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Ende April 2022 kam das Referendum gegen die AHV21 zustande. Damit wurde an der Urne nicht nur über die Mehrwertsteuererhöhung um 0.4 Prozentpunkte respektive 0.1 Prozentpunkte und somit über eine Zusatzfinanzierung für die AHV von CHF 12.4 Mrd. bis 2032 abgestimmt – diese musste als Verfassungsänderung sowieso der Stimmbürgerschaft vorgelegt werden –, sondern auch über die übrigen Massnahmen des Reformprojekts. Dieses sah vor, das Rentenalter der Frauen in vier Schritten (2024 bis 2027) demjenigen der Männer anzupassen, wodurch die AHV bis 2032 CHF 9 Mrd. weniger ausgeben respektive mehr einnehmen sollte als bisher. Im Gegenzug sollten die ersten neun betroffenen Frauenjahrgänge Zuschläge zu ihren Renten oder günstigere Bedingungen beim Rentenvorbezug erhalten, die insgesamt CHF 2.8 Mrd. kosten sollten. Allgemein sollte der Start des Rentenbezugs flexibilisiert und neu zwischen 63 und 70 Jahren möglich werden – mit entsprechenden Abzügen und (teilweise) Gutschriften bei früherem oder späterem Bezug –, wobei die Rente nicht mehr nur vollständig, sondern auch teilweise bezogen werden kann. Dies würde bis 2032 etwa CHF 1.3 Mrd. kosten. Insgesamt könnten die AHV-Ausgaben bis ins Jahr 2032 um insgesamt CHF 4.9 Mrd. gesenkt werden.

Die Gegnerinnen und Gegner der AHV21-Reform wehrten sich vor allem gegen die Finanzierung der Reform auf dem «Buckel der Frauen» (Tages-Anzeiger), also durch die Erhöhung des Frauenrentenalters. Dadurch würde den Frauen faktisch die Rente gekürzt – ein Jahr weniger Rente entspreche CHF 26'000, rechnete das Referendumskomitee vor. Diese Reduktion würde noch nicht einmal für diejenigen Jahrgänge, welche Kompensationsmassnahmen erhielten, vollständig ausgeglichen. Besonders störend daran sei, dass Frauen noch immer einen deutlich geringeren Lohn für ihre Arbeit und einen Drittel weniger Rente als die Männer erhielten, während sie gleichzeitig sehr viel mehr unbezahlte Arbeit leisteten. Darüber hinaus erachtete die Gegnerschaft die Erhöhung des Frauenrentenalters auch als ersten Schritt hin zum Rentenalter 67, das sie jedoch unter anderem mit Verweis auf die schlechten Arbeitsmarktchancen älterer Arbeitnehmender sowie auf die Erhöhung der Langzeitarbeitslosigkeit und der Sozialhilfequote ablehnte. Schliesslich erachteten die Gegnerinnen und Gegner auch die aktuelle Situation der AHV als weniger gravierend als die Befürwortenden der Revision: Die AHV sei solide, werde aber immer durch dramatische Prognosen schlechtgeredet – diese seien bisher jedoch nie eingetroffen. Die Nein-Parole zu beiden AHV-Vorlagen gaben die SP, die Grünen, die PdA sowie die SD aus, sie wurden von den Gewerkschaften unterstützt.

Die Befürwortenden der Reform betonten, dass die AHV struktureller Reformen bedürfe, zumal sie ansonsten bereits in wenigen Jahren mehr ausgeben als einnehmen werde. Die AHV21-Reform führe durch Massnahmen sowohl auf Einnahmeseite – durch die Mehrwertsteuererhöhung – als auch auf Ausgabenseite – durch die Erhöhung des Frauenrentenalters – zu einer Verbesserung der AHV-Finanzen. Bezüglich des Arguments der Gegnerschaft, dass vor allem die Frauen für die Reform aufkommen müssten, verwiesen die Befürwortenden auf die «substanziellen Kompensationen», welche die Frauen der Übergangsgeneration erhielten. Zudem sei eine Rentenaltererhöhung der Frauen auf 65 Jahre gerechtfertigt, da sie einerseits als Teil der Gleichstellung erachtet werden könne und da die grossen Rentenunterschiede andererseits nicht aus der AHV, sondern aus der beruflichen Vorsorge stammten. Im Gegenzug forderten jedoch auch verschiedene Mitglieder der Pro-Komitees Verbesserungen für die Frauen in der zweiten Säule, vor allem beim Koordinationsabzug, welcher gesenkt werden sollte. Die Ja-Parole zu beiden Vorlagen gaben die SVP, die FDP, die Mitte, die GLP, die EVP und die EDU sowie etwa Economiesuisse, der Arbeitgeberverband, der Gewerbeverband und der Bauernverband aus.

In der medialen Berichterstattung stand vor allem die Frage nach den Auswirkungen für die Frauen sowie der Fairness ihnen gegenüber im Mittelpunkt. Im Zentrum des Interesses stand dabei der Bund Schweizerischer Frauenorganisationen, Alliance f. So zeigten sich die im Verband organisierten Frauen öffentlich gespalten: Selbst der Vorstand des Verbands bestand aus Befürworterinnen und Gegnerinnen der AHV21. Alliance f sei in einer «delikate[n] Ausgangslage», betonten folglich etwa die AZ-Medien. Als Konsequenz gab der Verband Stimmfreigabe heraus und schuf zwei Frauenallianzkomitees, ein befürwortendes und ein ablehnendes. Damit wolle man sich trotz unterschiedlicher Positionen in die Diskussion einbringen und somit verhindern, dass die Männer die Debatte um das Frauenrentenalter dominierten, betonte etwa Co-Präsidentin von Alliance f und Präsidentin des befürwortenden Frauen-Komitees, Kathrin Bertschy (glp, BE).

Zusätzliche Aufmerksamkeit erhielt die AHV21-Abstimmung Ende Mai, als das BSV die neuen Finanzperspektiven der AHV herausgab. So war der Bundesrat in der Botschaft zur AHV21 im August 2019 von einem negativen Betriebsergebnis der AHV im Jahr 2030 von CHF 4.6. Mrd. ausgegangen. Im Juni 2021 hatte das BSV für 2030 ein Defizit von CHF 3.7 Mrd. prognostiziert, in den neusten Finanzperspektiven Ende Mai 2022 war hingegen nur noch von einem Defizit von CHF 1.8 Mrd. die Rede. Das BSV erklärte diese Veränderungen mit dem guten Betriebsergebnis des AHV-Ausgleichsfonds 2021 sowie mit einem stärkeren Beschäftigungs- und Reallohnwachstum als erwartet. Diese Entwicklung zeige auf, dass die AHV in einer «systematische[n] Angstmacherei zulasten der Bevölkerung» schlechtgeredet werde, liess der SGB verlauten. Die NZZ erachtete diese Zahlen trotz der Korrekturen noch immer als schlecht, «die AHV [werde] so oder so ins Minus» rutschen.

Im Juni 2022 entschied die SGK-SR, dass ihr Entwurf zur Pensionskassenreform BVG21 noch nicht reif für die Behandlung in der Herbstsession 2022 sei. Die Gegnerinnen und Gegner der AHV21-Reform sahen darin einen Versuch, kritische Debatten zur BVG21-Reform vor der Abstimmung über die AHV21 zu verhindern. Doch auch Befürwortende der AHV21-Reform störten sich an diesem Vorgehen der Kommission, zumal man bei einer Behandlung der BVG21-Reform den Frauen hätte zeigen wollen, dass man als Ausgleich zur Rentenaltererhöhung wie mehrfach versprochen ihre Pensionskassenrenten erhöhen werde.

