dass die Stimmbürgerinnen und Stimmbürger «die höchste Instanz im Land» bleiben. Mit der Ablehnung des Covid-19-Gesetzes solle man zeigen, «dass Krisenmanagement gegen das Volk in der Schweiz nicht geht». So befürchteten sie, dass der Bundesrat das Notrecht durch das Gesetz unnötig verlängern würde und man durch eine Annahme des Gesetzes die bisherige bundesrätliche Corona-Politik legitimiere. Andreas Glarner (svp, AG) etwa argumentierte, dass man dem Bundesrat damit einen Blankocheck für weitere Einschränkungen gebe und sprach sich damit gegen das Gesetz aus – die SVP selbst entschied sich in der Folge für Stimmfreigabe. Gegen diese Argumentationen wehrten sich die Befürworterinnen und Befürworter des Gesetzes, da sie in ihren Augen am Covid-19-Gesetz vorbeizielten. So würden die Gegnerinnen und Gegner insbesondere die Corona-Massnahmen des Bundesrates kritisieren, etwa die Schliessung der Restaurants oder Läden, die jedoch nicht im Covid-19-Gesetz geregelt seien, sondern im 2013 von der Stimmbürgerschaft angenommenen Epidemiengesetz. Diese Bestimmungen würden somit durch eine Ablehnung des Gesetzes auch nicht aufgehoben. Der Kampf gegen das Gesetz stelle gemäss den Befürwortenden folglich bloss eine Art «Stellvertreterkrieg» dar, in dem sich die Gegnerinnen und Gegner ein Misstrauensvotum gegen die bundesrätliche Covid-Politik oder einen Denkzettel an den Bundesrat wünschten.
Die Gegnerschaft kritisierte aber durchaus auch verschiedene Aspekte des Gesetzes selbst: So fürchteten sie eine Diskriminierung oder gar einen Verlust der Grundrechte von ungeimpften Personen aufgrund des Covid-19-Zertifikats, da mit diesem eine Zweiklassengesellschaft, ja gar eine «neue Form der Apartheid», geschaffen werde. Zudem diene das Contact Tracing über die SwissCovidApp zur Massenüberwachung, wie die beiden Co-Präsidenten der «Freunde der Verfassung», Marion Russek und Werner Boxler, in der Weltwoche betonten. Das anfängliche Argument, wonach es aufgrund des Gesetzes zu einer verkürzten Prüfung von Impfstoffen kommen könnte, liess das Komitee nach einer Weile fallen – der Bundesrat hatte erklärt, dass es in der betreffenden Regelung einzig um Arzneimittel, nicht aber um Impfstoffe gehe.
Neben einzelnen Bestimmungen kritisierte die Gegnerschaft aber auch die Verbindung der Unterstützungsmassnahmen mit den zusätzlichen Ermächtigungen für den Bundesrat, da man den Stimmbürgerinnen und Stimmbürgern damit die Möglichkeit nehme, Ersteren zuzustimmen und Letztere abzulehnen. Gleichzeitig betonten sie, dass eine Ablehnung des Covid-19-Gesetzes an der Urne nicht das Ende der Unterstützungsmassnahmen bedeute – was das Hauptargument der Befürworterinnen und Befürworter darstellte. So könne das Parlament die Unterstützungsmassnahmen durch die Annahme einer Motion von Pirmin Schwander (svp, SZ; Mo. 21.3402) innert kürzester Frist in ein eigenes Gesetz giessen. Diese Argumentation teilten die Befürwortenden nicht, vielmehr warnten sie vor drastischen Folgen durch die Ablehnung des Gesetzes: Das vorzeitige Ende der Unterstützungsmassnahmen der Wirtschaft führe nämlich zu einem starken Anstieg der Konkurse, der Arbeitslosigkeit und der Sozialhilfequote. Zwar könne das Parlament allenfalls ein neues Gesetz beschliessen, dabei müsse es sich aber um ein ordentliches Gesetz handeln – ein weiteres dringliches Gesetz sei nicht möglich –, erklärte der Bundesrat. Ein solches könne aber unter anderem aufgrund der Referendumsfrist nicht vor dem 25. September 2021 in Kraft gesetzt werden. Somit käme es bei einer Ablehnung des Covid-19-Gesetzes zu einem Unterbruch der Unterstützungsmassnahmen. Auch der Bundesrat betonte zur Lancierung seines Abstimmungskampfes an einer Pressekonferenz, bei der unter anderem Gesundheitsminister Berset und Bundespräsident Parmelin sowie KdK-Präsident Rathgeb (GR, fdp) anwesend waren, dass das Covid-19-Gesetz die einzige rechtliche Grundlage zur Unterstützung der Betroffenen sei und dessen Ablehnung grosse Unsicherheiten bei Unternehmen und Arbeitnehmenden auslösen würde. Christian Rathgeb verwies auf die zentrale Bedeutung des Gesetzes für die Kantone und mahnte vor einem Bauchentscheid: «Die Menschen brauchen jetzt nicht einen Denkzettel, sondern konkrete finanzielle Unterstützung.»
Die Befürworterinnen und Befürworter wehrten sich auch gegen den Diktatur-Vorwurf der Gegnerschaft an den Bundesrat. So werde das Notrechtregime durch das Covid-19-Gesetz nicht verlängert, sondern wie von der Verfassung verlangt in ordentliches Recht überführt – das entsprechend auch vom Parlament verabschiedet worden sei. «Alles läuft, wie es die Verfassung vorsieht – auch wenn die «Freunde der Verfassung» das nicht wahrhaben wollen», betonte etwa die NZZ. «Wenn dies die Basis für eine Diktatur sein soll, wird es eine ebenso lächerliche wie grosszügige Diktatur sein – eine Diktatur, in der es für fast jeden Zweck Milliardenhilfen gibt und für jeden LKW-Fahrer eine Toilette», verteidigte dieselbe Zeitung das Gesetz mit Verweis auf eine spezifische Regelung im Covid-19-Gesetz zum Toilettenzugang von LKW-Fahrerinnen und -Fahrern.

