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In der Sommersession 2021 behandelte der Ständerat den Vorschlag seiner SGK über die Vollstreckung der Prämienzahlungspflicht. Kommissionssprecher Rechsteiner (sp, SG) fand anerkennende Worte für die ihr zugrundeliegende Standesinitiative des Kantons Thurgau, zumal diese nicht nur vollständig umgesetzt werde – was für Standesinitiativen sehr ungewöhnlich sei –, sondern im Gesetzesvorschlag gar übertroffen werde. Basierend auf der Initiative sei die Kommission die Probleme in diesem Themenbereich mithilfe der Verwaltung, der GDK und der Versichererverbände nämlich gleich «integral» angegangen. Eintreten war in der Folge unbestritten.
Ohne Diskussionen und stillschweigend bereinigte der Ständerat anschliessend die meisten Aspekte der Vorlage: eine Übernahme von 85 Prozent der Forderungen der Krankenversicherungen durch die Kantone sowie eine Zusage von 50 Prozent des Erlöses bei Zahlung der Schuld im Gegenzug gegen die Übertragung der Verlustscheine auf die Kantone; das Verbot, volljährig gewordene Personen für ausstehende Prämien aus ihrer Kindheit zu belangen sowie das Verbot, Kinder wegen Prämienausständen auf eine schwarze Liste zu setzen und ihnen folglich Leistungen zu verweigern (entsprechend der Motion 19.4290); die Beschränkung der maximalen Anzahl Betreibungen auf zwei – ausser die Betreibungen haben zu einem Verlustschein geführt; die Einführung einer eingeschränkten Wahl der Leistungserbringenden für säumige und betriebene Prämienzahlende sowie die Ermächtigung für den Bundesrat, Bestimmungen über die Bemessung von Gebühren zu erlassen.
Bereits in der Eintretensdebatte hatte sich jedoch gezeigt, dass ein Aspekt der Vorlage sehr umstritten sein würde, nämlich die Frage, ob Listen säumiger Prämienzahlender, sogenannte schwarze Listen, zukünftig verboten werden sollen. Diesen Antrag einer Kommissionsminderheit kritisierte der Thurgauer Ständerat Jakob Stark (svp, TG), dessen Kanton entsprechende Listen führt, deutlich. In seinem Kanton habe sich gezeigt, dass etwa die Hälfte der Personen, die ihre Prämien nicht bezahlten, durchaus über genügend Geld verfügen würden. Sein Kanton biete den Betroffenen ein Case-Management an, mit dem sie ihren Finanzhaushalt sanieren könnten. Von diesem Angebot machten die meisten Leute jedoch erst dann Gebrauch, wenn sie auf der schwarzen Liste stünden. Diese Verbindung von schwarzer Liste und Case-Management sei sehr erfolgreich, so fielen in vergleichbaren Kantonen vier- bis fünfmal höhere Kosten für ausstehende Prämien an als im Kanton Thurgau. Entsprechend müsse man eine solche Verbindung eigentlich allen Kantonen vorschreiben, solle es ihnen aber zumindest nicht verbieten. Paul Rechsteiner (sp, SG) erläuterte für die Kommission, dass heute noch sechs Kantone (AG, LU, SG, TG, TI, ZG) eine solche Liste führten, während die Kantone Graubünden, Solothurn und Schaffhausen sie in den letzten Jahren abgeschafft hätten und auch der Kanton St. Gallen dabei sei, die entsprechende Regelung zu streichen. Die Kommissionsmehrheit wolle den Kantonen diese Möglichkeit belassen und stattdessen den umstrittenen Begriff eines «medizinischen Notfalls» im Hinblick auf das Gerichtsurteil von 2018 aus dem Kanton St. Gallen auf Bundesebene definieren. Josef Dittli (fdp, UR) verteidigte in der Folge den Minderheitsantrag auf Streichung der schwarzen Listen. Diese Streichung sei in der Vernehmlassungsvorlage noch enthalten gewesen und von der Mehrheit der Teilnehmenden befürwortet worden, darunter von sämtlichen Krankenversicherungen, 19 Kantonen, der GDK und der FMH. Zahlreiche Kantone hätten die Listen in der Zwischenzeit abgeschafft, da sie «nicht die gewünschten Ergebnisse» erzielt und mehr Aufwand als Nutzen gebracht hätten. Aufgrund einer Ungleichbehandlung der Versicherten hinsichtlich des Zugangs zur medizinischen Versorgung, zahlreicher Umsetzungsprobleme, fehlender Evidenz für eine Wirkung der Listen auf die offenen Ausstände, der Verlagerung des Problems an die Leistungserbringenden, eines hohen Administrationsaufwands sowie hoher Kosten beantrage die Kommissionsminderheit die Streichung der Listen. Mit 22 zu 22 Stimmen zeigte sich die Meinung im Ständerat zu dieser Frage geteilt: Mit Stichentscheid von Präsident Kuprecht (svp, SZ) sprach sich die kleine Kammer für die Kommissionsmehrheit und somit für ein Beibehalten der schwarzen Listen aus. Fast einstimmig (mit 43 zu 1 Stimme) nahm sie den Entwurf anschliessend in der Gesamtabstimmung an.

Vollstreckung der Prämienzahlungspflicht der Versicherten (Kt. Iv. 16.312)
Dossier: Schwarze Liste für säumige Prämienzahlende

Nach dem Ständerat entschied sich in der Sommersession 2021 auch der Nationalrat stillschweigend, der Standesinitiative des Kantons Genf gegen eine Erhöhung der Krankenkassenprämien 2020 keine Folge zu geben. Er folgte damit dem Antrag der SGK-NR, die sich zuvor mit 15 zu 7 Stimmen (bei 2 Enthaltungen) gegen Folgegeben ausgesprochen hatte, da sie die Standesinitiative als obsolet und weitgehend erfüllt erachtete. In der Herbstsession 2021 zog Roger Nordmann (sp, VD) eine Motion (Mo. 19.3989) zurück, mit der seine Fraktion ebenfalls einen Verzicht auf eine Prämienerhöhung für das Jahr 2020 gefordert hatte. «[O]n ne peut donc plus rien faire», da das entsprechende Jahr bereits vorbei sei, begründete Nordmann den Rückzug.

Keine Erhöhung der Krankenkassenprämien 2020 (Kt.Iv. 19.309)
Dossier: Anstieg der Krankenkassenprämien dämpfen (seit 2020)

In der Sommersession 2021 lehnte der Nationalrat eine Motion Gysi (sp, SG) ab, die einheitliche Prämien für Frauen und Männer in der Taggeldversicherung forderte. Das KVG schreibe gleiche Prämien für Frauen und Männer vor, wobei die unterschiedlichen Kosten im Rahmen des Risikoausgleichs ausgeglichen würden. Bei den Krankentaggeldversicherungen gebe es aber noch immer höhere Prämien für Frauen, was sowohl Frauen als auch Unternehmen mit vielen angestellten Frauen diskriminiere, argumentierte Gysi. Der Bundesrat empfahl die Motion zur Ablehnung, da es sich bei der Taggeldversicherung um eine freiwillige Versicherung handle, bei der weder Einzelpersonen und Unternehmen noch Versicherungen gezwungen werden könnten, einen Vertrag einzugehen. Folglich bestehe die Gefahr, dass «Betriebe mit überdurchschnittlich hohen Belegschaftsabsenzen» nach einem Eingriff des Bundesrates keine Versicherungsdeckung mehr finden könnten. Zudem seien nur Unterschiede in den Prämien, die auf «relevanten versicherungstechnischen und statistischen Daten» beruhen, zulässig, nicht aber willkürliche Unterschiede. Mit 98 zu 82 Stimmen (bei 3 Enthaltungen) lehnte der Nationalrat die Motion ab, Unterstützung fand sie bei der SP-, der Grünen- und der GLP-Fraktion sowie bei den Mitgliedern der EVP. Kurz zuvor hatte Aline Trede (gp, BE; Mo. 19.3616) ihre Motion zurückgezogen, welche ein Ende der finanziellen Diskriminierung der Frauen insgesamt forderte und damit implizit auch das Anliegen von Gysi aufnahm.