Zu medialen Diskussionen führten in der Folge auch die Vorumfragen. Bereits Anfang Mai berichtete die SonntagsZeitung mit Verweis auf eine Umfrage des Marktforschungsinstituts Demoscope, welche gemäss SonntagsBlick von den Befürwortenden in Auftrag gegeben worden war, dass sich 62 Prozent der SP-Sympathisierenden und 59 Prozent der Sympathisierenden der Grünen für die AHV21 aussprechen wollten. Insgesamt machte die Studie eine Zustimmung zur AHV21 von 55 Prozent aus. Darob publizierte jedoch der SGB die Resultate einer eigenen, zuvor beim Forschungsinstitut Sotomo in Auftrag gegebenen Studie, gemäss welcher die Sympathisierenden der SP die AHV21 zu 63 Prozent ablehnten, während der durchschnittliche Ja-Stimmenanteil über alle Parteien hinweg bei 48 Prozent zu liegen kam. Die Diskussion darüber, wie verlässlich Studien sind, welche von den Befürwortenden respektive der Gegnerschaft einer Vorlage in Auftrag gegeben werden, währte in den Medien jedoch nicht lange. Ab August konzentrierte sich die mediale Debatte auf die Vorumfragen von SRG/gfs.bern und Tamedia/Leewas, welche auf eine mehr oder weniger deutliche Annahme der zwei Vorlagen hindeuteten (Mehrwertsteuererhöhung: zwischen 54 und 65 Prozent, AHVG: zwischen 52 und 64 Prozent). Vor allem zeichnete sich in den Vorumfragen aber bereits ein deutlicher Geschlechtergraben ab, so sprachen sich beispielsweise Anfang August 2022 in der ersten Tamedia-Umfrage 71 Prozent der Männer für die Änderung des AHVG und somit für die Erhöhung des Frauenrentenalters aus, während diese nur 36 Prozent der Frauen befürworteten.

Hatten die Vorumfragen letztlich doch eine relativ deutliche Annahme beider AHV21-Vorlagen in Aussicht gestellt, wurde es am Abstimmungssonntag für die Gesetzesänderung sehr eng: Mit 50.55 Prozent Ja-Stimmen und gut 31'000 Stimmen Unterschied sprach sich die Stimmbürgerschaft für Annahme der Reform aus. Deutlicher fiel das Verdikt für die Zusatzfinanzierung über eine Mehrwertsteuererhöhung aus (55.07%).


Abstimmung vom 25. September 2022

Änderung des Bundesgesetzes über die Alters- und Hinterlassenenversicherung (AHVG; AHV21)
Beteiligung: 52.2%
Ja: 1'442'591 Stimmen (50.5%)
Nein: 1'411'396 Stimmen (49.5%)

Bundesbeschluss über die Zusatzfinanzierung der AHV durch eine Erhöhung der Mehrwertsteuer
Beteiligung: 52.2%
Ja: 1'570'813 Stimmen (55.1%)
Nein: 1'281'447 Stimmen (44.9%)

Parolen:
-Ja: SVP, FDP, Mitte, GLP, EVP, EDU; Economiesuisse, SAV, SBV, SGV
-Nein: SP, GPS, PdA, SD; SGB, Travail.Suisse, VPOD
* in Klammern Anzahl abweichender Kantonalsektionen


«Männer haben Frauen überstimmt», titelte in der Folge der «Blick», von einem «eklatante[n] Geschlechtergraben, wie es ihn noch nie gegeben hat», sprach die WOZ. In der Tat zeigten verschiedene Nachbefragungen einen grossen Zustimmungsunterschied zwischen Frauen und Männern. In der Vox-Analyse lag die Zustimmung zur Gesetzesänderung bei den Frauen im Schnitt bei 38 Prozent, bei den Männern bei 64 Prozent – wobei die direktbetroffenen Frauen unter 65 Jahren der Vorlage nur mit 25 Prozent (18-39 Jährige) respektive mit 29 Prozent (40-64 Jährige) zustimmten, die Frauen im Rentenalter hingegen mit 63 Prozent. In der Folge kam es in Bern und anderen Städten zu Demonstrationen, in denen Teile der Gegnerinnen der Vorlage ihre Wut über das Ergebnis ausdrückten. In einer Rede zeigte sich Tamara Funiciello (sp, BE) gemäss Medien empört darüber, dass «alte, reiche Männer» entschieden hätten, dass «Kita-Mitarbeiterinnen, Nannys, Reinigungskräfte und Pflegefachfrauen» länger arbeiten müssten. Dies führte im Gegenzug zu Unmut bei Vertreterinnen und Vertretern der bürgerlichen Parteien, welche kritisierten, dass «die Linke» den Stimmentscheid nicht akzeptieren wolle. Zudem sprach Regine Sauter (fdp, ZH) Funiciello die Berechtigung ab, im Namen aller Frauen zu sprechen, zumal Frauen keine homogene Masse bildeten. Funiciello hingegen betonte gemäss Tages-Anzeiger, dass es «für Verbesserungen [...] den Druck von der Strasse und den Dialog im Bundeshaus» brauche.

Doch nicht nur zwischen den Geschlechtern, auch zwischen den Sprachregionen zeigten sich bereits am Abstimmungssonntag grosse Unterschiede. Sämtliche mehrheitlich romanischsprachigen Kantone lehnten die Reform ab, allen voran die Kantone Jura (29% Ja-Stimmen), Neuenburg (35%) und Genf (37%), während sich nur drei deutschsprachige Kantone mehrheitlich gegen die Reform des AHV-Gesetzes aussprachen (Basel-Stadt: 47% Zustimmung; Solothurn: 49.8%, Schaffhausen: 50.0%). Die höchste Zustimmung fand sich in den Kantonen Zug (65%), Nidwalden (65%) und Appenzell-Innerrhoden (64%). «Die Deutschschweiz sichert die AHV», bilanzierte folglich etwa die NZZ, während SGB-Präsident und Nationalrat Maillard (sp, VD) die Unterschiede zwischen den Sprachregionen kritisierte, neben dem Geschlechtergraben und dem Sprachgraben aber auch einen Einkommensgraben ausmachte. Diese Ergebnisse bestätigte später auch die Vox-Analyse, welche für Personen mit Haushaltseinkommen unter monatlich CHF 3'000 eine deutlich tiefere Zustimmung zur Gesetzesänderung ermittelte als für Personen mit höheren Haushaltseinkommen (unter CHF 3'000: 32%; CHF 3'000-5'000: 49%, CHF 5'000-9'000: 52%, CHF 9'000-11'000: 59%, CHF über 11'000: 60%). Dieselben Unterschiede waren jeweils auch bei der Mehrwertsteuererhöhung erkennbar, wenn auch in geringerem Ausmass.

Als Motive für ihren Stimmentscheid machte die Vox-Analyse bei den Befürwortenden die Notwendigkeit zur Stabilisierung der AHV aus – sowohl bei der Gesetzesänderung (41%) als auch bei der Mehrwertsteuererhöhung (64%) wurde dieser Punkt häufig genannt. Zusätzlich erachteten aber die Befürwortenden die Gesetzesänderung – also wohl vor allem die Rentenaltererhöhung – auch als Schritt hin zur Gleichberechtigung (45%). Die Gegnerinnen und Gegner erachteten sowohl die Gesetzesänderung als ungerecht (84%), insbesondere im Hinblick auf die Lohnungleichheit zwischen Frauen und Männern, als auch auf die Mehrwertsteuererhöhung (46%), die vor allem einkommensschwache Personen treffe und allgemein ein «schlechtes Finanzierungsmittel» (Vox-Analyse) darstelle.

Bereits am Tag nach der Volksabstimmung zur AHV21 schwenkte das mediale Interesse weg von der Reform der AHV hin zur BVG21-Reform. Denn nicht nur die Gegnerinnen und Gegner der AHV21-Reform, sondern auch weite Teile der Befürwortenden wiesen auf die Verpflichtung oder gar das «Versprechen» (AZ) hin, die mit dieser Annahme der Reform einhergingen: Im Gegenzug müsse das Bundesparlament die Benachteiligung der Frauen bei der Altersvorsorge im Rahmen der anstehenden BVG21-Reform korrigieren.

Reform «Stabilisierung der AHV (AHV 21)» (BRG 19.050)
Dossier: Debatten um das Frauenrentenalter
Dossier: Erhöhung des Rentenalters

Ende April 2022 gab die Bundeskanzlei bekannt, dass das Referendum gegen die AHV-21-Reform zustande gekommen ist. Das Referendumskomitee «Referendum AHV 21» unter der Federführung der SP hatte 124'337 Unterschriften eingereicht – zeitweise war gar von über 150'000 gesammelten Unterschriften die Rede –, 53'791 davon mit Stimmrechtsbescheinigung, obwohl dies Corona-bedingt gar nicht nötig gewesen wäre. Da 53'209 beglaubigte Unterschriften gültig waren, verzichtete die Bundeskanzlei auf die Beglaubigung weiterer Unterschriften. Somit wird es im September 2022 zur Abstimmung über die Änderung des AHV-Gesetzes sowie über die Erhöhung der Mehrwertsteuer zugunsten der AHV kommen. Letztere war nicht Gegenstand des fakultativen Referendums, da die Erhöhung der Mehrwertsteuer eine Verfassungsänderung bedingt, die dem obligatorischen Referendum unterliegt. Zwar kann an der Urne über beide Teilaspekte der Revision einzeln abgestimmt werden, in Kraft treten sie jedoch aufgrund einer entsprechenden von Bundesrat und Parlament erlassenen Bestimmung nur, wenn beide angenommen werden.