Zu breiteren medialen Diskussionen im Abstimmungskampf führte auch das Abstimmungsbüchlein: Die Gegnerinnen und Gegner des Gesetzes kritisierten, dass hier das ursprüngliche Covid-19-Gesetz aufgeführt worden war, obwohl dieses in der Zwischenzeit bereits mehrfach revidiert worden war. Dies sei aber insofern korrekt, als das Referendum zum ursprünglichen Gesetz gefasst worden sei – auch wenn die Ablehnung des Gesetzes auch die Revisionen ausser Kraft setzen würde, war der mediale Konsens in dieser Frage. Ansonsten stand das Referendum zum Covid-19-Gesetz deutlich im Schatten der gleichzeitig stattfindenden Abstimmungen zum CO2-Gesetz, zur Trinkwasser- und zur Pestizidinitiative sowie zum kaum beworbenen Bundesgesetz über polizeiliche Massnahmen zur Bekämpfung von Terrorismus. Die Studie des fög zählte etwa eine vergleichsweise geringe Anzahl Zeitungsartikel zum Covid-19-Gesetz, deren Tonalität leicht positiv war. Auch in den Inseratespalten schnitt das Covid-19-Gesetz unterdurchschnittlich ab, wie die Studie von Année Politique Suisse zeigte. Die Vorumfragen der SRG (67% Ja respektive 64% Ja) und von Tamedia (66%, 67%, 69%) liessen schliesslich kaum Zweifel an einer Annahme des Gesetzes aufkommen.

In der Zwischenzeit hatten die EDU, die «Freunde der Verfassung», das Aktionsbündnis «Urkantone für eine vernünftige Corona-Politik» sowie die Gruppe «Mass-voll» die Nein-Parole ausgegeben. Die SVP hatte unter grossem medialen Interesse bereits im März 2021 entschieden, Stimmfreigabe zu erteilen, da sie «die negativen Folgen einer Ablehnung [als] grösser [erachtete] als die einer Zustimmung». Verschiedene Kantonalsektionen wichen jedoch von dieser Parole ab, so sprachen sich die Sektionen der Kantone Bern, Luzern, Waadt und Wallis für eine Annahme und die Sektionen der Kantone Appenzell-Innerrhoden, Basel-Landschaft, Schwyz und Zürich sowie die Junge SVP für eine Ablehnung aus. Ansonsten traf das Covid-19-Gesetz weitgehend auf Unterstützung, etwa durch sämtliche anderen grösseren Parteien (EVP, FDP, GLP, GPS, Mitte, SP) und zahlreiche grösseren Verbände wie Economiesuisse, SGB und Travailsuisse, aber auch durch den SGV oder GastroSuisse.

Am Abstimmungssonntag sollte sich das Bild aus den Vorumfragen bestätigen: Mit 60.2 Prozent bei einer Stimmbeteiligung von 59.7 Prozent sprachen sich die Stimmbürgerinnen und Stimmbürger für das Covid-19-Gesetz aus. Zwar war kein Ständemehr nötig, dennoch verdeutlichte die Ablehnung der Vorlage in den Kantonen Uri (45.1%), Schwyz (40.9%), Nidwalden (48.6%), Obwalden (43.3%), Glarus (49.1%), Appenzell Ausserrhoden (47.0%), Appenzell Innerrhoden (39.2%) und Thurgau (49.9%) die Unterschiede zwischen den Regionen: So lag die Zustimmung in der Romandie mit 65.5 Prozent und in der italienischsprachigen Schweiz mit 68.8 Prozent beispielsweise deutlich höher als in der Deutschschweiz (58.3 Prozent).
Die Medien waren sich nicht sicher, wie dieses Resultat zu interpretieren war. Einerseits wurde von einem «Achtungserfolg der Gegner» (AZ) gesprochen – insbesondere da diese nicht von einer grossen Partei unterstützt worden seien (TdG) –, andererseits sei die Abstimmung zuvor als «Plebiszit über die generelle Corona-Politik des Bundesrates» angepriesen worden, weshalb das Resultat nun als Bestätigung ebendieser durch die Stimmbürgerschaft verstanden werden könne (NZZ). Einig war man sich jedoch mehrheitlich, dass dies nicht als Blankocheck für den Bundesrat verstanden werden dürfe – zugleich forderte unter anderem die SVP weitere Lockerungen der Corona-Massnahmen.


