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Ende November 2020 legte der Bundesrat seine Botschaft zur Reform der beruflichen Vorsorge vor, welche er in Anlehnung an die AHV-Reform «BVG 21» getauft hatte. Dabei entschied er sich, trotz der breiten, in der Vernehmlassung geäusserten Kritik am Kompromissvorschlag der Sozialpartner an eben diesem festzuhalten. Die Hauptziele der Reform bestünden darin, den Mindestumwandlungssatz zu senken und gleichzeitig das Rentenniveau auf dem heutigen Stand zu sichern, hielt der Bundesrat fest. Diese Ziele könnten mit dem Modell der Sozialpartner in grösserem Ausmass erreicht werden als mit den anderen vorgeschlagenen Modellen, welche er in der Botschaft ebenfalls ausführlich vorstellte. So könne das Rentenniveau mit dem Vorschlag der Sozialpartner für Personen bis zu einem BVG-versicherten Jahreslohn von CHF 60'000 gleichbehalten, für Personen mit tiefen Löhnen und Teilzeitangestellte gar verbessert werden. Personen mit höheren Löhnen müssten mit Renteneinbussen von bis zu 8 Prozent rechnen, was jedoch noch immer deutlich weniger sei als bei den Alternativvorschlägen.
Zudem sei der Reformvorschlag durch eingehende Verhandlungen zwischen Spitzenverbänden der Arbeitnehmenden und dem Schweizerischen Arbeitgeberverband (SAV) entstanden, während die alternativen Modelle von Arbeitnehmerverbänden und Versichertenorganisationen nicht unterstützt würden. Keine Chance sprach der Bundesrat einer Reformvorlage zu, welche einzig Kompensationsmassnahmen an die direkt von der Senkung des Mindestumwandlungssatzes Betroffenen beinhaltet. Stattdessen brauche es auch eine Anpassung der beruflichen Vorsorge an die Entwicklung im Erwerbsverhalten. Schliesslich reagierte er auch auf die Kritik, wonach der Rentenzuschlag systemfremd sei: Tatsächlich gebe es im BVG-System durchaus Umlagefinanzierung, nämlich in der Querfinanzierung der auszubezahlenden Renten durch die tiefere Verzinsung der Guthaben der aktiven Versicherten (oder durch zusätzliche Beiträge der aktiven Versicherten und der Arbeitgebenden) bei Vorsorgeeinrichtungen mit wenigen überobligatorischen Leistungen.
Der Bundesrat nahm somit keine Änderungen gegenüber der Vernehmlassungsvorlage vor, da er befürchtete, dass punktuelle Änderungen des Kompromissvorschlags dessen Unterstützung gefährden würden. Damit wies die Reform der beruflichen Vorsorge folgende Eckpunkte auf: Der Mindestumwandlungssatz soll von 6.8 Prozent auf 6 Prozent gesenkt werden. Dies mache Ausgleichsmassnahmen notwendig, wenn bei den neuen Renten keine Renteneinbussen entstehen sollen: Durch die Halbierung des Koordinationsabzugs und durch die Vereinfachung der Sätze für die Altersgutschriften soll das Alterssparen verstärkt werden, zudem soll ein Rentenzuschlag von CHF 100 bis CHF 200 pro Monat für künftige Rentnerinnen und Rentner, der durch eine Erhöhung der Arbeitnehmer- und Arbeitgeberbeiträge um 0.5 Prozentpunkte finanziert werden soll, die Altersrente von Neurentnern aufbessern. Dies würde jährlich durchschnittlich Kosten von CHF 2.7 Mrd. verursachen.
Die Medien sahen diesen Entscheid der Regierung kritisch. Als «absturzgefährdet» bezeichnete etwa die NZZ das Reformprojekt und auch der Tages-Anzeiger sprach ihm ob der zahlreichen ablehnenden Voten in der Vernehmlassung keine grossen Erfolgschancen zu.

Reform der Beruflichen Vorsorge (BVG 21; BRG 20.089)
Dossier: Koordinationsabzug und Eintrittsschwelle BVG

In der Herbstsession 2020 behandelte das Parlament das dringliche Bundesratsgeschäft für die Anlage von Geldern aus dem Freizügigkeitsbereich der Auffangeinrichtung BVG bei der Bundestresorerie. Dabei zeigten sich sowohl Ständerat als auch Nationalrat von der Vorlage überzeugt und nahmen sie einstimmig an (SR: 38 zu 0 Stimmen; NR: 187 zu 0 Stimmen). Da der Gesetzesartikel dringlich erklärt werden sollte, mussten die Räte zwischen der Differenzbereinigung und der Schlussabstimmung noch über die Dringlichkeitsklausel befinden. Diese passierte den Ständerat ebenfalls einstimmig (43 zu 0 Stimmen). Im Nationalrat stiess sie zwar bei der SVP-Fraktion auf Widerstand, erreichte das qualifizierte Mehr bei 146 zu 53 Stimmen dennoch deutlich. In den Schlussabstimmungen waren sich die Räte wieder einig, erneut sprachen sich sowohl Ständerat als auch Nationalrat einstimmig für die Vorlage aus (SR: 44 zu 0 Stimmen; NR: 196 zu 0 Stimmen). Somit konnte die Situation der Auffangeinrichtung BVG kurzfristig verbessert werden, zur Schaffung einer langfristigen Lösung war die Einsetzung einer Arbeitsgruppe des BSV unter Einbezug der EFV geplant.

Anlage von BVG-Geldern aus dem Freizügigkeitsbereich der Auffangeinrichtung bei der Bundestresorerie

Anfang Juli 2020, inmitten der Corona-Pandemie, unterbreitete der Bundesrat dem Parlament eine Botschaft für eine auf drei Jahre befristete und dringliche Änderung des BVG. Darin schlug er vor, der Auffangeinrichtung BVG zu erlauben, Gelder bis CHF 10 Mrd. aus dem Freizügigkeitsbereich zinslos und unentgeldlich bei der Bundestresorerie anzulegen. Die Auffangeinrichtung BVG befinde sich in einer schwierigen Situation, erklärte der Bundesrat. Die von den Sozialpartnern getragene Stiftung muss sämtliche Freizügigkeitsguthaben von Personen, die ihr entsprechendes Guthaben nicht bei einer Bank oder Versicherung deponieren wollen oder können – zum Beispiel weil sie arbeitslos sind –, aufnehmen und maximal bis zum Rentenalter der Betroffenen verwalten. Ein Problem stellen nun vor allem die Negativzinsen dar. Freizügigkeitsguthaben dürfen nicht mit Negativzinsen belastet werden, liquide Mittel können aber oft nur mit Negativzins angelegt werden, zinsfreie und sichere Anlagen sind kaum möglich. Dadurch ist es für die Auffangeinrichtung BVG seit der Einführung der Negativzinsen 2015 schwierig geworden, den Nominalwert der Gelder garantieren zu können, so der Bundesrat. Im Rahmen der Pandemie sei ihr Deckungsgrad nun weiter gesunken und neue Mittelzuflüsse aufgrund steigender Arbeitslosigkeit könnten die Situation noch weiter verschärfen. Daher sollen die entsprechenden Gelder während dreier Jahre zinslos und unentgeltlich bei der Bundestresorie angelegt werden können, wobei Neu- und Ersatzanlagen jedoch nur bei einem Deckungsgrad unter 105 Prozent möglich sein sollen. In der Zwischenzeit soll eine langfristige Lösung gefunden werden. Ausnahmsweise habe der Bundesrat zudem auf die Durchführung einer Vernehmlassung verzichtet, da die Positionen der betroffenen Kreise, in diesem Fall die Auffangeinrichtung BVG, bereits bekannt seien; so habe der Stiftungsrat der Auffangeinrichtung im März 2020 um die Einrichtung eines entsprechenden Kontos gebeten, erklärte der Bundesrat.

Anlage von BVG-Geldern aus dem Freizügigkeitsbereich der Auffangeinrichtung bei der Bundestresorerie

Nach dem Ende der Vernehmlassung zur Reform der beruflichen Vorsorge wurde ein neuer, auf dem Vorschlag des Pensionskassenverbands ASIP beruhender Alternativvorschlag präsentiert, dem sich in der Folge verschiedene Vernehmlassungsteilnehmende, darunter ASIP, der SGV und der SVV, anschlossen. Wie beim Kompromiss der Sozialpartner, aber im Unterschied zum ASIP-Vorschlag, sollte der Mindestumwandlungssatz auch im Alternativvorschlag von 6.8 Prozent auf 6 Prozent gesenkt werden (ASIP: 5.8%). Um der Reduktion des Altersvermögens durch die Senkung des Umwandlungssatzes zu begegnen, sollen die Versicherten zukünftig ab einem Alter von 20 Jahren für die berufliche Vorsorge sparen, wobei der Altersgutschriftssatz zwischen 20 und 34 Jahren bei 9 Prozent, bis 44 Jahren bei 12 Prozent und anschliessend bis zur Pensionierung bei 16 Prozent liegen soll. Damit würde deutlich mehr Geld angespart als mit dem Vorschlag der Sozialpartner (575% verglichen mit 460%), die Altersgutschriften wären aber weniger stark abgestuft als beim ASIP-Vorschlag. Anstelle einer Halbierung des Koordinationsabzugs (Sozialpartner: CHF 12'443 Abzug) sollte dieser wie beim ASIP-Vorschlag auf 60 Prozent des AHV-Lohnes gesenkt werden, aber maximal CHF 21'330 betragen.
Der von den Sozialpartnern vorgeschlagene Rentenzuschlag sollte durch eine Garantie des Rentenniveaus der ersten zehn Jahrgänge nach der Revision ersetzt werden, jedoch nur für diejenigen Personen, deren überobligatorische Leistungen nicht über eine Mindesthöhe hinausgehen. Ob diese Rentengarantie zentral über den Sicherheitsfonds oder dezentral durch die Versicherten und Arbeitgebenden der jeweiligen Vorsorgeeinrichtung finanziert werden soll, wurde offengelassen. Der Bundesrat schätzte die Kosten dieses Vorschlags auf jährlich CHF 1.7 Mrd. (Vorschlag der Sozialpartner: CHF 2.9 Mrd., Vorschlag ASIP: CHF 2.1 Mrd.), worin jedoch die Kosten für die Rentengarantie noch nicht enthalten sind. Gemäss Bundesrat kann das Rentenniveau mit diesem Modell bis zu einem Lohnniveau von rund CHF 40'000 erhalten oder gar verbessert werden, bei höheren Löhnen kommt es zu Renteneinbussen, die mehr als 13 Prozent betragen könnnen.

Reform der Beruflichen Vorsorge (BVG 21; BRG 20.089)
Dossier: Koordinationsabzug und Eintrittsschwelle BVG

Zwischen Dezember 2019 und Mai 2020 führte der Bundesrat eine aufgrund der ausserordentlichen Lage verlängerte Vernehmlassung zur Reform der beruflichen Vorsorge durch. Daran beteiligten sich alle Kantone, acht im eidgenössischen Parlament vertretene Parteien sowie zahleiche Verbände und Gewerkschaften. Wie bereits zuvor in den Medien zu vernehmen gewesen war, stellten der Pensionskassenverband ASIP sowie der Schweizerische Baumeisterverband, Swiss Retail Federation und Arbeitgeber Banken eigene Reformmodelle vor, die insbesondere eine stärkere Reduktion des Umwandlungssatzes beinhalteten und von verschiedenen Vernehmlassungsteilnehmenden unterstützt wurden (etwa dem SGV, Swissbanking, GastroSuisse, ICT Switzerland und verschiedenen Pensionskassen).

Die Mehrheit der Kantone (AR, BE, BS, FR, GE, GL, JU, LU, NE, SH, VD, VS) unterstützte die Stossrichtung der Vorlage, einige lehnten sie jedoch wegen dem vorgeschlagenen Rentenzuschlag insgesamt ab (BL, NW, OW, SG, SZ, ZG, ZH). Der Rentenzuschlag stellte sich denn auch nicht unerwartet als grösster Streitpunkt der Vorlage heraus: Von den Kantonen sprachen sich 14 ausdrücklich dagegen (AI, BE, GL, BL, GR, NE, NW, OW, SZ, TI, UR, VS, ZG, ZH) und acht ausdrücklich dafür aus (AG, BS, JU, LU, SO, SH, TG, VD). Auch die bürgerlichen Parteien BDP, CVP, EVP, FDP und SVP befürworteten die Reform, insbesondere die Senkung des Umwandlungssatzes, lehnten aber den Rentenzuschlag ab. Verschiedene bürgerliche Jungparteien störten sich insbesondere daran, dass die entsprechende Umverteilung auf Kosten der arbeitenden Bevölkerung und der zukünftigen Generationen geschehe. Umgekehrt nannten die SP und die Grünen die Erhaltung der bisherigen Rentenhöhe – und somit den Rentenzuschlag – als Bedingung für ihre Zustimmung zur Senkung des Umwandlungssatzes. Seitens Verbände erfuhr der bundesrätliche Vorschlag Unterstützung von seinen Urhebern, dem Arbeitgeberverband, dem Gewerkschaftsbund und Travail.Suisse, während diverse andere Verbände wegen dem Rentenzuschlag die Alternativmodelle bevorzugten.
Deutlich weniger umstritten als der Rentenzuschlag und die Senkung des Umwandlungssatzes war die Senkung des Koordinationsabzugs, die alle Teilnehmenden guthiessen. Umstritten war jedoch die Höhe der Senkung. So schlugen beispielsweise BDP, CVP und EVP eine Senkung auf 40 Prozent des AHV-Lohns, aber einen maximalen Abzug von CHF 21'330 vor, die SVP und der Kanton St. Gallen befürworteten eine Senkung bis zur Eintrittsschwelle (CHF 21'330) und die SP und die Grünen bevorzugten eine vollständige Abschaffung des Koordinationsabzugs. Auch bezüglich der Staffelung der Altersgutschriften gab es zahlreiche unterschiedliche Vorschläge, wobei sich viele Vernehmlassungsteilnehmende einen Sparbeginn ab dem 20. Altersjahr wünschten.