Schluss mit der Diskriminierung der Frauen in der Krankentaggeldversicherung. Einheitliche Prämien für Frauen und Männer

In der Sommersession 2021 lehnte der Ständerat eine Motion von Erich Ettlin (mitte, OW) zur Betreibung von OKP-Forderungen auf Pfändung anstatt auf Konkurs ab. Ettlin störte sich daran, dass gegen im Handelsregister eingetragene Personen, also gegen Selbständigerwerbende, bei ausstehenden OKP-Forderungen keine Pfändung, sondern eine Konkursbetreibung eingeleitet werde. Damit gerieten die Unternehmen der Betroffenen in Konkurs, obwohl es sich bei den ausstehenden Beträgen um Privatschulden handle. Zudem seien Pfändungsverfahren schneller abgeschlossen als Konkursverfahren und kämen den Kantonen dadurch deutlich günstiger. Schliesslich mache es keinen Sinn, dass der Bund in dieser einen Situation auf Konkurs betreiben könne, nicht aber in allen übrigen Situationen. Letzteres Argument entkräftete der Ständerat jedoch gleich selbst: Der Beratung der Motion im Ständerat ging die Debatte des Rates zur Änderung des Bundesgesetzes zur Bekämpfung des missbräuchlichen Konkurses voraus. Dabei entschied sich die kleine Kammer dafür, zukünftig auch generell eine Betreibung durch den Staat auf Konkurs zu erlauben, also beispielsweise bei offenen Steuerrechnungen. Vor diesem Hintergrund mache es «gar keinen Sinn mehr», diese Betreibung auf Konkurs bei OKP-Forderungen zu streichen, argumentierte Andrea Caroni (fdp, AR) für die Kommission. Dies sah die grosse Mehrheit des Rats ähnlich und lehnte die Motion mit 33 zu 3 Stimmen (bei 8 Enthaltungen) ab.

Betreibung von OKP-Forderungen auf Pfändung anstatt auf Konkurs (Mo. 21.3446)
Dossier: Schwarze Liste für säumige Prämienzahlende

In Erfüllung einer Motion der SGK-SR (Mo. 18.4091) legte der Bundesrat im Mai 2021 die Botschaft zum Bundesgesetz über die Regulierung der Versicherungsvermittlertätigkeit in der OKP und den Zusatzversicherungen vor. Wie von der Motion vorgesehen, soll der Bundesrat im Sinne der Selbstregulierung Branchenlösungen der Krankenversicherungen im Bereich der Vermittlertätigkeit allgemeinverbindlich erklären können, wenn sie von Versicherungen eingereicht werden, die mindestens zwei Drittel aller Versicherten in der Schweiz abdecken. Dadurch würden die Bestimmungen auch für Versicherungen, die der Vereinbarung nicht beigetreten sind, obligatorisch. Solche Regelungen sind vorgesehen bezüglich eines Verbots der Telefonwerbung bei Personen, die nie bei der fraglichen Versicherung versichert waren, bezüglich der Ausbildung der Vermittlerinnen und Vermittler, einer Einschränkung ihrer Entschädigungen und der Notwendigkeit von unterschriebenen Beratungsprotokollen.

Zwischen Mai und September 2020 hatte der Bundesrat dazu eine Vernehmlassung durchgeführt, bei der 84 Stellungnahmen eingingen. Vollständig einverstanden mit dem Gesetz zeigten sich 13 Kantone (AI, AR, BE, BL, NE, NW, OW, SO, TG, TI, UR, VS, ZG), die CVP sowie der Schweizerische Verband der Versicherungsgeneralagenten. Vollständig abgelehnt wurde sie von Economiesuisse und dem Gewerbeverband, dem Schweizerischen Konsumentenforum kf und verschiedenen Versicherungsbrokern. Die übrigen Akteure anerkannten jeweils den Regulierungsbedarf, empfanden den Entwurf aber als zu weitgehend (FDP, SVP, Bauernverband, Centre Patronal und verschiedene Versicherer sowie Curafutura und Santésuisse) respektive als zu wenig weitgehend (Kantone AG, BS, GE, JU, LU, VD; SP, Grüne, Gewerkschaftsbund, Konsumentenverbände FRC und SKS, Ombudsstelle Krankenversicherung).
Die Organisationen, welchen der Entwurf zu weit ging, kritisierten insbesondere die Definition der Vermittlertätigkeit, bei der der Bundesrat neben den externen auch die internen Vermittlerinnen und Vermittler berücksichtigt. Kritisiert wurde auch das vorgesehene Sanktionssystem und der vorgeschriebene Ausbildungsstandard, da dieser nicht durch das SBFI überprüft werde. Zudem wurde die Notwendigkeit eines neuen Gesetzes von verschiedenen Teilnehmenden verneint und eine Beeinträchtigung der Wettbewerbsfähigkeit von kleinen Versicherungen befürchtet. Weiterführende Forderungen waren hingegen eine Muss- statt einer Kann-Bestimmung zum Abschluss einer Vereinbarung sowie die Schaffung einer subsidiären Kompetenz des Bundesrates, wenn die Versicherungen keine gemeinsame Vereinbarung erzielen.

Bundesgesetz über die Regulierung der Versicherungsvermittlertätigkeit (BRG 21.043)

Im Laufe des Jahres 2020 reichten die Kantone Tessin (Kt.Iv. 20.301), Genf (Kt.Iv. 20.305), Jura (Kt.Iv. 20.329), Freiburg (Kt.Iv. 20.334) und Neuenburg (Kt.Iv. 21.301) im Rahmen ihrer Offensive für tiefere Krankenkassenprämien Standesinitiativen ein, mit denen sie verlangten, dass die Reserven der Krankenversicherungen zukünftig maximal 150 Prozent des gesetzlich vorgeschriebenen Wertes betragen dürfen und ansonsten durch Rückerstattungen an die Versicherten auf diesen Wert reduziert werden müssen. Bisher sei nämlich der Begriff der «übermässigen Reserven» weder im KVAG noch in der KVAV genauer definiert. Der Wert von 150 Prozent entspreche demjenigen Wert, den das BAG im Jahr 2017 zur Rückerstattung von Reserven genehmigt hatte.
Die Kantone Tessin und Genf begründeten ihre Vorstösse damit, dass die Reserven seit 2012 unter Berücksichtigung der Risiken der Krankenkassen berechnet würden und somit nicht mehr einem fixen Prozentsatz der Prämien entsprächen. Heute stellten aber nicht mehr zu tiefe, sondern zu hohe Reserven ein Problem dar – teilweise liegen die Reserven bei über 200 Prozent –, da sich diese auf die Prämienentwicklung auswirkten.
Im April 2021 beantragte die SGK-SR mit 9 zu 4 Stimmen, den fünf Standesinitiativen keine Folge zu geben und stattdessen auf den freiwilligen Reserveabbau zu setzen, wie ihn der Bundesrat im Rahmen der KVAV-Revision angekündigt hatte.

Standesinitiativen für angemessene Reserven (Kt.Iv. 20.301, Kt.Iv. 20.305, Kt.Iv. 20.329, Kt.Iv. 20.334, Kt.Iv. 21.301 & Kt.Iv. 21.324)
Dossier: Anstieg der Krankenkassenprämien dämpfen (seit 2020)
Dossier: Krankenkassenreserven
Dossier: Offensive für tiefere Krankenkassenprämien der Kantone Tessin, Genf, Jura, Freiburg und Neuenburg (2020) sowie des Kantons Waadt (2021)

In ihrer Offensive für tiefere Krankenkassenprämien reichten die Kantone Tessin (Kt.Iv. 20.302), Genf (Kt.Iv. 20.306), Jura (Kt.Iv. 20.328), Freiburg (Kt.Iv. 20.335) und Neuenburg (Kt.Iv. 21.302) je eine Standesinitiative für kostenkonforme, kostendeckende und kostengerechte Prämien ein. Darin forderten sie eine Pflicht für die Krankenkassen, die zukünftigen Prämien entsprechend zu senken, wenn ihre Prämieneinnahmen in einem Kanton die kumulierten Kosten in diesem Kanton in einem Jahr übersteigen. Ein nachträglicher datenbasierter Prämienausgleich sei aufgrund des KVAG möglich, aber nicht bindend und unterliege somit dem Willen der Versicherungen. Stattdessen solle eine solche Rückzahlung aber systematisiert werden und zukünftig eine Selbstverständlichkeit darstellen, forderten die fünf Kantone.
Im April 2021 beschäftigte sich die SGK-SR mit den Standesinitiativen und beantragte mit 9 zu 4 Stimmen, diesen keine Folge zu geben. Stattdessen verwies sie auf die kurz zuvor erfolgte Änderung der KVAV durch den Bundesrat.