Abstimmung vom 13. Juni 2021

Beteiligung: 59.7%
Ja: 1'936'344 Stimmen (60.2%)
Nein: 1'280'128 Stimmen (39.8%)

Parolen:
- Ja: EVP, FDP, GLP, GPS, KVP, Mitte, PdA, SPS; Economiesuisse, Gemeindeverband, KdK, SAV, SGB, SGV, SSV, TravailSuisse, VPOD, GastroSuisse
- Nein: EDU; «Freunde der Verfassung», Aktionsbündnis «Urkantone für eine vernünftige Corona-Politik», «Mass-voll»
- Stimmfreigabe: SD, SVP*
* verschiedene abweichende Kantonalsektionen: Ja: SVP BE, SVP LU, SVP NE, SVP VD, SVP VS; Nein: SVP AI, SVP BL, SVP SZ, SVP ZH, JSVP CH


Die Nachabstimmungsbefragung von gfs.bern zeigte einige Wochen später, dass die Vorlage von Personen unter 40 Jahren, von Sympathisantinnen und Sympathisanten der SVP sowie von Personen mit geringem bis mittlerem Vertrauen in den Bundesrat mehrheitlich abgelehnt worden war. Als Hauptgrund für ihre Ablehnung nannten die Befragten das Missbrauchspotenzial des Gesetzes (15% der Antworten), während die Befürwortenden vor allem auf die Notwendigkeit einer Gesetzesgrundlage (16%) sowie der finanziellen Unterstützung (12%) verwiesen.

Noch am Abstimmungssonntag kündigten die Junge SVP und die «Freunde der Verfassung» überdies bereits ein Referendum zur zweiten Revision des Covid-19-Gesetzes und damit hauptsächlich zum Covid-19-Zertifikat an. Die zweite Revision war Mitte März 2021 vom Parlament verabschiedet worden, weshalb die Referendumsfrist nur noch drei Wochen andauerte. Die beiden Komitees zeigten sich überzeugt, dass man die nötigen 50'000 Unterschriften innert dieser kurzen Frist zusammenbekommen werde.

Bundesgesetz über die gesetzlichen Grundlagen für Verordnungen des Bundesrates zur Bewältigung der Covid 19-Epidemie (Covid-19-Gesetz; BRG 20.058)
Dossier: Covid-19-Gesetz und Revisionen