Reform der Beruflichen Vorsorge (BVG 21; BRG 20.089)
Dossier: Koordinationsabzug und Eintrittsschwelle BVG

Nachdem der Kompromiss der Sozialpartner zur Reform der beruflichen Vorsorge im Juli 2019 anfänglich mehrheitlich auf zurückhaltendes Wohlwollen gestossen war, wurde die Kritik an den Reformplänen schon bald darauf immer lauter. So berichtete etwa der Tages-Anzeiger im September darüber, dass «namhafte Pensionskassenverantwortliche» den neu zu schaffenden Rentenzuschlag kritisierten. Da niemand den Kompromiss der Sozialpartner torpedieren wolle, sei diese Kritik nur hinter vorgehaltener Hand zu vernehmen, berichtete der Tages-Anzeiger weiter.
Dies änderte sich aber mit der Zeit deutlich: Immer häufiger berichteten die Medien über immer neue Kritikerinnen und Kritiker: Angefangen mit dem Verband Scienceindustries und dem Verband der Chemie- und Pharmaindustrie kamen bald diverse Branchenverbände des Arbeitgeberverbands sowie der Versicherungsverband hinzu. Ende März 2020 berichtete die NZZ, dass sich in der Zwischenzeit zahlreiche gewichtige Branchen des Arbeitsgeberverbandes gegen das Modell der Sozialpartner ausgesprochen hätten, darunter Verbände aus Chemie und Pharma, Banken, Detailhandel, Bau, Versicherungen, Gastgewerbe, Informatik und Telekommunikation sowie der Hotellerie. Gewichtige befürwortende Mitglieder des Arbeitgeberverbands machte die Zeitung nur noch im Verband der Maschinenindustrie Swissmem aus. Der Arbeitgeberverband verwies jedoch auch auf die Unterstützung verschiedener Mitgliederverbände aus dem Gewerbe, wenn auch deren Dachverband zu den grössten Kritikern gehörte und einen eigenen Vorschlag präsentiert hatte.

Im Zentrum der Kritik stand der Rentenzuschlag, den Mitglieder der Übergangsgeneration erhalten sollten, weil ihr Umwandlungssatz reduziert würde, sie aber nicht mehr genügend Zeit hätten, um zusätzliches Altersguthaben anzusparen. Einerseits wurde kritisiert, dass hier mit dem Umlageverfahren ein systemfremdes Element ins BVG-System eingefügt werde. Andererseits sei es nicht nötig, allen Versicherten diesen Rentenzuschlag auszubezahlen: Sowohl Versicherte in Pensionskassen, die ihre technischen Parameter bereits angepasst hätten und deren Versicherte entsprechend nicht mit Renteneinbussen rechnen müssten, als auch Personen mit hohen Einkommen, die diesen Zuschlag nicht nötig hätten, sollten davon ausgenommen werden. Ebenfalls diskutiert, wenn auch deutlich weniger hitzig, wurde über die Höhe des Koordinationsabzugs, dessen Reduktion verschiedene Gruppierungen als zu gross erachteten. Umstritten war in den Medien aber auch die Frage der tatsächlichen Höhe der Ersatzquote, also des Anteils des vorherigen Einkommens, den man nach der Pensionierung erhält. Die Bundesverfassung sieht vor, dass 1. und 2. Säule zusammen «die Fortsetzung der gewohnten Lebenshaltung in angemessener Weise» ermöglichen sollen (Art. 113a BV). Dies wird gemeinhin als 60 Prozent des letzten Einkommens verstanden. Nun erklärte das Beratungsunternehmen C-Alm in einer Studie, dass man bei der Schaffung des BVG in den 1980er Jahren angenommen habe, dass die Verzinsung der Altersguthaben etwa dem prozentualen Lohnwachstum entsprechen würde; seither habe die Verzinsung das Lohnwachstum aber durchschnittlich um 1.2 Prozent übertroffen. Und selbst zukünftig würde eine im Vergleich zum Lohnwachstum um 0.7 Prozent höhere Verzinsung erwartet. Damit liege die Ersatzquote für die berufliche Vorsorge bei 41 Prozent und damit ebenfalls deutlich höher als vorgesehen. Zusammen mit der AHV-Rente komme man damit deutlich über 60 Prozent. Zudem sei die Kaufkraft der Renten heute höher und sie würden für einen um 30 Prozent längeren Zeitraum ausbezahlt als früher.
Diese positive Einschätzung der Rentensituation teilte der Pensionierungs-Barometer 2019, eine Studie des VZ Vermögenszentrums, nicht. Die Studie zeigte, dass sich die durchschnittliche Rente der 1. und 2. Säule eines 65-Jährigen mit einem Einkommen über CHF 100'000 bis 2018 im Vergleich zu 2002 deutlich verringert habe: 2002 habe sie 62 Prozent seines Einkommens betragen, 2018 nur noch 55 Prozent – und liege damit unter dem gemäss Ersatzquote nötigen Anteil von 60 Prozent. Diese Werte dürften sich weiter verschlechtern, betonten die Studienautoren. Zwar sei der Absolutbetrag der Renten dank dem AHV-Teuerungsausgleich leicht gestiegen, berücksichtige man aber den Teuerungsausgleich bei den Löhnen, erhalte man ein «klares Minus». Zukünftig würden die Renten vermutlich so stark sinken, dass man auch absolut weniger Rente erhalte als früher. Damit habe auch die AHV für die Rentnerinnen und Rentner an Bedeutung gewonnen: 2002 sei sie für ein Drittel der Gesamtrente verantwortlich gewesen, 2019 für die Hälfte.

Bei den Befürwortenden konzentrierten sich die Medien vor allem auf den Arbeitgeberverband, der sich vehement für das Sozialpartnermodell einsetzte; allen voran der Präsident des SAV, Valentin Vogt, verteidigte den Vorschlag in verschiedenen Zeitungsinterviews. Der SAV wehrte sich unter anderem gegen die oben genannte Studie von C-Alm, die den «Sozialpartnerkompromiss schlecht[rede]». C-Alm hatte die Kosten des Sozialpartnermodells jährlich auf CHF 3.25 Mrd. berechnet, während die Kosten der Modelle von Asip (CHF 2.1 Mrd.) und dem Gewerbeverband (CHF 1.3 Mrd.) deutlich tiefer zu liegen kamen. Diese Zahlen seien falsch, zumal die Studienautoren sich an den Zahlen der Altersvorsorge 2020 orientiert hätten, bei der es mehr Betroffene der Übergangsgeneration gegeben hätte als beim Sozialpartnerkompromiss, betonte der Arbeitgeberverband. Obwohl C-Alm diese Anschuldigung zurückwies, musste es seine Kostenschätzung für das Sozialpartnermodell gemäss dem Tages-Anzeiger kurze Zeit später auf CHF 3.05 Mrd. und damit auf dieselbe Zahl, die der Bundesrat zuvor angegeben hatte, reduzieren. Der Arbeitgeberverband hingegen ging für sein Modell weiterhin von Kosten in der Höhe von CHF 2.7 Mrd. aus, genauso hoch wie er auch die Kosten beim Asip-Modell schätzte. Denn auch die Rückstellungen der Pensionskasse, mit denen die Asip den Rentenzuschlag finanzieren wollte, müssten als Kosten ausgewiesen werden, begründete er die Differenz zu den CHF 2.1 Mrd., welche C-Alm für das Asip-Modell ausgewiesen hatte. Auch den Vorwurf der Medien, einzelner Parteien und unter anderem auch von SGK-NR-Präsidentin Ruth Humbel (cvp, AG), wonach kaum noch Mitglieder des Verbands hinter dessen Vorschlag stünden, wies der Arbeitgeberverband vehement zurück; ausser vier Mitgliederverbänden stehe die grosse Mehrheit der 95 Verbände hinter der Lösung. Die Tatsache, dass neben dem SAV vor allem linke Parteien und Gewerkschaften das Sozialpartnermodell öffentlich lobten, wertete die NZZ als Hinweis darauf, dass der Arbeitgeberverband den «Gewerkschaften auf den Leim gekrochen» sei.

Anfang Februar waren sich schliesslich die Medien grösstenteils einig, dass der Vorschlag der Sozialpartner, den der Bundesrat in der Zwischenzeit in die Vernehmlassung geschickt hatte, im Parlament kaum noch Chancen auf Erfolg haben werde: Die SVP hatte sich schon von Anfang an dagegen ausgesprochen, zumal das gemäss Fraktionspräsident Aeschi (svp, ZG) der Anfang der Verschmelzung von AHV und zweiter Säule wäre. In der Zwischenzeit hatte auch die FDP-Fraktion beschlossen, die Umlagekomponente im BVG abzulehnen, weil sie systemfremd sei. Den «Todesstoss», wie es die Sonntagszeitung formulierte, versetzte dem Sozialpartnermodell schliesslich die CVP Mitte Februar, als sich ihre Bundeshausfraktion gegen das Umlageverfahren in der 2. Säule aussprach. Somit blieben einzig noch die GLP, die das Umlageverfahren zwar nicht unterstützte, sich aber zur Schaffung einer mehrheitsfähigen Reform einer entsprechenden Diskussion nicht verschliessen wollte, sowie die linken Parteien offen für den Sozialpartnervorschlag. Damit hatte dieser noch vor Ende der Vernehmlassung die Mehrheit im Parlament verloren.

In der Zwischenzeit hatten nach dem Gewerbeverband und der Asip verschiedene Gruppierungen neue Modelle präsentiert. So taten sich der Baumeisterverband, die Swiss Retail Federation sowie der Verband «Arbeitgeber Banken», also Verbände aus dem Hoch- und Tieflohnbereich, zur Allianz des «vernünftigen Mittelwegs» zusammen. Die dem Arbeitgeberverband angehörenden Verbände schlugen ein neues Modell vor, das einen Umwandlungssatz von 6 Prozent und einen Rentenzuschlag beinhaltete, der jedoch von den Pensionskassen durch ihre Rückstellungen beglichen werden sollte. Der Koordinationsabzug sollte weniger stark gesenkt werden und die Jungen sollten bei entsprechendem Lohn bereits ab einem Alter von 20 Jahren mit der Einzahlung in die Pensionskasse beginnen.
Anfang Febraur 2020 schlug auch die CVP eine alternative Finanzierung für den Rentenzuschlag vor, nämlich durch Reserven des Bundes oder durch ausserordentliche Gewinne der SNB. Letzterer Vorschlag fand einigen Anklang, zumal er zuvor bereits von verschiedenen Seiten angetönt worden war. Gleichzeitig würde er jedoch mit ähnlichen Forderungen für die AHV kollidieren (etwa mit den Initiativen des SGB für eine 13. AHV-Rente oder des Bunds der Steuerzahler) oder mit einer Motion von Alfred Heer (svp, ZH; Mo. 18.4327). Kritisch zeigte sich unter anderem Hans-Ulrich Bigler gegenüber diesem Vorschlag, da dieser die Unabhängigkeit der SNB in Frage stelle. Alex Kuprecht (svp, SZ) schlug hingegen vor, dass die SNB zumindest ihre durch die Negativzinsen entstandenen Gewinne auf die Altersguthaben zurückzahlen könne und sie dies am besten gleich selber vorschlagen solle.
Auch die bürgerlichen Jungparteien der BDP, CVP, EVP, FDP, GLP und SVP beteiligten sich mit einem eigenen Modell an der Ideensammlung. Demnach solle der Umwandlungssatz gesenkt und gleichzeitig an die Lebenserwartung und Renditeerwartungen geknüpft werden. Der Rentenzuschlag solle durch eine einmalige Erhöhung des Altersguthabens der Übergangsgeneration durch den Bund kompensiert werden. Das fixe Rentenalter solle abgeschafft und stattdessen entsprechend einer Motion der BDP an die Lebenserwartung gekoppelt werden. Der Koordinationsabzug solle gestrichen, das Pensionskasseneintrittsalter auf 18 Jahre gesenkt und die Altersgutschriften für alle Altersstufen vereinheitlicht werden.

