Gegen den 1. Teil der 4. IV-Revision war – insbesondere wegen der geplanten Abschaffung der Viertelsrenten – erfolgreich das Referendum ergriffen worden. Die Abstimmungskampagne verlief vor allem auf Befürworterseite immer leiser, je näher der Urnengang kam. Selbst bürgerliche Parlamentarierinnen und Parlamentarier, die sich im Vorjahr noch vehement für die Abschaffung der Viertelsrenten als Lackmus-Test für den Sparwillen im Sozialversicherungsbereich eingesetzt hatten, liessen sich kaum mehr verlauten. Auch Bundespräsidentin Dreifuss, deren Departement auf Drängen der Bürgerlichen die Vorlage ausgearbeitet hatte, verzichtete darauf, diese vor den Medien zu vertreten. Offiziell wurde dies damit begründet, dass die Departementsvorsteherin von zwei anderen Abstimmungsthemen (Mutterschaftsversicherung und Heroinabgabe) stark gefordert sei. In Wirklichkeit hatte niemand mehr Lust, sich für eine Massnahme einzusetzen, die angesichts ihres geringen Spareffekts (20 Mio Fr. im 8,5 Mia-Budget der IV) in der breiten Öffentlichkeit auf steigenden Widerstand stiess. Dass auch die im Parlament mehrheitlich zustimmende FDP, die schliesslich Stimmfreigabe beschloss, nicht mehr einig war, zeigte die Zahl der von der Mutterpartei abweichenden Kantonalsektionen, die in 16 Kantonen für Ablehnung votierten; das gleiche galt auch für die Junge FDP. In der SVP wurde die nationale Ja-Parole von 8 Kantonalparteien unterlaufen; die Junge SVP sprach sich ebenfalls für ein Nein aus. Insbesondere das Argument der Behindertenorganisationen, die Abschaffung der Viertelsrenten werde fast unausweichlich zur Gewährung von mehr Halbrenten – und dadurch zu massiven Mehrkosten – führen, vermochte die Bevölkerung offenbar zu überzeugen, ebenso wie die Aussage, damit werde die berufliche Integration der Behinderten (eines der Hauptziele der IV weiter erschwert. Angesichts der ziemlich gesicherten Ausgangslage verzichteten auch die Behindertenorganisationen zusehends darauf, bedeutende Finanzmittel in die Kampagne zu investieren.
Vierte IV-Revision (BRG 01.015)Dossier: Vierte IV-Revision (1990-2003)