An demselben Tag, als die Schweizer Stimmbürgerschaft das Covid-19-Gesetz in einem Referendum bestätigte, kündigten die Junge SVP und der Verein «Freunde der Verfassung» ein Referendum zur zweiten Revision des Covid-19-Gesetzes und damit hauptsächlich zum Covid-19-Zertifikat an. Das Zertifikat diskriminiere die ungeimpften Personen und schränke sie in ihren Grundrechten ein – etwa indem sie vom Zugang zu gewissen Veranstaltungen oder auch Restaurantbesuchen ausgeschlossen seien. Zudem würden sie auch durch die «Zwangsquarantäne» im Falle eines Kontaktes mit dem Virus diskriminiert – so hebt die zweite Revision die Quarantänepflicht von Geimpften, nicht aber von Ungeimpften auf. Zudem störten sich die Referendumsführenden an den ebenfalls in der Revision geregelten Unterstützungsmassnahmen für die Medien sowie an den allgemein zu grossen Vollmachten des Bundesrates in der Pandemie – diesbezüglich war ebenfalls noch eine neue Regelung ergänzt worden. Umstritten war in den Medien, wie gross die Auswirkungen einer Ablehnung der Revision wären. So würde bei einer Ablehnung nicht wie bei der ersten Abstimmung das Covid-19-Gesetz als Ganzes ausser Kraft gesetzt, sondern nur die Revision vom März 2021. Weiterhin möglich bleiben würde aber vermutlich das bereits im EpG enthaltene Contact Tracing – das die Referendumsführenden als Basis für «permanente Massenüberwachung» ebenfalls bekämpften. Auch die ebenfalls auf dem EpG beruhende Quarantänepflicht für Ungeimpfte würde bleiben, bei Ablehnung der Revision müssten aber zudem auch die Geimpften weiterhin in Quarantäne. Theoretisch sei auch die Weiterführung des Covid-19-Zertifikats auf Basis des EpG denkbar, politisch sei eine solche nach einer verlorenen Abstimmung aber vermutlich nicht machbar, erklärte die NZZ. Schliesslich würden die Bestimmungen erneut nicht per sofort aufgehoben, sondern erst ein Jahr nach ihrer Inkraftsetzung, also im März 2022, ausser Kraft treten. Ab dann müsste schliesslich auch auf den Ausbau der Wirtschaftshilfe – etwa für Selbständigerwerbende, für besonders stark betroffene grosse Unternehmen, für den Sport oder den Kulturbereich –, die ebenfalls in dieser Revision geregelt wurde, verzichtet werden.
Da die zweite Revision bereits Mitte März 2021 vom Parlament verabschiedet worden war, blieben den Referendumsführenden nach der Bestätigung des Covid-19-Gesetzes durch die Stimmbürgerinnen und Stimmbürger nur noch drei Wochen, um die nötigen 50'000 Unterschriften zusammenzubekommen. Im August 2021 gab die Bundeskanzlei bekannt, dass das Komitee «Referendum Covid-19», das Aktionsbündnis Urkantone sowie die «Freunde der Verfassung» insgesamt 187'239 Unterschriften eingereicht hätten – also rund dreimal so viele wie nötig. Wie aufgrund des Covid-19-Gesetzes sowie der zeitlich begrenzt eingeführten «Covid-19-Verordnung Stimmrechtsbescheinigung» erlaubt, war es während der Covid-19-Pandemie möglich, auch Unterschriften, für die noch keine Stimmrechtsbescheinigung ausgestellt worden war, einzureichen – normalerweise müssen alle Unterschriften vor der Einreichung beglaubigt werden. Diese Möglichkeit nutzten auch die Komitees, so waren lediglich 5'401 Unterschriften bei Einreichung bereits beglaubigt worden. Von den 75'526 nachträglich von der Bundeskanzlei zur Beglaubigung eingereichten Unterschriften konnten die zuständigen Stellen schliesslich 69'935 als gültig bescheinigen. Die Stimmbürgerinnen und Stimmbürger werden somit Ende November 2021 über das zweite Covid-19-Referendum abstimmen.

Zweite Revision des Covid-19-Gesetzes (Änderung und Zusatzkredit; BRG 21.016)
Dossier: Covid-19-Gesetz und Revisionen

Nachdem die WBK-NR im Februar 2021 mit 15 zu 8 Stimmen (bei 2 Enthaltungen) beantragt hatte, der parlamentarischen Initiative Semadeni (sp, GR; übernommen von Martina Munz (sp, SH)) zu einem fakultativen Referendum für die finanzielle Unterstützung Olympischer Spiele durch den Bund Folge zu geben, wurde das Geschäft in der Sommersession im Nationalrat behandelt. Christian Wasserfallen (fdp, BE) sprach sich im Namen der Kommissionsminderheit gegen die Forderung aus. Einerseits sah er keinen Handlungsbedarf, weil zurzeit kein aktuelles Projekt vorliege, andererseits erachtete er die Änderung des Sportförderungsgesetzes ohnehin als unnötig, da Projekte wie « Sion» oder «Graubünden» gezeigt hätten, dass die Möglichkeit bestehe, einen Bundesbeschluss referendumsfähig auszugestalten. Weiter verwies er auf ein Postulat der WBK-NR (Po. 21.3022), in dessen Bericht die Regelung bezüglich Finanzierung von und Beteiligung an Olympischen Spielen und weiteren Grossanlässen bereits aufgearbeitet werde. Wasserfallen gab zudem zu bedenken, dass mit der Forderung der parlamentarischen Initiative nur Olympische Spiele, nicht aber weitere Grossanlässe wie beispielsweise Fussballweltmeisterschaften berücksichtigt würden. Die zustimmende Haltung der Mehrheit der nationalrätlichen WBK basierte gemäss Kommissionssprecherin Sandra Locher Benguerel (sp, GR) auf der grossen nationalen Bedeutung Olympischer Spiele und der Wichtigkeit der Zustimmung der Bevölkerung. Im Moment sei eben gerade der richtige Zeitpunkt, um die parlamentarische Initiative zu behandeln, da zurzeit keine Kandidatur geplant sei und das Geschäft somit projektunabhängig diskutiert werden könne. Mit 131 zu 56 Stimmen kam die grosse Kammer dem Antrag der Kommissionsmehrheit auf Folgegeben nach, wobei die Gegenstimmen grösstenteils aus den Fraktionen der FDP und der Mitte stammten.

