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Im September 2021 publizierte das BSV die Finanzperspektiven der EL zur AHV und IV bis ins Jahr 2032, wie auch zur AHV, zur IV und zur EO. Bei den EL zur AHV wurde ein Ausgaben- und Einnahmenwachstum von CHF 2.9 Mrd. (2020) auf CHF 3.6 Mrd. (2032) prognostiziert (+27%), wobei die Kosten zur Existenzsicherung etwas stärker ansteigen würden als die Heimkosten. Nur schwache Veränderungen gebe es beim Bundesanteil an den Ausgaben (2020: 30.1%, 2032: 31.0%) und bei der EL-Quote (2020: 12.6%; 2032: 12.9%). Bei der EL zur IV erwartete das BSV zwar ein schwächeres Ausgaben- und Einnahmenwachstum von CHF 2.0 Mrd. (2020) auf CHF 2.3 Mrd. (2032; +14%), wobei die zusätzlichen Kosten auch hier vor allem durch die Existenzsicherung bedingt sein sollten. Gleichzeitig wurde bei der EL zur IV aber auch ein Anstieg der EL-Quote von 49.3 Prozent (2020) auf 59.8 Prozent (2032) prognostiziert. Über beide Bereiche der EL (EL zur AHV und EL zur IV) wird somit ein Ausgabenanstieg von CHF 4.8 Mrd. (2020) auf CHF 5.9 Mrd. (2032) erwartet.

Finanzperspektiven der EL zur AHV und zur IV bis 2032

In der Sommersession 2021 setzte sich der Ständerat als Erstrat mit der Modernisierung der Aufsicht in der 1. Säule und der Optimierung der Aufsicht in der 2. Säule der Alters-, Hinterlassenen- und Invalidenvorsorge auseinander. Erich Ettlin (mitte, OW) erläuterte dem Rat für die Kommission, dass die Vorlage erstens zur Stärkung der risikoorientierten Aufsicht, zweitens zur Einhaltung der Good Governance-Vorgaben und drittens zur Sicherstellung der Stabilität, Informationssicherheit und des Datenschutzes der Informationssysteme diene. Insbesondere sollen, wie von der EFK verlangt, die Durchführung und Aufsicht über die AHV durch eine Auslagerung der Durchführungsaufgaben aus der Bundesverwaltung konsequent getrennt werden.
Eintreten war unbestritten, der Ständerat schritt sogleich zur Detailberatung der Änderungen im AHVG. Dabei pflichtete der dem Bundesrat stillschweigend zu, dass zukünftig der Begriff der «Durchführungsstellen» geschaffen wird, welche die Verbandsausgleichskassen, die kantonalen Ausgleichskassen, die Ausgleichskassen des Bundes und eine zentrale Ausgleichskasse beinhalten. Erste Diskussionen gab es zur Frage, wie detailliert die Vorschriften an die Durchführungsstellen sein sollen: Eine Minderheit Carobbio Guscetti (sp, TI) scheiterte hier mit ihrer Forderung, wie vom Bundesrat vorgeschlagen Mindestanforderungen im Gesetz festzulegen – die Kommissionsmehrheit setzte sich mit der Forderung nach einer offeneren Formulierung durch. Diskussionslos stimmte der Rat in der Folge den vom Bundesrat und teilweise von der Kommission vorgeschlagenen Änderungen bezüglich der Schaffung getrennter Register der laufenden Geldleistungen und der Versicherten, ergänzenden Regelungen des Abrufverfahrens von Informationen aus den Registern, Regelungen zur Organisation der einzelnen Organe der Ausgleichskassen, zu den Aufgaben der Kassen, zum Risiko- und Qualitätsmanagement, zur Rechnungslegung und zu den Anforderungen an die Revisionsstelle, zu den Aufgaben und Massnahmen der Aufsichtsbehörde sowie zur Kostenvergütung des AHV-Ausgleichsfonds gegenüber dem Bund zu.

Grössere Diskussionen gab es hingegen bezüglich einzelner Änderungen im BVG. Umstritten war etwa, ob den regionalen Aufsichtsbehörden weiterhin Mitglieder der Kantonsregierungen oder Personen mit einer Funktion in einer öffentlichen Verwaltung angehören dürfen. Der Bundesrat wollte – genauso wie die Kommissionsmehrheit – diese Doppelfunktionen verbieten, um die «Compliance richtig [umzusetzen] und die Unabhängigkeit [sicherzustellen]», wie Kommissionssprecher Ettlin erläuterte. Die aktuelle Regelung könne zu Interessenkonflikten führen. Bundesrat Berset betonte, dass es hier nur darum gehe, zu verhindern, dass der Anschein von Interessenkonflikten entstünde – die Aufsicht habe aber bisher gut funktioniert. Eine Minderheit Hegglin (mitte, ZG) wollte bei der bisherigen Lösung bleiben, um nicht zu stark in die «Organisationsautonomie der Kantone» einzugreifen, wie Pirmin Bischof (mitte, SO) als Minderheitensprecher erklärte. Erstens gehe eine solche Regelung sehr weit, indem sie auch Personen mit Funktionen in den Gemeinden ausschliesse, nicht aber beispielsweise Branchenvertretende; zweitens ignoriere die Formulierung, dass die Aufsichtsbehörden häufig überkantonal geregelt sind. Mit 25 zu 16 Stimmen (bei 2 Enthaltungen) sprach sich der Ständerat für die Minderheit und somit für den Status quo aus.
Ausführlich diskutiert wurde auch die Frage der Entschädigung von Vermittlertätigkeiten im BVG. Der Bundesrat wollte diesbezüglich eine neue Regelung zur Entschädigung von Vermittlerinnen und Vermittlern schaffen. Konkret sollte der Bundesrat regeln können, «unter welchen Voraussetzungen Vorsorgeeinrichtungen [...] Entschädigungen [für Vermittlungen] bezahlen dürfen». Die Kommissionsmehrheit lehnte eine solche Regelungskompetenz ab, wie Erich Ettlin erläuterte. Man befürchtete, dass Vermittlerinnen und Vermittler zukünftig nicht mehr wie bis anhin über Courtagen der Pensionskassen, also als über Anteile des vermittelten Umsatzes, abrechnen könnten, sondern «nur noch über Direktzahlung durch den Arbeitgeber». Damit hätten die KMU aber Anreize, sich in dieser Frage nicht mehr beraten zu lassen. Eine solche Beratung sei aber nicht nur bei einem allfälligen Wechsel der Pensionskasse, sondern zur laufenden Betreuung der Fälle relevant. Zudem würde diese Thematik aktuell in der Änderung des Versicherungsaufsichtsgesetzes diskutiert. Hans Stöckli (sp, BE) legte die Problematik aus Sicht der Minderheit dar, welche sich für die bundesrätliche Lösung einsetzte: So sei das Finden einer zweiten Säule gemäss Vorschriften Sache des Arbeitgebers, weshalb nicht Pensionskassengelder dafür eingesetzt werden dürfen – diesbezüglich verwies hingegen Ruedi Noser (fdp, ZH) auf die gemeinsame Verantwortung der Arbeitgebenden und der Arbeitnehmendenvertretenden in dieser Frage und leitete daraus die Notwendigkeit von Vermittlung ab. Zudem bestünden gemäss Stöckli im aktuellen System Fehlanreize, weil die Interessen der Vermittlerinnen und Vermittler in die Beratung einflössen. Bundesrat Berset erläuterte schliesslich, dass es bei der vorliegenden Bestimmung nicht um ein Verbot der Vermittlung gehe, sondern um eine Kompetenzdelegation an den Bundesrat. Dieser würde eine entsprechende Regelung vorschlagen und eine Vernehmlassung dazu durchführen. Dennoch lehnte der Ständerat die Bestimmung mit 28 zu 14 Stimmen ab.
Unbestritten blieben die übrigen Regelungen im BVG bezüglich Präzisierung der Aufgaben der Expertin oder des Experten für berufliche Vorsorge, den Regelungen zur Übernahme der Rentnerbestände, den Aufgaben des Sicherheitsfonds sowie dem Informationsaustausch zwischen Vorsorgeeinrichtungen und der ZAS der AHV.