Standesinitiativen für kostenkonforme Prämien (Kt.Iv. 20.302, Kt.Iv. 20.306, Kt.Iv. 20.328, Kt.Iv. 20.335, Kt.Iv. 21.302 & Kt.Iv. 21.325)
Dossier: Anstieg der Krankenkassenprämien dämpfen (seit 2020)
Dossier: Offensive für tiefere Krankenkassenprämien der Kantone Tessin, Genf, Jura, Freiburg und Neuenburg (2020) sowie des Kantons Waadt (2021)

Im April 2021 gab der Bundesrat eine Änderung der KVAV bekannt, wonach der freiwillige Abbau und die Rückerstattung der Krankenkassenreserven vereinfacht und die Regeln dazu präzisiert werden sollen. Heute bestehen zwei Möglichkeiten für eine Reduktion der Reserven: Die Krankenkassen können ihre Reserven freiwillig abbauen und die entsprechenden Vergütungen gesamtschweizerisch allen ihren Versicherten zukommen lassen. Sie können aber auch freiwillig zu viel bezahlte Reserven zurückerstatten, wobei sich die Rückerstattung jeweils auf diejenigen Kantone beschränkt, in denen die Prämien die Gesundheitskosten in einem Jahr deutlich überstiegen haben. Bisher sehen aber weder KVAG noch KVAV klare Grenzwerte für einen Abbau oder eine Rückerstattung vor, das BAG erlaubte gemäss Kreisschreiben einen Reservenabbau jedoch prinzipiell ab einer Solvenzquote von 150 Prozent.
Der Bundesrat legte in seiner Verordnungsänderung neu eine Mindestreserve von 100 Prozent fest und schrieb gleichzeitig vor, dass ein Reserveabbau durch eine knappere – die Kosten jedoch voraussichtlich noch immer deckende – Kalkulierung der Prämien im Folgejahr anstelle eines Ausgleichsbetrags an die Versicherten erfolgen solle. Erst wenn die Reserven im Folgejahr dieser Massnahme noch immer erhöht sind, kann den Versicherten auch ein Ausgleichsbetrag an die Prämien angerechnet werden. Damit wollte der Bundesrat verhindern, dass der Abbau für Marketingzwecke verwendet wird – es gebe erste Anzeichen für ein solches Vorgehen, kritisierte er.
Auch die Rückerstattung der Prämien in einem Kanton ist neu dann möglich, wenn die Prämieneinnahmen in einem Kanton die Kosten in demselben Kanton um einen bestimmten Anteil übertreffen. Zur Berechnung dieses Anteils zieht der Bundesrat verschiedenen Merkmale der Versicherungen (Versichertenbestand, Leistungen, Risikoausgleich) sowie Zufallsschwankungen in Betracht. Weiterhin bleibt der Reservenabbau für die Versicherungen jedoch freiwillig. Die Änderungen werden erstmals auf die Prämien 2022 anwendbar sein.

Änderung der KVAV für einen erleichterten freiwilligen Abbau von Reserven in der Krankenversicherung
Dossier: Krankenkassenreserven
Dossier: Offensive für tiefere Krankenkassenprämien der Kantone Tessin, Genf, Jura, Freiburg und Neuenburg (2020) sowie des Kantons Waadt (2021)

Nach der Meinungsverschiedenheit der beiden Gesundheitskommissionen zur parlamentarischen Initiative Nantermod (fdp, NR) für eine Schaffung eines Kautionskontos zur Finanzierung der Gesundheitskostenbeteiligung nahm die SGK-NR im März 2021 eine erneute Vorprüfung vor. Eine Kommissionsmehrheit (14 zu 10 Stimmen bei 1 Enthaltung) bestritt den Handlungsbedarf und lehnte die Initiative im Gegensatz zu ersten Beratung und mit Verweis auf den grossen administrativen Aufwand und auf die Schwächung des Solidaritätsprinzips im KVG ab – so hätten nur Gutverdienende die Möglichkeit zu entsprechenden Beiträgen, wurde argumentiert. Die Kommissionsminderheit verglich das Vorhaben mit der Erstellung eines Mietzinsdepots, das den Versicherten den Zugang zu einer höheren Franchise ermöglichen soll.

Kostenbeteiligung. Möglichkeit eines Gesundheitssparkontos schaffen (Pa. Iv. 18.429)
Dossier: Krankenversicherung: Vorstösse zu Wahlfranchisen

Im März 2021 liess die Bundeskanzlei verlauten, dass die Volksinitiative «Ja zu mehr Mitbestimmung der Bevölkerung bei der Kranken- und Unfallversicherung», bei der die Bevölkerung «Art und Umfang der Versicherung frei» hätte wählen können, nicht rechtzeitig mit der nötigen Unterschriftenzahl bei der BK eingereicht worden sei. So sei die Corona-bedingt verlängerte Sammelfrist unbenutzt abgelaufen, was gemäss Mit-Initiantin Yvette Estermann (svp, LU) den erschwerten Sammelbedingungen durch die Pandemie geschuldet sei.

Eidgenössische Volksinitiative «Ja zu mehr Mitbestimmung der Bevölkerung bei der Kranken- und Unfallversicherung»
Dossier: Volksinitiativen zum Thema «Krankenkasse» (seit 2015)

Seit sieben Jahren habe das EDI den Auftrag, «für den ambulanten Bereich eine Klassifikation von Diagnosen und Prozeduren festzulegen», kritisierte Heinz Brand (svp, GR) im März 2019. Nun solle es diesen Auftrag «umgehend» erfüllen, forderte er in einer Motion. Eine solche Klassifikation würde etwa das Ausmass von Mehrfach- und Bagatellkonsultationen im KVG-Bereich aufzeigen sowie die Rechnungskontrolle und die Entwicklung von Pauschalen erleichtern. Gar seit der Schaffung des KVV im Jahr 1995 sei das EDI mit der Ausarbeitung einer solchen Klassifikation beauftragt, präzisierte der Bundesrat in seiner Stellungnahme. Diese Arbeiten benötigten jedoch Zeit, zumal gleichzeitig andere Fragen, wie beispielsweise zur Qualitätsbeurteilung oder zur Tarifierung, geklärt und integriert werden müssten. Entsprechend sei eine umgehende Fertigstellung «weder möglich noch sinnvoll», betonte der Bundesrat und empfahl die Motion zur Ablehnung. Der Nationalrat sah dies jedoch anders: Nachdem Thomas de Courten (svp, BL), der die Motion von Heinz Brand übernommen hatte, und Gesundheitsminister Berset ihre jeweiligen Positionen nochmals dargelegt hatten, sprach sich der Nationalrat in der Frühjahrssession 2021 mit 123 zu 66 Stimmen gegen den Willen der SP- und der Grünen-Fraktion für Annahme der Motion aus.