Reform «Stabilisierung der AHV (AHV 21)» (BRG 19.050)
Dossier: Debatten um das Frauenrentenalter
Dossier: Erhöhung des Rentenalters

In der Wintersession 2021 setzte sich das Parlament nochmals ausgiebig mit der AHV-21-Reform auseinander und bereinigte diese. Bevor der Nationalrat aber die Details der Reform besprechen konnte, musste er sich mit einer grundsätzlicheren Frage auseinandersetzen. So verlangte eine Minderheit Mettler (glp, BE) eine Rückweisung der Vorlage an die Kommission und eine Verknüpfung der Inkraftsetzung der AHV-21- mit derjenigen der BVG-21-Reform, deren Beratung das Parlament in der Wintersession 2021 ebenfalls aufnahm. Eine Verknüpfung sei nötig, weil eine Anpassung des Frauenrentenalters an dasjenige der Männer eine Senkung des Koordinationsabzugs im BVG voraussetze, betonte Melanie Mettler. Eine gleich lange Arbeitszeit für Frauen und Männer bedinge demnach «eine gleich gute Versicherung ihrer Einkommen». Dieser Antrag stiess jedoch nur in der GLP-, bei Teilen der SP- sowie bei einzelnen Mitgliedern der Grünen-Fraktion auf Zustimmung; er wurde mit 136 zu 28 Stimmen (bei 29 Enthaltungen) abgelehnt. Barbara Gysi (sp, SG) etwa erachtete eine solche Verknüpfung als gefährlich, da man zum Zeitpunkt der anvisierten Referendumsabstimmung zur AHV 21 noch nicht wisse, «wie die BVG-Revision herauskommt». Zentral sei stattdessen eine Verhinderung der Rentenaltererhöhung. Auch die Mitglieder der anderen Parteien lehnten eine Verknüpfung der zwei Vorlagen unter anderem mit Verweis auf die kritischen Voten zum Einbezug beider Säulen in die Altersvorsorge 2020 ab.

In der Detailberatung war vor allem noch die Frage nach dem Modell der Ausgleichsmassnahmen für direkt betroffene Frauenjahrgänge offen. In beiden Räten waren zuvor zahlreiche unterschiedliche Modelle diskutiert worden, zuletzt hatte sich der Ständerat für eine Kombination der verschiedenen Modelle ausgesprochen, gemäss der die Frauen aus neun betroffenen Jahrgängen Rentenzuschläge erhalten sollen, die nach Jahrgängen und nach Einkommen abgestuft werden. Zudem wollte der Ständerat den betroffenen Frauen als Alternative zu den höheren Rentenzuschlägen keine tieferen Kürzungssätze bei Rentenvorbezug anbieten, wie es der Bundesrat und der Nationalrat beabsichtigt hatten.
Die Mehrheit der SGK-NR schlug nun vor, dem Ständerat zwar bezüglich des Modells der Rentenzuschläge und der betroffenen neun Jahrgänge zu folgen, die Zuschläge jedoch für sämtliche Kategorien deutlich zu reduzieren. Im Gegenzug bestand die Kommissionsmehrheit auf den reduzierten Kürzungssätzen bei Rentenvorbezug, erhöhte diese aber quasi als Kompromissvorschlag im Vergleich zu ihrem ersten Vorschlag deutlich. Ein «zielgerichteteres» Modell wollte eine Minderheit Sauter (fdp, ZH) einführen: Mit diesem bliebe zwar das Kompensationsvolumen gegenüber der Mehrheit gleich, jedoch würden nur sieben Jahrgänge vom Rentenzuschlag profitieren, während die Kürzungssätze im Gegenzug nicht erhöht würden. Damit könnten sich gerade auch Frauen mit tieferen Einkommen eine Frühpensionierung eher leisten, bewarb die Minderheitensprecherin das Modell. Zudem sollten die Zuschläge dadurch die Maximalrente oder den Ehepaarplafond nicht übersteigen können, womit ein «grobe[r] Systemfehler» behoben werden könne. Damit werde jedoch ein Rentenvorbezug attraktiver, was man eigentlich habe verhindern wollen, kritisierte etwa Ruth Humbel (mitte, AG) den Vorschlag der Minderheit. In der Folge entschied sich der Nationalrat mit 167 zu 28 Stimmen, seiner Kommissionsmehrheit zu folgen, wobei einzig die FDP.Liberale-Fraktion den Minderheitsantrag unterstützte.
Damit hatte das Parlament auch bezüglich der Ausgleichsmassnahmen einen Grundsatzentscheid gefällt. In den folgenden Behandlungsrunden bemühten sich die Räte um einen Kompromiss bei der konkreten Ausgestaltung der Regelung. So lenkte der Ständerat in der Folge zwar bezüglich der Schaffung einer Wahlmöglichkeit zwischen einem Rentenzuschlag und einer Reduktion der Kürzungssätze bei Vorbezug ein. Er schlug aber gleichzeitig eine Erhöhung der vom Nationalrat stark gekürzten Rentenzuschläge sowie der vom Nationalrat bereits leicht erhöhten Kürzungssätze vor. Mit diesem Kompromiss zeigte sich der Nationalrat in der Folge einverstanden, womit die Ausgestaltung der Ausgleichsmassnahmen noch vor der Einigungskonferenz beschlossen werden konnte.

Offen waren zu Beginn der Wintersession auch die vom Nationalrat eingebrachte Zusatzfinanzierung der AHV durch die Nationalbank sowie die Frage, ab wann Hilflosenentschädigungen ausgesprochen werden sollen. Bei der ersten Differenz waren die Meinungen in den Räten gemacht, wobei der Ständerat am längeren Hebel sass: Dadurch, dass er zweimal auf Eintreten auf den entsprechenden Bundesbeschluss verzichtete, verunmöglichte er die Weiterverfolgung dieser durch den Nationalrat eingebrachten Idee – zumindest im Rahmen der aktuellen AHV-Revision, denn ein ähnliches Ziel verfolgte auch eine zum damaligen Zeitpunkt noch hängige Kommissionsinitiative (Pa.Iv. 20.432). Bezüglich der Hilflosenentschädigungen einigten sich die Räte auf einen Kompromissvorschlag: Anstelle der Dauer eines Jahres, in welcher eine Hilflosigkeit bisher zum Anspruch auf Hilflosenentschädigung vorliegen musste, sollte neu nur noch eine sechsmonatige Hilflosigkeit nötig sein.

Bis zum Schluss keine Einigkeit zwischen den Räten gab es bei der Frage, ob die Rentenzuschläge bei den EL als Einnahmen angerechnet werden sollen oder nicht. Der Nationalrat wollte die Rentenzuschläge von der EL-Berechnung ausnehmen, damit auch Frauen, die EL beziehen, davon profitieren können. Im Ständerat wurde hingegen argumentiert, dass eine solche Regelung dem Grundprinzip der EL widerspreche und deshalb abzulehnen sei, wie beispielsweise Kommissionssprecher Ettlin (mitte, OW) erläuterte. Die Einigungskonferenz entschied sich mit 17 zu 8 Stimmen für den nationalrätlichen Vorschlag, woraufhin die grosse Kammer ihren Antrag mit 121 zu 61 Stimmen annahm. Mit den Mitgliedern der SP- und der Grünen-Fraktion sprachen sich indes genau diejenigen Personen gegen diese Ausnahme bei den EL aus, welche diese zuvor am häufigsten gefordert hatten. Diese Ablehnung zielte wohl aber eher auf die Revision an sich und nicht auf die Regelung bezüglich der EL. Auch der Ständerat nahm den Vorschlag der Einigungskonferenz mit 31 zu 10 Stimmen (bei 3 Enthaltungen) an. Kommissionssprecher Ettlin hatte zuvor betont, dass man ob dieser Bestimmung nicht die ganze, sehr wichtige Reform gefährden wolle.