Diese Modelle kritisierte wiederum der Arbeitgeberverband: Sie alle erfüllten die Anforderungen des Bundesrates, wonach es nicht zu Renteneinbussen kommen dürfe, nicht, sagte Martin Kaiser, Leiter Sozialpolitik beim Arbeitgeberverband. Einzig das Sozialpartnermodell stelle dies sicher. Die Kritik, wonach vom Rentenzuschlag auch Personen profitierten, die diesen aufgrund ihrer hohen Einkommen gar nicht nötig hätten, konterte er damit, dass nur Personen, die mindestens die Hälfte des Guthabens in Rentenform beziehen, diesen Zuschlag erhalten sollten – was implizit vor allem die weniger einkommensstarken Personen betreffe.

Reform der Beruflichen Vorsorge (BVG 21; BRG 20.089)
Dossier: Koordinationsabzug und Eintrittsschwelle BVG

Im November 2019 unterbreitete der Bundesrat dem Parlament die Botschaft zur Modernisierung der Aufsicht in der 1. Säule und Optimierung der Aufsicht in der 2. Säule der Alters-, Hinterlassenen- und Invalidenvorsorge. Bezüglich der 1. Säule sollte die risikoorientierte Aufsicht mittels modernen Führungs- und Kontrollinstrumenten bei den Durchführungsstellen und einer Präzisierung der Aufgaben und Zuständigkeiten der Aufsichtsbehörde verstärkt werden; die Good Governance durch neue Bestimmungen zu Unabhängigkeit, Integrität und Transparenz gewährleistet und die Stabilität, die Informationssicherheit und der Datenschutz der Informationssysteme sichergestellt werden. Bezüglich der 2. Säule sah die Revision nach dem Inkrafttreten der Strukturreform einzelne, gezielte Verbesserungen vor, unter anderem die Präzisierung der Aufgaben von Expertinnen und Experten und die Sicherstellung der Unabhängigkeit regionaler Aufsichtsbehörden.
Im Vergleich zur Vernehmlassungsversion nahm der Bundesrat verschiedene Anpassungen vor; beliess aber auch zahlreiche kritisierte Massnahmen. Unter anderem strich er die stark kritisierte Steuerung der Ausgleichskassen über Ziele und Messgrössen aus der Vorlage; dennoch soll die Aufsichtsbehörde einer Ausgleichskasse im Einzelfall Vorgaben machen dürfen. Auch die Möglichkeit der Aufsichtsbehörde, eine Ersatzvornahme durchzuführen, also eine nötige Handlung auf Kosten der Verpflichteten auf einen Dritten zu übertragen, entfernte er aus der Vorlage; nicht aber die Weisungsbefugnis der Aufsichtsbehörde im Einzelfall oder die Möglichkeit für diese, ergänzende Revisionen durchzuführen – diese seien bereits Teil des geltenden Rechts. Auch die heutige Organisationsstruktur behielt der Bundesrat bei, obwohl sich unter anderem die Kantone eine striktere Trennung zwischen Durchführung und Aufsicht erhofft hatten. Kritisiert wurde zudem einmal mehr die Weisungsbefugnis der OAK BV, dieses Mal in Bezug auf die Übernahme von Rentnerbeständen, weshalb der Bundesrat die entsprechende Bestimmung präzisierte und die Weisungsbefugnis durch eine Verordnungskompetenz des Bundesrates ersetzte.

Aufsicht in der 1. Säule (BRG 19.080)

Im Juli 2019 übergaben die Sozialpartner dem Bundesrat schliesslich ihren Vorschlag zur Reform der beruflichen Vorsorge. Diesen unterstützten der Arbeitgeberverband, Travail.Suisse und der Gewerkschaftsbund, nicht aber der Gewerbeverband, der gleichentags einen eigenen Vorschlag präsentierte. Die Sozialpartner sahen vor, den Umwandlungssatz von 6.8 auf 6 Prozent zu senken und dadurch den umverteilten Betrag um die Hälfte zu reduzieren. Damit es nicht zu Renteneinbussen kommt, was das Risiko einer Ablehnung durch das Volk an der Urne stark vergrössern würde, sollen Altersgutschriften im Umlageverfahren entsprechend der AHV geschaffen werden, die über Beiträge von 0.5 Prozent des Jahreseinkommens finanziert werden. Für die kommenden Generationen soll dann der Bundesrat festlegen können, ob diese ebenfalls von einem Rentenzuschlag profitieren können sollen oder nicht. Die Anhebung der Altersgutschriften soll in zwei Schritten auf 9 Prozent und 14 Prozent erfolgen. Zudem sollte der Koordinationsabzug halbiert werden, wovon vor allem Teilzeitangestellte und damit überdurchschnittlich häufig Frauen profitieren würden. Diese Massnahmen würden Mehrkosten von CHF 2.7 Mrd. pro Jahr mit sich bringen.
Der Gewerbeverband kritisierte insbesondere die Finanzierung des Rentenzuschlags durch Altersgutschriften, da es damit wie bei der AHV zu einer Umverteilung innerhalb der beruflichen Vorsorge komme. Bisher hätten die Versicherten in den Pensionskassen jeweils ihre eigenen Renten finanziert, eine solche Regelung wäre folglich systemwidrig, erklärte zum Beispiel Hans-Ulrich Bigler, Direktor des Gewerbeverbands. Dies sei «ein erster Schritt in Richtung Einheitskasse oder Volksrente», betonte er. Stattdessen sollen die Altersgutschriften entsprechend dem Vorschlag der Asip schneller und stärker angehoben werden. Insgesamt würde dieser Vorschlag CHF 1.5 Mrd. kosten.

Während die meisten Parteien den Vorschlag des Arbeitgeberverbandes und der Gewerkschaften unterstützten – die FDP kritisierte zwar die Umverteilung ebenfalls, Josef Dittli (fdp, UR) erklärte jedoch, dass seine Partei die Vorlage deshalb kaum ablehnen würde –, sprach sich die SVP für den Vorschlag des Gewerbeverbands aus. Einig waren sich die Parteien darin, dass die Reformbemühungen diesmal nicht scheitern dürften. Nur wenige Tage später war jedoch auch letztere Einigkeit verschwunden: Immer häufiger meldeten sich Stimmen, die erklärten, dass ein Nichtstun womöglich besser sei als die von den Sozialpartnern vorgeschlagene Reform. So liege der Umwandlungssatz auch nach der Reform noch deutlich zu hoch – angemessen seien heute etwa 5 Prozent. Da die Pensionskassen mit überobligatorischen Leistungen ihren Umwandlungssatz bereits gesenkt hätten, würde eine Reduktion des Mindestumwandlungssatzes die bestehende Umverteilung nicht mehr stark reduzieren. Stattdessen schaffe die Reform aber eine neue Umverteilung, indem die Jungen durch ihre Altersgutschriften die Rentenzuschläge der Übergangsgeneration finanzierten, selbst aber nicht mit einem garantierten Rentenzuschlag rechnen könnten, da dieser zu einem späteren Zeitpunkt durch den Bundesrat festgelegt werden würde. Somit würde sich gemäss einigen Beobachtern die kurzfristige Umverteilung von Jung zu Alt durch die Reform sogar noch verstärken. Trotz dieser Kritik gab Gesundheitsminister Berset bekannt, dass er den Vorschlag der Sozialpartner möglichst unverändert in die Vernehmlassung schicken werde.

Reform der Beruflichen Vorsorge (BVG 21; BRG 20.089)
Dossier: Koordinationsabzug und Eintrittsschwelle BVG

Im Mai 2019, kurz vor der Abstimmung über die STAF, präsentierte der Pensionskassenverband Asip einen eigenen Reformvorschlag zur Reform der beruflichen Vorsorge: Dieser sah eine Senkung des Umwandlungssatzes bis 2021 von 6.8 auf 5.8 Prozent sowie Kompensationsmassnahmen zum Erhalt der Renten vor: Demnach würden Versicherte bereits mit 20 statt mit 25 Jahren für die Altersvorsorge zu sparen beginnen. Zudem würden die Altersgutschriften, also die Sparbeiträge der Arbeitnehmenden und Arbeitgebenden nach Alter gestaffelt erhöht (25-34-Jährige: von 7% auf 9%, 35-44-Jährige: von 10% auf 12%, 45-54-Jährige: von 15% auf 16%, 55+: bleibt bei 18%). Das Frauenrentenalter würde auf 65 Jahre erhöht und der Koordinationsabzug – also der Teil des Lohns, der schon durch die AHV versichert ist – würde zukünftig prozentual erfolgen. Zudem wären Kompensationsmassnahmen für die Übergangsgeneration von 1956 bis 1965 nötig. Insgesamt würden diese Massnahmen jährlich CHF 2.1 Mrd. kosten.
Weiteren Druck für eine Reform baute eine Studie von Swisscanto auf, die aufzeigte, dass Personen, die heute einer Pensionskasse beitreten, in 40 Jahren eine um 28 Prozent tiefere Rente erhalten als Personen, die der Pensionskasse vor 10 Jahren beigetreten sind. In Übereinstimmung mit dieser Studie forderte die BDP anfangs Juli 2019, dass Junge früher mit Sparen beginnen und ab einem Alter von 18 Jahren 10 Prozent ihres Lohns für die Altersvorsorge einsetzen sollten. Dieser Vorschlag wurde für seine ausschliesslich langfristige Wirkung kritisiert: Er würde frühestens in 40 Jahren Wirkung zeigen, wenn die jetzigen Jungen ins Pensionsalter kämen.

Reform der Beruflichen Vorsorge (BVG 21; BRG 20.089)
Dossier: Koordinationsabzug und Eintrittsschwelle BVG

Auch in der letzten Runde des Differenzbereinigungsverfahrens zur Revision der Ergänzungsleistungen, die in der Frühjahrssession 2019 stattfand, konnte der Nationalrat nicht alle verbliebenen Differenzen bereinigen. Zwar strich er mit einer knappen Mehrheit von 94 zu 91 Stimmen gegen den Willen der Mehrheiten der SVP- und der FDP-Fraktion sowie von Minderheiten der CVP/EVP- und der BDP-Fraktion die Kürzung der Ergänzungsleistungen im Falle, dass die ausbezahlten Pensionskassengelder zuvor aufgebraucht worden sind, und folgte damit dem Ständerat. Stillschweigend lenkte er auf Antrag der Kommission auch bezüglich der anerkannten Abzüge bei Waisen oder Kindern mit Anspruch auf Kinderrenten ein: Hier werden die Abzüge zukünftig zwischen Kindern unter und ab 11 Jahren unterschieden. Nicht umstimmen liess sich die grosse Kammer jedoch bezüglich der Einführung einer Vermögensschwelle und gesicherter Darlehen für die die Vermögensschwelle übersteigenden Liegenschaften sowie bezüglich der Kürzung der Freibeträge auf dem Gesamtvermögen. Mit jeweils 128 zu 55 Stimmen (bei 1 respektive 2 Enthaltungen) entschied der Nationalrat diesbezüglich auf Festhalten. Diskussionslos bestätigte er auch die Möglichkeit, EL-Beiträge für Bewohnerinnen und Bewohner von Heimen und Spitälern direkt den Leistungserbringenden auszubezahlen.

Am 7. März fand die Einigungskonferenz statt. Diese folgte bezüglich der Vermögensschwelle dem Nationalrat, entschied aber, die von den Bezügerinnen und Bezügern selbst bewohnten Liegenschaften bei der Vermögensschwelle nicht zu berücksichtigen. Entsprechend konnte sie auch auf die Schaffung einer Möglichkeit für gesicherte Darlehen verzichten. Des Weiteren beinhaltete der Vorschlag der Einigungskonferenz die vom Nationalrat geforderte Bestimmung zur Auszahlung der Tagestaxen in Heimen und Spitälern an die Leistungserbringenden. Bei den anrechenbaren Einnahmen setzte sich der Ständerat durch. Der Nationalrat hatte hier darauf bestanden, die im Rahmen der Neuordnung der Pflegefinanzierung erfolgte Erhöhung der Vermögensfreibeträge rückgängig zu machen. Auch bei den Rückerstattungen der erhaltenen Leistungen durch allfällige Erbinnen und Erben übernahm die Konferenz die Version des Ständerats, der dem Nationalrat hier jedoch zuvor bereits entgegengekommen war: Zukünftig liegt der Freibetrag bei CHF 40'000.
Hätte die Version des Bundesrates im Jahr 2030 EL-Ausgaben in der Höhe von CHF 6.67 Mrd. mit sich gebracht, wurden diese durch die Änderungen des Parlaments um CHF 152 Mio. auf CHF 6.52 Mrd. reduziert. Die Einigungskonferenz segnete ihren Vorschlag mit 22 zu 0 Stimmen bei 4 Enthaltungen ab und auch in den Räten fand er weitgehend Anklang: Mit 39 zu 1 Stimme bei 4 Enthaltungen respektive 142 zu 0 Stimmen bei 54 Enthaltungen sprachen sich sowohl Stände- als auch Nationalrat für die Reform der Ergänzungsleistungen aus. Einzig Werner Hösli (svp, GL) als einziger Nein-Stimmender sowie die SP- und die Grünen-Fraktion zeigten sich nicht überzeugt von der Reform. Letztere enthielten sich in den Schlussabstimmungen – im Nationalrat vollständig, im Ständerat teilweise – ihrer Stimmen.