Krankenversicherungsgesetz. Endlich Transparenz auch für den ambulanten Bereich (Mo. 19.3242)

Im Rahmen ihrer Offensive für tiefere Krankenkassenprämien reichten die Kantone Tessin (Kt.Iv. 20.300), Genf (Kt.Iv. 20.304), Jura (Kt.Iv. 20.330), Freiburg (Kt.Iv. 20.333) und Neuenburg (Kt.Iv. 21.300) im Jahr 2020 je eine Standesinitiative ein, mit denen sie einen stärkeren Einbezug der Kantone bei der Genehmigung der Prämientarife forderten. Demnach sollte das KVAG dahingehend geändert werden, dass den Kantonen ein Recht auf eine Stellungnahme «zu den für ihren Kanton geschätzten Kosten und zu den für ihren Kanton vorgesehenen Prämientarifen gegenüber den Versicherern und der Aufsichtsbehörde» eingeräumt wird. Dazu sollten die Kantone Zugang zu den dafür notwendigen Informationen erhalten. Die fünf Kantone störten sich daran, dass die Kantone seit einem Beschluss des BAG aus dem Jahr 2019 keine Prämiendaten zu Analysezwecken mehr erhielten, wodurch ihre Rolle im Prämiengenehmigungsverfahren weiter eingeschränkt worden sei. Seit der Änderung des KVAG beschränke sich diese auf eine Stellungnahme bezüglich der Kosten, aber nicht mehr zu den Prämientarifen. Da Kosten und Prämien jedoch «untrennbar miteinander verbunden» seien, verhindere dies eine Wahrnehmung der Aufsichtsrolle durch die Kantone. Diese sei jedoch im Hinblick auf eine demokratische Kontrolle der sozialen Krankenversicherung von grosser Bedeutung.
Im Februar 2021 beantragte die Mehrheit der SGK-SR, den Initiativen keine Folge zu geben. Zuvor hatte die Kommission Vertreterinnen und Vertreter der GDK, der fünf Kantone, der Versicherungen sowie der Prämienzahlenden angehört. Die Kommission betonte die Relevanz der Stellungnahme der Kantone zu den kantonalen Gesundheitskosten. Eine entsprechende Ausdehnung auf die Prämien lehnte die Kommissionsmehrheit jedoch ab, da diese auf Faktoren beruhten, die auf Bundesebene berechnet würden. Daher verfüge nur das BAG, nicht aber die Kantone über einen entsprechenden Gesamtüberblick, der die Prüfung der Prämien erlaube. Das Prämiengenehmigungsverfahren solle überdies nicht weiter erschwert werden.

In der Frühjahrssession 2021 behandelte der Ständerat die fünf Standesinitiativen zusammen mit der Motion Lombardi (cvp, TI; Mo. 19.4180), mit welcher der Motionär ebenfalls eine Weitergabe der für die Prüfung der Prämien nötigen Daten an die Kantone forderte. Erich Ettlin (cvp, OW) legte anfänglich die Position der Kommissionsmehrheit dar und betonte vor allem den grossen Aufwand und die Verzögerung, die entstehen würden, wenn 26 Kantone die Prämien von 50 Krankenversicherungen prüfen würden. Für die Kommissionsminderheit, welche den Standesinitiativen Folge geben und die Motion annehmen wollte, erläuterte Marina Carobbio Guscetti (sp, TI) die Situation der Kantone: Diese fühlten sich im Prozess der Prämiengenehmigung nicht angemessen vertreten, obwohl sie die Leistungserbringenden und Versicherungen in ihren Kantonen gut kennen würden, mit der demografischen Entwicklung im Kanton vertraut seien und gleichzeitig über das nötige Fachwissen verfügten, um die Prämien zu prüfen. Sie seien überdies durch individuelle Prämienverbilligungen, Ergänzungsleistungen und Sozialhilfe an der Bezahlung der Prämien beteiligt. Eine Prüfung der Prämien würde es ihnen zudem erlauben, als Gegengewicht zu den Krankenversicherern aufzutreten und die Entwicklung der Krankenkassenprämien zu beeinflussen. Diese Argumentation schien die Ständekammer zu überzeugen, mit 21 zu 20 Stimmen (bei 1 Enthaltung) gab sie den Standesinitiativen Folge. Auch die Motion Lombardi nahm sie mit 22 zu 18 Stimmen (bei 2 Enthaltungen) an.

Standesinitiativen für eine Stellungnahme der Kantone bei der Genehmigung der Prämientarife (Kt.Iv. 20.300, Kt.Iv. 20.304, Kt.Iv. 20.330, Kt.Iv. 20.333, Kt.Iv. 21.300 & Kt.Iv. 21.323)
Dossier: Anstieg der Krankenkassenprämien dämpfen (seit 2020)
Dossier: Offensive für tiefere Krankenkassenprämien der Kantone Tessin, Genf, Jura, Freiburg und Neuenburg (2020) sowie des Kantons Waadt (2021)

Im Februar 2021 beriet die SGK-SR die Motion von Filippo Lombardi (cvp, TI) zur Wiederherstellung der Transparenz bei den Gesundheitskosten, die ihr der Ständerat zuvor zugewiesen hatte. Dabei hörte sie sich Vertreterinnen und Vertreter der GDK, der Versicherungen und der Prämienzahlenden an und zeigte sich in der Folge zwar überzeugt von der Relevanz der Kontrolle der Kantone über die Schätzungen zu den Gesundheitskosten, nicht aber ihre Kontrolle der Prämien. Wie zuvor der Bundesrat verwies auch die Kommission hier auf die Übersicht, welche das BAG – im Unterschied zu den Kantonen – über die gesamten die Prämien beeinflussenden Kosten habe, weshalb dieses besser zur Prämienkontrolle fähig sei als die Kantone. Eine Kommissionsminderheit Carobbio Guscetti (sp, TI) teilte die Empfehlung der Kommissionsmehrheit auf Ablehnung der Motion jedoch nicht. Der Ständerat behandelte die Motion zusammen mit fünf Standesinitiativen mit ähnlichem Anliegen. Beat Rieder (mitte, VS) verteidigte die Motion Lombardi für den aus dem Rat ausgeschiedenen Motionär. Er betonte, dass es bei dieser Motion nur darum gehe, den Kantonen die «Möglichkeit zu geben, ihre Stellungnahmen auf der Basis einer vollständigen Datenlage zu formulieren», ihnen also Zugang zu den dazu notwendigen Daten zu gewähren, was insbesondere im Hinblick auf die Einführung eines monistischen Finanzierungssystems für die Gesundheitsleistungen (EFAS) wichtig – ja sogar «unabdingbar» – sei. Dadurch komme es aber nicht zu einer Kompetenzverschiebung vom Bund zu den Kantonen. Mit 22 zu 18 Stimmen (bei 2 Enthaltungen) nahm der Ständerat daraufhin die Motion an.

Motion für eine Wiederherstellung der Transparenz bei den Gesundheitskosten (Mo. 19.4180)
Dossier: Anstieg der Krankenkassenprämien dämpfen (seit 2020)
Dossier: Krankenkassenreserven

In der Frühjahrssession 2021 nahm nach dem Nationalrat auch der Ständerat die Motion der Mitte-Fraktion stillschweigend an, wonach Lehren aus der Covid-19-Pandemie für das Schweizer Gesundheitssystem gezogen werden sollen. Zuvor hatte sich auch die SGK-SR einstimmig für die Motion ausgesprochen.

Lehren aus der Covid-19-Pandemie für das Schweizer Gesundheitssystem ziehen (Mo. 20.3263 & Mo. 20.3282)

Anders als im Nationalrat, wo die Motion noch bekämpft worden und trotz mehrheitlicher Befürwortung auf einigen Widerstand gestossen war, sprach sich der Ständerat nach einstimmigem Antrag auf Annahme durch seine SGK-SR stillschweigend für die Motion Barrile (sp, ZH) für «Medizinische Leistungen für alle Kinder!» aus. Zumal die Prämien und Kostenbeteiligungen gemäss dem Entwurf durch die Eltern – und nicht durch die Kinder – geschuldet sind, dürfen die Kinder auch nicht auf Listen säumiger Prämienzahlender aufgeführt werden, so das Argument der Kommission. Die Kommission werde die Motion im Rahmen ihres Gesetzesentwurfs zur Standesinitiative 16.312 umsetzen.

Medizinische Leistungen für alle Kinder! (Mo. 19.4290)
Dossier: Schwarze Liste für säumige Prämienzahlende

In der Frühjahrssession 2021 setzte sich der Ständerat mit der Motion von Lorenz Hess (bdp, BE) für einen Intransparenzabzug für Leistungserbringende, die systematisch auf die Sendung von Rechnungskopien verzichten, auseinander. Dabei folgte er stillschweigend dem Antrag der SGK-SR, welche die Motion zur Ablehnung empfohlen hatte, da die im Vorstoss geforderte Pflicht zur Zustellung von Rechnungskopien bereits im ersten Massnahmenpaket zur Kostendämpfung beschlossen worden war.