Damit standen die Schlussabstimmungen zur AHV-21-Reform an, wobei SGK-NR-Sprecher de Courten (svp, BL) das Ergebnis der parlamentarischen Debatte nochmals zusammenfasste: Durch die Frauenrentenaltererhöhung auf 65 Jahre und die Mehrwertsteuererhöhung könnten bei der AHV jährlich CHF 1.4 Mrd. gespart werden, wovon CHF 130 Mio. für Kürzungen beim Rentenvorbezug, CHF 534 Mio. als Ausgleichsmassnahmen für die Frauen und CHF 80 Mio. für die Reduktion der Karenzfrist bei der Hilflosenentschädigung gleich wieder eingesetzt würden. Mit den verbliebenen CHF 583 Mio. jährlich sollte der AHV-Fonds im Jahr 2030 ein Umlageergebnis von CHF -2,4 Mrd. und einen Fondsbestand von 89 Prozent aufweisen.
In den Schlussabstimmungen drohte den beiden Bundesbeschlüssen über die AHV-Revision und über die Zusatzfinanzierung durch eine Mehrwertsteuererhöhung schliesslich keine Gefahr mehr: Mit 125 zu 67 Stimmen (bei 1 Enthaltung) respektive 126 zu 40 Stimmen (bei 27 Enthaltungen) sprach sich der Nationalrat, mit 31 zu 12 Stimmen und 43 zu 0 Stimmen der Ständerat für die Revision aus. Die ablehnenden Stimmen und Enthaltungen stammten allesamt aus der SP- und der Grünen-Fraktion. Doch dass die AHV-21-Reform damit noch nicht vollständig abgeschlossen war, war zu diesem Zeitpunkt wohl den meisten klar: Die SP hatte bereits früh ein Referendum gegen die Rentenaltererhöhung der Frauen angekündigt und bekräftigte diese Absicht auch nach den Schlussabstimmungen gegenüber den Medien erneut.

Reform «Stabilisierung der AHV (AHV 21)» (BRG 19.050)
Dossier: Debatten um das Frauenrentenalter
Dossier: Erhöhung des Rentenalters

Kurz nachdem das Parlament die Schaffung der Überbrückungsleistungen verabschiedet hatte, gaben verschiedene SVP-Parlamentarierinnen und Parlamentarier aus Nationalrat, Ständerat und dem Zürcher Kantonsrat im Juli 2020 bekannt, dass sie als Komitee «Nein zur Entlassungsrente» das Referendum gegen die neue Sozialleistung ergreifen werden. Die ÜL überdecke die bestehenden Probleme, sie löse sie aber nicht, betonte etwa der Thurgauer Nationalrat Manuel Strupler (svp, TG). Es sei überdies ihre Pflicht, dem Volk diese Entscheidung zu ermöglichen, zumal die ÜL zur Bekämpfung der Begrenzungsinitiative im Schnellzugstempo geschaffen worden sei. Zudem stehe das Vorhaben der Erhöhung des Rentenalters «diametral entgegen», kritisierte Ständerat Jakob Stark (svp, TG). Das Gesetz setze falsche Anreize, ergänzte die Obwaldner Nationalrätin Monika Rüegger (svp, OW), da es dadurch zukünftig für die Unternehmen einfacher werde, ältere Leute zu entlassen. Anstelle der Überbrückungsrente forderte der Walliser Nationalrat Jean-Luc Addor (svp, VS) eine Begrenzung der Masseneinwanderung.
Die Medien berichteten des Weiteren, die SVP wolle sich nicht aktiv am Komitee beteiligen, da sie mit der Begrenzungsinitiative beschäftigt sei und anderen Referenden den Vorzug gebe. Im Oktober 2020 gab das Komitee bekannt, dass das Referendum gescheitert sei. Man habe 48'400 der nötigen 50'000 Unterschriften zusammenbekommen, wobei die Unterschriftensammlung durch die Corona-Massnahmen, z.B. durch die fehlenden Messen und Märkte, deutlich erschwert worden sei.

Überbrückungsleistung für ältere Arbeitslose (BRG 19.051)
Dossier: Ältere Arbeitnehmende

Die Abstimmung über das fakultative Referendum gegen die Teilrevision des Krankenversicherungsgesetzes (Managed Care) wurde auf den 17. Juni angesetzt. Im Vorfeld der Abstimmung wurde die Vorlage heiss diskutiert. Die SP stellte sich mehrheitlich gegen ihren Bundesrat Berset, der bekannt gab, Managed Care auch aus persönlicher Überzeugung zu unterstützen. Die Gewerkschaften folgten der SP. Auch die SVP und die BDP beschlossen die Nein-Parole, obwohl sich beide Parteien im Parlament noch für die Revision ausgesprochen hatten. Das Nein-Komitee argumentierte primär, die Vorlage schränke die freie Arztwahl ein. Dazu fördere sie eine Zweiklassenmedizin, bringe Qualitätseinbussen mit sich und führe, entgegen den Versprechen, nicht zu Kosteneinsparungen. Das Ja-Komitee setzte sich aus Vertretern der CVP, der FDP-Liberalen, der Grünliberalen, der EVP sowie des Konsumentenschutzes zusammen. Die Befürworter versprachen sich von Managed Care eine kostengünstigere und besser koordinierte Gesundheitsversorgung. Die Grünen beschlossen Stimmfreigabe. Die Ärzteschaft zeigte sich gespalten: Während die FMH in einer durch die Spezialärzte dominierten Urabstimmung beschloss, das Referendum zu unterstützen, sprach sich der Verband Hausärzte Schweiz für die Vorlage aus. Annahme empfahl auch die Konferenz der kantonalen Gesundheitsdirektoren. Ebenso uneinig waren sich die verschiedenen Patientenschutzorganisationen. Die Fronten im Abstimmungskampf waren denn auch unübersichtlich. Viele Kantonalparteien wichen von den Positionen ihrer eidgenössischen Mutterparteien ab und verschiedene Akteure wechselten während des Kampagnenverlaufs gar die Seite. Im Verlaufe der Abstimmungskampagne wurde immer deutlicher, dass die Unterstützung für Managed Care schwand. Nachdem auch ein Teil der bürgerlichen Parteien, welche die Revision im Parlament noch begrüsst hatten, sich nun dagegen aussprachen, zeichnete sich in diversen Umfragen ein deutliches Nein ab.

Die Stimmbevölkerung kippt die Vorlage der KVG-Reform Managed Care nach langjähriger Arbeit an der Urne (BRG 04.062)
Dossier: 3. Teilrevision des Bundesgesetzes über die Krankenversicherung (KVG; 2004-2012)

Nach verschiedenen Verhandlungen mit Bundesrat Berset verzichteten die Ärzteverbände, der Spitalverband H+ sowie der Verband Patienten.ch auf das im Vorjahr angekündigte Referendum gegen die Revision des KVG bezüglich der subsidiären Kompetenz des Bundesrates beim Tarmed und der Übermittlung von Patientendaten.

tarification des prestations

Nach langjährigen Verhandlungen war im Vorjahr die Teilrevision des Krankenversicherungsgesetzes (Managed Care) von beiden Räten mit deutlicher Mehrheit angenommen worden. Eine Gruppierung von Spezialärzten, unterstützt vom Schweizerischen Gewerkschaftsbund, hatte bereits vor dem Ratsbeschluss ein Referendum angekündigt. Das eigentliche Referendumskomitee bildete schliesslich eine Vereinigung von Praktikern aus dem Gesundheitswesen, unterstützt von einem Fachärzteverband und einem Verband medizinischen Personals. Am Tag des Ablaufs der Referendumsfrist, dem 19. Januar 2012, wurde das Referendum mit über 130'000 gültigen Unterschriften eingereicht.

