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Das BWA krebste gegenüber früher gemachten Aussagen zurück und erklärte, die Missbräuche in der ALV seien deutlich geringer als ursprünglich vermutet. Unter den 18% Taggeldbezügern, die 1997 ihre Anspruchsberechtigung vorübergehend verloren, wurde nur 6% grobes Verschulden vorgeworfen. 12% wurden wegen eines Fehlverhaltens bestraft, das oftmals aufgrund mangelnder Information erfolgte. Stärker ins Gewicht fallen Unregelmässigkeiten der Betriebe in den Bereichen Kurzarbeits- und Schlechtwetterentschädigung. In 174 Stichproben wurden 112 Regelverstösse festgestellt. Die hohe Anzahl der beanstandeten Betriebe erklärt sich allerdings auch dadurch, dass das BWA vor allem Betriebe kontrolliert, die bereits in der Vergangenheit durch Fehlverhalten aufgefallen sind. Bei knapp 6% handelte es sich um eigentliche Missbräuche, 4% lagen in der Grauzone zwischen Missbrauch und Fehlverhalten, und 54% der kontrollierten Betriebe wurden der Nachlässigkeit bezichtigt. Die SP-Fraktion hat zu dieser Thematik eine Interpellation (98.3066) eingereicht.

Missbräuche deutlich geringer

Auf eine grundlegende Neuordnung der ALV zielte eine Motion von Nationalrat Bonny (fdp, BE) ab, die verlangte, die heutigen Vollzugsorgane des Bundes, der Kantone, der Gemeinden und der Arbeitslosenkassen im Bereich der ALV seien durch ein Modell analog der SUVA zu ersetzen (öffentlich-rechtliche Anstalt unter Aufsicht der Sozialpartner und finanziert durch den ALV-Fonds). Da der Vorstoss von Vollmer (sp, BE) bekämpft wurde, fand vorderhand keine Diskussion darüber statt.

Modell analog der SUVA

Unmut bei den Angestelltenverbänden und den Gewerkschaften weckte die Weisung des BWA, Abgangsentschädigungen als ALV-relevanten Lohn zu betrachten und den Entlassenen deshalb vorderhand keine Arbeitslosenentschädigung auszurichten. Der Streit entzündete sich am Sozialplan für die rund 1800 Personen, die als Folge der Fusion von Bankgesellschaft und Bankverein ihre Stelle verloren. Gemäss den Arbeitnehmervertretern sollten die – teilweise sehr grosszügigen – Abfindungen unter anderem als Startkapital für die Gründung einer eigenen Firma dienen; das Stempelgeld sollte dagegen den täglichen Lebensbedarf abdecken. Auch die Genfer Ständerätin Brunner (sp) rief den Bundesrat dazu auf, Abgangsentschädigungen nicht wie Lohnfortzahlungen zu behandeln. Erstere würden für die Betroffenen weitergehende Nachteile ausgleichen, etwa den Wegfall der betrieblichen Taggeldversicherung oder den Altersbonus. Angesichts der geballten Opposition kam das BWA auf seinen Entscheid zurück; dies wurde auch von Arbeitgeberverbandsdirektor Hasler begrüsst, der meinte, dass mit dieser Weisung der Zweck eines Sozialplanes ausgehöhlt worden wäre.

Abgangsentschädigungen als ALV-relevanten Lohn

Mit einer Motion verlangte Ständerat Bieri (cvp, ZG), dass das Arbeitslosenversicherungsgesetz (Avig) so zu ändern sei, dass Militärdienstleistenden zwischen zwei in kurzer Zeit aufeinanderfolgenden Beförderungsdiensten bei Arbeitslosigkeit eine Entschädigung ausbezahlt werden kann. Bundesrat Delamuraz meinte, dies sei kein gangbarer Weg, denn damit würde ein wesentlicher Pfeiler des Systems, nämlich der Grundsatz der Vermittlungsfähigkeit zum Bezug der Leistungen, herausgebrochen. Er erklärte sich hingegen bereit, das Problem zu prüfen und beantragte Umwandlung in ein Postulat. Der Rat hielt aber mit 15 zu 12 Stimmen an der verbindlichen Form fest.