Änderungen nahm der Rat überdies auch in zahlreichen weiteren Gesetzestexten, wie dem ZGB, im Invalidengesetz, im Ergänzungsleistungsgesetz, in der Erwerbsersatzordnung oder im Familienzulagengesetz, stillschweigend vor. Lediglich die Frage, ob die rechtlichen Bedingungen für eine elektronische Übermittlung von verfahrensrelevanten Dokumenten – wie sie die SGK-SR in der Vorlage ergänzen wollte – im Allgemeinen Teil des Sozialversicherungsrechts (ATSG) gegeben sind oder nicht, führte noch zu Diskussionen. Das EDI hatte eine solche Berechtigung gemäss Hans Stöckli verneint – vorher müsse das Bundesgesetz über die Plattform für die elektronische Kommunikation in der Justiz verabschiedet werden. Somit beantragte Stöckli, den entsprechenden Einschub der Kommission abzulehnen, da er gemäss EDI «nicht dienlich ist, die angestrebten Ziele umzusetzen». Erich Ettlin (mitte, OW) wies hingegen auf eine ähnliche Regelung im AVIG hin, bei der dieselbe Problematik bestanden habe. Äusserst knapp nahm der Ständerat die entsprechende Regelung mit 21 zu 20 Stimmen (bei 2 Enthaltungen) an.
Einstimmig (mit 43 zu 0 Stimmen) hiess er die Vorlage in der Gesamtabstimmung gut.

Aufsicht in der 1. Säule (BRG 19.080)

Die Anzahl Ergänzungsleistungsbeziehende lag Ende 2020 bei 341'700 Personen oder rund 17 Prozent der AHV- und IV-Rentnerinnen und -Rentner. Die Zahl der EL-Beziehenden hatte im Vergleich zum Vorjahr um 1.4 Prozent zugenommen. Besonders stark auf Ergänzungsleistungen angewiesen waren IV-Beziehende, von denen im Jahr 2020 49.3 Prozent EL erhielten. Stabil blieb der Anteil an AHV-Rentnerinnen und -Rentnern mit EL, er lag wie im Vorjahr bei 12.7 Prozent. Das BSV wies in seinem Bericht vom Juni 2021 aber auch auf eine grosse Dynamik bei der EL hin: So schieden 2020 9 Prozent des Gesamt-Bestandes aus dem EL-System aus, während gleichzeitig 10 Prozent neu hinzukamen. Noch etwas stärker als der Bestand an EL-Beziehenden wuchsen 2020 die Ausgaben der EL an (3.3%), was insbesondere auf den Anstieg bei der EL zur AHV (3.6%) zurückzuführen war. Dabei stellten rund 40 Prozent der EL-Ausgaben heimbedingte Mehrkosten dar. So erhielten Personen, die Zuhause lebten, EL in der Höhe von durchschnittlich CHF 1'200 pro Monat; im Heim lebende Personen erhielten durchschnittlich CHF 3'400 pro Monat.

Ausgaben für Ergänzungsleistungen (EL) 2020
Dossier: Finanzielle Situation der Ergänzungsleistungen (ab 2013)

Nachdem das Parlament die Zulassungskriterien für Ärztinnen und Ärtze im KVG definiert hatte, nahm der Bundesrat einige Präzisierungen an verschiedenen Verordnungen, unter anderem der KVV, vor. So sollen die Kantone zukünftig selber bestimmen können, ob sie die Anzahl Ärztinnen und Ärzte in einem Fachgebiet oder einer Region beschränken wollen. Zur Beurteilung der Situation legte der Bundesrat Kriterien fest, wobei die Festlegung der Höchstzahlen auf der Ermittlung eines regionalen Versorgungsgrades basiert. Zudem definierte der Bundesrat die nötigen Sprachkenntnisse zur Zulassung der Leistungserbringenden zur Abrechnung über die OKP . Schliesslich wollte er ein Register schaffen, um den Informationsaustausch über die zugelassenen Leistungserbringenden zwischen den Kantonen zu erleichtern. Die entsprechende Vernehmlassung dauert von November 2020 bis Feburar 2021.

KVG. Zulassung von Leistungserbringern (BRG 18.047)
Dossier: Zulassungsbeschränkung für Ärztinnen und Ärzte (seit 1998)

Ein weiteres Urteil bezüglich EL fällte das Bundesgericht im September 2020 und zwar in der Frage, ab wann bei rückwirkender Berechnung von EL Freizügigkeitsgelder angerechnet werden. Dem Betroffenen waren im Februar 2018 rückwirkend ab November 2014 eine ganze IV-Rente sowie EL zugesprochen worden. Im April 2018 wurde sein Pensionskassenguthaben frühzeitig ausbezahlt, was bei Bezug einer vollen Invalidenrente möglich ist. Bei der rückwirkenden Berechnung der EL wurde nun das Freizügigkeitsguthaben aber bereits ab November 2014 angerechnet. Nachdem das Verwaltungsgericht des Kantons Bern eine entsprechende Beschwerde abgewiesen hatte, entschied das Bundesgericht im Sinne des Klägers: Das Freizügigkeitsguthaben sei erst ab 1. März 2018 zu berücksichtigen, zumal nur tatsächlich vorhandene Vermögen und Einkommen angerechnet werden dürfen, über die auch verfügt werden kann. Da die Möglichkeit zum Bezug des Freizügigkeitsgeldes erst ab dem Zeitpunkt bestehe, ab dem die IV-Verfügung rechtskräftig sei, könne das Guthaben auch erst ab dann angerechnet werden.

Urteil BGer zur Frage, ab wann bei rückwirkender Berechnung von EL Freizügigkeitsgelder angerechnet werden

Ein allgemeines Anliegen an die Sozialversicherungen formulierte Philippe Nantermod (fdp, VS) im September 2018 mit seiner Motion «Rechtssicherheit stärken und Vertragsumdeutungen vermeiden». Er störte sich daran, dass Dienstleisterinnen und Dienstleister, die über Plattformen Verträge abschliessen, also zum Beispiel Uber-Fahrerinnen und -Fahrer, zu wenig stark vor Umklassierungen ihrer Erwerbstätigkeit geschützt seien. So sei es für die Sozialversicherungen relevant, ob Personen von den Ausgleichskassen als selbständig oder unselbständig erwerbstätig eingestuft werden, weil selbständig Erwerbende beispielsweise nicht obligatorisch bei der beruflichen Vorsorge oder der ALV versichert sind und sich ihre AHV/IV/EO-Beiträge anders berechnen als bei Unselbständigen. Durch Sozialleistungen der Unternehmen, wie Weiterbildungsangebote oder Versicherungen gegen bestimmte soziale Risiken, könne es zu einer Umklassierung zu einer unselbständigen Tätigkeit kommen, betonte Nantermod. Neu soll deshalb der Wille der Parteien bei der Wahl der Vertragsart, zum Beispiel des Arbeitsvertrags oder des Auftragsverhältnisses, für ihre Rechtsverhältnisse gestärkt und Umklassierungen dadurch verhindert werden. Der Bundesrat habe die Problematik aufgrund der Postulate Derder (fdp, VD; Po. 15.3854) und Reynard (sp, VS; Po. 17.3222) zwar erkannt und sei im Rahmen des Postulats der FDP.Liberalen-Fraktion (Po. 17.4087) dabei, Abklärungen vorzunehmen, es bedürfe jedoch kurzfristiger Lösungen, betonte Nantermod. Genau diese Abklärungen wollte der Bundesrat jedoch abwarten und empfahl daher die Motion zur Ablehnung. Diesem Antrag folgte der Nationalrat jedoch nicht und stimmte der Motion in der Herbstsession 2020 mit 121 zu 69 Stimmen zu. Abgelehnt wurde der Vorstoss von den geschlossen stimmenden SP- und Grünen-Fraktionen sowie von einem Mitglied der Mitte-Fraktion.