Die Stimmbevölkerung kippt die Vorlage der KVG-Reform Managed Care nach langjähriger Arbeit an der Urne (BRG 04.062)
Dossier: 3. Teilrevision des Bundesgesetzes über die Krankenversicherung (KVG; 2004-2012)

Durant l’année sous revue, les chambres ont poursuivi le processus d’élimination des divergences sur le volet relatif aux réseaux de soins intégrés de la révision partielle de la loi sur l’assurance-maladie (LAMal) présentée en 2004 visant à faciliter le développement des modèles de réseaux de soins intégrés (managed care). Au Conseil national, les députés se sont ralliés par 117 voix contre 64 à la position du Conseil des Etats en adoptant une formule potestative dans la fixation de l’étendue de la coresponsabilité budgétaire et des exigences de qualité des réseaux. La gauche a milité en faveur d’une formule contraignante pour le gouvernement, en vain. Les députés ont par contre maintenu les autres divergences notamment sur la question de la quote-part différenciée. Ils ont ainsi rejeté par 63 voix contre 60 une minorité Rossini (ps, VS) suggérant d’adhérer à la position du Conseil des Etats, à savoir une participation aux frais de 5% pour les assurés membres d’un réseau de soins et de 15% pour ceux hors réseau. Ils ont ensuite préféré par 95 voix contre 80 une minorité Bortoluzzi (udc, ZH) proposant des quotes-parts différenciées de respectivement 10% et 20% à la proposition de leur commission proposant de les fixer à 7,5% et 15%. Le Conseil national a encore rejeté par 111 voix contre 88 la proposition du Conseil des Etats de fixer un plafond aux quotes-parts de 500 francs pour les assurés membres d’un réseau et de 1'000 francs pour les autres assurés. Sur ces votes, la gauche s’est opposée en vain à l’augmentation des charges financières des malades. Par ailleurs, les députés ont également réaffirmé par 129 voix contre 52 l’obligation pour les caisses d’assurance-maladie de proposer au moins un réseau de soins intégrés. Seuls un tiers du groupe PLR et la grande majorité du groupe UDC s’y sont opposés estimant que l’offre de réseaux est un avantage comparatif suffisamment incitatif pour que ce type de modèle se développe. La gauche et le groupe PDC se sont inquiétés de l’obligation pour certains assurés de payer une quote-part plus élevée en raison de l’absence de réseau dans leur région. En outre, les députés ont maintenu l’augmentation de prime supérieure à la moyenne comme motif de résiliation avant l’échéance d’un contrat et ont rejeté par 115 voix contre 61 une minorité Schenker (ps, BS) proposant de ne pas autoriser des durées de contrat allant jusqu’à trois ans. Ils ont toutefois obligé les assureurs à proposer des contrats d’une année. Finalement, le Conseil national a introduit sans opposition une nouvelle disposition visant à interdire aux caisses-maladie de gérer et de cofinancer des réseaux. Au Conseil des Etats, les sénateurs ont adhéré à la position du Conseil national relativement aux motifs de résiliation d’un contrat d’assurance. Toutefois, certaines divergences ont été maintenues. Les sénateurs ont ainsi adopté par 21 voix contre 19 une proposition de leur commission fixant des quotes-parts de 7,5% pour les assurés membres d’un réseau et de 15% pour ceux optant pour une prise en charge plus traditionnelle, alors qu’une minorité Gutzwiller (plr, ZH) a suggéré d’adhérer à la proposition du Conseil national. Ils ont également confirmé sans opposition leur volonté de mettre en place des plafonds à la participation des assurés et ont maintenu sans opposition également leur refus de ne pas obliger les assureurs à proposer des réseaux de soins intégrés. Toutefois, ils ont introduit une disposition permettant au gouvernement de prendre les mesures appropriées si dans un délai de cinq ans à partir de l’application de la loi, l’offre de réseaux n’est pas généralisée. Les sénateurs ont finalement suivi par 33 voix contre 10 la proposition de leur commission en s’opposant à l’introduction de la clause interdisant les caisses-maladie de gérer ou cofinancer des réseaux de soins. Leur commission estime que la disposition peut être aisément contournée à travers la création d’une holding et que, formellement, elle ne peut être recevable car introduite au cours de la procédure d’élimination des divergences. De retour au Conseil national, les députés ont adhéré par 110 voix contre 43 à la position du Conseil des Etats en fixant des plafonds maximaux de participation aux frais des patients. Cependant, ils ont décidé de supprimer la possibilité pour le Conseil fédéral d’ajuster ce montant en fonction du renchérissement. Quant au montant des quotes-parts, ils ont maintenu par 98 voix contre 54 leur position précédente malgré une minorité Jacqueline Fehr (ps, ZH). Ils ont également maintenu par 128 voix contre 35 l’obligation pour les assureurs de proposer des réseaux de soins intégrés et par 121 voix contre 22 l’interdiction pour ces derniers de les gérer ou de les cofinancer.

Devant la confirmation de ces divergences, il a été nécessaire de convoquer une conférence de conciliation qui a proposé de fixer une quote-part de 10% pour les membres de réseaux et de 15% pour les autres, de ne pas obliger les assureurs à proposer des réseaux sur l’ensemble de leur territoire d’activités mais d’obliger le gouvernement à intervenir dans les trois ans si ce type d’offre n’est pas généralisé, de donner la possibilité au Conseil fédéral d’adapter le plafond de participation aux coûts en fonction du renchérissement et d’interdire la gestion ou le cofinancement de réseaux de soins par les assureurs tout en prévoyant un délai transitoire de 5 ans. Le Conseil des Etats a adhéré par 28 voix contre 9 à la proposition de la conférence. Au Conseil national, le groupe socialiste s’est opposé à la proposition considérant que le projet initial a été vidé de sa substance. Le groupe a critiqué l’accroissement des charges sur les assurés et l’absence d’obligation pour les assureurs de proposer des réseaux. Le groupe écologiste et le bloc bourgeois se sont montrés majoritairement favorables à la proposition estimant qu’elle demande une participation de tous les acteurs, renforce la médecine de famille et freine l’augmentation des prestations. Les députés ont donc accepté par 111 voix contre 39 la proposition. Au vote final, et après avoir corrigé une lacune relative aux dispositions transitoires en maintenant la législation en vigueur dans les cantons ne disposant pas de réseau, la chambre haute et la chambre basse ont adopté le projet par respectivement 28 voix contre 6 et 133 voix contre 46 et 17 abstentions. Dans cette dernière chambre, la majorité du groupe socialiste, un tiers du groupe écologiste et une partie du groupe UDC se sont opposés au projet. Un groupe de praticiens réunissant des spécialistes libéraux et des médecins favorables à la caisse unique ainsi que l’USS ont annoncé vouloir lancer un référendum.

Die Stimmbevölkerung kippt die Vorlage der KVG-Reform Managed Care nach langjähriger Arbeit an der Urne (BRG 04.062)
Dossier: 3. Teilrevision des Bundesgesetzes über die Krankenversicherung (KVG; 2004-2012)

Über das Referendum gegen die 4. Revision des Arbeitslosenversicherungsgesetzes, welches die Gewerkschaften zusammen mit den linken Parteien ergriffen hatten, wurde am 26. September abgestimmt. Das Volk nahm die Änderung des Arbeitslosenversicherungsgesetz mit 53,4% an. Gegen die Änderung des Arbeitslosenversicherungsgesetzes hatten nur die Urheber des Referendums Parolen gefasst; alle anderen grossen Parteien empfahlen die Änderung zur Annahme. Auffallend war, dass sich die Parteien auch bei den kantonalen Sektionen einig waren. Einzig bei der EVP wichen zwei Kantonalparteien vom Parolenentscheid ab.


Abstimmung vom 26. September 2010

Beteiligung: 35,5%
Ja: 958 913 (53,4%)
Nein: 836 101 (46,6%)

Parolen:
– Ja: FDP, CVP, SVP, EDU, FP, GLP, BDP; ZSA, eco, SGV, SBV.
– Nein: SP, EVP (2*), CSP, PdA, GP, SD, KVP; SGB, TravS.
* In Klammer Anzahl abweichender Kantonalsektionen

4. Revision der Arbeitslosenversicherung

Bei den kantonalen Abstimmungsergebnissen zeigten sich Unterschiede in den verschiedenen Sprachregionen der Schweiz. Während die französische und die italienische Schweiz die Änderung des Arbeitslosengesetzes ausnahmslos ablehnten, gab es in der Deutschschweiz mit Basel-Stadt nur einen einzigen Kanton, der die Änderung nicht befürwortete. Für den Abstimmungsentscheid waren gemäss Vox-Analyse im Wesentlichen der Links-Rechts-Gegensatz und das Alter von Bedeutung. Personen, die sich politisch links einstuften, verwarfen die Vorlage mehrheitlich. Die Altersklassen mit den höchsten Beschäftigungsrisiken, die von der Verlängerung der Karenzzeiten am meisten betroffen sind, also vor allem die jungen Stimmberechtigten, lehnten die Revision deutlich ab. Die über 70-jährigen Stimmbürger, welche als Leistungsbezüger nicht mehr in Frage kommen, stimmten den Leistungskürzungen mehrheitlich zu. Während den Ja-Stimmenden die finanzielle Sicherung der Arbeitslosenversicherung besonders wichtig war, stellte für die Nein-Stimmenden die Solidarität mit den Arbeitslosen das wichtigste Motiv dar.