Fakultatives Referendum für die Unterstützung Olympischer Spiele durch den Bund

Am 6. Oktober 2020 lancierte der Verein «Freunde der Verfassung» das Referendum gegen das Covid-19-Gesetz, welches am 25. September des gleichen Jahres verabschiedet worden war. Damit wollte das Referendumskomitee verhindern, dass die ausserordentlichen Kompetenzen, welche dem Bundesrat während der Pandemie zugesprochen worden waren, rückwirkend legitimiert und bis Ende 2021 verlängert werden. Marion Russek, Co-Präsidentin des Vereins, erklärte, sie könne sich durchaus vorstellen, dass die Landesregierung das befristete Gesetz gar aus «irgendwelchen Gründen» über das Jahr 2021 hinaus verlängern werde. Weiter sei das Referendum notwendig, weil sich die politische Macht in den vergangenen Jahren vom Volk über das Parlament und die Regierung hin zu Expertinnen und Experten verschoben habe und die Anzahl Personen, die Entscheide fällten, welche die gesamte Bevölkerung betreffen, immer kleiner werde. Ähnlich argumentierte auch der Zürcher Kantonsrat Urs Hans (ZH, parteilos), welcher die WHO als «Pandemiemanagerin» bezeichnete, die weltweit regiere. Russek war darüber hinaus der Ansicht, das Covid-19-Gesetz sei unnötig, weil ein Grossteil davon die Finanzierung der verschiedenen Massnahmen betreffe, was auch ohne Notrecht geregelt werden könne. Zudem weise das Gesetz eine Reihe an weiteren Schwachstellen auf. Als Beispiel nannte sie die Unterstützung der Medien, deren Schwierigkeiten nichts mit der Coronakrise zu tun hätten. Die Freunde der Verfassung zeigten sich ferner besorgt darüber, dass unzureichend getestete Impfungen zur Pflicht erklärt werden könnten und die Menschen als Versuchskaninchen herhalten müssten. Am 12. Januar 2021 reichte der Verein 97'878 Unterschriften ein. Die Bundeskanzlei liess in ihrer Medienmitteilung vom 3. März 2021 verlauten, das Referendum sei mit 90'789 gültigen Unterschriften zustande gekommen. Die Stimmbevölkerung wird im Juni 2021 über die Vorlage abstimmen.

Bundesgesetz über die gesetzlichen Grundlagen für Verordnungen des Bundesrates zur Bewältigung der Covid 19-Epidemie (Covid-19-Gesetz; BRG 20.058)
Dossier: Covid-19-Gesetz und Revisionen

Im Gegensatz zu ihrer Schwesterkommission gab die WBK-SR der parlamentarischen Initiative Semadeni (sp, GR) zu einem fakultativen Referendum für die finanzielle Unterstützung Olympischer Spiele durch den Bund mit 9 zu 4 Stimmen keine Folge. Eine Mehrheit der Kommissionsmitglieder war der Meinung, dass diese Praxis dazu führen würde, dass bereits während der Sondierungsphase die Details des Projekts geregelt werden müssten. Ferner würde die Schweiz im Vergleich mit Bewerberstaaten ohne fakultatives Referendum benachteiligt werden. Eine Kommissionsminderheit vertrat hingegen die Ansicht, dass die Unterstützung der breiten Bevölkerung, welcher es sich frühzeitig zu vergewissern gelte, für ein solches Vorhaben erforderlich sei.

Fakultatives Referendum für die Unterstützung Olympischer Spiele durch den Bund

Mittels parlamentarischer Initiative forderte Silva Semadeni (sp, GR) die Ergänzung des Artikels 17 des SpoFög durch das fakultative Referendum für die finanzielle Unterstützung Olympischer Spiele durch den Bund. Damit griff sie die Debatte auf, die sie zum Projekt Sion 2026 im Nationalrat lanciert hatte. Es solle eine klare Ausgangslage für künftige Olympische Spiele geschaffen werden, so die Initiantin. Sie zweifle die nationale Bedeutung Olympischer Spiele nicht an, trotzdem bedürfe es nicht nur der Zustimmung der betroffenen Gemeinden und Kantone, sondern auch der Unterstützung der ganzen Schweizer Bevölkerung. Durch das fakultative Referendum gewännen zudem allfällige, in Zukunft stattfindende umstrittene Olympische Spiele in der Schweiz an demokratischer Legitimation.
Ende Juni 2019 befasste sich die WBK-NR mit der parlamentarischen Initiative. Während die Mehrheit der Kommissionsmitglieder dem Geschäft mit der Begründung zustimmte, solche kostspieligen Anlässe erforderten die Zustimmung der gesamten Bevölkerung, unterstützte eine Minderheit den Vorstoss nicht, da die Schweiz durch diese zusätzliche Hürde und ihre organisatorischen Folgen gegenüber konkurrierenden Ländern benachteiligt würde. Mit 15 zu 7 Stimmen sprach sich die Kommission für die parlamentarische Initiative aus.