Militärdienstleistenden zwischen zwei in kurzer Zeit aufeinanderfolgenden Beförderungsdiensten

Aufgrund der beiden Berichte IDA-FiSo 1 und 2 traf sich der Gesamtbundesrat zu mehreren Aussprachen über die künftige Entwicklung der Sozialwerke. Zwei grundsätzliche Vorgaben leiteten ihn dabei. Erstens die Feststellung, dass sich die Sozialversicherungen alles in allem bewährt haben und politisch gut verankert sind, weshalb sich eine generelle Änderung des Systems nicht aufdrängt. Zweitens die Erkenntnis, dass es zu deren finanzieller Sicherung zusätzlicher Mittel bedarf, und zwar unabhängig davon, ob die Leistungen ausgebaut, auf dem jetzigen Stand eingefroren oder verringert werden. Der Bundesrat will die Sozialwerke auch in Zukunft aus verschiedenen Quellen alimentieren, weil eine Mischfinanzierung am ehesten Stabilität gewähre. Für die Beschaffung zusätzlicher Mittel steht die Erhöhung der Mehrwertsteuer im Vordergrund. Ausgehend von der Gesamtschau von IDA-FiSo 2 definierte die Landesregierung drei Bereiche, die prioritär bearbeitet werden sollen, nämlich die Krankenversicherung mit der Umsetzung der kostendämpfenden Massnahmen, die Arbeitslosenversicherung mit der sozialen und beruflichen Wiedereingliederung und die AHV/IV mit einem ausgewogenen Verhältnis zwischen Einnahmen und Leistungen.

Drei-Säulen-Bericht/IDA FiSo

Kurz vor Weihnachten stellte das EDI den zweiten Bericht der interdepartementalen Arbeitsgruppe Finanzierung der Sozialversicherung (IDA-FiSo-2) der Öffentlichkeit vor. Nachdem der erste Bericht die finanziellen Folgen der Weiterführung des geltenden Leistungssystems in den Jahren 2010 und 2025 dargestellt hatte, wurden mit dem zweiten Bericht die möglichen Aus-, Um- oder Abbauszenarien im Leistungsbereich dargestellt. IDA-FiSo-1 war im Vorjahr zum Schluss gelangt, dass im Jahre 2010 15,3 Mia. Fr. mehr nötig sind, um die heutigen Sozialleistungen inklusive Mutterschaftsversicherung zu finanzieren. Der Bundesrat hatte IDA-FiSo-2 daraufhin den Auftrag erteilt, anhand von drei Szenarien darzustellen, was getan werden müsste, um den Mehrbedarf auf 9 Mia. Fr. zu beschränken, welche Massnahmen die Fortführung des Status quo fordert und welche die Erhöhung der Ausgaben auf 18 Mia. Fr. Der IDA-FiSo-2-Bericht zeigte den Gestaltungsraum innerhalb der einzelnen Sozialversicherungszweige auf sowie die Auswirkungen für das ganze System, die Versicherten und die Wirtschaft. Bei allen Varianten wurde mit einem finanziellen Mehrbedarf gerechnet.

Sowohl die bürgerlichen Parteien und die Arbeitgeber auf der einen, als auch die SP und die Gewerkschaften auf der anderen Seite sahen sich von den Schlussfolgerungen des Berichtes in ihren Ansichten bestätigt. Die FDP fand, dass jetzt weder ein Ausbau noch die Schliessung von Lücken im sozialen Netz möglich sei. Sie forderte den Bundesrat auf, für die mittel- und langfristigen Aspekte der Finanzierung der Sozialwerke zu einem Gespräch am runden Tisch einzuladen. Die SVP verlangte ein Sanierungspaket, das auf der Leistungsseite zwingende Korrekturen vornehme. Die Arbeitgeber vertraten die Auffassung, dass nur das Szenario "gezielter Abbau" wirtschaftsverträglich sei, und dass im jetzigen Zeitpunkt die Einführung einer Mutterschaftsversicherung nicht zur Diskussion stehen könne. Gegen jeglichen Ausbau war auch der Schweizerische Gewerbeverband; er verlangte unter anderem ein einheitliches Rentenalter von mindestens 65 Jahren, eine Kürzung der Bezugsdauer bei der Arbeitslosenversicherung sowie Kostendämpfungen im Gesundheitswesen.