4. Revision der Arbeitslosenversicherung

Die beiden verbliebenen Differenzen bereinigte der Ständerat, indem er den Beschlüssen des Nationalrates diskussionslos zustimmte. In der Schlussabstimmung stimmte er dem Entwurf mit 32 zu 12 Stimmen zu. Im Nationalrat äusserten sowohl die SVP als auch die Linke ihren Unmut über die Vorlage. Die SVP enthielt sich in der Schlussabstimmung der Stimme und die Ratslinke stellte in Aussicht, dass sie bei Annahme der Vorlage zusammen mit den Gewerkschaften das Referendum ergreifen werde. Der Nationalrat stimmte der Vorlage schliesslich mit 91 zu 64 Stimmen bei 37 Enthaltungen zu.

4. Revision der Arbeitslosenversicherung

Am 7. März stimmte das Volk über das fakultative Referendum gegen die Anpassung des Mindestumwandlungssatzes bei der zweiten Säule ab. Diese hatte das Parlament im Jahr 2008 beschlossen. Das Volk lehnte die Anpassung des Umwandlungssatzes wuchtig mit einer Mehrheit von 72,7% ab. Das fakultative Referendum unterstützten die Links-Parteien, die Grünen und die CVP sowie die wichtigsten Gewerkschaftsorganisationen. Die Gegner der Anpassung lehnten die Rentenkürzungen im Allgemeinen ab und hielten diese für verfassungswidrig. Sie waren den Pensionskassen und Versicherungen gegenüber sehr skeptisch eingestellt und vertraten die Ansicht, dass diese in erster Linie eine Gewinnmaximierung anstrebten. Befürworter einer Änderung des Mindestumwandlungssatzes waren unter anderem die SVP und die FDP. Sie machten geltend, dass eine Anpassung des Umwandlungssatzes wegen der gesteigerten Lebenserwartung nötig sei und dass die Beiträge ohne die Senkung des Mindestumwandlungssatzes heraufgesetzt werden müssten.


Abstimmung vom 7. März 2010

Beteiligung: 44,9%
Ja: 617 209 (27,3%) / Stände: 0
Nein: 1 646 369 (72,7%) / Stände: 20 6/2

Parolen:
– Ja: FDP (1*), CVP (5*), SVP (6*), EVP (4*), EDU (2*), GLP (3*), BDP (1*); ZSA, eco, SGV, SBV.
– Nein: SP, CSP, PdA, GP, SD (1*), Lega; SGB, TravS.
* In Klammer Anzahl abweichender Kantonalsektionen

Bundesgesetz über die berufliche Alters-, Hinterlassenen- und Invalidenvorsorge (BVG) (Mindestumwandlungssatz)

Am 7. Juni stimmte das Volk mit einer Mehrheit von 59,1% der 5. Revision des Invalidenversicherungsgesetzes zu. Die im Vorjahr vom Parlament beschlossene Revision beinhaltete einerseits einige Sparmassnahmen wie die vor allem angegriffene Abschaffung der Zusatzrente für Ehepartner und wollte andererseits die Integration von Behinderten in das Berufsleben verbessern. Eine Mehrzahl von Behindertenorganisationen, die SP, die GP und die Gewerkschaften bekämpften das Projekt. Ihr Hauptargument war, dass damit die Behinderten die alleinige Last der Sanierung der defizitären Invalidenversicherung tragen müssten. Die grösste Invalidenorganisation, die Pro Infirmis, hatte wegen der von ihr als positiv eingeschätzten Integrationsmassnahmen das Referendum nicht unterstützt und verzichtete auf die Abgabe einer Parole. Zu den Befürwortern der Revision zählten FDP, CVP, SVP, EVP, LP sowie die Unternehmerverbände. Dabei unterschieden sich allerdings ihre Argumentationen. Die FDP und die CVP betonten die Notwendigkeit von Sparmassnahmen mit dem Zweck des Abbaus des Defizits während die SVP – kurz vor den nationalen Wahlen – die Vorlage als ihr zu verdankende Massnahme zur Bekämpfung der betrügerischen Inanspruchnahme der IV durch so genannte Scheininvalide propagierte. Trotz einer zum Teil sehr emotional geführten Kampagne interessierten sich nur relativ wenige Stimmberechtigte für das Thema; die Stimmbeteiligung lag mit 36,2% weit unter dem Durchschnittswert.

Die Zustimmung fiel mit fast 60% klar aus und war in den ländlichen zentral- und ostschweizerischen Regionen am ausgeprägtesten. Eine ablehnende Mehrheit gab es nur in den Westschweizer Kantonen Neuenburg, Genf, Freiburg und Jura, wobei einzig im Jura (55% Nein) die Entscheidung deutlich war. Die Vox-Analyse ergab, dass insbesondere die Einstufung auf der Links-Rechts-Achse und eng verbunden damit die Parteisympathie den Ausschlag für den Entscheid gegeben hatten. Sich links einstufende Personen und Anhänger der SP stimmten im Verhältnis drei zu eins dagegen. Die Sympathisanten der CVP stimmten zu 67% mit Ja, diejenigen der FDP und der SVP zu 86% resp. 89%. Bei den Argumenten war zwischen den Befürwortern und Gegnern vor allem die Frage umstritten, ob es sich bei der Revision um einen Sozialabbau handle oder nicht. Einige Wirkung zeigte auch das SVP-Argument, dass die IV oft missbräuchlich bezogen und die Revision dies in Zukunft verhindern würde.


Abstimmung vom 17. Juni 2007

Beteiligung: 36,2%
Ja: 1'039'282 (59,1%)
Nein: 719'628 (40,9%)

Parolen:
– Ja: CVP, FDP, SVP, LP, EVP (1*), EDU, FPS, Lega; Economiesuisse, SGV, SBV.
– Nein: SP, GP, CSP, PdA, SD; SGB, Travail.Suisse.
* In Klammer Anzahl abweichender Kantonalsektionen

Das Volk bestätigt die 5. IV-Revision an der Urne (BRG 05.052)
Dossier: Fünfte IV-Revision (2004-2009)

Wegen der Aufhebung der Zusatzrente für Ehepartner und des Karrierezuschlags ergriffen mehrere kleinere Behindertenorganisationen, allen voran die Behinderten-Selbsthilfeorganisation „Zentrum für Selbstbestimmtes Leben“, das Referendum gegen die Revision, die sie als Sozialabbau auf dem Buckel der Schwächsten bezeichneten. Ihnen schloss sich Agile, der Dachverband der Behinderten-Selbsthilfe an. Die grossen Organisationen, so etwa Pro Infirmis und die Dachorganisationenkonferenz der privaten Behindertenhilfe (DOK) werteten die Sanierung der Versicherung und die verstärkten Möglichkeiten zur beruflichen Eingliederung höher und sprachen sich gegen das Referendum aus. Relativ rasch sprang die Grüne Partei auf den Referendumszug auf. Die SP und die Gewerkschaften zeigten sich hingegen gespalten. Während sich der SGB trotz Kritik an der Revision ablehnend verhielt, unterstützten seine Dachorganisationen in den Kantonen Bern und Freiburg das Referendum. Gegen die SP Frauen und die Junge SP erklärte die SP-Parteileitung ihren Verzicht: Eine breit geführte Referendums- und Abstimmungskampagne würde nur die von der SVP lancierte Polemik über die „Scheininvaliden“ anheizen und der SP im Wahljahr eine sichere Abstimmungsniederlage bescheren. Die Parteileitung wurde jedoch von der Delegiertenversammlung überstimmt und musste das Referendum unterstützen.

Das Volk bestätigt die 5. IV-Revision an der Urne (BRG 05.052)
Dossier: Fünfte IV-Revision (2004-2009)

In der Vox-Analyse dieses Urnengangs erschien die parteipolitische Positionierung als das dominante Erklärungsmoment für den Stimmentscheid. Mit 83% Nein verwarfen die Sympathisanten der SP die Revision wuchtig. Die FDP konnte eine Mehrheit (56%) ihrer Anhängerschaft von ihrer Ja-Parole überzeugen. Dies gelang der CVP lediglich zu 46% und der SVP sogar nur zu 41%. Die Deutschschweiz stimmte mit 35% Ja-Stimmen eher zu als die Welschschweiz (25%), doch war der Unterschied nicht mehr so relevant wie in früheren Abstimmungen zur AHV. Anders als bei der 10. AHV-Revision nahmen die Männer mit 38% Ja deutlich stärker an als die Frauen (25%), wobei der Unterschied (ausser bei den über 70-Jährigen) linear mit dem Alter zunahm. Die 50- bis 59-jährigen Männer nahmen die Revision sogar knapp an, während die Frauen der gleichen Altersklasse sie zu 80% ablehnten. Als Entscheidmotiv wurde von den Befürwortern mehrheitlich die Sicherung der Sozialwerke genannt; die Gründe der Gegner waren weniger einheitlich, artikulierten aber doch zu einem grossen Teil die Sorge um die Errungenschaften des Sozialstaats.