Intransparenzabzug für Leistungserbringer, die den Patienten keine Rechnungskopie zustellen (Mo. 18.3777)

In der Frühjahrssession 2021 bereinigte der Nationalrat die letzten Differenzen im Bundesgesetz über die Datenweitergabe der Versicherungen in der obligatorischen Krankenpflegeversicherung. Offen geblieben war noch die grundsätzliche Frage, wie viele Informationen die Verwaltung erhalten soll. Hier standen sich zwei Modelle der beiden Parlamentskammern gegenüber: Der Nationalrat wollte die Daten immer aggregiert weitergegeben und somit nur ausnahmsweise, für klar definierte Zwecke und unter Erfüllung von bestimmten Kriterien auch die Weitergabe von anonymisierten Individualdaten erlauben. Nicht möglich wäre damit die Weitergabe von Individualdaten in vordefinierten Situationen. Dies wollte jedoch der Ständerat ermöglichen: Zwar sollten die Daten primär und wo immer möglich aggregiert weitergegeben werden, jedoch sollten in vorgängig aufgelisteten Fällen auch anonymisierte Individualdaten erhältlich sein. Die Mehrheit der SGK-NR wollte hier am Konzept des Nationalrats festhalten, während eine Minderheit Mäder (glp, ZH) dem Ständerat beipflichten wollte. Die Mehrheit fürchtete sich vor allem davor, dass aufgrund dieser sensiblen Gesundheitsdaten Rückschlüsse auf einzelne Personen gezogen werden könnten. Diese Gefahr erachtete Minderheitensprecher Mäder als klein, zumal jeweils nur einzelne Datensätze geliefert würden und nicht mehrere Datensätze aus unterschiedlichen Quellen, was eine Rückverfolgung der Individuen begünstigen würde. Der Nationalrat folgte diesbezüglich mit 101 zu 83 Stimmen (bei 8 Enthaltungen) der Kommissionsminderheit und bereinigte somit diese zentrale Differenz im Sinne des Ständerats. Gleichzeitig strich er damit auch die vom Nationalrat vorgeschlagenen verbindlichen Bedingungen, die für eine Weitergabe der Individualdaten zwingend erfüllt sein müssen.
Uneinig waren sich National- und Ständerat auch bei der Frage der jährlichen Datenlieferung. Hier beabsichtigte die Kommissionsmehrheit, dem Ständerat zuzustimmen. Der Nationalrat hatte die Datenlieferung auf einmal jährlich begrenzt und eine Pflicht für das zuständige Bundesamt, vorgängig den Zweck einer Datenlieferung bekanntzugeben, geschaffen. Der Ständerat hatte hingegen argumentierte, dass neben einer geplanten jährlichen Datenlieferungen in Ausnahmefällen auch häufigere Lieferungen möglich sein sollten. Eine Minderheit Sauter (fdp, ZH) wollte zwar auf die Beschränkung auf jährliche Datenlieferungen verzichten, die Notwendigkeit zur Angabe des Zwecks jedoch beibehalten. Man dürfe diese Daten nicht aufgrund «irgendwelche[r] Informationsbedürfnisse» verlangen, es brauche einen «wissenschaftliche[n] und ausgewiesene[n] Zweck». Philippe Nantermod (fdp, VS) verwies hingegen für die Kommission auf die grosse Relevanz dieser Daten für die Verwaltung. Mit 110 zu 82 Stimmen folgte der Nationalrat der Kommissionsmehrheit und somit dem Ständerat und bereinigte damit auch diesen letzten offenen Punkt des Gesetzes.
Ende Session nahmen dann National- und Ständerat das Bundesgesetz über die Datenweitergabe der Versicherer in der obligatorischen Krankenpflegeversicherung mit 140 zu 55 Stimmen und 42 zu 0 Stimmen (bei 2 Enthaltungen) an. Die Gegenstimmen im Nationalrat stammten von der SVP-Fraktion und einem Mitglied der FDP-Fraktion.

Für den Persönlichkeitsschutz auch in der Aufsicht über die Krankenversicherung

Ende Januar 2021 publizierte die SGK-SR ihren Entwurf zur Umsetzung der Standesinitiative des Kantons Thurgau über die Vollstreckung der Prämienzahlungspflicht. Dabei ging es um die Schulden, die dadurch entstehen, dass Eltern die Krankenkassenprämien und Kostenbeteiligungen ihrer Kinder nicht bezahlten. Bisher wurden die Kinder bei Erreichen der Volljährigkeit für die Schulden haftbar. Neu sollten diese Schulden jedoch auch bei Volljährigkeit der Kinder in der Verantwortung der Eltern verbleiben. Beibehalten wollte die Kommissionsmehrheit hingegen die schwarzen Listen säumiger Prämienzahlender, gemäss denen Personen mit ausstehenden Prämienforderungen in einigen Kantonen nur zu Notfallbehandlungen zugelassen werden. Kinder sollten aber in Übereinstimmung mit der Motion Barrile (sp, ZH; Mo. 19.4290) neu von dieser Regelung ausgenommen werden. Eine Minderheit Dittli (fdp, UR) beantragte die Streichung der Möglichkeit für schwarze Listen und schlug stattdessen vor, den Betroffenen nur eine eingeschränkte Wahl der Leistungserbringenden zuzugestehen. Personen, für die noch Prämien aus ihrer Kindheit offen sind, sollten von diesen Massnahmen jedoch ausgenommen werden.
Im April 2021 nahm der Bundesrat Stellung zum Entwurf der Kommission. Er befürwortete, dass die Schulden der Prämien von Kindern bei deren Erreichen der Volljährigkeit bei den Eltern verbleiben sollten, betonte aber noch einmal seine Ablehnung der schwarzen Listen. In der Vernehmlassung hätten sich zudem zahlreiche Akteure aus dem Gesundheitswesen, auch eine Mehrheit der Kantone, gegen diese ausgesprochen. Stattdessen beantragte er, der Kommissionsminderheit Dittli zu folgen. Darüber hinaus schlug er einige weitere Änderungen am Gesetzestext vor. So sollten bereits für Prämienschulden aus ihrer Kindheit eingeleitete Betreibungen von jungen Erwachsenen für nichtig erklärt werden. Schon vorgängig umstritten sei überdies die Frage gewesen, wie häufig pro Jahr die Betroffenen betrieben werden können, führte der Bundesrat aus. Anfänglich habe sich die Kommission hier für vier Betreibungen pro Jahr entschieden, diese Zahl aufgrund des Einwands der GDK, wonach dies einen unverhältnismässigen Aufwand mit sich bringen würde, jedoch auf zwei reduziert. Diese Reduktion unterstütze der Bundesrat, auch wenn die Eidgenössische Kommission für Schuldbetreibung und Konkurs befürchte, dass den Kantonen damit höhere Kosten verblieben als bei einer unbeschränkten Anzahl. Hingegen schlug der Bundesrat in seiner Stellungnahme vor, Betreibungen für Forderungen, für die bereits ein Verlustschein vorliegt, von dieser Anzahl auszunehmen, damit auch Personen mit ausstehenden Prämien aus dem Vorjahr betrieben werden können.

Vollstreckung der Prämienzahlungspflicht der Versicherten (Kt. Iv. 16.312)
Dossier: Schwarze Liste für säumige Prämienzahlende

Im Januar 2021 genehmigte der Bundesrat den Tarifvertrag zur Vergütung der Covid-19-Impfung durch die OKP. Der Vertrag war zuvor von den Tarifpartnern ausgearbeitet worden und legte fest, dass die OKP eine Pauschale von CHF 14.50 und CHF 5 für die Impfdosis vergütet. Für das Jahr 2021 würden der OKP damit Kosten von CHF 201 Mio. anfallen. Da der effektive Preis des Impfstoffs vertraulich ist, übernimmt der Bund die über diesen Beträgen liegenden Kosten.

Bundesrat genehmigt Tarifvertrag zur Vergütung der Covid-19-Impfung

Jahresrückblick 2020: Sozialversicherungen

Über den Themenbereich «Sozialversicherungen» berichteten die Medien im Jahr 2020 deutlich weniger als in den Vorjahren (ersichtlich in Abbildung 2 der APS-Zeitungsanalyse 2020). Jedoch war die Berichterstattung zu Beginn des Jahres noch vergleichsweise stark (vgl. Abbildung 1); zu diesem Zeitpunkt dominierte die Frage nach den Überbrückungsleistungen und damit nach der Schaffung einer neuen Sozialversicherung. Diese Frage wurde bis zum Ende der Sommersession 2020 geklärt, als das Parlament die Vorlage in der Einigungskonferenz und somit noch vor der Abstimmung über die Begrenzungsinitiative, die Corona-bedingt auf Ende September hatte verschoben werden müssen, bereinigte. Das von Mitgliedern der SVP angestrebte fakultative Referendum kam nicht zustande. Neu erhalten somit Ausgesteuerte ab 60 Jahren ÜL, wenn sie mindestens 20 Jahre, fünf davon ab dem Alter von 50 Jahren, in die AHV einbezahlt haben, ihr Erwerbseinkommen mindestens 75 Prozent des AHV-Höchstbeitrags betrug und ihr Reinvermögen unterhalb der EL-Vermögensschwelle liegt.