Ganz andere Schlüsse zogen SP und Gewerkschaften aus dem Bericht. Für die Sozialdemokraten zeigte dieser, dass kein Bedarf für Leistungsabbauszenarien im Sozialversicherungsbereich bestehe und auch ein Moratorium wirtschaftspolitisch nicht zu rechtfertigen sei. Aus dem Bericht sei zudem ersichtlich, dass die Politik in der Ausgestaltung der sozialen Schweiz der nächsten Jahrzehnte einen sehr grossen Spielraum habe. Für den Christlichnationalen Gewerkschaftsbund (CNG) stellte der Bericht eine gute Ausgangslage dar, um die Auseinandersetzungen über die künftige Ausgestaltung der Sozialwerke zu versachlichen. Der Schweizerische Gewerkschaftsbund (SGB) hingegen bezeichnete den Bericht als mangelhaft. Er liste unzählige Abbauvorschläge auf und beschränke sich dabei auf die Bezifferung der möglichen Einsparungen. Dabei hätten die Experten vergessen, die Folgen für die Betroffenen darzulegen. SP und SGB verlangten die rasche Realisierung der Mutterschaftsversicherung und der Ruhestandsrente.

Einmal mehr zwischen den Fronten versuchte sich die CVP zu positionieren. Die Partei sprach sich sowohl gegen den Abbau als auch gegen den Ausbau, sondern für den Umbau der Sozialversicherungen auf dem Niveau der heutigen Sozialleistungsquote sowie für eine Mutterschaftsversicherung aus. Sie kritisierte aber, die Arbeitsgruppe sei von zu optimistischen Arbeitslosenquoten (maximal 3,5%) ausgegangen. Sparpotential ortete sie in mehr Eigenverantwortung und in der Missbrauchsbekämpfung.

Drei-Säulen-Bericht/IDA FiSo

Beide Kammern verabschiedeten in der Wintersession zwei gleichlautende Motionen ihrer Finanzkommissionen (Mo. 97.3551), mit denen der Bundesrat beauftragt wurde, unverzüglich eine Vorlage zur Sanierung der Arbeitslosenversicherung vorzulegen. Der Bundesrat beantragte vergebens Umwandlung in ein Postulat. Er führte aus, zwei mögliche Sanierungskonzepte seien als Vorschläge in die Konsensgespräche zur Schnürung eines Stabilisierungspakets im Rahmen des "Haushaltsziels 2001" eingegeben worden, weshalb er sich im jetzigen Zeitpunkt nicht die Hände binden lassen möchte. Die Motion wurde im Ständerat mit 28 zu 6 Stimmen und im Nationalrat mit 93 zu 58 Stimmen verabschiedet.

Motionen Vorlage zur Sanierung der Arbeitslosenversicherung

Der Nationalrat behandelte in der Wintersession eine parlamentarische Initiative Hegetschweiler (fdp, ZH), welche verlangte, dass die Taggelder nach Ablauf eines Drittels der Bezugsdauer sukkzessive auf das in den Empfehlungen der Schweizerischen Konferenz für Sozialhilfe (Skos) für die Grundbedürfnisse vorgesehene Existenzminimum reduziert werden. Aus sozialpolitischen sowie rechtlichen Gründen beantragte die Kommissionsmehrheit Ablehnung der Initiative. Eine Kommissionsminderheit aus FDP und SVP wollte ihr aufgrund der prekären Finanzlage der ALV hingegen Folge geben. Mit 74 zu 64 Stimmen wurde die Initiative schliesslich relativ knapp verworfen.

parlamentarische Initiative Taggelder nach Ablauf eines Drittels der Bezugsdauer sukkzessive auf das Existenzminimum reduziert