Reform der Ergänzungsleistungen (BRG 16.065)
Dossier: Revisionen des ELG bezüglich Mietzinsmaxima
Dossier: Die EL-Reform (2016-2019) und die dazu führenden Vorstösse

Ende November 2018 präsentierte der Bundesrat seinen Bericht zur Abschreibung der Motion Graber (cvp, LU; Mo. 13.4184). Die Motion hatte den Bundesrat mit der Schaffung rechtlicher Grundlagen sowie eines Zukunftsfonds beauftragt, die zukunftsgerichtete Anlagen durch die Vorsorgeeinrichtungen ermöglichen respektive fördern sollten. Die Problematik bei solchen Anlagen, auch Venture-Capital-Investitionen genannt, liege darin, dass die Investitionen in Unternehmen, die sich in einem frühen Stadium ihrer Entwicklung befinden, z.B. von Start-ups, ein «hohes Risiko, aber auch entsprechende Wachstumschancen» bergen würden, wie der Bundesrat in seinem Bericht erklärte. Nun würden die rechtlichen Grundlagen zur Verwendung solcher Anlagen bereits existieren, er wolle aber ihre Rahmenbedingungen in drei Punkten verbessern. Dabei ging er erstens die Problematik an, dass Venture-Capital-Investitionen verhältnismässig hohe Verwaltungskosten aufweisen, wenn die Kosten in Bezug zum investierten Nettovermögen ausgewiesen werden – zumal die neuen Unternehmen nur einen Teil des zugesagten Kapitals erhalten. Ergänzend sollen deshalb neu auch die Kosten im Verhältnis zum zugesagten Kapital – nicht nur zum Nettovermögen – standardmässig ausgewiesen werden. Zweitens werde die Anlage in Venture-Capital durch die Limitierung der Risikofähigkeit für die Vorsorgeeinrichtungen erschwert, weshalb der Bundesrat hier eine «gezielte Erleichterung [...] spezifisch bei lokalen/schweizerischen Investitionen» gewähren will. Dazu will er eine neue, kleine Anlagekategorie von etwa 5 Prozent für nichtkotierte schweizerische Anlagen prüfen und damit Anreize zur Nutzung dieser Kategorie schaffen. Die dritte Problematik in dieser Anlagekategorie stellten die Verluste der jungen Unternehmen dar – investiert würde hier demnach häufiger, wenn die Verluste länger als wie bisher vorgesehen 7 Jahre steuerlich abzugsfähig wären. In der USR III habe der Bundesrat eine Aufhebung dieser zeitlichen Beschränkung bei einer Versteuerung von 20 Prozent des Jahresgewinns vor Verlustverrechnung vorgesehen. Weiterhin stehe er einer «unbeschränkten Verlustverrechnung für alle Unternehmen in Verbindung mit einer Mindestbesteuerung [...] offen gegenüber».

Zukunftsfonds Schweiz (Mo. 13.4184)

In der Wintersession 2018 war der Ständerat an der Reihe, Differenzen bezüglich der Revision der Ergänzungsleistungen zu bereinigen. Eingangs rief Kommissionssprecher Graber (cvp, LU) die vom Nationalrat teilweise angezweifelte Kompromissbereitschaft des Ständerates in diesem Projekt anhand einiger Beispiele in Erinnerung. Unnachgiebig zeigte sich der Ständerat anschliessend aber bezüglich der Kürzung der EL im Falle des Kapitalbezugs der Zweiten Säule. Kleine Bezüge – die teilweise sogar unfreiwillig erfolgten – sollten keine so grosse Reduktion der EL zur Folge haben, betonte Graber. Auch eine stärkere Kürzung der Freibeträge auf dem Gesamtvermögen lehnte der Ständerat ab. Hart blieb die kleine Kammer auch bezüglich einer Vermögensschwelle und gesicherten Darlehen für die die Vermögensschwelle übersteigenden Liegenschaften, unter anderem weil zahlreiche praktische Fragen diesbezüglich gemäss Graber nicht geklärt seien. Im Gegenzug sprach sich der Ständerat aber für eine Senkung des Freibetrags bei der Rückerstattung der erhaltenen Gelder auf neu CHF 40'000 aus – und kam dabei seinem Schwesterrat ein erstes Mal entgegen. Auch bei der Senkung der anerkannten Ausgaben für Kinder unter 11 Jahren und der Schaffung einer Abzugsmöglichkeit für die Kosten einer notwendigen familienergänzenden Betreuung derselben Kinder willigte der Ständerat ein und folgte dem Nationalrat. Problemlos passierte der Vorschlag einstimmig auch die Ausgabenbremse. Keine Änderungen machten die Standesvertreterinnen und -vertreter jedoch bei Kindern über 11 Jahren. Vor der letzten Runde des Differenzbereinigungsverfahrens bestanden somit noch immer einige gewichtige Differenzen.

Reform der Ergänzungsleistungen (BRG 16.065)
Dossier: Revisionen des ELG bezüglich Mietzinsmaxima
Dossier: Die EL-Reform (2016-2019) und die dazu führenden Vorstösse

In der Herbstsession 2018 behandelte der Nationalrat die Revision der Ergänzungsleistungen und bereinigte dabei einige Differenzen, entschied sich aber bei den zentralen Punkten für Festhalten. Eingelenkt hat die grosse Kammer unter anderem bei den Mietzinsmaxima, nachdem Christian Lohr (cvp, TG) als Minderheitssprecher diesbezüglich deutlich geworden war: Da die Mietzinsmaxima seit einer «verdammt lange[n] Zeit» nicht mehr angepasst worden seien, die Mieten seit der letzten Anpassung jedoch um 24 Prozent gestiegen seien, solle der Nationalrat der Lösung des Ständerats zustimmen. Diese beinhalte eine «gutausgedachte Differenzierungsmöglichkeit», dank der alle so viel erhielten, wie sie benötigten, und nicht mehr. Mit 99 zu 91 Stimmen (bei 3 Enthaltungen) setzte sich die Minderheit durch, die Ausgabenbremse wurde anschliessend mit 142 zu 52 Stimmen gelöst.
Auch die Differenz zur Mindestbeitragsdauer von zehn Jahren für die AHV, die der Nationalrat anfänglich als Voraussetzung für einen EL-Bezug der Vorlage hinzugefügt hatte, bereinigte die grosse Kammer. Die SGK-NR hatte zuvor Annahme des ständerätlichen Vorschlags und damit einen Verzicht auf diese Regelung empfohlen. Ruth Humbel (cvp, AG) erklärte für die Kommission, dass die Regelung nur Auslandschweizer sowie Personen aus Drittstaaten – insgesamt 4'000 Betroffene –, nicht aber Personen aus der EU treffen würde. Erstere wären in der Folge auf Sozialhilfe angewiesen. Diese Kostenverlagerung zur Sozialhilfe wolle die Kommissionsmehrheit jedoch nicht, erklärte Humbel. Verena Herzog (svp, TG) begründete ihren Minderheitsantrag auf Festhalten an der nationalrätlichen Entscheidung damit, dass es nicht sein könne, dass sich Leute aus Drittstaaten kurz vor ihrer Pensionierung ins Schweizer Sozialsystem «schmuggelten» und damit beinahe kostenlos eine lebenslängliche Rente erhielten. Dieses Argument verfing nicht, der Nationalrat lehnte eine Mindestbeitragsdauer mit 113 zu 79 Stimmen (bei 3 Enthaltungen) ab.
Auch bezüglich der Anrechnung des Erwerbseinkommens von Ehepartnern ohne Anspruch auf Ergänzungsleistungen folgte die grosse Kammer der Minderheit Lohr. Wenn neu 100 Prozent des Einkommens der Ehepartner von den EL abgezogen würden, darauf aber dennoch Steuern bezahlt werden müssten, würde sich Arbeit nicht mehr lohnen, argumentierte der Minderheitssprecher. Mit 104 zu 91 Stimmen stimmte der Nationalrat mit der Kommissionsminderheit und strich die entsprechende Passage aus dem Gesetz.
Keine Übereinkunft zwischen den Räten wurde bei den Fragen nach der Höhe der Kinderrenten, nach einer Kürzung der Ergänzungsleistungen bei einem vollständigen oder teilweisen Kapitalbezug der Pensionskasse, nach einer Vermögensschwelle sowie nach der Grenze der anrechenbaren Einkommen erzielt; hier entschied sich der Nationalrat für Festhalten. Mit diesen Fragen wird sich somit der Ständerat erneut befassen müssen.

Reform der Ergänzungsleistungen (BRG 16.065)
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In der Sommersession 2018 machte sich der Ständerat an die zahlreichen vom Nationalrat geschaffenen Differenzen zur Reform der Ergänzungsleistungen, bereinigte aber nur wenige davon. Er entschied, bezüglich der meisten von der grossen Kammer eingefügten Bestimmungen am geltenden Recht festzuhalten. Insbesondere bei den anerkannten Ausgaben unterschieden sich die Ansichten der beiden Räte: Hier sprach sich die kleine Kammer unter anderem gegen die Kürzung des anrechenbaren Betrags zum Lebensbedarf von Kindern, für eine Anrechnung der tatsächlichen anstelle der massgebenden Krankenkassenprämien sowie für eine deutlich geringere Erhöhung der maximal anrechenbaren Mieten aus. Sie schuf jedoch eine Möglichkeit für die Kantone, in Gemeinden mit tiefen Mieten eine Reduktion der Beträge um 10 Prozent zu beantragen, solange anschliessend die Mieten von mindestens 90 Prozent der EL-Bezüger gedeckt sind.
Auch die Vermögensschwelle fiel im Ständerat durch: Wer mehr als CHF 100'000 besitzt, sollte nach dem Willen des Nationalrats keine Ergänzungsleistungen bekommen. Nichts wissen wollte die kleine Kammer auch vom Beschluss des Nationalrats, dass nur noch EL erhält, wer zuvor mindestens zehn Jahre lang AHV-Beiträge geleistet hatte. Viele Betroffene würden so in der Sozialhilfe landen, argumentierte Konrad Graber (cvp, LU) als Kommissionssprecher.
Eine eigentliche Kehrtwende machte der Ständerat bezüglich des Kapitalbezugs in der zweiten Säule. Wollte er diesen in der ersten Behandlungsrunde noch verbieten, beschloss er nun beim geltenden Recht zu bleiben, wie es zuvor auch der Nationalrat entschieden hatte. Die kleine Kammer strich sogar die vom Nationalrat geschaffene Regelung, wonach die Ergänzungsleistungen bei einem teilweisen oder vollständigen Kapitalbezug um 10 Prozent gekürzt werden können.
Einverstanden zeigte sich der Ständerat schliesslich damit, dass keine EL erhält, wer sein Vermögen ohne wichtigen Grund verprasst. Zudem fand die Rückzahlung von Ergänzungsleistungen aus Erbschaften über CHF 50'000 auch in der kleinen Kammer eine Mehrheit.

Reform der Ergänzungsleistungen (BRG 16.065)
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Dossier: Die EL-Reform (2016-2019) und die dazu führenden Vorstösse

In der Frühjahrssession 2018 behandelte der Nationalrat die Reform der Ergänzungsleistungen, die er ob ihrer Länge in drei Blöcke unterteilte. Er schuf zahlreiche Differenzen zum Ständerat, insbesondere bezüglich der Voraussetzungen für den EL-Bezug. So beantragte die SGK-NR die Einführung einer Vermögensschwelle in der Höhe von CHF 100'000 für Alleinstehende, CHF 200'000 für Verheiratete und CHF 50'000 bei Kindern: Übersteigt das Vermögen diese Schwelle, sollen keine Ergänzungsleistungen beantragt werden können. Davon ausgeschlossen sollen jedoch von den Betroffenen oder ihren Partnern bewohnte Liegenschaften sein, sofern die Betroffenen ein hypothekarisch gesichertes Darlehen zulasten des Wohneigentums und zugunsten der EL-Stelle aufnehmen. Silvia Schenker (sp, BS) sprach sich in ihrem Minderheitsantrag gegen eine solche Änderung aus – nicht weil sie eine Vermögensschwelle prinzipiell ablehne, sondern weil dieser Antrag nicht in der Vernehmlassung war und daher noch zahlreiche Fragen dazu offen seien. Mit dieser Ansicht standen die SP- und die Grünen-Fraktion jedoch alleine da, mit 137 zu 52 Stimmen nahm der Nationalrat die Einführung einer Vermögensschwelle an. Eine weitere Differenz bei den Voraussetzungen schuf der Nationalrat, indem er gegen zwei Minderheitsanträge einem Antrag der SGK-NR folgte, wonach ein Verbrauch von mehr als 10 Prozent des Vermögens pro Jahr ab Entstehung des Anspruchs auf EL bei der IV, bei der AHV ab zehn Jahren vor der Pensionierung, als Vermögensverzicht gelten solle, sofern der Verbrauch „ohne wichtigen Grund“ erfolge (94 zu 86 Stimmen bei 9 Enthaltungen; 136 zu 53 Stimmen bei 1 Enthaltung). Für den Bezug von Ergänzungsleistungen beantragte die Mehrheit der SGK-NR überdies eine zehnjährige Karenzfrist, während der sich die Betroffenen ununterbrochen in der Schweiz aufgehalten haben müssen. Es setzte sich jedoch eine Minderheit I Aeschi durch, die den Bezug stattdessen von einer mindestens zehnjährigen Beitragsdauer in die AHV abhängig machen wollte (104 zu 83 Stimmen, 4 Enthaltungen).