11. AHV-Revision (BRG 00.014)
Dossier: 11. AHV-Revision (1991-2004; 2005-2010)
Dossier: Debatten um das Frauenrentenalter

In der Volksabstimmung vom 16. Mai wurde auch die Mehrwertsteuererhöhung zu Gunsten von AHV und IV mit über 68% Nein-Stimmen wuchtig verworfen. Am deutlichsten erfolgte die Ablehnung im Kanton Jura, wo nur 18,9% der Stimmenden ein Ja in die Urne legten. Es folgten die Kantone Wallis (20%) sowie Nid- und Obwalden mit 21,7 resp. 22,7%. Am höchsten war der Ja-Stimmenanteil im Kanton Basel-Stadt mit 39,3%, gefolgt von Zürich (36,6%) und Bern (34,1%).


Abstimmung vom 16. Mai 2004

Beteiligung: 50,8%
Ja: 756 550 (31,4%)
Nein: 1 651 347 (68,6%)

Parolen:
– Ja: CSP, CVP, EVP, GPS, SPS; SBV, SGB, Travail.Suisse
– Nein: EDU, FDP, FPS, Lega, LPS, PdA, SD, SVP; Economiesuisse, SGV

11. AHV-Revision (BRG 00.014)
Dossier: 11. AHV-Revision (1991-2004; 2005-2010)
Dossier: Debatten um das Frauenrentenalter

Gegen die 11. AHV-Revision hatte der SGB im Vorjahr mit Unterstützung von SP, GP und Travail.suisse das Referendum ergriffen und mit in Rekordzeit gesammelten über 150'000 Unterschriften eingereicht. Im Abstimmungskampf standen sich zwei klar abgesteckte Lager gegenüber. Auf der einen Seite das links-grün-gewerkschaftliche, welches die Revision mit der Erhöhung des Frauenrentenalters, den Abstrichen bei der Witwenrente, dem verlangsamten Teuerungsausgleich sowie dem nicht eingehaltenen Versprechen auf eine sozial abgefederte Frühpensionierung als reine „Sozialabbauvorlage“ bezeichnete, auf der anderen Seite die bürgerlichen Parteien, für welche die Revision einen dringend notwendigen Beitrag zur Sicherung der Sozialwerke darstellte. Im Vorfeld der Abstimmung vom 16. Mai gaben die meisten Beobachter der Revision nur geringe Erfolgschancen. Das Ausmass der Ablehnung – über zwei Drittel Nein-Stimmen – erstaunte dennoch. In sämtlichen Kantonen wurde die Vorlage verworfen. Am deutlichsten war die Verweigerung im Kanton Jura mit lediglich 13,6% Ja-Stimmen, gefolgt vom Wallis (17,6%) und dem Kanton Neuenburg (21%). Am meisten Zustimmung fand die Revision in den Kantonen Appenzell Innerrhoden (45,9%), Appenzell Ausserrhoden (41,1%) und Nidwalden (40,1%). Während im links-grünen Lager der deutliche Entscheid mit grossem Jubel aufgenommen wurde, da er zeige, dass sich das Volk einem Rentenabbau widersetze, versuchten die Vertreter des bürgerlichen Lagers, die Bedeutung ihrer Niederlage herunter zu spielen. Einig war man sich allerdings, dass das von Bundesrat Couchepin in die Diskussion gebrachte Rentenalter 67 praktisch vom Tisch sei; es könne nur noch darum gehen, das AHV-Alter, das heute faktisch bei 62 Jahren liegt, durch geeignete Massnahmen wieder an die gesetzlich vorgesehenen 65 Jahre anzunähern.


Abstimmung vom 16. Mai 2004

Beteiligung: 50,8%
Ja: 772 773 (32,1%)
Nein: 1 634 572 (67,9%)

Parolen:
– Ja: FDP, SVP, CVP, LPS, EDU; Economiesuisse, SAGV, SGV, SBV.
– Nein: SP, GP, CSP, EVP, Lega; SGB, Travail.suisse.
* In Klammern Anzahl abweichender Kantonalsektionen

11. AHV-Revision (BRG 00.014)
Dossier: 11. AHV-Revision (1991-2004; 2005-2010)
Dossier: Debatten um das Frauenrentenalter

Da es sich bei Mehrwertsteueranpassungen um Verfassungsänderungen handelt, unterstand der Finanzierungsbeschluss dem obligatorischen Referendum. Die Vorlage wurde dem Volk am gleichen Abstimmungswochenende wie die 11. AHV-Revision unterbreitet, gegen welche die Linke das Referendum ergriffen hatte. Obgleich die FDP-Fraktion der Finanzierungsvorlage als Teil eines ausgewogenen Ganzen zugestimmt hatte, bröckelte die freisinnige Zustimmung angesichts der Opposition der Wirtschaft in den Wochen vor der Abstimmung zusehends. Schliesslich gab die Partei die Nein-Parole aus. Als Hauptargument nannte sie ihre Ablehnung von „Steuern auf Vorrat“ sowie das Zustandekommen des Referendums gegen die 11. AHV-Revision. Beobachter bezeichneten die Begründung allerdings als etwas fragwürdig: Das Mehrwertsteuerprozent sollte erst erhoben werden, wenn es wegen der demographischen Entwicklung wirklich nötig ist. Zudem hätte die tatsächliche Einführung einen Parlamentsbeschluss benötigt, gegen den das Referendum hätte ergriffen werden können. Die SVP hatte von Anbeginn erklärt, dass sie die Mehrwertsteuererhöhung bekämpfen werde und zur Sicherung der AHV-Finanzierung auf das Nationalbankgold setzen wolle. Als dann auch noch ein Teil der Gewerkschaftsbewegung ein Fragezeichen hinter die „unsoziale“ Erhöhung der Mehrwertsteuer setzte, schien das Schicksal der Vorlage besiegelt. Es zeigte sich, dass es fatal gewesen war, die beiden Finanzierungsbeschlüsse zu AHV und IV nicht aufzusplitten, wie dies der Ständerat vorerst angeregt hatte; eine differenzierte Stimmabgabe war unter diesen Voraussetzungen nicht möglich.

11. AHV-Revision (BRG 00.014)
Dossier: 11. AHV-Revision (1991-2004; 2005-2010)
Dossier: Debatten um das Frauenrentenalter

Das von der SVP ergriffene Referendum gegen die Öffnung der Erwerbsersatzordnung für Frauen bei Mutterschaft, welche für (unselbständig und selbständig) erwerbstätige Frauen eine Lohnfortzahlung während 14 Wochen von 80% des letzten massgebenden Lohnes sicherstellt, beschränkt allerdings auf maximal CHF 172 pro Tag, kam trotz fehlender Unterstützung durch die Wirtschaft mit etwas über 70'000 Unterschriften zustande.

Ausweitung der Erwerbsersatzansprüche auf erwerbstätige Mütter (Pa.Iv. 01.426)
Dossier: Schaffung einer Mutterschaftsversicherung (1989-2004)

An ihrer Delegiertenversammlung von Anfang Oktober beschloss die SP geschlossen, das Referendum gegen die 11. AHV-Revision zu ergreifen. Begründet wurde dieser Entscheid zwar auch mit der Erhöhung des Rentenalters der Frauen und den Abstrichen bei der Witwenrente, wodurch die Frauen gleich doppelt zur Kasse gebeten würden. Im Zentrum stand aber der Verzicht der bürgerlichen Parlamentsmehrheit auf eine soziale Abfederung des flexiblen Rentenalters. In einer koordinierten Aktion machte der Schweizerische Gewerkschaftsbund (SGB) zwischen dem 20. und dem 22. November an 200 Standorten für das Referendum gegen die 11. AHV-Revision mobil. In 48 Stunden kam die Rekordzahl von über 80'000 Unterschriften zusammen. Da auch weitere Organisationen (SP, GP, Travail.Suisse) zur Sammlung beitrugen, kam das Referendum mit 152'031 Unterschriften zustande.