Gemäss der Vox-Analyse des Urnengangs trugen vor allem die Frauen und die Jungen zum ablehnenden Resultat bei. Das Stimmverhalten liess sich mit der individuellen Arbeitssituation recht gut erklären. Die Pensionierten (59% Ja-Stimmen), Selbständigerwerbenden (58%) sowie die Kader der Privatwirtschaft (54%) stimmten dem Sparbeschluss zu. Die meisten anderen Berufskategorien bildeten eine ablehnende Front, so die in der Privatwirtschaft Angestellten (52% Nein-Stimmen), die Kader und Angestellten des öffentlichen Sektors (67% bzw. 58% Nein) und die Lehrlinge (58%). Am deutlichsten verworfen wurde die geplante Kürzung der Arbeitslosentaggelder naheliegenderweise von den Erwerbslosen selbst (59% Nein-Stimmen). Die Frauen äusserten sich an den Urne skeptischer als die Männer. Nur 39% der befragten Frauen gaben an, für die Sparvorlage gestimmt zu haben; bei den Männern waren es 52%. Zudem wurde ein Generationenkonflikt sichtbar: Während bei den über 60-jährigen der Ja-Anteil klar überwog, lehnten die jüngeren Personen die Vorlage mehrheitlich ab, am deutlichsten die noch nicht 30-jährigen. Sehr klar trat bei der Nachbefragung ein klassischer Links-Rechts-Gegensatz hervor. Die Linke lehnte den Beschluss wuchtig ab (71% Nein), während die Rechte ihm genauso klar zustimmte. Das Gefälle zwischen den politischen Lagern trat in der Romandie deutlicher hervor als in der Deutschschweiz.

Voranschlag 1997: Dringlicher Bundesbeschluss ALV (BRG 96.070)
Dossier: 2. Teilrevision des Arbeitslosenversicherungsgesetzes (AVIG; 1992-1997)

Zu den zahlreichen Pannen, die sich im Berichtsjahr im BIGA ereigneten, gehörte nicht zuletzt auch die Tatsache, dass das Amt seine Prognosen über die Entwicklung der Arbeitslosenzahlen zweimal - und keineswegs unbeträchtlich - nach oben korrigieren musste. Zudem wurde im Herbst bekannt, dass es zumindest über Tage im Internet schützenswerte Daten von Arbeitslosen frei zugänglich gemacht hatte. Im Textfeld "Bemerkungen" des Arbeitsvermittlungssystems waren Vermerke wie "HIV-positiv" oder "faul", aber auch Hinweise auf Klinikaufenthalte der Stellensuchenden rückhaltlos dokumentiert. Die Datei wurde mitsamt Inhalt zwar sofort gelöscht, doch erschütterte der Vorfall noch einmal das Vertrauen der Bevölkerung in jene Behörden, welche die Arbeitslosigkeit "verwalten" sollten. Insbesondere wurde auch der Ruf laut, BIGA-Chef Nordmann und weitere Chefbeamte seien abzulösen.

BIGA Prognosen über die Entwicklung der Arbeitslosenzahlen schützenswerte Daten von Arbeitslosen

Wie nach jeder Abstimmung analysierte das Bundesamt für Statistik (BFS) die Ergebnisse aufgrund der Resultate in den Gemeinden. Hauptbefund war, dass die Romandie ausnahmsweise einmal die Deutschschweiz überstimmt hatte, und dass die Unterschiede unter den Gemeinden sehr stark ausgeprägt waren. Nein sagten Zentrumsstädte und Regionen mit vielen Arbeitslosen, Ja stimmten reiche, agrarische und touristische Gemeinden. Der tiefste und der höchste Ja-Stimmenanteil lagen mit 25% bzw. 69% um ganze 44 Prozentpunkte auseinander. Die grösste Polarisierung war dabei entlang der Sprachgrenze zu verzeichnen: In den französischsprachigen Gemeinden stimmten im Mittel nur 32% zu, im Tessin 47% und in der Deutschschweiz 54%. Vorlagen mit ähnlich starker Polarisierung zwischen Romandie und Deutschschweiz betrafen in den letzten 15 Jahren - neben dem EWR-Beitritt und dem Schuljahresbeginn - vor allem agrar- und verkehrspolitische Themen. In einer sozialpolitischen Frage trat das Phänomen vorher erst einmal auf, nämlich 1994 beim knapp angenommenen KVG. Auch damals war eine gespaltene Deutschschweiz von einer geeinten Romandie überstimmt worden.