Auch bezüglich der anerkannten Ausgaben schuf der Nationalrat einige Differenzen zum Schwesterrat. Gegen eine Minderheit Feri nahm er den Vorschlag der SGK-NR auf Reduktion der Finanzierung des allgemeinen Lebensbedarfs für Kinder unter zwölf Jahren sowie ab dem zweiten Kind um ein Sechstel an (137 zu 53 Stimmen). Bezüglich der Mietzinsen bestätigte der Nationalrat zwar die vom Ständerat beschlossene Schaffung verschiedener Regionen, strich jedoch auf Antrag einer Minderheit II Pezzatti die dritte Region und reduzierte die vom Ständerat beschlossenen Beträge zur Erstattung von Mietzinsen für Alleinstehende sowie für zusätzliche im Haushalt lebende Personen (139 zu 53 Stimmen). Deutlich löste der Rat für den Antrag auch die Ausgabenbremse (187 zu 3 Stimmen bei 3 Enthaltungen). Der Nationalrat stimmte auch dem Antrag der Minderheit Clottu zu (102 zu 90 Stimmen), wonach diese Mietzins-Beträge von den Kantonen um 10 Prozent gekürzt werden können und der Bundesrat die Einteilung überprüfen muss, wenn sich der Mietpreisindex um 10 Prozent verändert. Eine Minderheit Quadranti hatte diesbezüglich eine regelmässige Überprüfung nach zwei Jahren gefordert, war jedoch deutlich gescheitert (133 zu 58 Stimmen, 1 Enthaltung). Stark umstritten war im Ständerat die Frage gewesen, welche Kosten bei den Krankenkassenprämien angerechnet werden sollen. Dabei wurden vier verschiedene Optionen diskutiert: Die Mehrheit der SGK-NR wollte dem Bundesrat folgen und die kantonalen Durchschnittsprämien anrechnen, solange diese die effektiven Kosten nicht übersteigen; der Ständerat hatte entschieden, die Prämie des drittgünstigsten Krankenversicherers im Kanton zu vergüten; eine Minderheit I Carobbio befürwortete die Auszahlung von Durchschnittsprämien, selbst wenn diese die effektiven Kosten aufgrund von Prämienverbilligungen übertreffen; und eine Minderheit II Humbel setzte auf die massgebende Prämie des Kantons. Letztere Option setzte sich gegen den Antrag der Kommissionsmehrheit durch (138 zu 53 Stimmen), nachdem dieser zuvor gegenüber der Minderheit I bevorzugt worden war (138 zu 53 Stimmen). Nicht nur auf der Ausgaben-, auch auf der Einkommensseite nahm die grosse Kammer Korrekturen vor: Zwar war man sich mit dem Ständerat darüber einig, dass das Erwerbseinkommen von Ehegattinnen und -gatten, die selber keine Rente beziehen, stärker angerechnet werden soll als bisher. Der Nationalrat folgte jedoch entgegen dem Antrag der Minderheit Barrile, die wie der Ständerat nur 80 Prozent anrechnen wollte, der Kommissionsmehrheit: Neu soll das Einkommen der Ehepartner vollständig angerechnet werden (103 zu 87 Stimmen bei 1 Enthaltung).

Bezüglich der Finanzierung der EL respektive der Massnahmen zur Reduktion der Anzahl EL-Bezügerinnen und -Bezüger hatte sich im Ständerat die Frage nach der Möglichkeit auf Kapitalbezug in der zweiten Säule als besonders umstritten gezeigt. Anders als der Erstrat wollte die Mehrheit der SGK-NR den Versicherten die Möglichkeit offenlassen, ihre Pensionskassengelder zur Hälfte als Kapitalabfindung zu beziehen. Dagegen wehrte sich eine Minderheit I Humbel, die dem Ständerat folgen wollte, während eine Minderheit II Sauter das geltende Recht, das den Bezug eines Viertels des Altersguthabens als Kapitalleistung erlaubt, bevorzugte. Letztere Position setzte sich in der grossen Kammer deutlich durch (Mehrheit vs. Minderheit I: 139 zu 49 Stimmen bei 1 Enthaltung; Mehrheit vs. Minderheit II: 14 zu 170 Stimmen bei 4 Enthaltungen). Um jedoch der im Ständerat vielfach betonten erhöhten Gefahr, durch einen Kapitalbezug später auf Ergänzungsleistungen angewiesen zu sein, zu reduzieren, beantragte die Kommissionsmehrheit, die Leistungen bei einem teilweisen oder vollständigen Kapitalbezug um 10 Prozent pro Jahr zu kürzen. Der Nationalrat unterstützte diesen Antrag gegen zwei Minderheitsanträge (106 zu 83 Stimmen; 119 zu 66 Stimmen bei 1 Enthaltung). Auch bei der Auszahlung der Pensionskassengelder für Firmengründungen schuf die grosse Kammer eine Differenz zum Ständerat, indem sie einem Minderheitsantrag de Courten folgte, der keine Einschränkungen der Auszahlungen beabsichtigte. Deutlich sprach sich die grosse Kammer auch für einen Minderheitsantrag Humbel aus, wonach rechtmässig bezogene Leistungen aus dem Nachlass der Leistungsbezügerinnen und -bezüger – bei Ehepaaren aus dem Nachlass des Zweitverstorbenen – zurückzuerstatten seien, sofern und inwieweit dieser CHF 50'000 übersteige (181 zu 7 bei 1 Enthaltung).

In der Gesamtabstimmung nahm der Rat seine neue Version zur Reform der Ergänzungsleistungen mit 125 zu 53 Stimmen bei 13 Enthaltungen an. Unzufrieden zeigten sich die SP- und die Grünen-Fraktion, während sich ein Drittel der CVP-Fraktion sowie einzelne Mitglieder der GLP- und der BDP-Fraktion der Stimme enthielten.

Reform der Ergänzungsleistungen (BRG 16.065)
Dossier: Revisionen des ELG bezüglich Mietzinsmaxima
Dossier: Die EL-Reform (2016-2019) und die dazu führenden Vorstösse

Während der Bundesrat dabei war, die neuste Reform der AHV auszuarbeiten, gab er im März 2018 bekannt, dass sich der Arbeitgeberverband und der Gewerkschaftsbund zu ergebnisoffenen Diskussionen über Massnahmen zur Reform der beruflichen Vorsorge bereit erklärt hätten. Ein entsprechendes Initialtreffen fand unter Anwesenheit von Gesundheitsminister Berset im April 2018 statt; anschliessend hatten die Sozialpartner ein Jahr Zeit, um – ähnlich wie sie es zuvor beim Unfallgesetz getan hatten – einen Vorschlag für die Revision des BVG zu präsentieren. Einig waren sie sich bereits zu diesem Zeitpunkt darüber, dass der Umwandlungssatz von 6.8 Prozent zu hoch sei; 5-6 Prozent galten gemäss Medien zu diesem Zeitpunkt als realistisch. Pro CHF 100'000 an Alterskapital sollen somit jährlich nicht mehr CHF 6800 ausbezahlt werden, sondern höchstens CHF 6000. Übereinstimmung bestand auch bereits darin, dass das Rentenniveau trotz Senkung des Umwandlungssatzes beibehalten werden soll, insbesondere da vor allem Versicherte aus dem Tieflohnsektor bei Pensionskassen versichert sind, deren Leistungen nicht über das Obligatorium hinausgehen und die entsprechend ihren Umwandlungssatz nicht stärker senken können. Die Gewerkschaften verlangten überdies, dass die Möglichkeiten der Pensionskassen anbietenden Lebensversicherungen, Gewinn auszuschütten, reduziert werden, da diese gemäss Tagesanzeiger zusammen jährlich zwischen CHF 600 Mio. und CHF 700 Mio. Gewinn machten und durch eine Reduktion des Umwandlungssatzes stark entlastet würden. In dieser Ausarbeitungsphase der Reform erschienen auch immer wieder Berichte in der Presse zu der durch die berufliche Vorsorge geschaffenen Umverteilung von jungen zu älteren Versicherten. Eine Auswertung der OAK BV führte der Öffentlichkeit vor Augen, dass der umverteilte Betrag in den letzten fünf Jahren auf CHF 6-7 Mrd. pro Jahr angestiegen war.

Reform der Beruflichen Vorsorge (BVG 21; BRG 20.089)
Dossier: Koordinationsabzug und Eintrittsschwelle BVG

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Zusammenfassung
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BVG-Reform (BVG 21; BRG 20.089)

Im Anschluss an die Ablehnung der Altersvorsorge 2020 an der Urne beauftragte der Bundesrat die Sozialpartner mit der Ausarbeitung einer neuen Pensionskassenreform. Im Juli 2019 präsentierten der Arbeitgeberverband, Travail.Suisse und der Gewerkschaftsbund ihren Vorschlag, der unter anderem eine Reduktion des Umwandlungssatzes von 6.8 Prozent auf 6 Prozent, im Umlageverfahren finanzierte Rentenzuschläge für die am stärksten betroffenen Jahrgänge sowie eine Halbierung des Koordinationsabzugs enthielt. Der Bundesrat nahm an diesem Entwurf keine Änderungen mehr vor, er traf jedoch nur in linken Kreisen auf Zustimmung, während bürgerliche Kreise breite Kritik übten und verschiedene Alternativvorschläge präsentierten. Das Parlament nahm in der Folge zahlreiche Änderungen am Entwurf vor, obwohl der Bundesrat davor warnte, dass die Reform dadurch bei einer allfälligen Referendumsabstimmung einen schweren Stand haben werde. So sollte der Koordinationsabzug neu nicht mehr als Fixbetrag, sondern prozentual als 20 Prozent des versicherten Lohns festgelegt werden. Die Eintrittsschwelle wurde gesenkt, zudem sollen zukünftig nur noch zwei statt wie bisher vier verschiedene, altersabhängige Beitragssätze für die berufliche Vorsorge existieren. Insgesamt sollte so mehr individuelles Pensionskassenvermögen angespart werden, um die Senkung des Umwandlungssatzes auf 6 Prozent auszugleichen. Für ungefähr die Hälfte der Versicherten der ersten 15 Jahrgänge nach Inkrafttreten der Änderung wurde ein lebenslanger Rentenzuschlag geschaffen, der teilweise über den Sicherheitsfonds, teilweise durch die Vorsorgeeinrichtungen finanziert wird. Die links-grünen Parteien und die Gewerkschaften ergriffen das fakultative Referendum, da sie befürchteten, dass zukünftig trotz höherer Beiträge tiefere Renten anfallen, und da sie weiterhin die Frauenrenten als zu gering und die Verwaltungskosten der Pensionskassen als zu hoch erachteten. Somit wird nach der AHV-Revision 2022 im Jahr 2024 auch über die Pensionskassenreform abgestimmt werden.


Chronologie
Diskussionen über eine neue Reform
Reformvorschlag der Asip
Reformvorschlag der Sozialpartner
Kritik am Vorschlag der Sozialpartner
Vernehmlassung zum Vorschlag der Sozialpartner
Weiterer Alternativvorschlag
Botschaft zum BVG 21
Behandlung durch den Nationalrat
Rückweisung an die Kommission durch den Ständerat
Behandlung durch den Ständerat
Differenzbereinigungsverfahren, Einigungskonferenz und Schlussabstimmungen
Zustandekommen des fakultativen Referendums
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Reform der Beruflichen Vorsorge (BVG 21; BRG 20.089)
Dossier: Koordinationsabzug und Eintrittsschwelle BVG

Neben dem obligatorischen Referendum zur Zusatzfinanzierung der AHV durch eine Erhöhung der Mehrwertsteuer, kündigten verschiedene Gruppierungen, allen voran die Westschweizer Gewerkschaften, ihr Interesse an der Ergreifung eines fakultativen Referendums zur Reform der Altersvorsorge 2020 an. So seien mit der Erhöhung des Frauenrentenalters und der Senkung des Umwandlungssatzes zwei Änderungen enthalten, die man nicht akzeptieren könne. Nach kurzer Zeit wurde jedoch deutlich, dass die Westschweizer Gewerkschaften nicht auf eine breite Unterstützung hoffen konnten und das Referendum mehrheitlich alleine würden stemmen müssen. Unterstützt wurden sie lediglich von vereinzelten linken Organisationen, zum Beispiel von der Genfer SP-Kantonalsektion. Gegen Ende der Unterschriftensammlung engagierten sich auch die Zeitschriften K-Tipp und Saldo. Als Grund dafür gaben sie an, dass sie verhindern wollten, dass auf dem Stimmzettel ausschliesslich von der AHV die Rede sei und dadurch das vollständige Ausmass der Revision unterschätzt würde. Zwar kritisierten auch weitere linke Kreise die Vorlage, allen voran die Gewerkschaften, dennoch sprachen sich die Delegierten der Unia, von VPOD, des SGB sowie von Travai.Suisse knapp für die Reform aus. Dabei wurden die unterschiedlichen Positionen der Linken in der Deutsch- und Westschweiz deutlich. Um diese verschiedenen Positionen zu vereinen, beschloss die SP eine Urabstimmung durchzuführen, bei der sich 90 Prozent der teilnehmenden SP-Mitglieder für die Reform aussprachen. Ungeachtet dieser Urabstimmung beschlossen die Juso kurze Zeit später die Nein-Parole und unterstützten das linke Referendumskomitee.