Rechtssicherheit stärken und Vertragsumdeutungen vermeiden (Mo. 18.3753)

Im Juni 2020 hatte das Bundesgericht einen Fall aus dem Kanton St. Gallen zu beurteilen, in dem es um die Frage ging, ob ein Lebensstil über den durch die Rente ermöglichten Verhältnissen als freiwilliger Vermögensverzicht im Sinne der EL gewertet werden kann. So hatte eine Frau vor ihrem Eintritt in ein Altersheim innert weniger Jahre Ausgaben in der Höhe von CHF 325'830 getätigt. Diese Ausgaben waren gemäss dem Versicherungsgericht des Kantons St.Gallen für den Existenzbedarf nicht notwendig. Das ELG besagt, dass Einkünfte und Vermögenswerte, auf die ohne rechtliche Verpflichtung oder adäquate Gegenleistung verzichtet worden war, bei der Berechnung von EL als Einnahmen gelten. Freiwillig getätigte Ausgaben wertete das Bundesgericht aber bisher nie als entgangene Vermögenswerte; das Gesetz biete keine Möglichkeit zur Lebensführungskontrolle der Versicherten. Selbst wenn also bisher jemand sein ganzes Vermögen verprasst hatte, bot dies keinen Grund für eine Reduktion oder Streichung der EL. Das Versicherungsgericht des Kantons St. Gallen forderte jedoch vom Bundesgericht eine Praxisänderung und argumentierte, dass der Lebensstil in diesem Falle als Verzicht gelten solle. Demnach könne selbstverschuldete Armut nicht durch eine Sozialversicherung getragen werden, da dies ansonsten als Sozialhilfe gewertet werden müsse; der Bund habe aber keine Regelungskompetenz im Sozialhilfebereich. Zudem zeige die EL-Revision, die 2021 in Kraft treten wird und die neu eine Bestimmung zur Höhe der erlaubten Ausgaben vor Anmeldung zur EL beinhaltet, dass eine solche Präzisierung auch im Sinne des Gesetzgebers sei. Das Bundesgericht hielt aber in seinem letztinstanzlichen Urteil an seiner bisherigen Praxis fest: In der Tat habe eine entsprechende Leistung durch die EL an die Versicherte zwar sozialhilferechtlichen Charakter, das mache sie aber weder rechtlich noch faktisch zu Sozialhilfe, argumentierte das Gericht. Die Ausgaben dürften deshalb beruhend auf dem bisherigen Recht nicht als Vermögensverzicht gewertet werden. Die Weltwoche befürchtete, dass das Bundesgericht damit der entsprechenden Verschärfung durch die EL-Revision bereits vor deren Inkrafttreten «die Zähne gezogen habe».

EL Bundesgerichtsurteil

Nach dem Corona-bedingten Abbruch der Frühjahrssession folgte in der Sommersession 2020 die Einigungskonferenz zur Zulassung von Leistungserbringenden. Der grosse noch offene Streitpunkt betraf die Frage des Beschwerderechts für Krankenversicherungen zu kantonalen Erlassen über die Festlegung und Berechnung der Höchstzahlen: Der Nationalrat hatte eine entsprechende Regelung ergänzt, der Ständerat lehnte diese durchwegs ab. Die Teilnehmenden an der Einigungskonferenz entschieden sich diesbezüglich mit 14 zu 10 Stimmen (bei 2 Enthaltungen) in der ersten und 19 zu 6 Stimmen (bei 1 Enthaltung) in der zweiten Abstimmung für die Position des Ständerates und somit gegen ein entsprechendes Beschwerderecht. In der Einigungskonferenz unumstritten war der zweite offene Punkt, die Sprachvoraussetzungen für Ärztinnen und Ärzte: Diesen Punkt hatte der Ständerat zuvor zur Interpretationsklärung noch einmal präzisiert – die entsprechende Version nahm die Einigungskonferenz einstimmig an.

Eine Minderheit de Courten (svp, BL) beantragte die Ablehnung des Vorschlags der Einigungskonferenz. Man habe versucht, der Vorlage verschiedene Elemente zur Kostendämpfung hinzuzufügen – etwa die Verknüpfung mit EFAS, ein Beschwerderecht bei der Zulassungssteuerung für die Krankenversicherungen oder die Lockerung des Vertragszwangs bei ausgewiesener Überversorgung in einem Kanton –, doch alle Vorschläge seien abgelehnt worden, erklärte de Courten im Rahmen der Nationalratsdebatte. Damit bleibe nur eine «Fortsetzung des Providuriums». Ganz anders sah die Situation Gesundheitsminister Berset, der darauf verwies, dass die Zulassung von Leistungserbringenden nach 20 Jahren mit Übergangslösungen endlich langfristig gesetzlich geregelt werden könne. Pierre-Yves Maillard (sp, VD) verwies in der nationalrätlichen Beratung zum Antrag der Einigungskonferenz auf die in der letzten Phase ohne Zulassungsregelung (zwischen Januar 2012 und Mitte 2013) aufgrund der Neuniederlassung von Ärztinnen und Ärzten aus dem EU-Raum sehr stark gestiegenen Kosten und Prämien. Angesichts dessen sei der schlimmste Fall überhaupt einer ohne Massnahmen. Entsprechend solle man auch jegliche Rechtsunsicherheit bezüglich der Zulassung vermeiden. Mit 103 zu 56 Stimmen (bei 12 Enthaltungen) folgte der Nationalrat diesem Plädoyer. Eine Mehrheit der SVP- und die gesamte FDP.Liberale-Fraktion lehnten den Vorschlag der Einigungskonferenz ab oder enthielten sich der Stimme.

Im Ständerat ergriff zwei Tage später niemand das Wort, um den Minderheitsantrag zu bewerben: Mit 40 zu 3 Stimmen sprach sich die kleine Kammer für den Vorschlag der Einigungskonferenz aus. In den Schlussabstimmungen gab es anschliessend keine Überraschungen mehr: Mit 43 zu 2 Stimmen respektive 122 zu 74 Stimmen (bei 2 Enthaltungen) nahm das Parlament die permanente Regelung zur Zulassung von Ärztinnen und Ärzten an.

KVG. Zulassung von Leistungserbringern (BRG 18.047)
Dossier: Zulassungsbeschränkung für Ärztinnen und Ärzte (seit 1998)

Noch in derselben Session behandelte auch der Ständerat die Vorlage zur Zulassung von Leistungserbringenden ein drittes Mal. Das Geschäft sei «auf gutem Weg», betonte Kommissionssprecher Bischof (cvp, SO), zumal der Nationalrat mit dem Verzicht auf die Verknüpfung mit EFAS «einen wesentlichen Stolperstein mit den Kantonen aus dem Weg geräumt» habe. Dennoch zeigte sich die SGK-SR nicht bereit, alle Differenzen auszuräumen, und nahm damit eine Einigungskonferenz in Kauf. Zwar lenkte sie bezüglich der Kompetenzverschiebungen zu den Versicherungen im Bereich der Qualitätsprüfung ein – zukünftig sollen somit die Kantone für die Erstzulassung der Leistungserbringenden zuständig sein, während die Krankenversicherungen anschliessend die laufenden Kontrollen über die Qualität der Leistungserbringung übernehmen. Stillschweigend stimmte der Ständerat diesem Entgegenkommen zu. Beim Beschwerderecht für Krankenversicherungen zu kantonalen Erlassen über die Festlegung und Berechnung der Höchstzahlen beharrte die Kommission, und mit ihr die kleine Kammer, jedoch auf ihrer Position. Obwohl die Differenzen in der Frage der Sprachvoraussetzungen für Ärztinnen und Ärzte bereits bereinigt waren, kam die Kommission zudem nach Rücksprache mit den Parlamentsdiensten zur Interpretationsklärung noch einmal auf diesen Punkt zurück. Diesbezüglich seien in den beiden Räten unterschiedliche Äusserungen getätigt worden, erklärte Bischof diesen Schritt. Dieser Artikel sei so zu verstehen, dass zum Beispiel ein Zürcher mit schweizerischer Maturität mit Französisch als Grundlagenfach, wie es in der Schweiz üblich sei, und einem Ärztediplom auch in der Romandie als Arzt arbeiten dürfe. Eine deutsche Ärztin mit Abitur ohne Französisch als Grundlagenfach müsse jedoch in Genf zuerst eine Sprachprüfung ablegen. Stillschweigend stimmte der Ständerat dieser Klärung zu. Somit wurde bezüglich des Beschwerderechts für Krankenversicherungen sowie der Klärung der Sprachvoraussetzungen eine Einigungskonferenz nötig – anders als erwartet konnte diese aber aufgrund des Sessionsabbruchs nicht mehr in der Frühjahrssession 2020 stattfinden.