Fakultatives Referendum für die Unterstützung Olympischer Spiele durch den Bund

Erfolg hatte eine Motion Germann (svp, SH), welche den Bundesrat beauftragte, dem Parlament eine Vorlage zu unterbreiten, die im Bereich der Hilfsmittel in der IV und der AHV den Markt stärkt und zu mehr Wettbewerb führt. Ein Bericht der Eidgenössischen Finanzkontrolle hatte im Sommer 2007 festgestellt, dass die heutige Regelung Wettbewerb verhindert und falsche Anreize setzt. Der Bundesrat hatte die Motion kommentarlos zur Annahme empfohlen. Die Kommission des Nationalrates hingegen beantragte mit 9 zu 8 Stimmen, bei 3 Enthaltungen, die Motion abzulehnen. Der Nationalrat folgte dem Bundesrat und der Minderheit seiner Kommission und nahm die Motion mit 99 zu 67 Stimmen an.

Hilfsmittel in der IV und der AHV

Wie bereits nach den Schlussabstimmungen in der Wintersession des Vorjahres angekündigt, wurde Mitte Januar von zwei Seiten erfolgreich das Referendum gegen das neue Stammzellenforschungsgesetz (StFG) ergriffen. Pro-Leben-Organisationen vertraten die Auffassung, das Gesetz widerspreche fundamentalen ethischen Werten und verletze die jedem Lebewesen in der Verfassung garantierten Grundrechte des Lebensschutzes und der Menschenwürde. Gentechnik-kritische Kreise orteten ebenfalls Widersprüche mit der Verfassung und anderen bereits bestehenden Gesetzen und verlangten, sich auf alternative Methoden wie die Forschung an adulten Stammzellen zu konzentrieren. Die Befürworter einer gesetzlichen Regelung machten in der Abstimmungskampagne geltend, die Schweiz würde durch ein Verbot bei dieser zukunftsträchtigen medizinischen Forschung international in Rückstand geraten. Es gelte abzuwägen zwischen der Möglichkeit neuartiger Therapien, die Leiden mindern könnten, und dem Schutz des Embryos. Die Forschung beschränke sich zudem auf die bei einer assistierten Fortpflanzung als überzählig anfallenden Embryonen, die sowieso keine Überlebenschance hätten. Ausser den Grünen, der EVP und der EDU unterstützten alle Parteien das Gesetz. Dieses wurde in der Volksabstimmung vom 28. November mit über 66% Ja deutlich angenommen.


Abstimmung vom 28. November 2004

Beteiligung: 37,0%
Ja: 1 156 706 (66,4%)
Nein: 585 530 (33,6%)

Parolen:
– Ja: CVP, FDP, SP (*3), SVP, LP, Lega; Economiesuisse, SAGV, SGV, SBV; SEK
– Nein: GP, EVP, EDU; SBK
– Stimmenthaltung: PdA, CSP; SGB, Travail suisse
* In Klammer Anzahl abweichender Kantonalsektionen

Die Vox-Analyse dieses Urnengangs zeigte, dass das Abstimmungsverhalten von der Weltanschauung, insbesondere der Religiosität recht stark beeinflusst wurde, wobei die Konfessionszugehörigkeit nur eine sekundäre Rolle spielte. Hingegen war kein Konflikt zwischen Links und Rechts festzustellen. Am negativsten eingestellt waren CVP-nahe Stimmende, am positivsten die Anhänger der FDP; die Sympathisanten von SP und SVP verhielten sich sehr ähnlich und positionierten sich in der Mitte zwischen CVP und FDP. Nicht von Bedeutung waren Geschlecht, Einkommen und Siedlungsform.

Stammzellenforschungsgesetz (BRG 02.083)
Dossier: Stammzellenforschung

In einer Studie des BFS wurden die Wirkungen und der Umverteilungseffekt einzelner Leistungen des Sozialstaates durchleuchtet. Die Studie brachte zum Ausdruck, dass die Transfers in der Schweiz für die Einkommenssicherung in Bevölkerungsgruppen mit niedrigem Einkommen von grosser Bedeutung sind. Transfereinkommen machen in Haushalten aus der untersten Einkommensgruppe fast einen Drittel des Gesamteinkommens aus. Bei einkommensmässig schlecht gestellten Rentnern kommt der AHV und den Ergänzungsleistungen eine existenzsichernde Funktion zu, während die berufliche Vorsorge für Arbeitnehmende in den tiefsten Lohnsegmenten kaum ins Gewicht fällt. Für Alleinerziehende, Erwerbslose nach der Aussteuerung und Geschiedene ist hingegen die Sozialhilfe zentral. (Für eine ähnliche von der OECD im Vorjahr veröffentlichten Studie siehe hier)