Gespalten zeigten sich wie bereits im Parlament auch die Bürgerlichen. FDP und SVP sowie breite Wirtschaftskreise inklusive Economiesuisse, dem Gewerbeverband und dem Arbeitgeberverband sprachen sich gegen die Reform aus, setzten dem linken Referendumskomitee jedoch kein bürgerliches Pendant entgegen. Unter dem Namen „Generationenallianz” bewarben sie aber gemeinsam die Ablehnung der Reform. Die anderen bürgerlichen Parteien, allen voran die CVP und BDP, warben für die Annahme der Vorlage. Unterstützt wurden sie von zahlreichen Westschweizer Verbänden, unter anderem vom Westschweizer Wirtschaftsverband Centre Patronal. Im Laufe der Kampagne sprachen sich unter anderem auch der Bauernverband, Eveline Widmer-Schlumpf als neue Präsidentin der Pro Senectute, Pro Senectute selbst sowie weitere Seniorenverbände für die Reform aus. Gespalten zeigten sich die Versicherungen: Während Helvetia und Axa Winterthur, der Pensionskassenverband Asip sowie der Verwaltungsratspräsident des AHV-Fonds die Reform befürworteten, hielten sich die anderen Versicherer bedeckt.

Da die Berichterstattung zur Vorlage nach dem Showdown im Parlament im März 2017 bis zum Abstimmungstermin im September 2017 nie wirklich abriss, beleuchteten die Medien jedes Detail der Vorlage und insbesondere des Abstimmungskampfes. So wurde ausführlich über die Positionen der verschiedenen Parteien, Verbände, Vereine und Interessengruppen, aber auch über einzelne Abweichler innerhalb der verschiedenen Akteursgruppen berichtet. Diskutiert wurden die Gefahr für die Reform durch das erforderliche Ständemehr sowie die Konsequenzen für die Reform, falls nur eine der beiden Vorlagen angenommen würde. Ausführlich beschrieben wurden die Aktivitäten der Jungparteien, die trotz geringem Budget mit viel Engagement versuchten, die jüngeren Stimmbürger zu mobilisieren und zu überzeugen. So engagierte sich zum Beispiel die Junge CVP mit einer eigenen Pro-Kampagne im Internet und mit Standaktionen, während die Jungfreisinnigen mit Aktionstagen, Plakaten und Videos für ein Nein warben. Zudem erhielten die Befürworter mit Ruth Dreifuss, Walter Andreas Müller und Beni Thurnheer prominente Unterstützung. Dieses Engagement ausserhalb des bezahlten Raums wurde auch durch eine Auswertung der Inseratekampagne durch Année Politique Suisse verdeutlicht. Diese ergab, dass Anzahl und Reichweite der Inserate zur Altersvorsorge entgegen der betont grossen Relevanz der Vorlage nur durchschnittlich gross waren, was die Komitees mit ihren knappen Budgets erklärten.

Ebenfalls sehr engagiert zeigte sich Bundesrat Berset, der nicht müde wurde, die Wichtigkeit der Reform zu betonen. Dieses starke Engagement vor allem auch in Zusammenhang mit seinen Warnungen vor den drastischen Folgen eines Neins brachten ihm jedoch viel Kritik ein. Hinzu kam eine breite Kritik am Abstimmungsbüchlein, das ausschliesslich die Referendumsführer, also die Westschweizer Gewerkschaften, zu Wort kommen liess, nicht aber die bürgerlichen Gegner der Vorlage. Grund dafür war, dass bei obligatorischen Referenden Minderheitenpositionen keine eigenen Seiten erhalten und bei fakultativen Referenden nur die Referendumskomitees. Darüber hinaus war vor allem inhaltliche Kritik am Abstimmungsbüchlein zu vernehmen, so seien die Darstellungen des Bundesrates fehlerhaft und unvollständig. Doch nicht nur zur Informationspolitik des Bundesrates, auch bezüglich der Argumentationen beider Lager wurden im Laufe der Kampagne vermehrt kritische Stimmen laut. Kritisiert wurde, dass beide Seiten nicht mit offenen Karten spielten und wichtige Argumente gezielt verschwiegen.

Inhaltlich drehte sich die Berichterstattung vor allem um die Frage, ob die AHV schneller in ernsthafte finanzielle Probleme gerate, wenn man die Reform annehme oder wenn man sie ablehne. Beide Seiten gaben zu, dass in Zukunft weitere Reformen nötig sein werden, uneinig war man sich jedoch darüber, bei welchem Abstimmungsergebnis dies dringender der Fall sei. Auch bezüglich den Gewinnern und Verlierern der Reform war man sich uneins. Sowohl Befürworter als auch Gegner betonten, dass alleine ihre Position die Situation der Jungen und der Frauen verbessern würde.

Aufgrund der knappen, ungewöhnlichen Ausgangslage mit Spaltungen innerhalb der linken und bürgerlichen Parteien war schliesslich unklar, welches Lager tendenziell in Führung lag. Wirklich Licht ins Dunkel konnten auch die Vorumfragen nicht bringen. Manchmal ergaben sie einen Vorsprung der Befürworter, manchmal der Gegner, aber grösstenteils machten sie relativ knappe Zwischenresultate zwischen den beiden Lagern aus. Entsprechend knapp gingen die Abstimmungen schliesslich auch aus. Mit 2357 Stimmen mehr bei 50.0 Prozent und 11 5/2 Standesstimmen lehnte das Stimmvolk die Mehrwertsteuererhöhung ab. Leicht deutlicher fiel die Entscheidung zur Reform der Altersvorsorge 2020 aus, die mit 52.7 Prozent abgelehnt wurde. Nach über zweijähriger Ausarbeitung der Reform wird das Parlament somit bei der Revision der Altersvorsorge von vorne beginnen müssen.


Abstimmung vom 24. September 2017

Zusatzfinanzierung der AHV durch eine Erhöhung der Mehrwertsteuer:
Beteiligung: 46.8%
Ja: 1`254`675 (50,0%) / Stände: 9 1/2
Nein: 1`257`032 (50,0%) / Stände: 11 5/2

Parolen:
-Ja: SP, Grüne, CVP, GLP, EVP, BDP, EDU
-Nein: SVP, FDP


Reform der Altersvorsorge 2020:
Beteiligung: 46,7%
Ja: 1`186`079 (47,3%)
Nein: 1`320`830 (52,7%)

Parolen:
-Ja: SP, Grüne, CVP, GLP, EVP, BDP
-Nein: SVP, FDP, EDU, PdA

Reform «Altervorsorge 2020» (BRG 14.088)
Dossier: Debatten um das Frauenrentenalter
Dossier: Erhöhung des Rentenalters
Dossier: Koordinationsabzug und Eintrittsschwelle BVG

In der Sommersession 2017 behandelte der Ständerat als Erstrat die Reform der Ergänzungsleistungen. Gemäss Konrad Graber (cvp, LU) waren die Hauptziele der Reform die Optimierung des Systems, die Verwendung von Eigenmitteln für die Altersvorsorge sowie die Reduktion der Schwelleneffekte. Dies alles solle so umgesetzt werden, dass das Niveau der Ergänzungsleistungen grundsätzlich erhalten bleibe. Da jedoch die EL-Ausgaben sowie der Anteil des Bundes gegenüber demjenigen der Kantone stark angestiegen seien, müsse hier Gegensteuer gegeben werden. Weil die Ergänzungsleistungen die Schnittstelle zwischen AHV und Sozialhilfe darstellen, müssten aber die Auswirkungen von allfälligen Änderungen gut durchdacht werden, damit zum Schluss nicht die Sozialhilfe für die Einsparungen aufkommen müsse. Auf Wunsch von Josef Dittli (fdp, UR) wurde seine thematisch mit der Reform verbundene Motion zur Stärkung der Ergänzungsleistungen durch klare Zuordnung der Kompetenzen losgelöst von dieser Reform behandelt.

Der Entwurf des Bundesrates würde bei Bund und Kantonen zu Einsparungen von ungefähr CHF 367 Mio. führen, was jedoch einigen Ständerätinnen und Ständeräten zu wenig weit ging. Josef Dittli zum Beispiel erklärte, dass die Vorlage ein erster Optimierungsschritt sei, danach aber noch eine weitere Reform der Ergänzungsleistungen folgen müsse. Paul Rechsteiner (sp, SG) betonte, dass insbesondere die IV-Rentnerinnen und -Rentner betroffen seien, bei denen mit 45 Prozent fast die Hälfte auf Ergänzungsleistungen angewiesen sei, während dieser Anteil bei den Altersrenten nur etwa 12 Prozent betrage. Dies sei unter anderem auf den Leistungsabbau bei der IV zurückzuführen.
In der Detailberatung waren vor allem die Erhöhung der Höchstbeiträge für anrechenbare Mietzinsen sowie die Möglichkeiten des Kapitalbezugs des Altersguthabens umstritten. Das Thema der Mietzinsmaxima war im Nationalrat bereits mit dem Geschäft 14.098 diskutiert und an die SGK-NR zur Detailberatung zurückgewiesen worden. Diese hatte sich einverstanden erklärt, dass der Ständerat diese Frage im Rahmen der EL-Reform behandle. Inhaltlich entschied sich der Ständerat diesbezüglich gegen je einen unter und über dem Vorschlag der SGK-SR liegenden Minderheitenantrag und erhöhte die Beträge für die Mietzinse gegenüber dem geltenden Recht je nach Wohnregion, die ebenfalls neu geschaffen wurden, um bis zu 300 Franken. Auch die Zusatzbeträge für rollstuhlgängige Wohnungen wurden deutlich erhöht. Eine Systemänderung bezüglich der Festlegung des Betrags für persönliche Ausgaben wünschte sich eine Minderheit Bruderer Wyss (sp, AG), welche diese Kompetenz dem Bund übertragen und so die grossen kantonalen Unterschiede beseitigen wollte. Dieser Vorschlag scheiterte jedoch am Mehrheitsantrag der SGK-SR, welche diese Kompetenz bei den Kantonen belassen wollte. Bezüglich der Anrechnung von Erwerbseinkommen des Ehegatten folgte der Ständerat der SGK-SR, die im Gegensatz zum Bundesrat nur 80 Prozent des Erwerbseinkommens anrechnen wollte, um so einen Erwerbsanreiz zu schaffen. Insgesamt wollten aber sowohl der Bundesrat als auch die SGK-SR die Vermögen stärker berücksichtigen und senkten daher den Freibetrag für Alleinstehende auf CHF 30'000 und für Verheiratete auf CHF 50'000. Beibehalten wurde die Regelung, wonach bei Personen, die selbst oder deren Ehepartner in einer Eigentumswohnung respektive einem Eigenheim wohnen, nur der CHF 112'500 übersteigende Wert einer Liegenschaft beim Vermögen zu berücksichtigen sei. Solange eine betroffene Person oder ihr Partner also eine Liegenschaft noch bewohnen kann, soll diese nicht verkauft werden müssen. Zudem befürwortete die Mehrheit des Ständerats eine von der SGK-SR vorgeschlagene Verschärfung des bundesrätlichen Vorschlages bezüglich der übernommenen Krankenkassenprämien: Der Bundesrat hatte vorgeschlagen, dass die EL in Zukunft die tatsächliche Krankenkassenprämie vergüten solle, wenn diese tiefer zu liegen komme als die durchschnittliche Prämie. Der Ständerat beschränkte die Vergütung der Prämien jedoch auf die Höhe der Prämie des drittgünstigsten Krankenversicherers im Kanton beziehungsweise in der Region. Im Anschluss an die Beratung dieses Geschäfts überwies der Ständerat jedoch ein Postulat, das den Bundesrat beauftragte, die Folgen eines vollständigen Einbezuges der Krankenkassenprämien in die Berechnung der EL zu prüfen.
Besonders umstritten war die Frage, ob ein vollständiger oder teilweiser Kapitalbezug des Altersguthabens für den obligatorischen Teil der beruflichen Vorsorge im Vorsorgefall möglich sein soll oder nicht. Diesbezüglich war man sich im bürgerlichen Lager nicht einig. Die Mehrheit der SGK-SR wollte die Wahlmöglichkeit zwischen Kapitalbezug, Rente und Mischform streichen und für den obligatorischen Teil nur noch eine Rente ermöglichen. Dies darum, weil es heute möglich sei und auch vorkomme, dass Personen ihre Vorsorgegelder nach dem Kapitalbezug zum Beispiel verspielten oder durch Betrügereien verlören und in der Folge auf Ergänzungsleistungen angewiesen seien. Möglich solle daher lediglich ein Kapitalbezug für den Erwerb von Wohneigentum sein. Mehrere Ständeräte von FDP, CVP, BDP und SVP widersprachen dieser Ansicht und setzten sich für Wahlfreiheit und Selbstverantwortung der Bürger ein. Wegen einiger schwarzer Schafe sollten nicht alle Rentnerinnen und Rentner bestraft werden – so ihr Votum. Hannes Germann (svp, SH) kritisierte dabei die Mehrheit der bürgerlichen Ständeräte, die sonst für Eigenverantwortung plädierten, hier aber von diesem Grundsatz nichts wissen wollten. Thomas Hefti (fdp, GL) reichte einen Antrag ein, wonach zumindest die Hälfte des Altersguthabens bezogen werden können solle, zog diesen aber wegen eines Formulierungsfehlers zugunsten des Antrags Luginbühl (bdp, BE), der sich für eine Beibehaltung des geltenden Rechts und somit der Wahlmöglichkeit einsetzte, zurück. Kommissionssprecher Graber rechnete daraufhin vor, dass bereits die Erhöhung der Mietzinsmaxima die geplanten Einsparungen um CHF 200 Mio. reduziert hatte und dass mit einer Annahme des Antrags Luginbühl gegenüber dem aktuellen Recht kaum noch Einsparungen gemacht würden. In der Folge lehnte der Ständerat den Antrag Luginbühl deutlich ab. Schliesslich stellte sich die Frage, ob der vorzeitige Kapitalbezug zur Aufnahme einer selbständigen Erwerbstätigkeit möglich sein solle. Hier einigte man sich auf einen Kompromissvorschlag: Das bis zum 50. Altersjahr erwirtschaftete Kapital soll bezogen werden können, da dies etwa der Hälfte des insgesamt gesparten Alterskapitals entspricht. In der Gesamtabstimmung nahm der Ständerat die Vorlage einstimmig mit 31 Stimmen bei 12 Enthaltungen an.