KVG. Zulassung von Leistungserbringern (BRG 18.047)
Dossier: Zulassungsbeschränkung für Ärztinnen und Ärzte (seit 1998)

In der Frühjahrssession 2020 behandelte der Nationalrat die drei verbliebenen Differenzen zur Zulassung von Leistungserbringenden. Bezüglich der Kompetenzverschiebungen zu den Versicherungen im Bereich der Qualitätsprüfung beantragte eine Minderheit Gysi (sp, SG), dem Ständerat zu folgen und auf die Verschiebungen zu verzichten. Mit 121 zu 71 Stimmen entschied sich der Nationalrat jedoch mehrheitlich für Festhalten. Auch betreffend das Beschwerderecht für die Versicherungen blieb die Differenz zur kleinen Kammer bestehen. Mit 107 zu 84 Stimmen hielt der Nationalrat an dieser «Machtverschiebung von den demokratisch gewählten Vertreterinnen und Vertretern der Kantone hin zu einzelnen Versicherern», wie Katharina Prelicz-Huber (gp, ZH) diesen Punkt kritisiert hatte, fest. «Die Versicherer nehmen hier letztlich die Interessen der Versicherten wahr», lobte hingegen Regine Sauter (fdp, ZH) diese Entscheidung.
Stillschweigend akzeptierte der Nationalrat hingegen den Antrag seiner Kommission, bezüglich der Frage zur Kann- oder Muss-Formulierung bei der Zulassungssteuerung durch die Kantone einzulenken. Die Kantone können somit zukünftig selbst entscheiden, ob sie Neuzulassungen von Ärztinnen und Ärzten bei überdurchschnittlichem Kostenanstieg aussetzen wollen oder nicht. Trotz eines Antrags auf Festhalten durch die Minderheit Sauter lenkte der Nationalrat schliesslich auch bei der Verknüpfung der Vorlage mit EFAS ein. Mit 115 zu 76 Stimmen (bei 1 Enthaltung) folgte die grosse Kammer diesbezüglich ihrer Kommission. Damit räumte der Nationalrat eines der grössten Hindernisse für eine Übereinkunft zur Zulassung der Leistungserbringenden aus dem Weg. Für ihre Fraktion sei dies ein Grund, die Vorlage in der Schlussabstimmung abzulehnen, hatte jedoch die freisinnige Minderheitensprecherin zuvor betont. Nun lag es folglich am Ständerat, die verbliebenen Differenzen zu bereinigen.

KVG. Zulassung von Leistungserbringern (BRG 18.047)
Dossier: Zulassungsbeschränkung für Ärztinnen und Ärzte (seit 1998)

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Zusammenfassung
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Volksinitiative «Für ein besseres Leben im Alter (Initiative für eine 13. AHV-Rente)» (BRG 22.043)

In der Initiative für eine 13. AHV-Rente forderte der SGB, dass Bezügerinnen und Bezüger einer Altersrente entsprechend einem 13. Monatslohn Anrecht auf einen zusätzlichen Zwölftel ihrer jährlichen Rente, also auf zusätzliche 8.3 Prozent der bisherigen Rentenleistungen, haben sollen. Keine Auswirkungen sollte die Erhöhung auf die Höhe der zugesprochenen Ergänzungsleistungen haben. Die Initiantinnen und Initianten argumentierten, dass die Rentnerinnen und Rentner in Anbetracht der sinkenden Renten und der steigenden Lebenshaltungskosten unterstützt werden müssten. Bundesrat sowie National- und Ständerat empfahlen die Initiative zur Ablehnung, da sie zu hohe Kosten mit sich bringe, auch Personen mit hohen Einkommen davon profitierten und die Bezügerinnen und Bezüger von IV-Renten benachteiligt würden.
Im März 2024 werden Stimmbevölkerung und Kantone über die Initiative entscheiden – genauso wie über die Renteninitiative der Jungfreisinnigen.


Chronologie
Lancierung der Initiative
Zustandekommen der Initiative
Bundesrätliche Medienmitteilung und Botschaft
Empfehlung des Nationalrats auf Ablehnung der Initiative
Empfehlung des Ständerats auf Ablehnung der Initiative
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Eidgenössische Volksinitiative «für ein besseres Leben im Alter (Initiative für eine 13. AHV-Rente)» (BRG 22.043)
Dossier: Volksinitiativen zur Altersvorsorge (seit 2015)

Nur zwei Jahre nach der letzten Erhöhung gab der Bundesrat im Oktober 2020 bekannt, dass er die AHV- und IV-Renten per 1. Januar 2021 erhöhen werde. Die Minimalrente betrage entsprechend neu CHF 1195 (+CHF 10), die Maximalrente CHF 2390 (+CHF 20). Gleichzeitig erhöhte er auch die Mindestbeiträge der Selbständigerwerbenden und der Nichterwerbstätigen für AHV, IV und EO und den Betrag für die Deckung des allgemeinen Lebensbedarfs der EL.
Auch den Koordinationsabzug in der beruflichen Vorsorge sowie die Eintrittsschwelle und den Steuerabzug für die Säule 3a passte der Bundesrat nach oben an.

Erhöhung der AHV/IV-Minimalrente auf das Jahr 2021
Dossier: Anpassung der AHV- und IV-Renten

Jahresrückblick 2019: Sozialversicherungen

Zentrales Thema bei den Sozialversicherungen war 2019 die Altersvorsorge. Mit der STAF, die im Mai 2019 von den Stimmbürgern an der Urne bestätigt wurde, erhält die AHV ab dem Jahr 2020 eine Zusatzfinanzierung in der Höhe von CHF 2 Mrd. pro Jahr, ohne dass es zu Veränderungen der Rentenleistungen kommt. Darüber, dass diese Zusatzfinanzierung nicht ausreichen wird, um die Finanzierungslücke der AHV zu stopfen, waren sich aber die Parlamentarierinnen und Parlamentarier 2019 mehrheitlich einig. Fortsetzung fand 2019 entsprechend auch das Projekt AHV 21, dessen Massnahmen der Bundesrat im Juli 2019 im Anschluss an die 2018 durchgeführte Vernehmlassung in einer Medienmitteilung präzisierte. Vorgesehen sind demnach unter anderem eine schrittweise Erhöhung des Frauenrentenalters auf 65 Jahre sowie als Ausgleichsmassnahmen dazu tiefere Kürzungssätze für Frauen bei einem vorzeitigen Rentenbezug sowie eine Erhöhung der AHV-Rente für Frauen mit tiefen bis mittleren Einkommen. Neu sind zudem ein flexiblerer Start des Rentenbezugs, Anreize für eine Weiterführung der Erwerbstätigkeit nach Erreichen des Rentenalters sowie eine Erhöhung der Mehrwertsteuer um 0.7 Prozentpunkte zur Finanzierung der AHV vorgesehen. Doch nicht nur bezüglich AHV-Reform gab es Neuerungen, auch die Revision der Pensionskassen wurde einen Schritt weitergebracht. So übergaben im Juli 2019 der Arbeitgeberverband, Travail.Suisse und der Gewerkschaftsbund dem Bundesrat ihren Vorschlag für eine Reform der beruflichen Vorsorge. Darin sehen sie eine Senkung des Umwandlungssatzes von 6.8 auf 6 Prozent, eine zeitlich begrenzte Erhöhung der Altersgutschriften im Umlageverfahren entsprechend der AHV um 0.5 Prozent sowie eine Halbierung des Koordinationsabzugs vor. Nicht unterstützt wurde der Vorschlag vom Gewerbeverband, der sich gegen ein Umlageverfahren bei den Pensionskassen aussprach. Im Dezember schickte der Bundesrat den Vorschlag unverändert in die Vernehmlassung. Gemeinsam fanden die Revision der AHV und der Pensionskassen in den Medien im Juli 2019 mehr Aufmerksamkeit als die Abstimmung über die STAF im Mai desselben Jahres.

Umstritten war 2019 bei den Sozialversicherungen wie immer auch das Thema «Krankenkassen». Im März 2019 verwarf der Nationalrat in der Schlussabstimmung eine Bundesratsvorlage zur Anpassung der Franchisen an die Kostenentwicklung, was in den Medien ausführlich diskutiert wurde. Die Vorlage hätte vorgesehen, dass die Franchisen automatisch um CHF 50 erhöht werden sollen, sobald die durchschnittlichen Bruttokosten der Leistungen pro Person mehr als dreizehnmal höher gewesen wären als die ordentliche Franchise. Nachdem die SVP- und die CVP-Fraktion, welche die Vorlage bis zu diesem Zeitpunkt unterstützt hatten, ihre Meinung geändert hatten, setzte sich eine Allianz aus SP- und Grünen-Fraktion, einer Mehrheit der SVP-Fraktion sowie einzelnen Mitgliedern der CVP-Fraktion durch und lehnte den Vorschlag mit 101 zu 63 Stimmen ab. Die entsprechende mediale Debatte war im März 2019 zusammen mit Diskussionen über den vergleichsweise schwachen Anstieg der Krankenkassenprämien fürs Jahr 2020 für den jährlichen Höchstwert in der Medienberichterstattung zu den Krankenversicherungen verantwortlich. Weitgehend unbemerkt von den Medien entschied das Parlament 2019 hingegen, eine Motion der SGK-SR zur Beibehaltung der aktuellen Einteilung der Prämienregionen anzunehmen. Damit versenkte es nicht nur die vom EDI vorgeschlagene, stark kritisierte Änderung der entsprechenden Einteilung, sondern nahm dem Departement auch die Möglichkeit, andere Vorschläge für eine Beendigung der Quersubventionierung der Landbevölkerung bei den Gesundheitskosten durch städtische Gemeinden und Agglomerationen weiterzuverfolgen. Zum ersten Mal im Parlament behandelt wurde die Vorlage der SGK-NR für eine einheitliche Finanzierung der Leistungen im ambulanten und im stationären Bereich (EFAS), bei der die Krankenversicherungen zukünftig sowohl ambulante als auch stationäre Behandlungen – mit Ausnahme von Pflegeleistungen – abgelten würden und dafür von den Kantonen 22.6 Prozent der Kosten vergütet bekämen. Trotz Kritik der linken Parteien daran, dass die Kantone dadurch nur noch bezahlen, aber nicht mitbestimmen dürften, und die Vorlage zu einer Besserstellung der Privatspitäler und Zusatzversicherten zulasten der OKP führe, trat der Ständerat auf die Vorlage ein und nahm einige gewichtige Änderungen vor – unter anderem erhöhte er den von den Kantonen übernommenen Mindestanteil auf 25.5 Prozent.