Umverteilungseffekt Leistungen des Sozialstaates

Die Vox-Analyse dieser Abstimmung bestätigte einen gewissen Antagonismus zwischen der deutschen und der welschen Schweiz in Drogenfragen (59% Befürworter in der Deutschschweiz gegen 51% in der Romandie). Die Schulbildung schien ebenfalls eine nicht unbedeutende Rolle zu spielen, indem Hochschulabsolventen mit 73% Ja-Stimmen überdeutlich zustimmten, während Personen mit reiner Volksschulausbildung zu 61% ein Nein in die Urne legten. Im Gegensatz zu den beiden Initiativen 1997 und 1998 spielten Alter und Kirchenbindung keine Rolle. Abstimmungsentscheidend war einmal mehr die politische Positionierung: die Anhänger und Anhängerinnen der Linken (SP und Grüne) nahmen die Vorlage fast einstimmig an, während sich die Sympathisanten und Sympathisantinnen der SVP nur zu 30% dafür aussprachen.

dringlichen Bundesbeschluss über ärztlich verordnete Heroinabgabe als Therapie (BRG 98.015)
Dossier: Bundesbeschluss über die ärztliche Verschreibung von Heroin

Die Ergebnisse dieser Volksabstimmung lagen mit 54,4 Prozent Ja tatsächlich weit unter jenen zur Volksinitiative „Jugend ohne Drogen“, welche ein analoges Ziel verfolgt hatte und 1997 mit über 70% Nein-Stimmen an der Urne gescheitert war. Während damals aber kein einziger Kanton das restriktive Volksbegehren angenommen hatte, sprachen sich nun immerhin 10 Kantone gegen die Weiterführung der Heroinabgabe aus. Der Bundesrat erklärte dies damit, dass es hier nicht um die 4-Säulen-Politik als Ganzes gegangen sei, sondern um einen Teilaspekt – und zwar um den umstrittensten der gesamten Drogenpolitik. Die in der Drogenpolitik traditionell restriktive Westschweiz wurde ihrem Ruf gerecht: mit Ausnahme von Genf stimmte sie geschlossen gegen die Heroinabgabe. Am stärksten war der Widerstand im Wallis (64,6% Nein), dahinter folgten Neuenburg (58%) und die Waadt (57,2%). In der Deutschschweiz lagen die fünf Kantone mit Nein-Mehrheiten in der Inner- und Ostschweiz (SZ, GL, AR, AI, TG), angeführt von Appenzell Innerrhoden mit 54,5% Nein. An der Spitze der Befürworter lagen Basel-Stadt (69,2% Ja), Baselland (64,9%), Zug und Zürich (62,7 resp. 62,5%) sowie Genf (58,9%). Basel, Zürich und Genf kennen die Heroinabgabe aus eigener Erfahrung. Im Kanton Bern, wo in den Städten Bern und Thun ebenfalls Heroinprogramme laufen, lag die Zustimmung mit 53,3% unter dem Schweizer Durchschnitt. Als Erklärung für diesen Umstand wurde angeführt, dass der Kanton Bern mehrheitlich ländlich sowie eigentliches Stammland der EDU ist und in weiten Teilen in Hand der SVP liegt, die ebenfalls gegen die Heroinabgabe angetreten war; in den städtischen Gebieten war die Annahme überdurchschnittlich.


Dringlicher Bundesbeschluss über die ärztliche Verschreibung von Heroin
Abstimmung vom 13. Juni 1999


Beteiligung: 45,74%
Ja: 1'128'393 (54,4%)
Nein: 944'919 (45,6%)

Parolen:
– Ja: CVP (*1), FDP (*3), SP (*1), Grüne, EVP, (2*), LdU, PdA; SGB, CNG, Jugendverbände, Städteverband.
– Nein: SVP (3*), LPS (*1), FP, EDU.
– Stimmfreigabe: SGV

* In Klammer Anzahl abweichender Kantonalsektionen

dringlichen Bundesbeschluss über ärztlich verordnete Heroinabgabe als Therapie (BRG 98.015)
Dossier: Bundesbeschluss über die ärztliche Verschreibung von Heroin