Nach diesem Anfangsinteresse an den Sozialversicherungen geriet die Thematik aufgrund der Corona-Pandemie stark in den Hintergrund. Zwar wurden die Kurzarbeitsentschädigung sowie der Erwerbsersatz als zwei der drei Hauptmassnahmen zur Abfederung der Auswirkungen der Pandemie (neben den Corona-Krediten) wichtiger als jemals zuvor, dies widerspiegelte sich jedoch nicht in der entsprechenden medialen Berichterstattung (siehe Abbildung 1). Darüber hinaus wirkte sich Corona auch stark auf die Debatte im Krankenversicherungsbereich sowie bezüglich der finanziellen Lage des AHV-Ausgleichsfonds und der Pensionskassen aus.

Besonders viele Neuerungen gab es im Jahr 2020 bei der Arbeitslosenversicherung (ALV). Noch vor Ausbruch der Pandemie bereinigte das Parlament die Vorlage zur Vereinfachung der Bestimmungen zur Kurzarbeit im Arbeitslosenversicherungsgesetz und sah darin unter anderem vor, dass der Bundesrat bei schwieriger Konjunktur die Höchstbezugsdauer für Kurzarbeitsentschädigung (KAE) verlängern kann. Aufgrund des Abbruchs der Frühjahrssession konnte die Schlussabstimmung zum Gesetz erst in der Sommersession durchgeführt werden. Als der Bundesrat während der ersten Corona-Welle entschied, zur Abfederung der Pandemie unter anderem auf Kurzarbeitsentschädigungen zu setzen, stützte er sich in seiner Verordnung somit noch auf die bisherigen Gesetzesbestimmungen. Von diesen bundesrätlichen Corona-Massnahmen zur ALV fiel insbesondere die Ausdehnung des Zugangs zu KAE auf zusätzliche Kategorien von Erwerbstätigen, etwa auf nicht kündbare Temporärangestellte, Lehrlinge oder arbeitgeberähnliche Angestellte ins Gewicht. Damit die ALV die Massnahmen finanzieren konnte – bei Überschuldung der ALV tritt ihre Schuldenbremse in Kraft, wodurch die Arbeitgeber- und Arbeitnehmerbeiträge im Folgejahr erhöht werden müssen –, sprach das Parlament auf Antrag des Bundesrates in der ersten Nachmeldung zum Nachtrag I zum Voranschlag 2020 eine Zusatzfinanzierung von CHF 6 Mrd. und erhöhte diese im Nachtrag IIa um weitere CHF 14.2 Mrd. Diese Zusatzfinanzierung bedurfte jedoch einer Änderung des AVIG, welche National- und Ständerat in der Herbstsession 2020 guthiessen.
Neben den KAE setzte der Bundesrat zur Bewältigung der Pandemie auch auf Erwerbsersatz, dessen Einsatz er ebenfalls in einer Verordnung regelte. Neu sollten nicht nur Dienstleistende der Schweizer Armee und Mütter nach der Geburt in den Genuss von EO kommen, sondern temporär und unter gewissen Bedingungen auch Selbständigerwerbende, sofern ihr Betrieb vom Bund geschlossen wurde, sie sich in ärztlich verordnete Quarantäne begeben mussten oder wegen Betreuungsaufgaben ihrer Arbeit nicht nachgehen konnten. Betreuungsaufgaben wegen Schulschliessungen konnten überdies auch Angestellte geltend machen. Für diese Massnahme genehmigte das Parlament einen Nachtragskredit über CHF 4 Mrd., zumal auch der EO-Fonds nur flüssige Mittel von CHF 1 Mrd. aufwies.

Diskutiert wurde im Bereich der Krankenversicherungen vor allem darüber, wer die hohen Corona-Kosten im Gesundheitswesen übernehmen soll: Zwar wurden für die Krankenkassen für das Jahr 2020 wegen Corona tiefere Kosten erwartet, zumal zeitweise alle nicht dringlichen Behandlungen untersagt worden waren, teuer würden hingegen ebendiese Ausfälle von Behandlungen für die Spitäler werden.
Unabhängig von der Corona-Pandemie waren Bundesrat und Parlament im Krankenversicherungsbereich sehr aktiv, insbesondere bei den Massnahmen zur Kostendämpfung, von denen sie sich eine Eindämmung des Prämienanstiegs erhofften. Das erste Massnahmenpaket teilte die SGK-NR vor der ersten Ratsbehandlung im Mai 2020 in zwei Teile auf: In einem ersten Schritt sollten im Teilpaket 1a die weniger umstrittenen Aspekte behandelt werden, wobei sich bei den Behandlungen rasch zeigte, dass es im Gesundheitsbereich beinahe keine unumstrittenen Aspekte gibt. Entsprechend begann der Nationalrat noch vor Abschluss dieses Teilpakets mit der Behandlung des Teilpakets 1b mit den als umstrittener eingeschätzten Massnahmen. Gleichzeitig führte der Bundesrat zwischen August und November 2020 auch eine Vernehmlassung zum zweiten Massnahmenpaket zur Kostendämpfung durch, dessen Hauptmassnahme die Einführung einer Zielvorgabe für die Kostenentwicklung in der OKP darstellt. Da auch die von der CVP in der Zwischenzeit erfolgreich eingereichte eidgenössische Initiative «Für tiefere Prämien» eine Kostenbremse im Gesundheitswesen forderte, schlug der Bundesrat das zweite Massnahmenpaket als indirekten Gegenvorschlag zur CVP-Initiative vor.
Auch der Prämien-Entlastungs-Initiative der SP stellte der Bundesrat mit der Vorlage zu den individuellen Prämienverbilligungen einen indirekten Gegenvorschlag zur Seite. Darin beantragte er als Reaktion auf die stetige Senkung der IPV-Beiträge durch die Kantone, die entsprechenden Kantonsbeiträge an die kantonalen Bruttokosten sowie an die verbleibende Prämienbelastung zu knüpfen. Auch diesen Gegenvorschlag schickte er in der Folge in die Vernehmlassung. Mit der KVG-Ergänzung über die Vollstreckung der Prämienzahlungspflicht der Versicherten, dem Bundesgesetzes über die Datenweitergabe der Versicherungen in der obligatorischen Krankenpflegeversicherung standen auch zwei auf parlamentarischen Initiativen basierende Gesetzesvorlagen kurz vor oder am Anfang der parlamentarischen Beratung, während bei der Einführung eines monistischen Finanzierungssystems für die Gesundheitsleistungen (EFAS) 2020 keine Fortschritte erzielt werden konnten. Abgeschlossen wurde hingegen die Vorlage zur Zulassung von Leistungserbringenden in der Sommersession 2020, mit welcher die bisher zeitlich befristete Zulassungsbeschränkung der Leistungserbringenden permanent geregelt wurde. In der Wintersession 2020 einigten sich die Räte auch auf neue Regelungen zur Vergütung des Pflegematerials.