Zum Abschluss brachten National- und Ständerat 2019 die Reform der Ergänzungsleistungen, an der in Bundesbern mindestens seit 2014 gearbeitet worden war. Die Räte entschieden sich diesbezüglich, die seit 2001 nicht mehr veränderten Ansätze für Mieten den gestiegenen Mietkosten anzupassen, und erhöhten die entsprechenden Beträge teilweise deutlich. Gesenkt wurden die Vermögensfreibeträge für Alleinstehende auf CHF 30'000 und für Verheiratete auf CHF 50'000, zudem wurde eine Vermögensschwelle in der Höhe von CHF 100'000 für den Bezug von Ergänzungsleistungen eingeführt. Dabei wurde jedoch darauf verzichtet, das von den Bezügerinnen und Bezügern selbst bewohnte Wohneigentum bei dieser Schwelle zu berücksichtigen, so dass auch auf die geplante Schaffung eines gesicherten Darlehens für die entsprechenden Liegenschaften verzichtet werden konnte. Schliesslich schuf das Parlament die Pflicht für Erbinnen und Erben, bei einem Nachlass von EL-Beziehenden von mehr als CHF 40'000 die entsprechende Differenz zurückzuzahlen.

Erste Schritte machte das Parlament zudem bei der Weiterentwicklung der IV, die erstmals in beiden Räten behandelt wurde. Besonders umstritten war dabei die Frage der Kinderrenten: Der Nationalrat wollte diese von 40 auf 30 Prozent kürzen und in «Zulage für Eltern» umbenennen. Da eine Abklärung der finanziellen Verhältnisse aber ergeben habe, dass Familien mit Kinderrenten und Ergänzungsleistungen in allen berechneten Konstellationen weniger Einkommen zur Verfügung hätten als vergleichbare Familien ohne Kinderrenten und EL, sprach sich der Ständerat gegen die Kürzung aus. Diese Argumentation überzeugte den Nationalrat in der Wintersession, er verzichtete ebenfalls auf die Kürzung. Die Umbenennung wollte der Ständerat aus Furcht vor einem grossen administrativen Aufwand verhindern, fand damit im Nationalrat bisher aber kein Gehör.

Schliesslich beriet der Ständerat in der Wintersession erstmals die Bundesratsvorlage zur Schaffung von Überbrückungsleistungen (ÜL) für ältere Arbeitslose. Darin hatte der Bundesrat vorgesehen, Personen, die nach vollendetem 60. Altersjahr aus der ALV ausgesteuert werden, aber mindestens während 20 Jahren einen Mindestbetrag in die AHV einbezahlt und ein Vermögen unter CHF 100'000 besitzen, eine Überbrückungsrente in der Höhe von CHF 58'350 zuzusprechen. Der Ständerat entschied nun aber, die Überbrückungsrente auf maximal CHF 39'000 zu beschränken und diese nur solange auszuzahlen, bis die Betroffenen mit 62 (bei Frauen) oder 63 (bei Männern) frühzeitig ihre AHV-Rente beziehen können. Diesen Zwang zur Frühpensionierung kritisierten die Medien in der Folge stark, da dieser Vorbezug eine lebenslange AHV-Kürzung um 14 Prozent (plus Kürzungen bei der zweiten Säule) zur Folge hätte.

Jahresrückblick 2019: Sozialversicherungen
Dossier: Jahresrückblick 2019

Ende 2019 waren 337'000 Personen auf EL angewiesen, was einen Anstieg von 2.7 Prozent gegenüber dem Vorjahr bedeutete. 12.7 Prozent der AHV-Rentnerinnen und -Rentner und 48.5 Prozent der IV-Rentnerinnen und -Rentner hatten demnach im Jahr 2019 Anrecht auf Ergänzungsleistungen. Insgesamt betrugen die Ausgaben für Ergänzungsleistungen 2019, die von Bund und Kantonen finanziert werden, CHF 5.2 Mrd. – 3.1 Prozent mehr als im Vorjahr. Dieser verglichen mit den Vorjahren eher starke Anstieg war vor allem auf die EL bei der AHV zurückzuführen (3.4%; Anstieg bei der EL zur IV: 2.6%).

Ausgaben für Ergänzungsleistungen (EL) 2019
Dossier: Finanzielle Situation der Ergänzungsleistungen (ab 2013)

Auch im Ständerat traf die Motion der SGK-NR für eine teilweise Übernahme der Kosten von betreutem Wohnen durch die Ergänzungsleistungen zur AHV auf keinen Widerstand. Für die Kommission erläuterte Alex Kuprecht (svp, SZ) die Entstehungsgeschichte der Motion: Eine solche Regelung habe im Rahmen der EL-Revision aufgenommen werden sollen, man habe jedoch auf eine Aufnahme ohne sorgfältige Prüfung und Vernehmlassung verzichtet und stattdessen die Kommissionsmotion eingereicht. Stillschweigend sprach sich nun auch der Ständerat als Zweitrat dafür aus, dass der Bundesrat eine entsprechende Regelung umsetzen solle.