Reform der Ergänzungsleistungen (BRG 16.065)
Dossier: Revisionen des ELG bezüglich Mietzinsmaxima
Dossier: Die EL-Reform (2016-2019) und die dazu führenden Vorstösse

Im Dezember 2016 startete der Ständerat das Differenzbereinigungsverfahren zur Reform der Altersvorsorge 2020. Zuvor hatte die SGK-SR die Differenzen zwischen den Räten und vor allem die finanziellen Auswirkungen der Vorlagen von Stände- und Nationalrat in einem Bericht, einem Faktenblatt sowie einer Kostenübersicht ausführlich untersucht und diskutiert. Die Positionen zwischen Ständerat und Nationalrat unterschieden sich in den verbliebenen Differenzen so stark, dass sie sich im Laufe der vier Runden des Differenzbereinigungsverfahrens trotz angeregter Diskussionen nur bei wenigen Punkten einigen konnten: Der Nationalrat gab vor der Einigungskonferenz sein Beharren auf den Interventionsmechanismus auf, da dieser im Ständerat gänzlich chancenlos war. Zudem verzichtete die grosse Kammer darauf, die Witwen- und Kinderrenten zu streichen oder zu reduzieren und beliess den Bundesbeitrag an die AHV bei den vom Ständerat geforderten 19.55 Prozent. Im Gegenzug pflichtete die kleine Kammer dem Nationalrat bei der Erhebung von AHV-Beiträgen im Falle eines Vorbezugs von AHV-Renten bei. Mit Ausnahme des Interventionsmechanismus waren somit die wichtigsten Fragen der Vorlage vor der Einigungskonferenz noch immer offen.

Die zentralen Differenzen zwischen den Räten fanden sich bei den Ausgleichsmassnahmen sowie der Zusatzfinanzierung. Während der Nationalrat die Senkung des Mindestumwandlungssatzes innerhalb der zweiten Säule ausgleichen wollte, bestand die kleine Kammer auf einer Erhöhung der AHV-Rente um 70 Franken für alle Neurentnerinnen und Neurentner sowie auf einer Erhöhung des Ehepaarplafonds von 150 auf 155 Prozent. Bei der Zusatzfinanzierung bestand der Nationalrat auf einer Mehrwertsteuererhöhung von 0.6 Prozent, der Ständerat bevorzugte eine Erhöhung um 1 Prozent. Eine Übereinkunft dazu erwies sich in der Einigungskonferenz als schwierig. Nach langen, hitzigen Diskussionen über verschiedene alternative Modelle entschied sich eine knappe Mehrheit der Einigungskonferenz bezüglich der Ausgleichsmassnahmen für den Vorschlag des Ständerats. Auch bezüglich der Zusatzfinanzierung lagen verschiedene Szenarien der Mehrwertsteuererhöhung zwischen 0.6 Prozent und 1 Prozent vor, hier fand der nationalrätliche Vorschlag mehr Zuspruch. Insgesamt verabschiedete die Einigungskonferenz ihren Antrag mit 14 zu 12 Stimmen und somit äusserst knapp.

Vor den entscheidenden Abstimmungen präsentierten Konrad Graber (cvp, LU) und Ruth Humbel (cvp, AG) im Namen ihrer Kommissionen den Antrag der Einigungskonferenz in den Räten. Als Einigung oder gar als Kompromiss empfanden aber weder Alex Kuprecht (svp, SZ) noch Thomas de Courten (svp, BL) als Vertreter der Minderheit der Einigungskonferenz deren Antrag. Beide kritisierten insbesondere die fehlende Bereitschaft der Koalition zwischen Linken und CVP, trotz mehreren neuen Modellen von ihren gemachten Positionen abzurücken. Das Resultat sei ein Rentenausbau, der das Ziel der Rentenreform klar übersteige und die AHV nicht stabilisiere. Stattdessen würden die Lasten auf die folgenden Generationen verschoben, eine Zweiklassengesellschaft zwischen Neu- und Altrentnern geschaffen sowie die Finanzsysteme der ersten und zweiten Säule vermischt. Nach zahlreichen weiteren Voten in beiden Räten, welche die bisherigen Positionen noch einmal unterstrichen, war es dann nach über zweijähriger Parlamentsarbeit soweit: Der Ständerat nahm den Antrag der Einigungskonferenz mit 27 zu 17 Stimmen ohne Enthaltungen an. Die Aufmerksamkeit richtete sich jedoch hauptsächlich auf den anschliessend abstimmenden Nationalrat, wo sich ein regelrechter Abstimmungskrimi oder Politthriller – wie es tags darauf in der Presse zu lesen war – abspielte. Nachdem Denis de la Reussille (pda, NE) aus der PdA, Roberta Pantani (lega, TI) und Lorenzo Quadri (lega, TI) aus der Lega sowie die GLP-Fraktion zugesichert hatten, die Reform zu unterstützen, hätte die Ausgangslage nicht knapper sein können. Schliesslich stimmte eine kleinstmögliche Mehrheit von 101 zu 91 Stimmen bei 4 Enthaltungen der Vorlage zu, wodurch das qualifizierte Mehr erreicht werden konnte. Dieses war nötig geworden, weil der AHV-Zuschlag von 70 Franken sowie die Erhöhung des Ehepaarplafonds der Ausgabenbremse unterlagen. Bei den Schlussabstimmungen gab es keine Überraschungen mehr, doch da eine Erhöhung der Mehrwertsteuer ein obligatorisches Referendum nach sich zieht, werden Volk und Stände abschliessend über die Reform der Altersvorsorge 2020 entscheiden.

Reform «Altervorsorge 2020» (BRG 14.088)
Dossier: Debatten um das Frauenrentenalter
Dossier: Erhöhung des Rentenalters
Dossier: Koordinationsabzug und Eintrittsschwelle BVG

Rund ein Jahr, nachdem sich der Ständerat ausführlich mit der Reform der Altersvorsorge 2020 beschäftigt hatte, lag der Ball beim Nationalrat. Die Aufmerksamkeit war gross, das SRF übertrug die Eintretensdebatte live. Nationalrat Aeschi (svp, ZG) stellte einen Antrag, die Vorlage in verschiedenen Teilen zu beraten und damit dem Volk die Möglichkeit zu geben, einzeln zu den Reformelementen Stellung zu nehmen. In einem ersten Paket sollen demnach die gemäss dem Antragsteller unbestrittenen Elemente wie die Erhöhung des Rentenalters der Frauen auf 65 Jahre oder die Flexibilisierung des Referenzalters behandelt werden. Die übrigen Fragen sollten an die Kommission zurückgewiesen werden, die diese in einem zweiten und dritten Massnahmenpaket weiterführen sollte. Nach dem „voraussehbaren Nein an der Urne” – so der Antragsteller – wüsste man sonst wieder nicht, welche Elemente das Volk befürworte, respektive ablehne. Der Freiburger Nationalrat Jean-François Steiert (sp, FR) hingegen argumentierte, dass durch diese „Salamitaktik” das Rentenalter der Frauen angehoben würde, ohne dass ihre durchschnittlich um CHF 250'000 tiefere Rente kompensiert werde. Dies könne lediglich durch die Behandlung der Vorlage als Gesamtpaket verhindert werden. Der Nationalrat lehnte den hauptsächlich von Parlamentarierinnen und Parlamentariern der SVP unterstützten Antrag Aeschi mit 54 zu 129 Stimmen (bei 10 Enthaltungen) ab.

Die Eintretensdebatte war geprägt von der Abstimmung zur AHVplus-Initiative, die nur Tage zuvor mit 41 zu 59 Prozent abgelehnt worden war. Insbesondere wurde darüber gestritten, ob dieses „Nein” als allgemeine Ablehnung einer Erhöhung der AHV-Rente – als welche sie zum Beispiel Bruno Pezzatti (fdp, ZG) oder Lorenz Hess (bdp, BE) darstellten – verstanden werden kann oder nicht. In der Detailberatung, bei der die Vorlage in sieben thematischen Blöcken behandelt wurde, schuf der Nationalrat zahlreiche Differenzen zum Ständerat. Im ersten Block wurden insbesondere das Referenzalter und die Flexibilisierung des Rentenalters sowie die Bestimmungen zur Berechnung der AHV-Rente behandelt. Besonders umstritten war hier die Frage der Erhöhung des Referenzalters für Frauen. Zwei Minderheiten Feri (sp, AG) beantragten dem Nationalrat, auf diese Erhöhung zu verzichten, was die Antragstellerin damit begründete, dass Männer beim flexiblen Rentenalter bevorzugt würden, weil Frauen ihr Leben lang unbezahlte Arbeit leisteten und für die bezahlte Arbeit schlechter entlohnt würden. Dies solle durch die Beibehaltung des Referenzalters von 64 Jahren für Frauen anerkannt werden. Der Nationalrat entschied sich jedoch mit 137 zu 57 Stimmen (0 Enthaltungen) für die Angleichung des Referenzalters der Frauen auf 65 Jahre, wobei sich – im Unterschied zum Ständerat – die SP- und Grünen-Fraktionen geschlossen gegen die Erhöhung aussprachen.

Im zweiten Block unterschieden sich die Mehrheiten im Nationalrat mehrmals von denjenigen im Ständerat: So beschloss der Nationalrat, Personen mit Anrecht auf Altersrenten keine Kinderrenten auszuzahlen sowie Witwen- und Witwerrenten nur noch auszubezahlen, wenn eine Person ein Kind mit Anspruch auf Waisenrente hat. Die Waisenrenten an Pflegekinder schränkte er insofern ein, als sie in Zukunft nur noch ausbezahlt werden, wenn die Pflegekinder ihren Wohnsitz und gewöhnlichen Aufenthalt in der Schweiz haben.