11. AHV-Revision (BRG 00.014)
Dossier: 11. AHV-Revision (1991-2004; 2005-2010)
Dossier: Debatten um das Frauenrentenalter

Noch bevor der Mutterschaftsurlaub im Ständerat behandelt wurde, forderte Nationalrat Blocher (svp, ZH) seine Partei zum Referendum auf. Dieses wurde im Sommer von der Delegiertenversammlung fast einstimmig beschlossen. Sukkurs erhielt die SVP von einigen rechtsfreisinnigen Parlamentariern. Der Arbeitgeberverband, der 1999 noch die Nein-Parole ausgegeben hatte, winkte nun ab; er hatte zwar aus ordnungspolitischen Gründen keine Freude an der Vorlage, bezeichnete sie aber als das kleinere Übel als eine Lösung über das OR. Vom Gewerbeverband war ebenfalls keine Unterstützung für das Referendum zu erwarten, ist doch die neue Lösung, welche vor allem die KMU entlastet, massgeblich von dessen Direktor eingebracht worden.

Ausweitung der Erwerbsersatzansprüche auf erwerbstätige Mütter (Pa.Iv. 01.426)
Dossier: Schaffung einer Mutterschaftsversicherung (1989-2004)

Die Vox-Analyse zur Revision des Arbeitslosenversicherungsgesetzes zeigte, dass das Abstimmungsverhalten weitgehend von der Parteisympathie für die SP, deren Anhänger die Vorlage zu 77% ablehnten, und von den Vorstellungen der Rolle des Staates in der Wirtschaft bestimmt waren. Letzteres erklärt, weshalb die stärker auf Staatsintervention setzenden SVP-Sympathisanten mit Ja-Stimmenanteilen von 67% die Revision wesentlich weniger deutlich annahmen als jene der FDP mit 88%. Weitere Verhaltensunterschiede traten in Bezug auf Alter, Sprachregionen und Erwerbstätigkeit auf. Am deutlichsten wurde die Vorlage von den über 60-jährigen Stimmberechtigten angenommen, die von der Revision nicht mehr betroffen sind, sowie von der Altersklasse der 18- bis 29-Jährigen, allerdings nur von denen, die im Arbeitsprozess integriert sind. Die Ablehnung in der Romandie wurde darauf zurückgeführt, dass die Linke dort insgesamt stärker ist als in der Deutschschweiz, sowie auf die im Durchschnitt doppelt so hohe Arbeitslosigkeit, weshalb es auch in der politischen Mitte und bei der Rechten mehr Nein-Stimmen gab. Ein Vergleich mit der 1997 für die Linke erfolgreichen Abstimmung gegen den dringlichen Bundesbeschluss zum AVIG vom Dezember 1996 zeigte, dass die Niederlage der Linken und Gewerkschaften auf die geringere Unterstützung durch die eigene Klientel zurückzuführen war. Besonders ausgeprägt fiel diese Aufweichung der Nein-Front in der Romandie aus, wo die Gewerkschaften 1997 noch auf eine fast 100%-ige Unterstützung der Linken hatten zählen können. Die zweite auffallende Veränderung im Stimmverhalten war das Verschwinden des Unterschieds zwischen Frauen und Männern, der 1997 noch 13 Prozentpunkte betragen hatte. Während damals die Frauen, egal ob erwerbstätig oder nicht, deutlich gegen die Revision gestimmt hatten, verhielten sie sich diesmal gleich wie die Männer.
Auf Antrag des EVD beschloss der Bundesrat Ende November, die AVIG-Revision auf der Beitragsseite vorzuziehen und die Lohnbeiträge auf den 1. Januar 2003 entsprechend zu senken.

3.Revision des Gesetzes über die Arbeitslosenversicherung (AVIG)

Eine „Vereinigung zum Schutz der Arbeitslosen“ aus La-Chaux-de-Fonds (NE) und die Gewerkschaften SGB und CNG ergriffen mit Unterstützung der SP und der Grünen erfolgreich das Referendum gegen die Revision. Sie kritisierten insbesondere die zeitliche Kürzung des Taggeldanspruchs sowie die Streichung des Solidaritätsbeitrages der Besserverdienenden. Die Befürworter der Revision erklärten demgegenüber, mit der Revision sei ein soziales, konjunkturunabhängiges und wirkungsvolles System zur Unterstützung der Arbeitslosen geschaffen worden. Der Abstimmungskampf war nicht sehr heftig, da die Positionen im Rechts-Links-Schema klar bezogen waren und die Vorlage im Schatten der stark polarisierenden Volksinitiative der SVP „gegen Asylrechtsmissbrauch“ stand, die gleichentags zur Abstimmung gelangte.
In der Volksabstimmung vom 24. November wurde die AVIG-Revision mit rund 56% der Stimmen angenommen, wobei allerdings die Kantone Wallis, Neuenburg, Genf und Jura Nein-Stimmenanteile von zum Teil deutlich über 50% aufwiesen. Die stärkste Zustimmung fand die Vorlage im Kanton Appenzell-Innerrhoden mit über 68% Ja-Stimmen sowie in Obwalden und Graubünden mit mehr als 62% .

Abstimmung vom 24. November 2002

Beteiligung: 47,8%
Ja: 1 234 623 (56,1%)
Nein: 966 626 (43,9%)

Parolen:
– Ja: FDP (1*), CVP (1*), SVP, LP, FPS, EDU; Economiesuisse, SAGV, SGV
– Nein: SP, GP, EVP, Lega, PdA, CSP; SGB, CNG, KV Schweiz; Caritas
– Stimmfreigabe: SD
* In Klammer Anzahl abweichender Kantonalsektionen

3.Revision des Gesetzes über die Arbeitslosenversicherung (AVIG)

Wie bereits bei der Behandlung im Parlament angedroht, wurde im Januar von der Jungen SVP mit Unterstützung bürgerlicher Politikerinnen sowie der Präsidenten von Arbeitgeber- und Gewerbeverband das Referendum gegen die vom Parlament im Vorjahr verabschiedete Mutterschaftsversicherung ergriffen. Hauptargument der Gegnerinnen und Gegner der Vorlage war, mit den Beschlüssen des Parlaments sei ein neuer Sozialversicherungszweig „auf Pump“ eingeführt worden, der mit dem Verzicht auf eine vorgängige Mehrwertsteuerabstimmung am Volk „vorbeigemogelt“ werden solle und erst noch nach dem Gieskannenprinzip funktioniere. Prominent im Referendumskomitee vertreten waren die Nationalrätinnen Egerszegi (fdp, AG), Fehr (svp, ZH), Florio (lp, VD) sowie deren Vorgängerin Sandoz. Praktisch gleichzeitig konstituierte sich ein bürgerliches Pro-Komitee, dem auf FDP-Seite – neben der Zürcherin Nabholz – mehrheitlich Parlamentarierinnen aus der Romandie angehörten. Aus der CVP engagierten sich vor allem Dormann (LU) und Zapfl (ZH). Die SVP war hier lediglich mit Gadient (GR) vertreten; immerhin erhielt sie Unterstützung von der ehemaligen SVP-Generalsekretärin Welti.

Bundesgesetz über die Mutterschaftsversicherung (MSVG; BRG 97.055)
Dossier: Schaffung einer Mutterschaftsversicherung (1989-2004)

Bundesbeschluss über die Finanzierung der Arbeitslosenversicherung
Abstimmung vom 28. September 1997


Beteiligung: 40,6%
Nein: 931'457 (50,8%)
Ja: 901'361 (49,2%)

Parolen:
- Nein: SP, GP, LdU, SD, Lega, PdA; SGB, CNG, Angestelltenverbände.
- Ja: FDP, CVP (3*), SVP, LP, EVP, FP, EDU; SGV, Arbeitgeberverband, Vorort.

* In Klammer Anzahl abweichender Kantonalsektionen


Mit rund 30'000 Stimmen Unterschied fiel das Resultat ziemlich knapp aus. Zur Ablehnung trugen vor allem die Westschweizer Kantone bei. Am deutlichsten scheiterte die Vorlage im Kanton Jura, wo der Nein-Stimmen-Anteil 80,4% betrug. Unterstützung erhielten die Romands aus dem Wallis (62,5%) und dem Tessin (53,2) sowie aus den Nordwestschweizer Kantonen Basel-Stadt (52,3%), Basel-Land (50,1%) und Solothurn (51,3%). Während in Regionen mit hoher Arbeitslosigkeit die Nein-Stimmen überwogen, befürworteten vor allem die Stimmberechtigten in den Regionen mit einer geringen Arbeitslosenquote die Kürzung der Taggelder, allen voran die beiden Appenzell sowie St. Gallen und Glarus.

Voranschlag 1997: Dringlicher Bundesbeschluss ALV (BRG 96.070)
Dossier: 2. Teilrevision des Arbeitslosenversicherungsgesetzes (AVIG; 1992-1997)