Ergänzungsleistungen für betreutes Wohnen

Zu Beginn einer weiteren Behandlungsrunde zur Zulassung von Leistungserbringenden fasste Pirmin Bischof (cvp, SO) in der Wintersession 2019 im Ständerat die Situation aus Sicht der Kommission zusammen: Zwar gebe es in der Kommission keine Minderheiten und beinahe alle Beschlüsse seien einstimmig gefasst worden, jedoch bestünden noch immer grosse Differenzen zum Nationalrat sowie teilweise zum Bundesrat.
Wie Bischof gehofft hatte, bereinigte der Ständerat in der Wintersession dann einige Differenzen zum Erstrat: So lenkte er bezüglich der sprachlichen Voraussetzungen zur Zulassung von Ärztinnen und Ärzten auf das Konzept des Nationalrates ein, das eine grosszügigere Anerkennung von Vorkenntnissen vorsah und entsprechend zu weniger Sprachprüfungen führen würde. Zudem stimmte er dem Nationalrat zu, der eine Gabelung der Rechtswege verhindern wollte: Wie bis anhin sollen folglich gesundheitspolitische Verfügungen vor Bundesgericht und sozialversicherungsrechtliche Verfügungen vor dem Bundesverfassungsgericht angefochten werden können. Über seinen Schatten sprang der Ständerat bezüglich der Frage, ob Kantone zur Einschränkung der Anzahl Ärztinnen und Ärzte verpflichtet werden sollen oder nicht, ob also die vom Bundesrat vorgeschlagene Kann-Formulierung in eine Muss-Formulierung geändert werden soll. Hatte der Ständerat dies zuvor deutlich abgelehnt, willigte er nun in eine Muss-Formulierung ein, zumal 22 von 26 Kantonen bereits solche Einschränkungen kennen würden.
Die grossen Differenzen der Vorlage blieben jedoch auch nach der ständerätlichen Behandlung bestehen. So konnte die SGK-SR in Rücksprache mit den Kantonen dem neuen nationalrätlichen Vorschlag zur Rollenverteilung zwischen Krankenversicherungen und Kantonen nichts abgewinnen. Die grössere Rolle, die der Nationalrat den Krankenversicherungen bei der Frage zur Aufsicht über die Qualität und Wirtschaftlichkeit habe zukommen lassen wollen, beanspruchten die Kantone sowie die GDK für sich, betonte Bischof. Sie erachteten diesen Vorschlag als «Casus Belli». Die Kommission habe daher einstimmig beschlossen, an ihrer Position festzuhalten und die Sanktionsmöglichkeiten bei Verstössen gegen die Qualitätsauflagen auch bei den kantonalen Behörden zu belassen. Stillschweigend stimmte der Ständerat dem Antrag auf Festhalten seiner Kommission zu.
Auch einen zwingenden Zulassungsstopp bei einem überdurchschnittlichen Kostenanstieg in einem medizinischen Fachgebiet lehnte der Ständerat ab. Ein solcher würde die Zahl der Spezialisten in den Städten reduzieren, tatsächlich könne er aber auch zu Versorgungsproblemen bei Kinderärzten führen, kritisierte Bischof. So dürfte ein Kanton, der über zu wenige Kinderärzte verfügt, keine solchen mehr einstellen, wenn dies zu Kostensteigerungen gegenüber dem Vorjahr führen würde.
Des Weiteren lehnte der Ständerat die Ausweitung des Beschwerderechts für die Krankenversicherungen gegenüber Beschlüssen der Kantonsregierungen bezüglich der Bandbreiten und Höchstzahlen zugelassener Ärztinnen und Ärzte ab. Damit riskiere man eine Blockade des Systems, befürchtete Bundesrat Berset. Auch diesen Punkt erachte die GDK zudem als Kampfansage an die Kantone, welche die Regeln grösstenteils bereits umsetzten.
«Wahrscheinlich die wichtigste Differenz in der ganzen Vorlage», wie es der Kommissionssprecher formulierte, behandelte der Ständerat zum Schluss – die Verknüpfung der Vorlage mit der Einführung eines monistischen Finanzierungssystems für die Gesundheitsleistungen (EFAS). Die Kantone liessen sich ungern mit einer Verknüpfung unter Druck setzen, betonte Bischof. EFAS sei «eigentlich noch nirgends» und es brauche noch einige Zeit, damit ein Kompromiss zustande kommen könne. Die Inkraftsetzung der Zulassungsvorlage dulde jedoch keine Verzögerung mehr. Folglich hielt der Ständerat auch bei diesem Aspekt an seiner Position fest und lehnte eine Verknüpfung mit EFAS weiterhin ab.

KVG. Zulassung von Leistungserbringern (BRG 18.047)
Dossier: Zulassungsbeschränkung für Ärztinnen und Ärzte (seit 1998)

Im November 2019 unterbreitete der Bundesrat dem Parlament die Botschaft zur Modernisierung der Aufsicht in der 1. Säule und Optimierung der Aufsicht in der 2. Säule der Alters-, Hinterlassenen- und Invalidenvorsorge. Bezüglich der 1. Säule sollte die risikoorientierte Aufsicht mittels modernen Führungs- und Kontrollinstrumenten bei den Durchführungsstellen und einer Präzisierung der Aufgaben und Zuständigkeiten der Aufsichtsbehörde verstärkt werden; die Good Governance durch neue Bestimmungen zu Unabhängigkeit, Integrität und Transparenz gewährleistet und die Stabilität, die Informationssicherheit und der Datenschutz der Informationssysteme sichergestellt werden. Bezüglich der 2. Säule sah die Revision nach dem Inkrafttreten der Strukturreform einzelne, gezielte Verbesserungen vor, unter anderem die Präzisierung der Aufgaben von Expertinnen und Experten und die Sicherstellung der Unabhängigkeit regionaler Aufsichtsbehörden.
Im Vergleich zur Vernehmlassungsversion nahm der Bundesrat verschiedene Anpassungen vor; beliess aber auch zahlreiche kritisierte Massnahmen. Unter anderem strich er die stark kritisierte Steuerung der Ausgleichskassen über Ziele und Messgrössen aus der Vorlage; dennoch soll die Aufsichtsbehörde einer Ausgleichskasse im Einzelfall Vorgaben machen dürfen. Auch die Möglichkeit der Aufsichtsbehörde, eine Ersatzvornahme durchzuführen, also eine nötige Handlung auf Kosten der Verpflichteten auf einen Dritten zu übertragen, entfernte er aus der Vorlage; nicht aber die Weisungsbefugnis der Aufsichtsbehörde im Einzelfall oder die Möglichkeit für diese, ergänzende Revisionen durchzuführen – diese seien bereits Teil des geltenden Rechts. Auch die heutige Organisationsstruktur behielt der Bundesrat bei, obwohl sich unter anderem die Kantone eine striktere Trennung zwischen Durchführung und Aufsicht erhofft hatten. Kritisiert wurde zudem einmal mehr die Weisungsbefugnis der OAK BV, dieses Mal in Bezug auf die Übernahme von Rentnerbeständen, weshalb der Bundesrat die entsprechende Bestimmung präzisierte und die Weisungsbefugnis durch eine Verordnungskompetenz des Bundesrates ersetzte.

Aufsicht in der 1. Säule (BRG 19.080)

Der Form halber musste in der Herbstsession 2019 abschliessend noch der Ständerat darüber entscheiden, ob das Bundesratsgeschäft zu den bei den EL anrechenbaren Mietzinsmaxima abgeschrieben werden soll oder nicht. Nachdem dieses Anliegen in die Ergänzungsleistungsreform aufgenommen und dort behandelt worden war, sprach sich nach dem Nationalrat auch der Ständerat auf Antrag seiner Kommission stillschweigend für die Abschreibung aus.

Das Parlament behandelt eine Teilrevision des Bundesgesetzes über Ergänzungsleistungen ELG bezüglich der anrechenbaren Mietzinse (14.098)
Dossier: Revisionen des ELG bezüglich Mietzinsmaxima

Im Mittelpunkt der Revision des KVG bezüglich der Zulassung von Leistungserbringenden in der Herbstsession 2019 durch den Nationalrat stand ein Rückkommensantrag der SGK-NR, der von ihrer ständerätlichen Schwesterkommission gutgeheissen worden war. Sowohl Nationalrat als auch Ständerat hatten in der ersten Behandlungsrunde den bundesrätlichen Vorschlag zur Schaffung von Auflagen für die Leistungserbringenden in Bezug auf die Wirtschaftlichkeit und die Qualität durch die Aufsichtsbehörde gutgeheissen. Damit habe man gemäss Kommissionssprecherin Ruth Humbel (cvp, AG) jedoch Koordinationsprobleme mit der Vorlage «Steigerung von Qualität und Wirtschaftlichkeit» und Zuständigkeitskonflikte zwischen Kantonen und Tarifpartnern geschaffen. Gemäss letzterer Vorlage sei der Bund für die Regulierung der Krankenversicherungen und die Tarifpartner für die Durchführung von Qualitätskontrollen zuständig. Statt den Kantonen mit der Zulassungsvorlage nun ebenfalls noch Kontrollaufgaben und somit eine zusätzliche Aufsichts- und Sanktionierungskompetenz zu geben, sollten sie ausschliesslich für die gesundheitspolitische Zulassung von Ärztinnen und Ärzten sowie für deren Zulassung zur OKP zuständig sein, während die Wirtschaftlichkeits- und Kosteneffizienzprüfung durch die Tarifpartner erfolgen solle. Dagegen wehrte sich eine Minderheit Heim (sp, SO) heftig. Barbara Gysi (sp, NR) betonte für die SP-Fraktion, dass diese Änderung aufgrund eines Rechtsgutachtens und des Lobbyings von Curafutura eingereicht worden sei. «Dieses Rückkommen ist nichts anderes als der Versuch, einen Teil der Macht – die Sanktionsmöglichkeiten, den Einfluss und die Steuerungsmöglichkeiten – bei den Kantonen wieder zu streichen und ihn den Versicherungen zuzuschieben», kritisierte sie. Dies wecke die Gefahr, dass die Versicherungen die Qualität der Gesundheitsversorgung ihrem Kostendenken unterordneten. Wenn die Kantone zudem neu über die Zulassung der Leistungserbringenden entscheiden könnten, gemäss Verfassung für die Gesundheitsversorgung verantwortlich seien und diese zukünftig aufgrund von EFAS auch mitfinanzieren müssten, sollten sie auch die Umsetzung der Qualitätsvorgaben beaufsichtigen können. Zudem habe die Verwaltung den Koordinationsbedarf zwischen den zwei Vorlagen überprüft und in Abklärung mit dem Bundesamt für Justiz kleinere Ergänzungen vorgeschlagen. Auch Bundesrat Berset erachtete diese vorgeschlagenen kleineren Korrekturen als ausreichend, um die entsprechenden Koordinationsprobleme zu beheben. Dennoch sprach sich der Rat – bei 27 nicht teilnehmenden Personen – mit 122 zu 49 Stimmen für die Änderung aus. Die ablehnenden Stimmen stammten von der SP- und Grünen-Fraktion sowie von Roger Golay vom MCG und Marianne Streiff-Feller und Nik Gugger von der EVP.
Auch die weiteren Punkte der Reform wurden hitzig diskutiert. Bei der Frage, ob die Kantone Zulassungsbeschränkungen einführen müssen oder können, sprachen sich ausser der FDP-Fraktion und Angelo Barrile (sp, ZH) und vereinzelten Enthaltungen alle Ratsmitglieder für eine entsprechende Pflicht für die Kantone aus (146 zu 30 Stimmen bei 4 Enthaltungen). Bei der freiwilligen Möglichkeit auf Vertragsfreiheit, die der Nationalrat eingeführt, der Ständerat aber deutlich abgelehnt hatte, folgte die grosse Kammer mit 135 zu 41 Stimmen (bei 6 Enthaltungen) ihrer Kommissionsmehrheit und lenkte gegenüber dem Ständerat ein. Eine Mehrheit der FDP-Liberalen-Fraktion und eine Minderheit der SVP-Fraktion hatte hier auf Festhalten plädiert. Nicht einlenken wollte der Nationalrat hingegen beim Beschwerderecht für die Versicherungen und die Versicherungsverbände bezüglich der Ärztehöchstzahlen; dieses bestätigte er mit 131 zu 52 Stimmen gegen den Widerstand von SP- und Grünen-Fraktion sowie von Roger Golay. Mit 123 zu 53 Stimmen hielt die grosse Kammer schliesslich auch trotz kritischer Stimmen des Gesundheitsministers und von linker Ratsseite an der Verbindung dieser Zulassungsvorlage mit EFAS fest. Die Verbindung diene dazu, dass «Efas die Räte und das Referendum erfolgreich übersteht», erklärte Kommissionssprecherin Humbel.