Hitzig diskutiert wurde vor allem der dritte Block, in dem sich der Nationalrat der Zusatzfinanzierung der AHV, dem Interventionsmechanismus und dem Bundesbeitrag – gemäss Ruth Humbel (cvp, AG) die Kernpunkte der Vorlage – widmete. Den Bundesbeitrag legte der Nationalrat bei 20 Prozent der jährlichen Ausgaben der Versicherung fest, während sich der Ständerat noch für den bisherigen Betrag von 19.55 Prozent ausgesprochen hatte. Diese Erhöhung machte eine Abstimmung zur Schuldenbremse nötig, wobei das qualifizierte Mehr erreicht wurde. Anschliessend folgten die Abstimmungen zum Sargnagel der Vorlage, wie es wiederum Ruth Humbel formuliert hatte: dem Interventionsmechanismus. Zur Überwachung des finanziellen Gleichgewichts lagen verschiedene Massnahmen vor. So stand eine Zustimmung zum Beschluss des Ständerats – also zu einer einstufigen Verpflichtung zu nicht-automatischen Stabilisierungsmassnahmen, wenn der Stand des AHV-Ausgleichsfonds unter 80 Prozent einer Jahresausgabe sinken sollte – (Mehrheit der SGK-NR), eine Ergänzung dieses einstufigen Vorgehens durch einen automatischen Solidaritätsbeitrag der Rentner und Rentnerinnen sowie durch eine temporäre Beitragserhöhung (Minderheit I Humbel), eine Ergänzung durch eine automatische Erhöhung des Referenzalters pro Kalenderjahr um 6 Monate auf maximal 24 Monate (Minderheit III de Courten (svp, BL)) sowie eine gänzliche Streichung des Interventionsmechanismus (Minderheit II Weibel (glp, ZH)) zur Debatte. Der Einzelantrag Pezzatti (fdp, ZG) sah zudem vor, den Interventionsmechanismus in eine separate Vorlage auszulagern, um die Gesamtvorlage nicht zu gefährden. Die Minderheit II (Weibel), geschlossen unterstützt von der BDP und GLP, war gegenüber dem bundesrätlichen Vorschlag chancenlos (180 zu 14 Stimmen). Dieser unterlag jedoch genauso wie die Minderheiten I (Humbel, unterstützt von SP, GPS, CVP und BDP) und III (de Courten, unterstützt von der SVP) dem Mehrheitsantrag (grösstenteils unterstützt von FDP und SVP). Vor die Wahl gestellt, den Interventionsmechanismus im Rahmen der Altersvorsorge 2020 oder in einer separaten Vorlage umzusetzen, entschied sich der Nationalrat grossmehrheitlich für letztere Option und nahm den Einzelantrag Pezzatti mit 187 zu 9 (GLP- oder CVP-) Stimmen an. Als letzte Frage dieses Blocks wurde die maximal mögliche Höhe der Anhebung der Mehrwertsteuersätze behandelt. Hier schwankten die Vorschläge zwischen 0.3 Prozentpunkten (Minderheit II Frehner (svp, BS)), 0.6 Prozentpunkten (Mehrheit der SGK-NR) und 1 Prozentpunkt (Ständerat, Minderheit I Humbel). Der Nationalrat entschied sich für den Mittelweg und schuf mit der Erhöhung um 0.6 Prozentpunkte erneut eine Differenz zum Ständerat.

Der vierte Block umfasste Massnahmen in der zweiten Säule, konkret den Mindestumwandlungssatz und die Ausgleichsmassnahmen im BVG. Dabei pflichtete der Nationalrat dem Erstrat mit 141 zu 51 Stimmen (3 Enthaltungen) gegen den Willen der SP und der Grünen deutlich bei und senkte den Mindestumwandlungssatz von 6.8 auf 6 Prozent. Um eine Kompensation des tieferen Umwandlungssatzes innerhalb des BVG zu ermöglichen, entschied sich der Nationalrat relativ knapp zur Abschaffung des Koordinationsabzugs (100 zu 89 Stimmen bei 7 Enthaltungen) sowie für eine Reduktion der gestaffelten Altersgutschriften auf zwei Ansätze (25-44: 9%, 45-Referenzalter: 13.5% des versicherten Lohns). Letztere soll zusätzlich der Diskriminierung älterer Arbeitnehmenden auf dem Arbeitsmarkt entgegenwirken. Hingegen verzichtete er trotz Anpassung des Mindestumwandlungssatzes auf eine Garantie des Leistungsniveaus der Übergangsgeneration (Personen über 40 (Bundesrat) respektive 50 Jahren (Ständerat)) im Rahmen des Sicherheitsfonds.

Im fünften Block standen die Ausgleichsmassnahmen in der AHV sowie der Ehepaarplafonds zur Debatte. Bei der Höhe der Vollrenten sprach sich der Nationalrat für die Beibehaltung des geltenden Rechts aus und schuf damit eine gewichtige Differenz zum Ständerat, der die Altersrente als Kompensation für die Reduktion des Umwandlungssatzes um 70 Franken erhöhen wollte. Auch die Erhöhung des Ehepaarplafonds von 150 auf 155 Prozent (Ständerat, Minderheiten I (Humbel) und IV (Feri)) respektive auf 160 Prozent (Minderheit II Humbel), die sowohl von Befürwortern als auch von Gegnern im Nationalrat als Reaktion auf die Volksinitiative gegen die Heiratsstrafe empfunden wurde, lehnte die grosse Kammer ab. Um dem Lohnunterschied zwischen den Geschlechtern gerecht zu werden, hatte die Mehrheit der SGK-NR zudem vorgeschlagen, die Summe der Erwerbseinkommen der Frauen mit einem Zuschlag zu belegen, „der dem nach objektiven Kriterien nicht erklärbaren Anteil am allgemeinen Lohnunterschied entspricht”. Dies scheiterte jedoch am Widerstand von FDP.Die Liberalen und SVP sowie vereinzelten anderen Parlamentarierinnen und Parlamentariern.

Der sechste Block beinhaltete institutionelle Massnahmen, der siebte Block weitere zu klärende Details. Hier entschied sich der Nationalrat unter anderem dafür, Risikobeiträge nach individuellen Grundsätzen zu berechnen (139 zu 53 bei 1 Enthaltung), während der Ständerat einen Passus zu kollektiven Grundsätzen ergänzt hatte. Des Weiteren lehnte der Nationalrat eine Erhöhung der Beiträge der Selbständigerwerbenden mit 129 zu 65 Stimmen ab.

In den Gesamtabstimmungen zu den drei Vorlagen (Bundesgesetz über die Reform der Altersvorsorge 2020, Bundesbeschluss über die Zusatzfinanzierung der AHV durch eine Erhöhung der Mehrwertsteuer und Bundesbeschluss über die Wahrung des finanziellen Gleichgewichts der AHV) zeigten sich nur die FDP.Die Liberalen und die Grünliberalen mit allen drei Vorlagen einverstanden. Die Reform der Altersvorsorge 2020 lehnten die Fraktionen der SP und der Grünen in der Gesamtabstimmung ab, da der Nationalrat gemäss Silvia Schenker (sp, BS) in den letzten Tagen ein Massaker angerichtet habe. Auch bei der CVP- und BDP-Fraktion fand die Vorlage kaum noch Zustimmung, ein Grossteil von ihnen enthielt sich der Stimme. Die Zusatzfinanzierung der AHV durch eine Mehrwertsteuererhöhung hingegen wurde von einer Minderheit der SVP-Fraktion abgelehnt, die meisten übrigen SVP-Parlamentarierinnen und -Parlamentarier enthielten sich zusammen mit denjenigen der SP und der Grünen der Stimme. Am umstrittensten war der Bundesbeschluss zum finanziellen Gleichgewicht der AHV, bei dem es um den Interventionsmechanismus ging: Hier standen sich 99 Ja-Stimmen aus der SVP-, FDP- und GLP-Fraktion und 90 Nein-Stimmen aus der SP-, CVP-, GPS- und Teilen der BDP-Fraktion gegenüber. Somit entschied sich der Nationalrat auch hier insgesamt knapp für die zuvor beschlossenen Änderungen.

Reform «Altervorsorge 2020» (BRG 14.088)
Dossier: Debatten um das Frauenrentenalter
Dossier: Erhöhung des Rentenalters
Dossier: Koordinationsabzug und Eintrittsschwelle BVG

Von November 2015 bis März 2016 führte der Bundesrat ein Vernehmlassungsverfahren zur Reform der Ergänzungsleistungen durch, wozu 109 Stellungnahmen eingingen. Mehrheitlich stiess die Vorlage auf Anklang: Ein Drittel aller Teilnehmenden – unter anderem die Hälfte der Kantone sowie der Städte- und der Gemeindeverband – unterstützten die Stossrichtung der Vorlage grundsätzlich. Einem weiteren Drittel der Vernehmlassungsteilnehmenden, allen voran der anderen Hälfte der Kantone, den bürgerlichen Parteien, dem Schweizerischen Arbeitgeberverband SAV, der economiesuisse sowie den Vorsorge- und Versicherungseinrichtungen, ging sie aber noch nicht weit genug. Die vorgeschlagenen Massnahmen würden nicht ausreichen, um die EL nachhaltig zu finanzieren, war von ihnen hauptsächlich zu vernehmen. Insbesondere sei das Problem der grossen Kostentreiber noch nicht gelöst. Insgesamt sorgten sich die Kantone – mit 70 Prozent Hauptträger der Finanzierungslast der EL – stark wegen deren rasanter Kostenentwicklung. Mehrfach wiesen sie darauf hin, dass eine Anpassung der Mietzinsmaxima die Einsparungen der Reform wieder wettmachen würde.
Gerade Letzteres sei jedoch für sie eine Bedingung dafür, dass sie die Vorlage unterstützten, erklärten die Arbeitnehmerverbände, die dem letzten, ablehnenden Drittel angehörten. Auch die Interessenorganisationen der Versicherten wiesen auf die Priorität der Mietzinsanpassungen sowie der Stärkung der ersten Säule hin, befürworteten aber prinzipiell eine Optimierung des EL-Systems, solange das Leistungsniveau erhalten bleibe. Entsprechend kritisch standen sie denjenigen Vorschlägen gegenüber, die Leistungskürzungen mit sich bringen würden.

Reform der Ergänzungsleistungen (BRG 16.065)
Dossier: Revisionen des ELG bezüglich Mietzinsmaxima
Dossier: Die EL-Reform (2016-2019) und die dazu führenden Vorstösse

Ende 2015 verabschiedete der Bundesrat die Eckwerte für eine Modernisierung der Aufsicht in der 1. Säule und beauftragte das Eidgenössische Departement des Innern, einen Vernehmlassungsentwurf dazu auszuarbeiten. Übergeordnetes Ziel ist die Stärkung des Vertrauens der verschiedenen Anspruchsgruppen in die Sozialversicherungen. Betroffen sind die Aufsicht über die AHV, die Ergänzungsleistungen, die Erwerbsersatzordnung und die Familienzulagen in der Landwirtschaft. Als Vorbild soll die Aufsicht über die IV dienen. Angestrebt wird eine Verbesserung der Governance mittels einer Präzisierung und wo nötig einer Entflechtung der Aufgaben, Kompetenzen und Verantwortlichkeiten der Durchführungs- und Aufsichtsorgane der betroffenen Sozialwerke. Zudem sollen einheitliche und zeitgemässe Standards bezüglich der Transparenz festgelegt werden. Die Aufsicht soll risiko- und wirkungsorientiert sein – ein Paradigmenwechsel gegenüber einer kontrollierenden, reaktiven Aufsicht, wie sie bis anhin üblich war. Die Informationssysteme der verschiedenen Sozialwerke sollen stärker standardisiert werden, was teilweise der Schaffung einer neuen Rechtsgrundlage bedarf.

In das Vernehmlassungsprojekt sollen auch zwei Massnahmen im Bereich der beruflichen Vorsorge aufgenommen werden. Zwar hat sich die 2012 neu gestaltete Aufsicht bewährt, so der Bundesrat. Im Zusammenhang mit der Stärkung der Governance in der ersten Säule soll aber einerseits die Unabhängigkeit der kantonalen Aufsichtsbehörden abgesichert werden, indem Regierungsmitgliedern die Einsitznahme in die Aufsichtsgremien untersagt wird, andererseits sollen die Aufgaben von Expertinnen und Experten und der Revisionsstelle klarer definiert und voneinander abgegrenzt werden. Die Vernehmlassungsvorlage soll bis Ende 2016 vorliegen.

Aufsicht in der 1. Säule (BRG 19.080)

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Zusammenfassung
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Modernisierung der Aufsicht in der 1. Säule und der Optimierung der Aufsicht in der 2. Säule der Alters-, Hinterlassenen- und Invalidenvorsorge (BRG 19.080)

Mit diesem Bundesratsgeschäft wollte die Regierung mehr Vertrauen in die Aufsicht über die Sozialversicherungen schaffen. Im Zentrum stand die AHV, bei der die risikoorientierte Aufsicht gestärkt, Good Governance-Vorgaben geschaffen und Stabilität, Informationssicherheit und Datenschutz der Informationssysteme gewährleistet werden sollten. Bei der beruflichen Vorsorge wollte der Bundesrat insbesondere die Aufgaben von Expertinnen und Experten präzisieren und die Unabhängigkeit regionaler Aufsichtsbehörden sicherstellen, indem kantonalen Regierungsmitgliedern die Einsitznahme in die Aufsichtsgremien untersagt wird. Letzteres war denn auch einer der grossen Streitpunkte: Während der Ständerat solche Einschränkungen anfangs gänzlich ablehnte, einigte man sich schliesslich darauf, nur Regierungsrätinnen und Regierungsräten der betroffenen Departemente sowie Mitarbeitenden der betroffenen Departemente den Einsitz zu verweigern. Hingegen lehnte das Parlament eine von der Regierung vorgeschlagene neue Regelungskompetenz der Vermittlungstätigkeit bei Pensionskassenleistungen durch den Bundesrat ab. Weitgehend ohne grosse Diskussionen hiess das Parlament hingegen Änderungen an zahlreichen weiteren Gesetzestexten, wie dem ZGB, dem IVG, dem ELG, dem EOG oder dem FamZG, gut.

Chronologie
Erster Entwurf
Vernehmlassung
Botschaft
Erstbehandlung im Ständerat
Behandlung im Nationalrat
Differenzbereinigungsverfahren
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Aufsicht in der 1. Säule (BRG 19.080)