Voranschlag 1997: Dringlicher Bundesbeschluss ALV (BRG 96.070)
Dossier: 2. Teilrevision des Arbeitslosenversicherungsgesetzes (AVIG; 1992-1997)

Die Linke wertete ihren Abstimmungserfolg als Zeichen der Solidarität und als eine deutliche Absage an einen weiteren Sozialabbau, während die bürgerlichen Befürworter sich besorgt darüber zeigten, dass Besitzstanddenken die dringend nötige Sanierung der Bundesfinanzen erschwert habe. Für Bundesrat Delamuraz war der knappe Ausgang ein Hinweis dafür, wie gespalten das Stimmvolk bei dieser Frage offenbar ist. Einerseits sei der Wille unverkennbar, die Solidarität mit den Arbeitlosen aufrecht zu erhalten, andererseits bestehe aber auch die Einsicht in die Notwendigkeit, die öffentlichen Finanzen wieder in Ordnung zu bringen.

Voranschlag 1997: Dringlicher Bundesbeschluss ALV (BRG 96.070)
Dossier: 2. Teilrevision des Arbeitslosenversicherungsgesetzes (AVIG; 1992-1997)

Bundesbeschluss über die Finanzierung der Arbeitslosenversicherung
Abstimmung vom 28. September 1997


Beteiligung: 40,6%
Nein: 931'457 (50,8%)
Ja: 901'361 (49,2%)

Parolen:
- Nein: SP, GP, LdU, SD, Lega, PdA; SGB, CNG, Angestelltenverbände.
- Ja: FDP, CVP (3*), SVP, LP, EVP, FP, EDU; SGV, Arbeitgeberverband, Vorort.

* In Klammer Anzahl abweichender Kantonalsektionen


Mit rund 30'000 Stimmen Unterschied fiel das Resultat ziemlich knapp aus. Zur Ablehnung trugen vor allem die Westschweizer Kantone bei. Am deutlichsten scheiterte die Vorlage im Kanton Jura, wo der Nein-Stimmen-Anteil 80,4% betrug. Unterstützung erhielten die Romands aus dem Wallis (62,5%) und dem Tessin (53,2) sowie aus den Nordwestschweizer Kantonen Basel-Stadt (52,3%), Basel-Land (50,1%) und Solothurn (51,3%). Während in Regionen mit hoher Arbeitslosigkeit die Nein-Stimmen überwogen, befürworteten vor allem die Stimmberechtigten in den Regionen mit einer geringen Arbeitslosenquote die Kürzung der Taggelder, allen voran die beiden Appenzell sowie St. Gallen und Glarus.

Voranschlag 1997: Dringlicher Bundesbeschluss ALV (BRG 96.070)
Dossier: 2. Teilrevision des Arbeitslosenversicherungsgesetzes (AVIG; 1992-1997)

Das Eidgenössische Versicherungsgericht pfiff die kantonalen Arbeitslosenkassen zurück, welche in letzter Zeit tendenziell jede falsche Angabe der arbeitslosen Versicherten ihnen gegenüber als "grobes Verschulden" werteten und damit mit der höchstmöglichen Streichung von Taggeldern ahndeten.

Eidgenössische Versicherungsgericht falsche Angabe der arbeitslosen Versicherten Streichung von Taggeldern

In den Wochen vor dem Urnengang konnte das linke und gewerkschaftliche Lager von verschiedenen Ungeschicklichkeiten des BIGA sowie anderer Amtsstellen profitieren. Im Frühsommer liess sich einer der Vizedirektoren des BIGA öffentlich dahingehend vernehmen, dass die rund 200'000 Arbeitslosen in drei etwa gleich grosse Kategorien einzuteilen seien: echte Arbeitslose, Drückeberger und Sozialfälle (Alkoholiker, Drogenabhängige sowie Asylbewerber). Trotz der von Bundesrat Delamuraz umgehend angesetzten Disziplinaruntersuchung gegen den allzu redseligen Chefbeamten konnte der publizistische Schaden nicht mehr ausgeglichen werden. Im August wurde dann durch eine Indiskretion bekannt, dass Finanzminister Villiger weitere massive Kürzungen bei den Leistungen der ALV prüfen lasse, um bis ins Jahr 2001 die Darlehen des Bundes an die Arbeitslosenkasse um 500 Mio. Fr. pro Jahr zu reduzieren. Weitere Alarmsignale für die Arbeitslosen und all jene, die um ihren Arbeitsplatz fürchteten, waren die bereits behandelten oder eingereichten parlamentarischen Vorstösse (Mo. 97.3139 und Pa.Iv. 96.442), die eine weitere Kürzung der Arbeitslosengelder bis hin zum Existenzminimum verlangten.