KVG. Zulassung von Leistungserbringern (BRG 18.047)
Dossier: Zulassungsbeschränkung für Ärztinnen und Ärzte (seit 1998)

Zwischen April und Juli 2017 fand die Vernehmlassung zur Änderung des AHVG zur Modernisierung der Aufsicht in der 1. Säule und Optimierung in der 2. Säule der Alters-, Hinterlassenen- und Invalidenvorsorge statt. 73 Organisationen, darunter alle Kantone sowie die KdK, vier in der Bundesversammlung vertretene Parteien sowie verschiedene Verbände der Wirtschaft, Fachverbände oder Durchführungsstellen, beteiligten sich an der Vernehmlassung, wie das BSV in seinem erst im August 2019 erschienenen Ergebnisbericht zur Vernehmlassung erklärte. Der Bundesrat definierte in seiner Botschaft vier Hauptpunkte der Revision: die risiko- und wirkungsorientierte Aufsicht, die Verbesserung der Governance in der 1. Säule, die Steuerung und Aufsicht über Informationssysteme und die punktuelle Optimierung der 2. Säule.
9 Kantone unterstützten die Änderungen zur 1. Säule grundsätzlich; 14 weitere Kantone fürchteten trotz ihrer eigentlichen Zustimmung um die kostengünstige Durchführung der Aufsicht. Die SP – und mit ihr der SGB und Travail.Suisse – hielt eine Anpassung des Systems insgesamt für angemessen, die CVP befürwortete eine Beschränkung der Gesetzesänderung auf alle Aspekte zur Modernisierung der Aufsicht. Die FDP und die SVP lehnten die Änderung ab, da sie punktuelle Korrekturen bevorzugen würden und die Kosten der Revision fürchteten. Letztere Ansicht teilten auch der Arbeitgeberverband und der Bauernverband, Centre Patronal und FER. Die Vorsorge- und Versicherungseinrichtungen forderten insbesondere eine Beibehaltung des bisherigen, dezentralen Systems. Zahlreiche unterschiedliche Organisationen (verschiedene Kantone, die FDP oder Mitglieder des SGV) kritisierten überdies die starke Konzentration der Vorlage auf operative Fragen. Grösstenteils auf Zustimmung stiessen hingegen die Massnahmen in der 2. Säule.

Aufsicht in der 1. Säule (BRG 19.080)

Dadurch dass das Parlament die Anträge des Bundesrates zur anrechenbaren Mietzinsmaxima in die Ergänzungsleistungsreform aufgenommen hatte, war der entsprechende Gesetzesentwurf gegenstandslos geworden. Aus diesem Grund beantragte die SGK-NR dem Nationalrat in ihrem Kommissionsbericht im Mai 2019 die Abschreibung des Geschäfts.
Diskussionslos und stillschweigend folgte der Nationalrat dem Kommissionsantrag und schrieb die Vorlage in der Sommersession 2019 ab.

Das Parlament behandelt eine Teilrevision des Bundesgesetzes über Ergänzungsleistungen ELG bezüglich der anrechenbaren Mietzinse (14.098)
Dossier: Revisionen des ELG bezüglich Mietzinsmaxima

In der Sommersession 2019 bereinigte das Parlament die Differenzen in der Revision des Allgemeinen Teils des Sozialversicherungsrechts (ATSG). Der Ständerat beharrte nicht auf seiner Formulierung der «angemessenen Mehrkosten», sondern stimmte zu, dass die Versicherungsträger – wie vom Nationalrat gewünscht – die durch Observationen bei unrechtmässigem Leistungsbezug entstandenen «Mehrkosten» den Versicherten auferlegen können. Durch das Prinzip der Verhältnismässigkeit in der Bundesverfassung sei bereits garantiert, dass nur die «angemessenen» Mehrkosten verlangt werden könnten, erklärte die SGK-SR. Nach der Erklärung von Kommissionssprecher Hans Stöckli (sp, BE), wonach die Leistungen der IV Personen im Strafvollzug weiter ausbezahlt werden sollten, weil es eben auch Modelle wie die Halbgefangenschaft gebe, bei denen Personen weiterhin arbeiten könnten und folglich auf die IV angewiesen seien, hielt der Ständerat diesbezüglich an seiner Entscheidung fest. Auf Antrag der SGK-NR stimmte der Nationalrat dieser Entscheidung zwei Tage später zu und bereinigte somit die letzte Differenz der Vorlage. Mit 143 zu 53 Stimmen (0 Enthaltungen) respektive 41 zu 0 Stimmen (bei 3 Enthaltungen) nahm das Parlament die Revision des ATSG in den Schlussabstimmungen an.

Revision des Allgemeinen Teils des Sozialversicherungsrechts (BRG 18.029)
Dossier: Überwachung von Versicherten (2016-2019)

In der Sommersession 2019 behandelte der Ständerat als Zweitrat die Bundesratsvorlage zur Zulassung von Leistungserbringenden. Der Rat beschloss Eintreten ohne Gegenantrag und schuf in der Folge einige Differenzen zum Nationalrat, zum Beispiel bezüglich des Ärzteregisters, das die grosse Kammer eingefügt hatte. Hans Stöckli (sp, BE) erklärte für die Kommission, dass man dieses Register prinzipiell befürworte, weil es Transparenz schaffe und eine kostendämpfende Wirkung haben könnte. Man habe aber die Formulierungen zusammen mit dem Bundesamt für Justiz bereinigt. Hatte der Nationalrat zudem offen gelassen, wie die notwendigen Sprachfähigkeiten der angehenden Leistungserbringenden getestet werden sollen, ergänzte die SGK-SR die Vorlage um eine vergleichsweise detaillierte Regelung zu nötigen Sprachtests. Diese nahm der Ständerat mit 22 zu 17 Stimmen gegen eine Minderheit Berberat (sp, NE) an, die eine entsprechende Regelung im Rahmen einer Verordnung befürwortet hätte. Bezüglich der Beschränkung der Anzahl Ärztinnen und Ärzte entschied sich der Ständerat zudem gegen einen Antrag Hegglin (cvp, ZG), die Muss-Formulierung des Nationalrats der Kann-Formulierung des Bundesrates vorzuziehen. Die Situationen in den Kantonen seien zu unterschiedlich, als dass man alle Kantone zur Einschränkung der Ärztezahl verpflichten könne, erklärte Stöckli. Auch die Lockerung des Vertragszwangs, das Beschwerderecht bezüglich Ärztehöchstzahlen für die Versicherer oder die Versichererverbände sowie die Verknüpfung der Vorlage mit EFAS lehnte der Rat ab. In der Gesamtabstimmung sprach sich der Ständerat mit 33 zu 0 Stimmen bei 4 Enthaltungen für die so veränderte Vorlage aus.