Der Themenbereich Altersvorsorge erhielt im Jahr 2020 von den Medien deutlich weniger Aufmerksamkeit als in den Vorjahren. Dies hing sicherlich einerseits damit zusammen, dass anders als in den Jahren 2017 (Altersvorsorge 2020) und 2019 (STAF) keine eidgenössische Abstimmung zu diesem Thema stattfand. Andererseits überdeckte auch in diesem Themenbereich die Corona-Berichterstattung verschiedene, durchaus berichtenswerte Ereignisse. So machte der Bundesrat bezüglich der Reform der beruflichen Vorsorge einen Schritt vorwärts. Nachdem der Arbeitgeberverband, Travail.Suisse und der Gewerkschaftsbund im Juli 2019 ihren Kompromissvorschlag für die BVG-Revision präsentiert hatten, wurden bald von allen Seiten Kritik und Alternativvorschläge laut, insbesondere bezüglich des Rentenzuschlags im Umlageverfahren. Dennoch entschied sich der Bundesrat Ende November 2020 in der Botschaft zum neu als «BVG 21» betitelten Geschäft, am Kompromiss der Sozialpartner festzuhalten.
Wenige Aktivitäten gab es bezüglich der Revision der AHV. Zwar begann die SGK-SR im August 2020 die Vorberatung der Vorlage zur Stabilisierung der AHV (AHV 21), diese dauerte jedoch aufgrund vertiefter Abklärungen so lange, dass die Vorlage im Jahr 2020 noch nicht im Plenum beraten werden konnte.
Für zwei Volksinitiativen zur Altersvorsorge – für die Volksinitiative «Berufliche Vorsorge – Arbeit statt Armut» sowie für die Volksinitiative «für eine generationengerechte Altersvorsorge (Vorsorge Ja – aber fair)» – verstrichen die Sammelfristen im Jahr 2020 unbenutzt. Zudem wurde im Februar 2020 die Volksinitiative «Für ein besseres Leben im Alter (Initiative für eine 13. AHV-Rente)» durch den Gewerkschaftsbund lanciert. Einiges zu reden wird zukünftig auch ein Urteil des EGMR geben, der die Schweiz wegen unzulässiger Ungleichbehandlung von Witwen und Witwern rügte: Das Gericht kritisierte, dass ein verwitweter Vater nur eine Rente erhält, bis seine Kinder volljährig sind, während verwitwete Mütter ein Leben lang eine Rente erhalten.
Doch auch das Thema «Altersvorsorge» blieb von der Corona-Pandemie nicht unberührt. So verloren sowohl der AHV-Ausgleichsfonds als auch die Pensionskassen durch den Corona-bedingten Aktiensturz viel Geld. Die OAK BV berichtete im Mai 2020, dass der Deckungsgrad der Pensionskassen durchschnittlich um 6 Prozent auf 105.6 Prozent gefallen war, vermeldete dann aber im Laufe des Jahres wieder steigende Zahlen: Ende September 2020 lag der durchschnittliche Deckungsgrad bereits wieder bei 110.2 Prozent. Auch das BSV erwartete mittelfristig nur geringe Folgen durch die Pandemie – es nutzte für seine Prognose gemäss NZZ aber auch positivere Wirtschaftsprognosen als die restliche Bundesverwaltung. Ein grosses, nicht nur Corona-bedingtes Problem im Rahmen des BVG löste der Bundesrat Anfang Juli, als er der Auffangeinrichtung BVG erlaubte, Gelder bis CHF 10 Mrd. aus dem Freizügigkeitsbereich zinslos und unentgeltlich bei der Bundestresorie anzulegen. Da Freizügigkeitsguthaben nicht mit Negativzinsen belastet werden dürfen, war eine sichere Anlage der Gelder aufgrund der Negativzinsen zuvor kaum möglich gewesen.

Schliesslich schloss das Parlament in der Sommersession 2020 auch die Weiterentwicklung der IV erfolgreich ab. Mit der Vorlage hatte der Bundesrat beabsichtigt, die bisher noch unzureichende Wiedereingliederung bei Kindern, Jugendlichen und Menschen mit psychischen Erkrankungen zu verbessern. Entgegen anfänglicher Entscheide des Nationalrats, die Kinderrenten zu senken und die Kinderrenten in «Zulage für Eltern» oder «Zusatzrente für Eltern» umzubenennen, entschied sich das Parlament zum Schluss, auf beide Massnahmen zu verzichten.

Jahresrückblick 2020: Sozialversicherungen
Dossier: Jahresrückblick 2020

In der Wintersession 2020 bereinigte das Parlament die Änderung des KVG bezüglich der Vergütung des Pflegematerials. Einstimmig bestätigte der Ständerat die vom Bundesrat vorgeschlagenen Änderungen und löste die Ausgabenbremse, nachdem Kommissionssprecher Bischof (cvp, SO) im Namen der Kommission die Annahme der Vorlage empfohlen hatte. Auf Einzelantrag von Peter Hegglin (cvp, ZG) und Bitte von Marina Carobbio Guscetti (sp, TI) schloss der Rat – ebenfalls einstimmig – zudem eine Lücke, welche der Gesetzestext bis dahin noch aufgewiesen hatte: So war man davon ausgegangen, dass alle Beträge, die bisher vergütet worden waren, auch zukünftig vergütet würden. Tatsächlich wären durch die geplante Änderung aber Materialien, die ausschliesslich vom Pflegefachpersonal angewendet werden, sich aber nicht auf der MiGeL befinden, weder von der OKP noch von den Kantonen vergütet worden. Um dies zu verhindern, stimmte der Rat dem Antrag Hegglin zu, wonach die entsprechenden Mittel und Gegenstände während eines Jahres ab Inkrafttreten der Änderung weiterhin nach dem bisherigen Recht vergütet werden sollten. Damit habe man Zeit, die entsprechenden Güter auf die MiGeL zu setzen. Diese Lösung hatte auch Bundesrat Berset zuvor im Rahmen der Debatte unterstützt. Einstimmig (41 zu 0 Stimmen) verabschiedete der Ständerat das Gesetz in der Gesamtabstimmung.
Gegen diese Änderung hatte auch der Nationalrat nichts einzuwenden, stillschweigend nahm er die Differenz an und stimmte dem Gesetz in den Schlussabstimmungen (195 zu 0 Stimmen) genauso einstimmig zu wie der Ständerat (41 zu 0 Stimmen).

Änderung des KVG bezüglich Vergütung des Pflegematerials (BRG 20.046)
Dossier: Änderungsvorschläge zur Mittel- und Gegenständeliste (MiGeL)

Im Juni 2019 verlangte der Grosse Rat des Kantons Genf in einer Standesinitiative von der Bundesversammlung, mit einer Motion den Verzicht auf eine Erhöhung der Krankenkassenprämien 2020 zu verlangen. Damit reihte sich diese Standesinitiative in eine Gruppe von Vorstössen des Kantons Genf (sowie anderer Kantone der Romandie sowie des Tessins) für tiefere Krankenkassenprämien ein. Eine Erhöhung sei nicht nötig, da die Gesundheitskosten 2018 nur leicht angestiegen seien und die Krankenkassen über hohe Reserven verfügten, die deutlich über dem gesetzlichen Minimum lägen, so die Begründung aus Genf.
Die SGK-SR behandelte die Initiative im November 2020, also bereits über ein Jahr, nachdem die Prämien für das Jahr 2020 bekannt gegeben worden waren. Die Kommission anerkannte die Problematik sowie die Argumente des Kantons Genf, wies jedoch darauf hin, dass besagte Prämie ohne Eingreifen des Parlaments nur um 0.2 Prozent angestiegen war. So erachtete die Kommission einen «Prämienstopp mittels einer Standesinitiative [...] als nicht zweckdienlich» und die Annahme der Standesinitiative «aus zeitlichen Gründen» als obsolet. Dieser Ansicht pflichtete der Ständerat in der Wintersession 2020 bei und gab der Initiative keine Folge.