Die Abstimmungskampagne verlief sehr ruhig, was auch damit zu tun hatte, dass dieses Referendum im Schatten von brisanten Vorlagen stand, welche am 13. Juni ebenfalls zur Abstimmung gelangten (Mutterschaftsversicherung, Revision und dringliche Bundesbeschlüsse der Asylgesetzgebung, 1. Teil der IV-Revision mit der geplanten Abschaffung der Viertelsrente). Zudem wurde allgemein angenommen, dass angesichts der Geschlossenheit der drei grossen Bundesratsparteien CVP, FDP und SP die Argumente jener Splittergruppe, welche das Referendum lanciert hatte (EDU) und jener rechtsbürgerlicher Kreise, welche es unterstützten (SVP, LP, SD und FP) kaum Gehör finden würden. Im Verlauf der Wochen warnten Beobachter aber zunehmend davor, den Angriff der Rechtskonservativen zu unterschätzen; im Verborgenen seien hier die gleichen Kräfte am Werk, die im März gewissermassen in letzter Minute die scheinbar „sichere“ Totalrevision der Bundesverfassung (96.091) fast noch zu Fall gebracht hätten.

dringlichen Bundesbeschluss über ärztlich verordnete Heroinabgabe als Therapie (BRG 98.015)
Dossier: Bundesbeschluss über die ärztliche Verschreibung von Heroin

Das Referendum der EDU gegen den im Vorjahr gefällten „Heroinbeschluss“ des Parlaments (befristeter dringlicher Bundesbeschluss zur Verabreichung von Heroin an Schwerstsüchtige bis zum Vorliegen des revidierten Betäubungsmittelgesetzes) kam mit 55 440 gültigen Unterschriften zustande.

dringlichen Bundesbeschluss über ärztlich verordnete Heroinabgabe als Therapie (BRG 98.015)
Dossier: Bundesbeschluss über die ärztliche Verschreibung von Heroin

Die SVP der Stadt Zürich brachte mit ihrem Argument, wonach die kontrollierte Drogenabgabe zu teuer sei und ein falsches Signal an die Jugendlichen darstelle, ein Referendum gegen die kontrollierte Drogenabgabe zustande. In Winterthur genügte gar die Referendumsdrohung, um das Stadtparlament dazu zu bewegen, die entsprechende Kreditvorlage freiwillig dem Volk zu unterbreiten. Mit dieser Haltung stellte sich die Zürcher SVP nicht nur gegen alle anderen Parteien im Kanton (mit Ausnahme von SD und FP), sondern sie grenzte sich auch deutlich gegenüber der Mutterpartei ab, welche in ihrer Vernehmlassungsantwort zur Revision des Betäubungsmittelgesetzes festhielt, dass sie sich zwar auch für eine Beendigung der Heroinabgabeversuche einsetze, dass sie deren begrenzte Weiterführung bis 1998 aber aus humanitären Gründen befürworte. In der recht gehässig geführten Abstimmungskampagne engagierten sich auch die frühere Zürcher Sozialvorsteherin Emilie Lieberherr sowie die gesamte Spitze der Stadtpolizei Zürich für die Weiterführung der Heroinabgabe. Die breite Koalition der Befürworter schlug sich anfangs Dezember in den Resultaten der beiden Abstimmungen nieder: in Winterthur stimmten 59% der Stimmberechtigten, in Zürich gar 63% der Fortschreibung der Betäubungsmittelabgabe zu.

SVP der Stadt Zürich bringt Referendum gegen die kontrollierte Drogenabgabe zustande
Dossier: Bundesbeschluss über die ärztliche Verschreibung von Heroin

Das Bundesamt für Sozialversicherung (BSV) publizierte die erste gesamtschweizerische Spitex-Statistik. Danach bezahlte die AHV 1992 im Rahmen der offenen Altershilfe fast CHF 100 Mio. an rund 1000 verschiedene Spitex-Organisationen in der Schweiz. Seit 1990 sind die Ausgaben der AHV für Spitex beträchtlich gestiegen: 1990/1991 um 58 Prozent und 1991/1992 um 16 Prozent. An der Statistik fiel auf, dass das Netz der beitragsberechtigten Spitex-Organisationen in der Deutschschweiz im Vergleich zur Romandie und zum Tessin dichter ist.

erste gesamtschweizerische Spitex-Statistik

Da aber in der Debatte praktisch alle Votanten die gesundheitsschädigende Wirkung des Rauchens unterstrichen hatten, überwies der Rat eine Motion seiner vorberatenden Kommission, welche den Bundesrat auffordert, eine Vorlage auszuarbeiten, damit aus der Tabaksteuer ein angemessener Anteil für Gesundheitserziehung und Prävention zur Verfügung gestellt werden könne, wobei die Leistung nicht zu Lasten der Ablieferung an die AHV/IV gehen dürfe. Gegen den Willen des Bundesrates, der darauf hinwies, dass dafür eine Verfassungsänderung notwendig wäre, da Art. 34 BV alle Mittel aus der Tabaksteuer zweckgebunden der AHV und IV zuweist, wurde die Motion, wenn auch nur knapp, angenommen.

Nutzung eines Teils der Tabaksteuer für Prävention (Mo. 93.3026)
Dossier: «Zwillingsinitiativen», indirekter Gegenvorschlag und andere Präventionsmassnahmen zwischen 1990 und 2000