KVG. Zulassung von Leistungserbringern (BRG 18.047)
Dossier: Zulassungsbeschränkung für Ärztinnen und Ärzte (seit 1998)

In der Frühjahrssession 2019 beriet der Nationalrat die Revision des Allgemeinen Teils des Sozialversicherungsrechts (ATSG) und hatte eingangs einen Rückweisungsantrag von Silvia Schenker (sp, BS) zu klären. Da das ATSG generell in allen Sozialversicherungszweigen ausser der beruflichen Vorsorge zur Anwendung komme, hätten die Entscheidungen zu diesem eine Hebelwirkung, betonte sie. Die Vorlage sei aber sehr einseitig auf die Missbrauchsbekämpfung ausgerichtet, führe zu einschneidenden Verschlechterungen für die Betroffenen und beschneide die Rechte der Versicherten in Verfahren. Zudem fehle die Koordination mit den übrigen, bisher beschlossenen Missbrauchsmassnahmen – ein entsprechender Gesamtplan sei nicht vorhanden. Mit 133 zu 51 Stimmen sprach sich der Nationalrat gegen den Willen der SP- und der Grünen-Fraktion für Eintreten aus. In der Folge reichte Silvia Schenker eine Reihe von Minderheitsanträgen ein: Sie verlangte eine Streichung der engeren Frist für die Rückforderungsansprüche der Versicherten, da diese gemäss Behindertenverbänden für die Versicherer bereits jetzt sehr grosszügig sei. Sie wehrte sich gegen die Schaffung einer Kostenpflicht bei den Verfahren, da die Einführung einer solchen bei der IV gezeigt habe, dass die Anzahl Beschwerden dadurch nicht sinke. Stattdessen steige die Arbeit für die Gerichte, weil dadurch mehr Anträge auf unentgeltliche Rechtspflege eingereicht würden. Zudem lehnte sie die Schaffung einer Möglichkeit für eine vorsorgliche Einstellung von Leistungen ab, wenn eine Person die Meldepflicht verletzt, einer Lebens- oder Zivilstandskontrolle nicht fristgerecht nachkommt oder ein begründeter Verdacht auf unrechtmässig bezogene Leistungen besteht. Unter anderem sei unklar, wann ein begründeter Verdacht vorliege – wie auch die Diskussion in der Kommission gezeigt habe. Auf ihr Argument, dass diese Regelung viele Härtefalle schaffe, entgegnete Gesundheitsminister Berset, dass das Interesse der Versicherer, Verfahren und grosse Schadensrisiken zu vermeiden, Vorrang vor dem Interesse der Versicherten habe, nicht in eine vorübergehende Notlage zu geraten. Alle Minderheitsanträge fanden ausschliesslich bei der SP- und der Grünen-Fraktion Anklang und wurden folglich vom Nationalrat abgelehnt.
Angenommen wurde hingegen ein Minderheitsantrag von Thomas Aeschi (svp, ZG), mit dem die Kann-Bestimmung zur Einstellung von Geldzahlungen mit Erwerbscharakter während des Strafvollzugs zu einer Muss-Bestimmung geändert wurde. Umstritten war ansonsten nur noch die Frage, wie genau die Regelung zur Auferlegung der Kosten für Observationen beim Bezug von Versicherungsleistungen aufgrund von unwahren Angaben ausgestaltet werden sollte. Silvia Schenker wollte die Auferlegung der Kosten auf «wissentlich unwahre Angaben» beschränken oder – wenn möglich – den Absatz ganz streichen. Bea Heim (sp, SO) beantragte eine Beschränkung der Klausel auf die Auferlegung «angemessener Mehrkosten» und Thomas Aeschi wollte auch hier die Kann- in eine Muss-Formulierung umwandeln. In der Folge setzte sich jedoch die Version der Kommission durch, wodurch der Rat eine Differenz zum Ständerat schuf, der die Klausel, wie von Bea Heim vorgeschlagen, auf «angemessene Mehrkosten» beschränkt hatte.

Revision des Allgemeinen Teils des Sozialversicherungsrechts (BRG 18.029)
Dossier: Überwachung von Versicherten (2016-2019)

Auch in der letzten Runde des Differenzbereinigungsverfahrens zur Revision der Ergänzungsleistungen, die in der Frühjahrssession 2019 stattfand, konnte der Nationalrat nicht alle verbliebenen Differenzen bereinigen. Zwar strich er mit einer knappen Mehrheit von 94 zu 91 Stimmen gegen den Willen der Mehrheiten der SVP- und der FDP-Fraktion sowie von Minderheiten der CVP/EVP- und der BDP-Fraktion die Kürzung der Ergänzungsleistungen im Falle, dass die ausbezahlten Pensionskassengelder zuvor aufgebraucht worden sind, und folgte damit dem Ständerat. Stillschweigend lenkte er auf Antrag der Kommission auch bezüglich der anerkannten Abzüge bei Waisen oder Kindern mit Anspruch auf Kinderrenten ein: Hier werden die Abzüge zukünftig zwischen Kindern unter und ab 11 Jahren unterschieden. Nicht umstimmen liess sich die grosse Kammer jedoch bezüglich der Einführung einer Vermögensschwelle und gesicherter Darlehen für die die Vermögensschwelle übersteigenden Liegenschaften sowie bezüglich der Kürzung der Freibeträge auf dem Gesamtvermögen. Mit jeweils 128 zu 55 Stimmen (bei 1 respektive 2 Enthaltungen) entschied der Nationalrat diesbezüglich auf Festhalten. Diskussionslos bestätigte er auch die Möglichkeit, EL-Beiträge für Bewohnerinnen und Bewohner von Heimen und Spitälern direkt den Leistungserbringenden auszubezahlen.

Am 7. März fand die Einigungskonferenz statt. Diese folgte bezüglich der Vermögensschwelle dem Nationalrat, entschied aber, die von den Bezügerinnen und Bezügern selbst bewohnten Liegenschaften bei der Vermögensschwelle nicht zu berücksichtigen. Entsprechend konnte sie auch auf die Schaffung einer Möglichkeit für gesicherte Darlehen verzichten. Des Weiteren beinhaltete der Vorschlag der Einigungskonferenz die vom Nationalrat geforderte Bestimmung zur Auszahlung der Tagestaxen in Heimen und Spitälern an die Leistungserbringenden. Bei den anrechenbaren Einnahmen setzte sich der Ständerat durch. Der Nationalrat hatte hier darauf bestanden, die im Rahmen der Neuordnung der Pflegefinanzierung erfolgte Erhöhung der Vermögensfreibeträge rückgängig zu machen. Auch bei den Rückerstattungen der erhaltenen Leistungen durch allfällige Erbinnen und Erben übernahm die Konferenz die Version des Ständerats, der dem Nationalrat hier jedoch zuvor bereits entgegengekommen war: Zukünftig liegt der Freibetrag bei CHF 40'000.
Hätte die Version des Bundesrates im Jahr 2030 EL-Ausgaben in der Höhe von CHF 6.67 Mrd. mit sich gebracht, wurden diese durch die Änderungen des Parlaments um CHF 152 Mio. auf CHF 6.52 Mrd. reduziert. Die Einigungskonferenz segnete ihren Vorschlag mit 22 zu 0 Stimmen bei 4 Enthaltungen ab und auch in den Räten fand er weitgehend Anklang: Mit 39 zu 1 Stimme bei 4 Enthaltungen respektive 142 zu 0 Stimmen bei 54 Enthaltungen sprachen sich sowohl Stände- als auch Nationalrat für die Reform der Ergänzungsleistungen aus. Einzig Werner Hösli (svp, GL) als einziger Nein-Stimmender sowie die SP- und die Grünen-Fraktion zeigten sich nicht überzeugt von der Reform. Letztere enthielten sich in den Schlussabstimmungen – im Nationalrat vollständig, im Ständerat teilweise – ihrer Stimmen.

Reform der Ergänzungsleistungen (BRG 16.065)
Dossier: Revisionen des ELG bezüglich Mietzinsmaxima
Dossier: Die EL-Reform (2016-2019) und die dazu führenden Vorstösse