Voranschlag 1997: Dringlicher Bundesbeschluss ALV (BRG 96.070)
Dossier: 2. Teilrevision des Arbeitslosenversicherungsgesetzes (AVIG; 1992-1997)

Mit einer besonderen Verordnung setzte der Bundesrat auf den 1. Juli die Bestimmung des revidierten Arbeitslosenversicherungsgesetzes in Kraft, wonach arbeitslose Personen in der beruflichen Vorsorge gegen die Risiken Tod und Invalidität zu versichern sind. Der Beitragssatz, der je zur Hälfte von den Arbeitslosen und der Arbeitslosenkasse getragen wird, beläuft sich auf 5,28% des koordinierten Taggeldes.

2.Teilrevision Arbeitslosenversicherungsgesetz (BRG 93.095)
Dossier: 2. Teilrevision des Arbeitslosenversicherungsgesetzes (AVIG; 1992-1997)

Der Bundesrat machte von seiner Kompetenz Gebrauch, bei anhaltender erheblicher Arbeitslosigkeit die Bezugsdauer der Kurzarbeitsentschädigung zu verlängern. Die Höchstdauer wurde mit Wirkung ab 1. August von 12 auf 18 Monate erhöht. Mit der Verlängerung sollen Unternehmen in schwieriger Situation, aber mit strukturell solider Basis, von raschen Entlassungen abgehalten werden.

Bezugsdauer der Kurzarbeitsentschädigung zu verlängern

Relativ deutlich überwies der Ständerat eine Motion Brändli (svp, GR), welche Sofortmassnahmen zur Sanierung der ALV verlangte. In der Begründung schlug der Motionär eine ganze Reihe einschneidender Massnahmen vor, so etwa eine generelle Kürzung der Bezugsdauer von Leistungen, eine Reduktion der Anfangsleistungen bei kurzer Beitragsdauer bis auf 50%, eine Degression der Leistungen für Personen ohne Unterstützungspflichten bis auf das Existenzminimum, eine Verschärfung des Zumutbarkeitsbegriffs sowie eine Beschränkung der Leistungen bei Doppelverdienern. Die Massnahmen sollten zwar sozialverträglich sein, die Leistungen aber vermehrt nach dem Bedarfsprinzip bemessen werden. In der heftig geführten Debatte stiessen diese Vorschläge auf vehemente Opposition der Ratslinken. Ständerat Onken (sp, TG) meinte, dies sei eine unsäglich einseitige und verhängnisvolle Stossrichtung. Kein Wort werde über Arbeitgeber verloren, die teilweise vorschnell Leute entliessen und damit die hohe Arbeitslosigkeit mitverursachten; zudem werde nichts gesagt über Missbräuche auf Arbeitgeberseite beispielsweise bei der Kurzarbeit und der Schlechtwetterentschädigung. Die Motion fand aber auch auf freisinniger Seite nicht ungeteilte Zustimmung. Bundesrat Delamuraz erinnerte daran, dass die als sozialpartnerschaftlicher Kompromiss hart erarbeitete ALV-Revision erst seit kurzer Zeit (18 bzw. 6 Monate) in Kraft sei. Es gehe nicht an, bereits wieder am Gesetz zu flicken, bevor dieses voll umgesetzt und in seinen Wirkungen evaluiert worden sei. Sein Appell, die Motion lediglich in der Postulatsform zu überweisen, verhallte angesichts der Finanzierungsprobleme der ALV allerdings ungehört. Insbesondere das Argument von Ständerätin Spoerry (fdp, ZH), ein nicht finanziertes Sozialwerk sei kein soziales Werk, vermochte 26 Ratsmitglieder hinter sich zu scharen; lediglich 8 sprachen sich gegen die Motion aus.