Keine Erhöhung der Krankenkassenprämien 2020 (Kt.Iv. 19.309)
Dossier: Anstieg der Krankenkassenprämien dämpfen (seit 2020)

In der Wintersession 2020 behandelte der Ständerat die zwei Motionen von Adèle Thorens Goumaz (gp, VD) und Olivier Feller (fdp, VD) bezüglich unbestrittenen und aktuellen Statistiken im Gesundheitsbereich. Seit der Einreichung der beiden Motionen sei ein Postulat der SGK-SR (Po. 18.4102) für eine kohärente Datenstrategie im Gesundheitswesen angenommen worden, das ähnliche Ziele verfolgt wie die Motionen, erläuterte die Kommission in ihrem Bericht. Die Arbeiten dazu seien bereits weit fortgeschritten, wodurch auch das Anliegen der Motionen erfüllt sei. Somit empfahl die Kommission mit 9 zu 2 Stimmen, die Motionen abzulehnen.
Im Rat hatte Adèle Thorens Goumaz die Möglichkeit, ihre Motion noch einmal zu vertreten, da sie in der Zwischenzeit in den Ständerat gewählt worden war. Sie erinnerte an den Unterschied zwischen einer Motion und einem Postulat; mit dem Postulat seien zwar eine Arbeitsgruppe und ein Bericht geplant, aber es würden eben noch keine Entscheidungen oder Massnahmen in diesem Bereich getroffen. Dem widersprach Gesundheitsminister Alain Berset, der auf die von der Arbeitsgruppe in der Zwischenzeit vorgelegten Vorschläge zur Verbesserung der Informationssammlung und zur Erhöhung der Transparenz im Gesundheitssystem sowie auf die nationale Datenstrategie hinwies, die das EDI im Auftrag des Bundesrates aufzubauen habe. Diese zwei Projekte müsse man nun zusammenführen, so dass die Empfehlungen zum Thema Gesundheit entsprechend in die nationale Datenstrategie integriert würden. Damit sei die Motion bereits umgesetzt und müsse entsprechend nicht mehr angenommen werden. Stillschweigend lehnte der Ständerat den Vorstoss in der Folge ab.

Unbestrittene Statistiken von einem unabhängigen Organ erstellen lassen. Eine unerlässliche Voraussetzung für die Steuerung des Gesundheitssystems (Mo. 18.3432 und Mo. 18.3433)

Nachdem der Nationalrat in der Sondersession 2020 bereits das Paket 1b behandelt hatte, machte er sich in der Wintersession 2020 an die Differenzbereinigung zum Paket 1a des ersten Massnahmenpakets zur Kostendämpfung im Gesundheitswesen. Stillschweigend pflichtete er dem Zweitrat bei, dass bei einer entsprechenden Abmachung zwischen Versicherungen und Leistungserbringenden auch die Versicherung für die Übermittlung der Rechnungen zuständig sein kann. Alle übrigen Fragen waren hingegen umstritten.
Bei der Frage der Patientenpauschale waren sich National- und Ständerat zwar einig, dass Pauschalen auch bei ambulanten Behandlungen eingeführt werden sollen, entgegen dem Nationalrat hatte es der Ständerat aber abgelehnt, diese auf national einheitliche Tarifstrukturen zu stellen. Die Mehrheit der SGK-NR wollte diesbezüglich an der bisherigen Position des Nationalrats festhalten, um so eine gleiche Tarifierung von medizinischen Leistungen bei ambulanten oder stationären Behandlungen zu erleichtern, wie Ruth Humbel (cvp, AG) und Pierre-Yves Maillard (sp, VD) für die Kommission erklärten. Eine Minderheit de Courten (svp, BL) beantragte, dem Ständerat zuzustimmen, um die pauschale Leistungsabgeltung im ambulanten Bereich nicht zu verkomplizieren. Umstritten war überdies die Frage, ob der Bundesrat gewisse Pauschaltarife von der Pflicht der einheitlichen Tarifstruktur ausnehmen können sollte, wie eine Minderheit Gysi (sp, SG) weiterhin forderte, während die Kommissionsmehrheit darauf verzichten wollte. In beiden Fragen folgte der Rat der Kommissionsmehrheit (mit 134 zu 51 Stimmen bei 2 Enthaltungen und 119 zu 70 Stimmen).
Auch die Organisation der Tarifstrukturen war weiterhin umstritten. Zwar pflichtete der Nationalrat dem Ständerat bei, dass der Bundesrat nur dann in die Organisation der Tarifstrukturen eingreifen können sollte, wenn keine solche bestehe oder sie nicht den gesetzlichen Anforderungen entspricht. Auch für den Fall, dass sich Leistungserbringende und Versicherungen nicht einigen können, sollte der Bundesrat eingreifen können; hier wollten ihn Ständerat und eine Minderheit de Courten jedoch dazu verpflichten, die Tarifautonomie der Tarifpartner wahren zu müssen. Hier gehe es ja gerade um diejenigen Fälle, bei denen sich die Tarifpartner nicht einigen könnten, betonten die Kommissionssprechenden, entsprechend mache es keinen Sinn, hier die Tarifautonomie zu wahren. Mit 136 zu 51 Stimmen (bei 1 Enthaltung) folgte der Rat der Kommissionsmehrheit und lehnte die Wahrung der Tarifautonomie gegen die geschlossen stimmende SVP-Fraktion ab.
In der ersten Behandlungsrunde hatte der Nationalrat dem Entwurf eine Regelung für finanzielle Unterstützung von Organisationen und Patientenstellen, welche den Individuen bei der Rechnungskontrolle helfen, beigefügt; der Ständerat hatte diese jedoch wieder gestrichen. Nun beabsichtigte die SGK-NR, auf die entsprechende Unterstützung zu verzichten; stattdessen sollen sich die Tarifpartner auf eine einfache, verständliche Rechnungsstellung einigen, betonte Humbel. Eine Minderheit Gysi wollte hingegen an der ursprünglichen Formulierung festhalten, während eine Minderheit Mäder (glp, ZH) eine Präzisierung vorschlug: Nur Organisationen, welche «statutengemäss und organisatorisch unabhängig» sind, sollten subsidiär unterstützt werden. Deutlich (mit 108 zu 83 Stimmen) entschied sich der Nationalrat gegen die finanzielle Unterstützung, nachdem sich der Minderheitsantrag Gysi zuvor knapp mit 96 zu 95 Stimmen gegen den Minderheitsantrag Mäder durchgesetzt hatte.
Zum Schluss blieb noch die Frage der Pilotprojekte, wo vor allem umstritten war, in welchen Bereichen und zu welchem Zweck solche Projekte möglich sein sollten. Ruth Humbel erklärte, dass der Ständerat den Artikel offener gefasst hatte als der Bundesrat und der Nationalrat, dadurch aber das Legalitätsprinzip und die Verfassungsmässigkeit verletzt habe, wie ein entsprechender Bericht des BJ gezeigt habe. Der Vorschlag der Kommissionsmehrheit, welcher die betroffenen Bereiche ausdrücklich und ausführlich auflistete, entspreche nun einer der vom BJ vorgeschlagenen Möglichkeiten. Eine Minderheit de Courten beantragte hingegen eine möglichst schlanke Formulierung, die jedoch die Rechte der Versicherten ausdrücklich wahren sollte. Eine Minderheit Weichelt-Picard (al, ZG) wollte auf Pilotprojekte zur Übernahme von Leistungen im Ausland verzichten, weil ältere und kranke Personen nicht einfach ins Ausland abgeschoben werden sollten, wie die Minderheitensprecherin betonte. Wie bereits in der ersten nationalrätlichen Behandlung erneut auf Ablehnung einer Minderheit Prelicz-Huber (gp, ZH) stiess die Möglichkeit, Projekte zur Einschränkung der freien Arztwahl zu schaffen, während eine Minderheit Moret (fdp, VD) auch Projekte zur Entschädigung von innovativen und neuen Behandlungsansätzen in die Liste aufnehmen wollte. Deutlich folgte der Rat gegenüber allen Minderheiten dem Mehrheitsantrag.

Erstes Massnahmenpaket zur Kostendämpfung im Gesundheitswesen (BRG 19.046)
Dossier: Anstieg der Krankenkassenprämien dämpfen (seit 2020)

In der Wintersession 2020 setzte sich der Ständerat mit der Frage der Kostenübernahme der Leistungen bei Mutterschaft durch die OKP auseinander. Neben der Motion Addor (svp, VS), die der Nationalrat im Sommer 2019 angenommen hatte, lag ihm auch eine Motion Kälin (gp, AG; Mo. 19.3070) vor, die der Nationalrat ebenfalls bereits gutgeheissen hatte. Nachdem sich auch die SGK-SR zuvor für beide Vorstösse ausgesprochen hatte – sie hatte überdies auch der Standesinitiative des Kantons Genf (Kt.Iv. 19.308) für eine Übernahme der Kosten für Schwangerschaftsabbrüche vor der dreizehnten Woche Folge gegeben –, nahm der Ständerat beide Motionen stillschweigend an. Die Standesinitiative behandelte er noch nicht.

Vollständige Übernahme der Kosten der Leistungen bei Mutterschaft durch die obligatorische Krankenpflegeversicherung