Sofortmassnahmen zur Sanierung der ALV Opposition der Ratslinken Delamuraz

Im Ständerat wurde eine Empfehlung Spoerry (fdp, ZH) überwiesen, welche den Bundesrat auffordert, die Verordnung über die Förderung des Vorruhestandes dahingehend zu ändern, dass die ALV bei drohenden Entlassungen vorzeitige Pensionierungen auch dann finanziell unterstützt, wenn keine neuen Angestellten an die Stelle der so freigestellten Arbeitnehmenden treten. Voraussetzung für diese Regelung sollte aber sein, dass auch der Arbeitgeber eine spürbare finanzielle Beteiligung leistet.

Empfehlung Verordnung über die Förderung des Vorruhestandes ändern

In den Kantonen stand das Berichtsjahr im Zeichen des Aufbaus der Regionalen Arbeitsvermittlungszentren (RAV). Im Laufe des Jahres öffneten gesamtschweizerisch rund 150 RAV mit insgesamt 2500 Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern ihre Tore. Die Kosten für die RAV beliefen sich auf rund 300 Mio. Fr. Das Ziel der RAV ist es, die Arbeitslosen möglichst rasch wieder in den Arbeitsmarkt einzugliedern und die Transparenz auf dem Arbeitsmarkt zu erhöhen. Um diese Zielsetzungen zu erreichen, stehen die RAV in engem Kontakt mit den Arbeitgebern und den privaten Arbeitsvermittlern in ihrer Region.

Aufbaus der Regionalen Arbeitsvermittlungszentren

Ende März deponierten kantonale Gewerkschaften und Arbeitlosenkomitees aus der Westschweiz rund 54'000 Unterschriften für das Referendum gegen den dringlichen Bundesbeschluss zur Arbeitslosenversicherung vom Dezember 1996. Dieser wollte einerseits den fünfprozentigen A-fonds-perdu-Beitrag des Bundes an die ALV (rund 230 Mio Fr.) ersatzlos streichen und andererseits mit einer Kürzung der Taggelder um 1% bzw. 3% die Arbeitslosenkasse um 70 Mio. Fr. entlasten. Sowohl SGB wie SP hatten beschlossen, das Referendum zumindest in der Startphase nicht mitzutragen. Als Begründung wurde angeführt, dass Partei und Gewerkschaft mit dem Kampf um eine Neuauflage des Arbeitsgesetzes und mit den Vorarbeiten an Volksinitiativen zum KVG und zur Arbeitszeitreduktion voll ausgelastet seien. Zudem räumten sie dem Referendum kaum eine Chance ein, hatten sie doch 1993 bei einem ersten ALV-Leistungsabbau eine deutliche Referendumsniederlage einstecken müssen. Angesichts des grossen Erfolgs der Unterschriftensammlung, beschlossen dann aber die Gewerkschaften, doch noch mit zum Teil beträchtlichen finanziellen Mitteln auf den Referendumszug aufzuspringen. Die neue SP-Präsidentin, Ursula Koch, setzte ebenfalls voll auf einen Erfolg in der ersten von ihr mitgeleiteten nationalen Abstimmungskampagne.

Voranschlag 1997: Dringlicher Bundesbeschluss ALV (BRG 96.070)
Dossier: 2. Teilrevision des Arbeitslosenversicherungsgesetzes (AVIG; 1992-1997)

Der Bundesrat setzte den zweiten Teil des im Sommer 1995 vom Parlament verabschiedeten revidierten AVIG auf den 1. Januar 1997 in Kraft. Die Änderungen betreffen zur Hauptsache das neue Taggeldregime mit altersabhängigen und besonderen Taggeldern, den Anspruch auf vorübergehende Beschäftigung oder Kompensationszahlungen bei ungenügendem Angebot, die Pflicht der Kantone, ein Mindestangebot von 25'000 Jahresplätzen für Wiedereingliederungsmassnahmen bereitzustellen, sowie die Neugestaltung der Beratung und Kontrolle, die inskünftig auf regionaler Stufe - durch die Regionalen Arbeitsvermittlungszentren (RAV) - erfolgen wird. Ferner wurden die Bestimmungen über die Dauer der Einstellung in der Anspruchsberechtigung verschärft und die Karenzzeit bei Kurzarbeit von zwei auf drei Tage erhöht. In einer neuen, auf zwei Jahre befristeten Verordnung wurde zudem die Förderung des Vorruhestandes geregelt. Diese Massnahme sieht vor, dass Arbeitgeber, die den freiwilligen Ruhestand eines Mitarbeiters mitfinanzieren und an dessen Stelle eine arbeitslose Person einstellen, unter bestimmten Voraussetzungen Unterstützungszahlungen der ALV erhalten.

2.Teilrevision Arbeitslosenversicherungsgesetz (BRG 93.095)
Dossier: 2. Teilrevision des Arbeitslosenversicherungsgesetzes (AVIG; 1992-1997)

Auf den 1. Januar 1997 trat die zweite Etappe des revidierten Konzepts der ALV in Kraft. Die Kantone waren erstmals dazu verpflichtet, im Bereich der arbeitsmarktlichen Massnahmen eine minimale Anzahl an Jahresplätzen (25'000) bereit zu stellen. Insgesamt gut 200'000 stellenlose Personen konnten im Berichtsjahr von einer derartigen Massnahme profitieren. Rund 35% der Angebote betrafen den Bereich der Aus- und Weiterbildung (Kurse, Übungsfirmen, Ausbildungspraktika), rund 57% Beschäftigungsprogramme (Programme zur vorübergehenden Beschäftigung, Berufspraktika) und etwa 8% spezielle Massnahmen (Einarbeitungszuschüsse, Ausbildungszuschüsse, Förderung der Selbständigkeit, Pendlerkostenbeiträge und Beiträge an Wochenaufenthalter).

2.Teilrevision Arbeitslosenversicherungsgesetz (BRG 93.095)
Dossier: 2. Teilrevision des Arbeitslosenversicherungsgesetzes (AVIG; 1992-1997)

Knapp ein Jahr nach Inkrafttreten des ersten Teils der 2. Teilrevision des Arbeitslosenversicherungsgesetzes (AVIG) musste das Regelwerk bereits wieder über einen dringlichen Bundesbeschluss abgeändert werden. In der Dezembersession beschlossen die Räte bei der Behandlung des Budgets 1997 weitere Ausgabenkürzungen. Die Zumutbarkeitsgrenze für die Annahme einer neuen Stelle wurde dabei von bisher 70% auf 68% des versicherten Verdienstes gesenkt. Taggelder, die 130 Fr. übersteigen, werden ab Januar 1997 um 3%, Taggelder unter 130 Fr. um 1% gekürzt. Bei Personen mit Unterhaltspflichten gegenüber eigenen Kindern beträgt die Kürzung generell 1%. Ab 1. Juli 1997 werden die Taggelder um weitere 0,3% bis 1,7% gekürzt, um damit die Arbeitslosen in der beruflichen Vorsorge minimal für Tod und Invalidität zu versichern. Die Kurzarbeitsentschädigung beträgt neu 78% des anrechenbaren Verdienstes (bisher 80%). Auf das Erbringen von A-fonds-perdu-Beiträgen durch den Bund wird ab 1997 verzichtet. Die vom Bundesrat vorgeschlagene Streichung der Schlechtwetterentschädigung lehnte das Parlament hingegen ab, da den Einsparungen erhebliche Mehrausgaben gegenüberstünden. Mit diesen Massnahmen wird der Bundeshaushalt um 200 Mio. Fr. entlastet.

Voranschlag 1997: Dringlicher Bundesbeschluss ALV (BRG 96.070)
Dossier: 2. Teilrevision des Arbeitslosenversicherungsgesetzes (AVIG; 1992-1997)

Weil sich die Beschäftigungslage weiter verschlechterte, beantragte der Bundesrat mit dem zweiten Nachtrag zum Voranschlag 1996 dem Parlament mit Erfolg einen Kreditnachtrag von 550 Mio. Fr. für die rückzahlbaren Darlehen an die Arbeitslosenversicherung. Die A-fonds-perdu-Beiträge für das laufende Jahr wurden von 225 Mio. Fr. auf 300 Mio. Fr. aufgestockt.

Voranschlag 1997: Dringlicher Bundesbeschluss ALV (BRG 96.070)
Dossier: 2. Teilrevision des Arbeitslosenversicherungsgesetzes (AVIG; 1992-1997)